Krebs-Kompass-Forum seit 1997  


Zurück   Krebs-Kompass-Forum seit 1997 > Spezielle Nutzergruppen > Forum für Hinterbliebene

Antwort
 
Themen-Optionen Ansicht
  #1  
Alt 09.02.2012, 22:43
Lady Beckett Lady Beckett ist offline
Neuer Benutzer
 
Registriert seit: 06.02.2012
Beiträge: 1
Unglücklich Meine wunderbare beste Freundin (21)

Meine beste Freundin ist in der nacht von Samstag auf Sonntag (4.-5.2.) gestorben... Sie war 21, wir haben einander durch unser halbes Leben begleitet und ich bin unendlich traurig. Sie war so eine tolle, besondere, liebenswürdige und vor allem einzigartige Person, und sie hat unserem Freundeskreis selbst nach ihrem Tod noch ein riesiges Geschenk hinterlassen.

Sie und ich haben uns mit 11 Jahren kennen gelernt, mit 12 waren wir Freundinnen. Mitte 2009 wurde bei ihr Darmkrebs diagnostiziert, seit einem halben Jahr lebte ich schon nicht mehr im gleichen Bundesland wie sie. Sie hatte davor schon eine recht lange Krankheitsgeschichte, nichts Bedrohliches, aber wir kannten sie alle schon als die Dauerkranke. Sie wurde operiert und behandelt; der Krebs war schon recht weit fortgeschritten und sie hatte das Blut im Stuhl sehr lange nicht angesprochen, aber sie kam mit der Behandlung sehr gut klar und ihr ging es wirklich gut. Man sah ihr gar nichts an. Deshalb mutmaßte man, dass sie es überleben würde.
Ein Jahr später wurden zwei Metastasen in der Leber entdeckt und ein Teil wurde entfernt. Sie wurde weiterbehandelt, wieder OP und Chemo - Oxaliplatin und 5-FU. Letzteren Stoff vertrug sie überhaupt nicht und hatte alle Nebenwirkungen. Ich besuchte sie natürlich, so oft ich konnte. Wir hatten ab dieser neuen Diagnose eine sehr intensive Zeit miteinander... Sie ließ mich wissen, dass sie mich liebte. Sie teilte ihre Gedanken mit mir. Sie kam zu mir, wenn sie reden oder beraten werden wollte, und ich las mir Wissen für sie an, damit ich das konnte. Ich wollte immer für sie da sein, wenn ihre Ärzte mal wieder keine Zeit für sie hatten. Sie bat mich in dieser Phase auch gerne um Hilfe, was sie früher kategorisch abgelehnt hatte. Mir ist erst durch ihren Tod bewusst geworden, wie eng wir aneinander gebunden waren in dieser Zeit, wie sehr ich das alles vermisse...
Mitte 2011 schien sie dann - endlich! - geheilt. Wir haben uns alle so sehr gefreut. Sie hat wie beim letzten Mal Pläne für ihr Leben geschmiedet, sie hatte richtig Hoffnung. Aber dann wurde zufällig entdeckt, dass die Lymphknoten des Bauchraums befallen waren und ein Fleck auf der Leber zu sehen war (Narbengewebe?) - der Krebs war schon wieder da. Meine Freundin dachte ernsthaft darüber nach, die Chemo abzulehnen, sie hatte sie ja schon so schlecht vertragen beim letzten Mal und wollte das alles nicht nochmal. Aber dann entschied sie sich doch dafür. Sie wollte nie sterben und hat mich zum Schluss auch wissen lassen, dass sie das für uns getan hat, für ihre Freunde. Sie wollte so lange durchhalten, wie sie konnte.
Die Lymphknoten wurden kleiner. Dadurch dachte man darüber nach, das Bauchfell zu entfernen und die Leber zu punktieren, um zu erfahren, ob die Verschattung wirklich nur Narbengewebe war. Diese OP sollte Ende Nov 2011 stattfinden und wir freuten uns alle riesig, da das eine realistische Chance auf Heilung bedeutete - oder zumindest auf mehr Zeit mit ihr, die sie bewusst erleben konnte. Ihre Ärzte sprachen selbst dann noch tatsächlich von Heilung, was mich schon sehr wunderte... Bei der OP stellte sich aber heraus, dass der gesamte Bauchraum inzwischen befallen war. Im Darm waren Rezidive aufgetaucht. Die Leber hatte neue Tumore entwickelt. Und die Lunge war befallen. Als sie aufwachte, ließ der Arzt sie wissen, sie haben noch ca. einen Monat und man würde die Chemo absetzen, da ihre Blutwerte nach der jahrelangen Behandlung so schlecht aussahen, dass sie womöglich die Chemo selbst nicht überlebt hätte.

Das war für uns alle ein riesiger Schock... Uns blieb so wenig Zeit mit ihr. Wir hatten so sehr auf eine Heilung oder zumindest mehr Lebenszeit für sie gehofft. Und dann das. Es kam so plötzlich, es sollte so schnell gehen, und ich wollte meine beste Freundin einfach noch nicht hergeben müssen.

Jeder wollte sie nochmal sehen, aber es ging nicht. Sie wurde auf so starke Schmerzmittel gesetzt, dass sie kaum noch etwas mitbekam. Den ganzen Dezember über war sie wie weggetreten. Ich schrieb ihr in dieser Zeit einen Brief und ließ sie wissen, wie sehr ich sie liebe, wie wichtig sie mir ist - das hat ihr viel bedeutet. Sie meldete sich ab und zu noch bei mir, aber nach Weihnachten hörte niemand mehr etwas von ihr. Wir alle hatten schlimme Vermutungen und riefen sie schließlich in einer Konferenzschaltung im Januar an. Immerhin war ihr Monat Lebenszeit schon abgelaufen... Wir bekamen sie an den Apparat und erfuhren, dass die Leber versagte und man die Gallenwege operativ freiräumen musste. Sie klang schrecklich krank und es hat mir richtig wehgetan, sie so zu hören. Aber ich bin froh, dass ich sie ein letztes Mal gesprochen habe und dadurch wusste, dass alles so gekommen war, wie sie wollte. Sie hätte uns alle gerne noch ein letztes Mal gesehen, aber sie war zu krank und entschied daher, dass wir es bleiben lassen sollten - es war schwer, aber das respektierte ich.

Am Sonntag um 15:32 (ich werde diese Zeit nie wieder vergessen) kam ein Anruf von ihrem Handy. Ich wusste sofort, was Sache war. Es war ihr Vater - er ließ mich wissen, dass sie am Sonntagmorgen nicht mehr aufgewacht war... Damit brach eine Welt für mich zusammen. Meine Freundin hat einen großen Teil meines Lebens ausgemacht. Eine solche Freundschaft werde ich nie wieder finden und ich war so dankbar dafür, diesen wertvollen Menschen kennen zu dürfen...

Unser Freundeskreis kommt inzwischen aus allen Ecken Deutschlands. Zu ihrer Trauerfeier am Mittwoch sind wir aber alle als Gruppe erschienen. Beerdigt werden kann sie aktuell nicht, Bodenfrost. Aber wir hatten die Gelegenheit, uns zusammen mit ihren Eltern von ihr zu verabschieden - sie hatte kurz vor ihrem Tod diesen Wunsch geäußert. Ich spüre ihre Anwesenheit ab und zu immer noch und weiß, dass sie mitbekommen haben muss, wie viele Leute gekommen sind, weil sie sie mochten und sie ihnen wichtig war. Das hat mir auch sehr viel bedeutet. Wir haben ihren Eltern etwas Trost spenden können - auch die waren erstaunt darüber, wie viele Herzen ihre Tochter berührt hat.
Ihre Eltern haben sehr untypische Musik spielen lassen, die dafür aber meiner Freundin gefallen hat. Die Trauerfeier war insgesamt sehr liebevoll organisiert. Sie hat einfach deutlich gezeigt, wie sehr ihre Eltern sie geliebt haben, wirklich alles hat zu ihr gepasst.
Nach der Verabschiedung sind wir, ihre Freunde, in einem Café eingekehrt. Wir kamen ja teilweise von weit her und wollten etwas Zeit miteinander verbringen. Viele von uns haben sich kennen und mögen gelernt, weil wir sie als gemeinsame Freundin hatten und uns deshalb irgendwann mal getroffen haben. Einige kannte ich sogar nur aus dem Internet, ich habe sie zur Trauerfeier das erste Mal getroffen und wir haben uns auf Anhieb verstanden und sind jetzt echte Freunde. Dieser Freundeskreis ist schon was Besonderes...
Zuerst war die Stimmung etwas gedrückt, wir waren alle noch ganz verheult und durcheinander. Aber dann lockerte sich alles auf - wir alberten herum, haben Geschichten über meine Beste erzählt, und es war alles genau so, wie es gewesen wäre, wäre sie bei uns gewesen. Wir alle haben gespürt, was ihr Einfluss war, wer uns alle dort zusammengeführt hatte und wie wertvoll das war. Von diesem Tag haben wir nun einige Gruppenfotos, die ich in den nächsten Tagen ausgedruckt an alle verschicken möchte. Zusammen mit einem Dankeschön dafür, dass sie sich gestern alle so liebevoll um mich gekümmert haben und dass wir alle füreinander da waren.

Meine Freundin hat mir unendlich viel bedeutet und das tut sie immer noch, das wird sich nie ändern. Sie hat mich mit so vielen wertvollen, wunderbaren Menschen zusammengebracht, die mich unterstützen und sie jetzt durch diese Erfahrung umso fester zusammengeschweißt sind. Sie hätte mich nie alleine hier zurückgelassen. Ich glaube manchmal, sie wusste das und hat absichtlich dafür gesorgt, dass jeder jeden kennt und mögen lernt. Wir wollen solche Treffen jetzt öfter machen, um sie in Ehren zu halten, ihr letztes Geschenk an uns niemals zu vergessen - und natürlich, um Zeit mit allen anderen zu verbringen. Denn gerade das ist das Geschenk, das sie uns hinterlassen hat. Ich würde mich so gerne bei ihr dafür bedanken, aber ich habe das Gefühl, sie weiß, wie ich mich fühle.
Mit Zitat antworten
  #2  
Alt 12.02.2012, 13:04
sunshinesoni sunshinesoni ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 15.07.2011
Ort: wien
Beiträge: 355
Standard AW: Meine wunderbare beste Freundin (21)

hallo liebe lady beckett,

es tut mir sehr leid dass du deine freundin verloren hast

was ich aus deinen zeilen entnehmen konnte ist - dass sie ein wunderbarer mensch war.

wenn du sie auch nicht mehr sehen kannst, im herzen werdet ihr immer miteinander verbunden bleiben

alles gute für die schwere zeit und liebe grüße
sonja
Mit Zitat antworten
  #3  
Alt 13.02.2012, 09:27
Benutzerbild von Mirilena
Mirilena Mirilena ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 11.05.2011
Ort: Schleswig-Holstein
Beiträge: 1.529
Standard AW: Meine wunderbare beste Freundin (21)

Liebe Lady Beckett,

danke für deine Geschichte! Auch wenn sie sehr traurig ist, so gibt sie doch auch Trost.
Und deine Freundin nimmt auch jetzt noch wahr, dass du dich bei ihr bedankt hast, für all das, was sie in dein Leben gebracht hat und für eure Freundschaft. Ich finde es geradezu unerträglich, dass ein so junger Mensch wie sie so schwer erkrankte und dann auch noch so leiden musste. Wie schön, dass sie dich hatte und ihr beide so eng miteinander verbunden seid. Das hat ihr bestimmt über vieles Leid hinweggeholfen.
Und da sie jede Menge Spuren hinterlassen hat, wird sie, auch wenn sie nun ein Licht ist, irgendwie immer bei dir sein. Vielleicht ist sie ja fortan dein Schutzengel und begleitet dich und passt auf dich auf.

Alles Liebe für dich
Miriam
Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen


Aktive Benutzer in diesem Thema: 1 (Registrierte Benutzer: 0, Gäste: 1)
 
Themen-Optionen
Ansicht

Forumregeln
Es ist Ihnen nicht erlaubt, neue Themen zu verfassen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, auf Beiträge zu antworten.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Anhänge hochzuladen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Ihre Beiträge zu bearbeiten.

BB-Code ist an.
Smileys sind an.
[IMG] Code ist an.
HTML-Code ist aus.

Gehe zu


Alle Zeitangaben in WEZ +2. Es ist jetzt 00:22 Uhr.


Für die Inhalte der einzelnen Beiträge ist der jeweilige Autor verantwortlich. Mit allgemeinen Fragen, Ergänzungen oder Kommentaren wenden Sie sich bitte an Marcus Oehlrich. Diese Informationen wurden sorgfältig ausgewählt und werden regelmäßig überarbeitet. Dennoch kann die Richtigkeit der Inhalte keine Gewähr übernommen werden. Insbesondere für Links (Verweise) auf andere Informationsangebote kann keine Haftung übernommen werden. Mit der Nutzung erkennen Sie unsere Nutzungsbedingungen an.
Powered by vBulletin® Version 3.8.7 (Deutsch)
Copyright ©2000 - 2024, vBulletin Solutions, Inc.
Gehostet bei der 1&1 Internet AG
Copyright © 1997-2024 Volker Karl Oehlrich-Gesellschaft e.V.
Impressum: Volker Karl Oehlrich-Gesellschaft e.V. · Eisenacher Str. 8 · 64560 Riedstadt / Vertretungsberechtigter Vorstand: Marcus Oehlrich / Datenschutzerklärung
Spendenkonto: Volker Karl Oehlrich-Gesellschaft e.V. · Volksbank Darmstadt Mainz eG · IBAN DE74 5519 0000 0172 5250 16 · BIC: MVBMDE55