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  #16  
Alt 26.02.2011, 19:03
Benutzerbild von HelmutL
HelmutL HelmutL ist offline
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Ort: Dreiländereck
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Lächeln AW: Reise - ohne Wiederkehr

Liebe Ulphin,

eine neue Partnerin für deinen Vater. Immer wieder ein Thema auch bei vielen anderen. Ich hab das auch versucht und hab das wieder aufgegeben. Zumindest vorläufig . Jeder hat diese Freiheit, ob der verstorbene Partner das nun explizit "erlaubt" hat oder nicht. Wobei es durchaus für den Hinterbliebenen ein beruhigendes Gefühl ist, diese Erlaubnis zu haben. Niemand muss sein Leben alleine fristen. Dafür ist der Mensch an- und fürsich nicht gebaut. Doch jeder muss das für sich selber entscheiden.

Ich hoffe, dein Vater hat sich das wohl durchdacht. Trauer ist ein starkes Gefühl und wenn man jemanden findet, bei dem man sich ausheulen kann, so heisst das noch lange nicht, dass es für eine lange Beziehung reicht. Im Überschwang des Gefühls: ich werde verstanden, in den Arm genommen, ich bin nicht alleine, man kann zusammen lachen und reden, gemeinsam vieles unternehmen, glaubt Mann nur zu gerne, das ist eine neue Liebe.

Die grosse Gefahr dabei ist, es ist eine Beziehung zu dritt. Deine Mama wird immer noch mit am Tisch sitzen, mit ins Kino gehen oder was weiss ich. Dein Vater wird auch zukünftig immer noch seine Zeit brauchen, um sich deiner Mama zu widmen, um zu trauern. Alleine, ohne die neue Partnerin. Wichtige Fragen stellen sich da in den Raum. Kann man als Trauernder die ständige Anwesenheit einer neuen Partnerin überhaupt ertragen? Und, noch viel wichtiger: kann die neue Partnerin das aushalten? Das sind ein sehr wichtige Aspekte. Nämlich sich auch zu überlegen, was und wie sie fühlt, welche Vorstellungen sie hat. Welche Belastung man ihr damit zumutet. Was passiert, wenn dein Vater vielleicht feststellt, dass er doch noch nicht mit jemand anderem zusammen leben kann? Eine erneute Trennung wäre für deinen Vater vielleicht sehr schwer zu überstehen sein. Von der neuen Partnerin garnicht zu reden. Sie darf nicht benutzt werden! Vor 40 Jahren brauchte er sich darüber keine Gedanken zu machen.

Dein Vater ist keine 20 oder 30 mehr und die Situation, aus welcher heraus er eine neue Bindung eingehen möchte, ist eine komplett andere als damals. 40 Jahre zieht man nicht mit dem Unterhemd aus. Er treibt leckgeschlagen auf stürmischer See und greift nach einem Rettungsanker. Erst wenn sämtliche Lecks repariert sind (und wenn auch nur notdürftig), sollte er weiterdenken. Hat das "Rettungsschiff" (sorry den Ausdruck, er passt halt so schön ) die Reperaturarbeiten überstanden und man fährt immer noch Bord an Bord, dann kannn und sollte man es versuchen. Doch auch eine tiefe Freundschaft ist etwas sehr Wertvolles, das es zu bewahren gilt und hält sehr oft sehr viel länger als so manche enge Beziehung.

Jetzt mal was Positives. Vorgestern im Laden meiner Tochter. Ein Mann kommt herein. So Mitte 70, Witwer. Ausnahmsweise mal alleine. Sehr freundlich und an seinen Fältchen um die Augen sieht man, dass er sehr gerne und viel lacht. Immer noch ein stolzer Mann und gesundheitlich voll auf der Hohe. Meine Tochter kennt ihn seit etlichen Jahren und er ist mir ihr "umgezogen". Sag ich mal. Auf einer Geburtstagsfeier, so hat er ihr mal erzählt, hat er seine jetzige Lebensgefährtin kennengelernt. Auch sie ist Witwe. Man verstand sich, ging zusammen aus und irgendwann fragte man: warum nebeneinander alleine sein? Also zieht man zusammen und ist glücklich miteinander. Man sieht es. Hand in Hand laufen sie durchs Dorf. Gemeinsam kauft man je eine Rose und bringt sie gemeinsam auf den Friedhof. Ich finde, ein tolles Paar. Oder?

Etliche hier aus dem Forum haben bereits einen neuen Partner gefunden. Mal früher, mal später. Sie wissen genau, was der aus zu halten hat. Und es geht doch!

Ich denke, du verstehst, was ich mit meiner Schreiberei sagen möchte.


Dir alles Liebe und deinem Vater: toi, toi, toi .....

Helmut
__________________
Zeit zum Weinen, Zeit zum Lachen.
http://www.krebs-kompass.org/howthread.php?t=31376
http://www.krebs-kompass.de/showthread.php?t=48070

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  #17  
Alt 26.02.2011, 23:37
Benutzerbild von IreenS
IreenS IreenS ist offline
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Ort: Oberfranken
Beiträge: 448
Standard AW: Reise - ohne Wiederkehr

Hallo,

ich schreib jetzt einmal auf Helmuts Zeilen.

Ich - für mich persönlich - denke,
wenn mir jemand vor die Füße fällt, dann soll es wohl so sein.

Mein Patenonkel z.B. hatte nachdem er Witwer geworden war
Kontakt mit den Bekannten und Freundinnen seiner Frau.
Und irgendwann hat es sich für eine sehr alte Freundin seiner Frau
und ihn als gute Idee erwiesen dann doch in ein Haus zu ziehen
und so nicht allein zu sein.

Für einen kommt dieser Moment ziemlich rasch
für einen anderen später oder nie.

Ich denke, da sollte man nicht hinein reden.
Sollte mir noch einmal jemand "vor die Füße fallen"
bin ich auf jeden Fall überzeugt,
dass meine Kinder dafür offen sind - es ist ja auch mein Leben.

Noch dazu: mein Vater ist sehr bald verstorben,
meine Mutter war noch noch nicht 40 als sie Witwe wurde.
Wir Kinder hätten vielleicht auch ein Problem mit einem neuen Partner gehabt,
aber ich meine darauf sollte der "Betroffene" keine übertriebene Rücksicht nehmen.

Schließlich ist jeder seine Glückes Schmied,
da sollte man nicht rein reden.

Keine Frage, dass man Sorge hat - ist auch klar.
Aber trotzdem: jeder ist für sich verantwortlich - sollte für sich sorgen.
Ist mir auch erst ziemlich spät klar geworden.

Alles Gute
Ireen
__________________
http://www.myvideo.de/watch/4892460/...ume_leben_ewig


Wolfgang *03.04.1947 - +18.10.2008

Christel *17.05.1950 - +12.04.2011
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  #18  
Alt 27.02.2011, 02:59
ulphin ulphin ist offline
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Beiträge: 140
Standard AW: Reise - ohne Wiederkehr

Lieber Helmut,
liebe Ireen,

danke für Eure Zeilen, auf die mir eine Antwort nicht leicht fällt, weil ich viele Gedanken dazu im Kopf habe, die die verschiedenen Aspekte der bisherigen Postings in diesem Thread betreffen sich aber aufgrund der Vielschichtigkeit in unterschiedliche Richtungen bewegen.

So fange ich mal hier an: Ich vermisse meine Mami, trauere um sie, sehr sehr sogar. Mein Alltag, der aus meiner Ḱleinfamile, meinem Beruf, meinen Freuden, denen ich nahe bin, meinen Hobbies und derzeit auch Euch, Ihr lieben Forumsler besteht, fängt mich aber auf. Ich kann mich darüber auf mich selbst besinnen, mich erden. Vor dem Tod meiner Mami habe ich mir nicht vorstellen können, wie sich das anfühlt, wenn die eigene Mutter, der Mensch, der einen immer und bedingungslos liebt, den man auch immer und bedingungslos liebt, von einem Tag zum anderen nicht mehr da ist, obwohl es in meinem Umfeld einige liebe Menschen gibt, die diese Erfahrung schon vor längerer Zeit gemacht haben und mir darüber erzählt haben. Auch wenn ich mir sehr deutlich bewusst gemacht habe, dass unser aller Lebensuhr irgendwie irgendwann dem Ende entgegen tickt, dass Mami schwerst krank war, dass sie nicht mehr leiden musste, so ändert dies nichts daran, dass ich sooooooooo traurig bin...

Aber: mein Leben geht weiter. Und das ist gut so.

Eine andere Sache ist es für meinen Papi. Er hat Mami sehr sehr intensiv und nah und liebevoll begleitet, auf ihrem letzten Weg. Er hat dafür gesorgt, dass Mami aus dem KH nach Hause kam. Er hat sie sehr sehr geliebt, so wie man sich als „altes“ Ehepaar lieben kann. Aber auch Papis Leben geht weiter.

Dass er sich eine neue Partnerin sucht und hoffentlich gefunden hat, fühlt sich für mich noch sehr ungewohnt (nicht störend) an, da ich meine Eltern immer als zusammengehörende Einheit (wenn man es denn so sagen kann) erlebt habe. Nun eine andere Frau an der Seite meines Vaters – was mache ich daraus?

Ich werde mich daran freuen. Mich auf sie einlassen, mir wünschen, dass sie sich auf mich einlassen kann. Meine Mami wird bei allem immer in meinem Herzen sein.

Was meinen Papi angeht, Helmut, ja, ich bin sicher, er hat es gut durchdacht und auch kommuniziert, wie es ihm geht, was er erwartet. Ich finde ihn wieder in der Beschreibung des Kunden Deiner Tochter. Sicherlich wird es erleichtert dadurch, dass sie auch verwitwet ist und weiß, wie sich der Verlust eines geliebten, langjährigen Partners anfühlt...

Aus Tochter-Sicht kann ich die Überlegungen von Dir, Ireen, nur unterstützen. Meines Erachtens geht es dabei auch nicht um „erlaubt“ sondern um Loslassen in alle Richtungen, Vetrauen und Liebe.

Ich freue mich auf einen weiteren Diskurs hier

Herzlich

ulphin
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  #19  
Alt 24.08.2011, 01:59
ulphin ulphin ist offline
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Standard AW: Reise - ohne Wiederkehr

Ihr Lieben alle,

zur nachtschlafenen Zeit und nur kurz, heute jährt sich der Todestag meiner Mami zum ersten Mal. Ich vermisse sie nach wie vor soooo sehr.

Ich hatte dieser Tage ein Gespräch mit meiner Tochter, sie war mit meiner Nichte bei meinem Papi, ihrem Opa, die drei haben - so ist mein Eindruck - auch noch gute Gesrpäche gehabt.

Meine Tochter war im vergangenen Jahr nicht da (Austauschjahr), als ihre Omi starb, sie konnte an der familären Trauerarbeit nicht teilhaben. Wir haben nochmal sooo geweint.... aber es war gut

Herzlich

ulphin
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  #20  
Alt 26.02.2012, 02:29
ulphin ulphin ist offline
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Standard AW: Reise - ohne Wiederkehr

Ihr Lieben alle,

18 Monate sind es nun her, als meine Mutter ihre Reise ohne Wiederkehr antrat, 18 Monate, und kein Tag, an dem ich nicht an sie dachte, sie nicht vermisste und mir so sehr wünschte, sie wäre da, ich könnte sie berühren, sie sehen, mit ihr sprechen, sie anrufen, sie hätte teil an unserem Leben, an ihrem Mann, an ihren Kindern an ihren Enkeln... 18 Monate – verdamp lang her – und doch so kurz – und daran wird sich auch nichts ändern, nicht in weiteren 18 Monaten oder 18 Jahren. Der Verlust eines so lieben und geliebten Menschen hinterlässt eine unendlich große Lücke, das brauche ich keinem von Euch zu erzählen...

Meine Mutter war ein außerordentlich lebensbejahender Mensch, sie hätte demnach ganz gewiss nicht gewollt, dass wir uns in unserer Trauer einigeln, den Blick für das Leben verlieren. Wir durften sie in der Phase ihrer Erkrankung begleiten, haben ihr Hoffen und ihr Bangen geteilt, fühlten uns wütend, hilflos, waren auf der Suche nach der Antwort auf die Frage „warum“; eine Frage ohne Antwort. Wir waren ihr nahe. Sie wusste, der Tod gehört zum Leben. Es war ihr, und dafür sind wir alle in höchstem Maße dankbar, ein friedlicher, schmerzfreier Tod vergönnt, zu Hause, und mein Vater, mit dem sie annähernd 48 Jahre verheiratet war, war bei ihr.

In der ersten Zeit nach dem Tod meiner Mutter habe ich im KK, insbesondere im Chat zur nächtlichen Stunde, sehr viel Mitgefühl, Unterstützung, Austausch mit sehr sehr unterschiedlichen Menschen, Betroffenen, Angehörigen, Hinterbliebenen erfahren, Euch allen nächtlichen Mitchattern sei hierfür mein ganz herzlicher Dank gesagt. Dank für den Trost, die Anregungen, Dank auch für das Weinen, das Lachen, ja, das Leben, Dank, dass auch ihr mich habt teilhaben lassen an Eurer Geschichte. Mit dem anderen oder einen gibt es nach wie vor einen gelegentlichen Kontakt an dieser und jener Stelle, Kontakte, die stets von Verständnis und – ja – einer besonderen Vertrautheit geprägt sind.

Auch im Forum habe ich mich mit einigen Usern sehr verbunden gefühlt, habe mich mit gefreut über gute und mit gelitten wegen schlechter Nachrichten, auch wenn ich nicht so häufig gepostet habe und fand es immer wieder so bewegend, wie Ihr Betroffenen, Angehörigen, Hinterbliebenen mit Euren persönlichen Geschichten umgeht... und hilfreich zu spüren, dass man nicht allein ist.

Warum schreibe ich das? Weil – bei aller Trauer, die sicherlich jeder völlig anders empfindet – das Leben weitergeht. So banal wie er klingt, so richtig ist er, dieser Satz, meiner Meinung nach.

Mir war danach, diese Zeilen im KK zu posten und ich hoffe sehr, dass es auch anderen gelingen möge, aus der Erinnerung an den lieben Menschen, der so fehlt, aus der Vergangenheit, den Blick ins Heute und den Weg ins Morgen zu finden.

Seid von Herzen gegrüßt von

ulphin
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