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  #1  
Alt 09.09.2012, 01:23
Friederike-Berlin Friederike-Berlin ist offline
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Registriert seit: 30.03.2012
Beiträge: 6
Standard Jeder Tag, der war, zählte und war mehr als gut

Liebe Hinterbliebene, liebe Leser,

ich bin sehr geschafft von den letzten Monaten des sich dem Krebs mal ignorant, mal siegesgewiss und viel öfter als zugegeben, verzweifelt in den Weg stellend. Während unserer Wochen und Monate der Achterbahnfahrt von anfänglichem Aufatmen, weil der Tumor in der Lunge sich um über 50% verkleinert hatte aber schon nach der zweiten Chemorunde keinerlei Reaktion auf die Medikation mehr zu verzeichnen war und bis zu 3 neue Therapien kaum Veränderung - im Gegenteil, Wachstum der Metas im Bauchraum angezeigt waren, hatte ich nicht die Luft, mich hier zu äußern. Wir haben einfach jeden guten Moment, Tag, oder gar die Woche gelebt. Mein Uli brachte, wenn er konnte, den gemeinsamen Sohn in die Kita (manchmal mit Mundschutz und portablem Sauerstoffgerät), abenteuerlich gestattete ich sogar alleinige Zoobesuche mit dem "kleinsten Mann". Mein geliebter Mann Uli hat seit seiner Diagnose Anfang März dieses Jahres jeden Tag seiner Erkrankung bewundernswert gelebt. Mit großer Sicherheit lag dies an seiner Einstellung, diese Erkrankung (er kämpfte gegen ein kleinzelliges Bronchialkarzinom) zu besiegen.
Sämtliche Ärzte, Pfleger(innen) bis hin zu den Servicekräften der Klinik, in der er nicht selten lag, waren schier von den Socken, wie dieser Mann sich gegen alle ärztlichen Prognosen aufgrund seiner oft schlechten Werte "entwickelte" oder wieder aufrappelte. Schlussendlich sind wir Angehörigen nebst einer möglichst besten Rundumversorgung durch professionelles aber genauso menschliches Klinikpersonal ein nicht unwesentlicher Schlüssel zum qualitätsverbesserndem oder gar verlängerndem Lebenswohlgefühl unserer Liebsten gewesen. Mein Liebster hat - eine Hand in meiner - seinen letzten Atemzug am 17.8.2012 gehaucht. Ich vermisse ihn sehr, weiß aber, eine Verlängerung wäre nicht besser ausgegangen und da er knapp vor dem Nachhausekommen war, dass er in einer ihm inzwischen vertrauten Umgebung, in seiner ihn behandelnden Klinik (ELK Buch) sehr weit "besser" gehen konnte, als es bei uns zu Hause möglich gewesen wäre. Ich konnte jeden Tag, den er nicht zu Hause war, bei ihm in der Klinik sein, in den letzten Tagen habe ich neben ihm übernachtet, nicht nur eine finanzielle Frage, auch, ob eine Klinik so eine wichtige Situation organisieren kann. All das macht es einem Hinterbliebenen leichter, auch wenn es trotzdem unendlich schmerzt, einen Herzenzmenschen zu verlieren. Mein kleiner Sohn (4 Jahre) hat schon zu viel erleben müssen, seine Omi (meine Mutter) verstarb Ende letzten Jahres von einem Tag auf den anderen mit nur 64 Jahren. Am kommenden Donnerstag nun gehen wir erneut auf nicht irgendeine Beerdigung. Wir hoffen, es wird sehr lange keine weitere im engsten Kreis mehr geben müssen. Ich möchte nach der Trauerfeier endlich im freien Fall in das viel beschriebene Loch fallen können - ganz sicher kommt man da auch wieder raus - nur das Loslassen, das fällt so ganz unsäglich schwer...
Ich umarme virtuell alle Traurigen hier im Forum und zwinkere trotz aller "Unkenrufe" den direkt Betroffenen kraftvoll zu!
Alles Liebe, Friederike

Geändert von Friederike-Berlin (09.09.2012 um 01:29 Uhr) Grund: Kommatasetzung im Titel
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  #2  
Alt 09.09.2012, 10:53
dickie dickie ist offline
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Beiträge: 40
Standard AW: Jeder Tag war zählte und war mehr als gut

Liebe Friederike,

ich möchte dir in stiller Verbundenheit mein Beileid aussprechen und dir für den ganz schweren Gang nächsten Donnerstag viel, viel Kraft wünschen. So ähnlich beschreibst du die letzte Zeit mit deinem lieben Mann, wie ich sie - gemeinsam mit meinen Töchtern - auch erlebt habe. So bin ich dir gerade jetzt in meinen Gefühlen sehr nahe und kann all das, was nun in dir vorgeht, sehr gut nachvollziehen. Auch mein Mann erhielt Anfang Mai genau diese furchtbare Diagnose. Dieses "unheilbar" ermöglichte uns nur noch vier Monate, in denen unser gemeinsames Leben mit Gewalt wegbrach, aber uns dennoch diese unsagbar intensiven stillen und glücklichen Momente schenkte, in denen wir uns so nahe sein konnten. Am 23. August begleiteten wir ihn auf seinen seinen letzten Weg, Hand in Hand. Ich bin erleichtert für ihn, weil Schmerzen und Quälerei endlich ein Ende hatten. Es war so schrecklich, was hatte er aushalten müssen. Auch bei ihm hatten sich am Ende die Metastasen im ganzen Bauchraum ausgebreitet. Nächsten Freitag werden wir drei dann in aller Stille die Urnenbeisetzung haben.
Ich fühle mich wie du - und wie wohl alle Hinterbliebene - noch immer wie in einem schlimmen Traum und kann kaum verstehen, was mit uns in dieser kurzen Zeit geschehen ist. Die Sehnsucht nach meinem Mann ist übermächtig, aber ich muss für meine Kinder auch stark bleiben. Sein ausdrückicher Wunsch war, dass wir wieder glücklich werden. Er fehlt uns so sehr. Nun gibt es so viele Dinge zu erledigen, denen ich mich kaum gewachsen fühle, denn sie nehmen mir noch die Möglichkeit, mich endlich, endlich (wie du) fallen lassen und mich dem Schmerz stellen zu dürfen. Ich staune, dass das Leben weitergeht ...
Friederike, in meinen Gedanken begleite ich dich an diesem Donnerstag.
Alles Gute
Dickie
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  #3  
Alt 09.09.2012, 16:45
Jaecky Jaecky ist offline
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Registriert seit: 20.06.2011
Ort: Land Brandenburg
Beiträge: 454
Standard AW: Jeder Tag war zählte und war mehr als gut

Liebe Friederike,

es tut mir sehr sehr leid, dass du deinen geliebten Mann verloren hast.

Du hast sicher recht, dass wir Angehörigen unseren Teil dazu beitragen. Als mein Papa vor über 6 Jahren die Diagnose MM bekam, gab man ihm 18 Monaten. Er wollte immer seine Enkel, die 2007 geboren sind, noch kennenlernen. Er hat sich immer neue Ziele gesteckt, hat aber den Kampf dann am 25.07. doch verloren.

Mein Papa lag auch in Buch. Diese Klinik ist wirklich, wenn man das so sagen kann, klasse. Obwohl es ca. 150 km von uns sind, wollte er nie woanders hin. Er wollte immer nur zu "seinen" Ärzten und war auch ambulant dort in Behandlung. Er hat immer gesagt, wie gut sie zu ihm sind. Und wenn wir ihn besucht haben, war das Personal immer sehr freundlich, wir konnten auch Sonntags mit Ärzten sprechen. Rundrum sehr gut.

Ich wünsche dir sehr sehr viel Kraft und alles Liebe.

Jäcky
__________________
mein liebster Papa
seit 2006 Multiples Myelom
seit 2009 Myelodysplastisches Syndrom

Nach langem, schmerzvollem Kampf am 25.07.12 um 15.00 Uhr im Kreise seiner lieben Familie eingeschlafen.

Papi, wir lieben dich so sehr! Für Immer und Ewig!

Hand in Hand - gemeinsam sind wir stark!!!
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  #4  
Alt 10.09.2012, 00:25
Friederike-Berlin Friederike-Berlin ist offline
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Beiträge: 6
Standard AW: Jeder Tag war zählte und war mehr als gut

Liebe Dickie,

hab Dank für Deine Zeilen. Unsere Männer hatten von der Erkrankung leider sehr viel gemeinsam. Auch mein Mann starb letztlich an den Metas im Bauch, die genau wie bei Deinem Mann den Darm fest im Griff hatten. Mein Mann wollte am Tag seines Todes noch nach Hause, saß am Vormittag mit gepackten Taschen auf seinem KH-Bett. Sein großer Sohn aus erster Ehe erzählte Anekdoten aus seinem Kurzurlaub, dass mein Mann so herzlich lachen musste, dass dies letztlich den lang prophezeiten Knall auslöste und er mit Höllenschmerzen sofort aufs intensivste mit Medikamenten beruhigt werden konnte. Ich wartete derweil auf Lieferung von Hilfsmitteln wie Rollstuhl, Toilettenstuhl etc. in der Wohnung, wurde dann durch den Anruf der Ärzte alarmiert und bin sofort ins KH, wo er zum Glück halbwegs wach auf mich wartete - ein Glück im Unglück.
Und unser bleibendes Glück sind unsere Kinder, von jenen Männern. Meine beiden sind noch relativ klein (4 und 14) und sie haben schon sehr an Omis Tod zu "knabbern". Mein Mann hat so sehr gekämpft und war trotz extrem schlechter Prognose immer wieder ein Optimist, was ihm / uns schließlich wider aller Voraussagen statt 3 Wochen 6 Monate geschenkt hat. Dieser Wille macht mir Mut, für meine Zukunft.
Alle lieben Wünsche natürlich auch für Dich und viel Kraft für Freitag!
Herzlich
Friederike

Geändert von Friederike-Berlin (10.09.2012 um 00:38 Uhr) Grund: edit: Wünsche an Dickie
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  #5  
Alt 10.09.2012, 00:37
Friederike-Berlin Friederike-Berlin ist offline
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Beiträge: 6
Standard AW: Jeder Tag war zählte und war mehr als gut

Liebe Jäcky,

auch Dir lieben Dank für Deine Nachricht und die lieben Wünsche.
Ich finde es gut, dass es dieses Forum mit der Gruppe für Hinterbliebene hier gibt - es tröstet ein wenig, ein Trost den Menschen, die nahezu gleiches erlebt haben nur geben können, weil sie rundum verstehen.
Ja, die Klinik in Buch, wobei ich mich nur auf die Evangelische Lungenklinik beziehen kann, wie das Helios Klinikum, welches eigentlich das großes Haus am Platze ist so tickt, weiß ich nicht. Die arbeiten - wie ich hörte - eher auf Profit-Basis - leider. Im ELK ticken die Uhren aber anders, da gehört das Mensch sein zum Konzept, so blöd das klingt. Egal, auf jeden Fall habe ich dort und vor allem mein Mann sehr viele Fragen beantwortet bekommen. Und auch jetzt kann ich mich noch an den Psychologen, der meinen Mann bestens betreute, kontaktieren. Ich war vergangenen Freitag mit meinem 4jährigen Sohn da, der seinen Papa in den letzten Wochen häufiger dort sah als zu Hause. Er wollte wissen, ob Papa wirklich tot sei und im KH nachschauen. So haben wir den Psychoonkologen einfach besucht, ihm stellvertretend für die gesamte Belegschaft eine hübsche Blume mitgebracht und uns ein wenig unterhalten. Das tat extrem gut - mir auch - war es doch der Ort, an dem ich meinen Mann den letzten Atemzug nehmen sah und der Ort, mit Menschen an seiner Seite, denen ich ein großes Stück Vertrauen schenken musste, welches nie enttäuscht wurde.
Dir alles Gute & Kraft und liebe Grüße
von Friederike
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  #6  
Alt 13.09.2012, 21:16
dickie dickie ist offline
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Ort: Rheinland
Beiträge: 40
Standard AW: Jeder Tag war zählte und war mehr als gut

Liebe Friederike,

wie geht es dir - wie habt ihr diesen heutigen Donnerstag überstanden? Wie hat es vor allem dein Kleiner verkraftet? - Wie wohl werden wir den Weg jetzt weiter aufnehmen ohne unsere lieben Männer, es gibt kein Zurück mehr, keinen Stillstand - es wird weitergehen müssen, aber wie? Das, was die beiden am Ende aushalten mussten, gleicht sich sehr, es ist so grausam, sich das vorzustellen. Diese tickende Bombe im Bauch, die "geplatzt" ist und dann diese akuten höllischen Schmerzen verursacht hat ... Morgen nun der letzte Gang auch für uns, was bleibt ... ?
Die Trauer greift nach einem, übermäßig, lässt wieder los, scheinbar nur - der Tod verändert alles, macht nun möglich, was nicht sein darf und nicht sein sollte ... Ach ja, liebe Friederike, ich wünsche dir, dass du das Leben mit deinen Kindern bewältigst, im Sinne deines Mannes weitermachst. Alles Gute und weiterhin viel Kraft.
Wir werden es schaffen (müssen).
Herzlichst
Dickie
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  #7  
Alt 17.09.2012, 23:04
Friederike-Berlin Friederike-Berlin ist offline
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Beiträge: 6
Standard AW: Jeder Tag war zählte und war mehr als gut

Liebe Dickie,

ich hatte solche Angst vor der Trauerfeier, mit all den Leuten. Fast wollte ich nicht hin, dachte, ich falle um, mir würde es das Herz zerreißen. Aber, es war dann doch ein unglaublich würdevoller Abschied, ein fast schöner Tag, die Sonne strahlte, der Himmel war blau und über 100 Wegbegleiter waren gekommen, um an der Seite meiner Familie Abschied zu nehmen. Im Garten bei Freunden saßen wir dann noch bis in den späten Abend. Allein mein Uli, mein Mann, der fehlte.

Diese große Runde, die nun an dem traurigen Tag beisammen war, hatte ich mir immer gewünscht, als wir heirateten, als mein Mann 50 wurde, als ich meinen Buchladen letztes Jahr eröffnete und alles aufgespart, um all die vielen Jubelgründe dann in diesem Sommer zu meinem 40sten in die Tat umzusetzen und ein großes Sommerfest zu feiern.
Jetzt ist alles zu spät und wir saßen ohne meinen Mann beisammen. Meinen 40sten habe ich noch bei einem Stück Kuchen mit meinem Mann im Krankenhaus, 3 Tage vor seinem Tod ein wenig gefeiert. Er war ein so starker Mann, ein lieber und leiser Mann, der mich jeden Tag fragte, ob er mir schon gesagt hat, wie sehr er mich liebt.
Nun muss ich ohne diese besondere Stärke und Liebe durch die Zeit gehen und weiß, dass sie mich gestärkt hat.

Wir, die wir an der Seite unserer Lieben mitgelitten haben, sie haben den Moment ohne Schmerzen genießen sehen und dieses Gefühl teilen konnten, wir haben eine große Kraft in unsere Hände, in unser Herz gelegt bekommen, die es uns hoffentlich ermöglicht, auch bald wieder eben diese Stärke und Freude am Leben - vor allem an den scheinbar kleinen Dingen - zu empfinden.

Ich hoffe, liebe Dickie, auch Du hast Deinen Abschied vergangene Woche gut verkraftet!?

Herzliche Grüße aus Berlin
Friederike
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