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  #1  
Alt 24.06.2010, 02:36
moonchild moonchild ist offline
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Registriert seit: 24.06.2010
Ort: Berlin
Beiträge: 7
Standard wieviel ehrlichkeit ist richtig?

hallo,

ich habe eine frage, die mir sehr am herzen liegt.

(zu mir vorab - ich bin 29 und tierärztin, gerade fertig geworden und fühle mich momentan ziemlich hilflos)

mein vater hat ein ungewöhnliches und sehr bösartiges plattenepithelkarzinom (innerhalb von 2m auf T3 gewachsen) und die standardtherapie für diese lokalisation (keine OP möglich) mit radiochemotherapie bereits hinter sich.

gestern war der kontrolltermin im KH und es hat sich dabei gezeigt dass es metastasen in den lokalen lymphknoten gibt und außerdem schon multiple metastasen in der lunge beidseits.

Ursprünglich sollte heute der metastaseverdächtige lymphknoten entfernt werden, davon wurde jetzt aber abgesehen und mein vater soll stationär in ein anderes KH gehen und dort eine chemo bekommen.

ich hatte bereits als er am we husten hatte, große angst dass es sich um lungenmetastasen handelt, was sich ja nun leider bestätigt hat. als mir mein vater das gestern gesagt hat, war mir klar dass er bald sterben wird. der primärtumor hat auf die therapie nicht wirklich angesprochen, sich von vorneherin sehr bösartig verhalten und die metastasen in lymphknoten und lunge scheinen sich ebenso rasant zu entwickeln.
ich habe nichts gesagt, bis auf dass es wichtig ist dass er schnell in das andere KH kommt und das ist für morgen geplant.

heute morgen habe ich mit ihm telefoniert und ihm gesagt dass er mich alles fragen kann (ich wusste nicht, wie ich ihm signalisieren soll, dass ich bereit bin ehrlich zu ihm zu sein). er war noch sehr auf eine mögliche heilung ausgerichtet, meinte aber auch dass ihm klar ist dass es tödlich ausgehen kann.

dann hat er mir gesagt dass der arzt aus dem KH (in dem er zur kontrolle war) mit mir "von kollege zu kollege" telefonieren möchte. mein vater hat mir gesagt dass er denkt dass der arzt mir seine ehrliche meinung sagen würde und ihm evt. nicht (hat er nicht ganz so explizit formuliert, kam aber durch).

heute nachmittag hat mich sein arzt dann angerufen und er teilt meine einschätzung der situation. er meinte dass er es nicht für richtig gehalten hätte das "dem patienten zu sagen", meinte aber genau wie ich, dass eine heilung nicht möglich sein wird, die chemo rein palliativ sein wird und es sich um wochen bis monate handeln würde.

ich habe danach erstmal überlegen müssen, was ich jetzt machen soll. ich habe dann meinen vater angerufen und ihm gesagt dass ich mit dem arzt geredet habe und er mich alles fragen kann. er meinte daraufhin "erzähl mal". ich habe ihn gefragt, ob er meine ehrliche medizinische einschätzung und die meinung des arztes wirklich wissen will, er meinte "ja, erzähl".

daraufhin habe ich ihm gesagt dass die situation ist dass es sich um eine lebensverlängernde therapie handeln wird, dass es zwar nicht ausgeschlossen ist, dass sich alles ganz toll entwickelt, aber er die entscheidungen, die jetzt
auf ihn zukommen vor dem hintergrund der schlechten prognose treffen sollte und dabei nicht das hauptaugenmerk auf eine mögliche heilung setzen.

ich habe ihm natürlich auch gesagt dass man erstmal sehen muss, wie die chemo, die jetzt kommt anschlägt, gesagt dass ich positiv überrascht über die größe der metastasen war (kleiner, als ich befürchtet hatte) und dass man das zwar nicht beurteilen kann, es sich aber wohl um einen zeitraum von monaten handeln würde (ich denke wir sprechen im schlimmsten fall über einen viel kürzeren zeitraum, aber das möchte ich ihm nicht sagen, denn das wird sich meiner meinung nach in der nächsten zeit von alleine zeigen).

er hat mich dann gefragt "was heisst monate" und ich habe ihm gesagt "monate, die du noch leben wirst".

er hat mir gesagt dass er es gut findet dass ich ihm das gesagt habe.
ich habe jetzt aber ein schreckliches gefühl und große angst, dass ich nicht hätte ehrlich zu ihm sein sollen.

andererseits denke ich dass er die möglichkeit haben muss, die wirkliche lage einzuschätzen und dann zu entscheiden, wie er die nächste und wahrscheinlich letzte zeit verbringen möchte.

ich bin mir nicht sicher, ob er wollte dass ich ihm das sage - und deshalb das telefonat von mir und dem arzt organisiert hat - oder ob das von dem arzt ausging...


jedenfalls ist das meine akute situation und ich habe so große angst das falsche gemacht zu haben.

daher meine frage an Euch: wie sehr Ihr das - wie ehrlich muss man sein, wie wichtig ist es als betroffener zu wissen, woran man ist, auch wenn die prognose so schlecht ist?

ich hoffe sehr dass jemand antwortet, weil ich diese frage sehr schwer finde und wirklich große angst habe (denn es ist ja mein vater, dem ich heute im endeffekt gesagt habe, dass er sterben wird).
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  #2  
Alt 24.06.2010, 05:47
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MoSchu MoSchu ist offline
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Standard AW: wieviel ehrlichkeit ist richtig?

gerade geht die sonne auf - irgndwie ein symbol von hoffnung.
ich lese deine frage - ich bin im grunde genau so hilflos wie du.
mein mann hat eine schlimme diagnose (malignes pleura mesotheliom) seit frebruar, wir bekamen es zusammen vom arzt erklärt, unheilbar, palliative chemo- nach der operation -(entfernung des rippenfells.)
es gab dreimal gespräche - und trotzdem, ich weiß nicht, inwieweit er es ganz so realsiert hat für sich.
wir mßten es "verstehen" es gab klaren rat der ärzte, unssere goldne hochzeit vor drei wochen abzusagen - was auch sehr gut war. denn er ist nach drei palliativen chemotherapien jeweils 10 tage akut im krankenhaus per notfall gewesen. leukozyten auf 600. und immer andere schmerzzustände.
ich habe mich mit hilfe meiner töchter dafür entschieden: ich gehe nur so weit mit gesprächen über die krankheit, wie er es vorgibt. komme ganz gut damit klar.
wenn auch das herz bricht, wenn er mal eine andeutung macht, aus der ich merke, wieviel er weiß.
an den "guten tagen" wo er auch mal was im garten tut,sammele ich kraft und merke, daß man ohne hoffnung nicht leben kann.
uns b eiden taten am anfang auch gespräche mit freunden und verwandten gut, wir waren recht offen zu allen. irgendwie ging da etwas der druck weg.

ich hoffe, daß dich noch jemand besser trösten und dir helfen kann.ich wollte dir nur signalisieren, du bist nicht allein mit deiner angst.
alles gute für den tag - er wird sicher strahlend schön -
moni
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  #3  
Alt 24.06.2010, 07:29
Speedy Schneller Speedy Schneller ist offline
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Standard AW: wieviel ehrlichkeit ist richtig?

Ich finde Ihr habt ein großes -Danke!- verdient.
Die Wahrheit zu sagen ist hier ganz besonders schwer!

Wie die liebe MoSchu richtig schreibt:

" ich habe mich mit hilfe meiner töchter dafür entschieden: ich gehe nur so weit mit gesprächen über die krankheit, wie er es vorgibt. komme ganz gut damit klar."


Liebe/r moonchild
Ich verstehe Deine Zeilen so:
Dein Vater hat Dich ja darum gebeten, dass Du Ihm alles erklärst- ich denke, er vertaut Dir sehr!
Auch Ich finde, nur mit der Wahrheit ist die Möglichkeit gegeben die Zeit & Kraft, die einem bleibt, eben so gut es geht, nach eigenen Vorstellungen zu nutzen. Wichtig ist es auch für Behandlungen- wo liegt der Vorteil- wo der Nachteil - was möchte ich noch aushalten.

Also habe auch bei weiteren Fragen den Mut zur Wahrheit.
Viel Kraft sendet Euch
Speedy
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  #4  
Alt 24.06.2010, 08:07
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Jutta Jutta ist offline
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Standard AW: wieviel ehrlichkeit ist richtig?

Hallo Moonchild,

so viel Wahrheit ist richtig, wie der Betroffene sich erwünscht.

Mache dir deshalb keine Gedanken, denn es war sein Wunsch die Wahrheit zu erfahren. Nun kann er damit umgehen, seine Dinge physisch sowie psychisch regeln. Ich habe all die Jahre festgestellt, im persönlichen sowie auch im palliativen Bereich, dass fast alle Betroffenen irgendwann die Wahrheit wissen wollen. Das gibt ihnen ihre Zeit, die sie benötigen. Die meisten werden danach ruhiger, gehen alle Behandlungen iúnd alltäglichen Dinge ganz anders an, und dennoch geht der Lebenswille und oft die Hoffnung nicht verloren.
__________________
Jutta
_________________________________________




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  #5  
Alt 24.06.2010, 11:21
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blueblue blueblue ist offline
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Standard AW: wieviel ehrlichkeit ist richtig?

Hallo Moonchild,

zunächst einmal stimme ich meinen "Vorschreibern" zu und möchte dir aber auch mitteilen, wie ich es als Betroffene sehe. Dabei gehe ich von meiner eigenen Erkrankung aus.

Ich habe immer wissen wollen, was gerade mit mir passierte und was zu entscheiden war. Oft ist es gar nicht so einfach, sich den Aussagen der Mediziner zu stellen, besonders dann nicht, wenn sie auch noch etwas unsensibel sind.

Ich denke, dass dein Paps dieses Gespräch herbei geführt hat, weil er genau wußte, dass er die Mitteilung besser verkraften konnte, wenn du sie ihm machst. Er hat einfach ein Recht darauf, zu erfahren was los ist.

Will sagen, du machst es genau richtig, wenn du deinem Gefühl traust, denn du kennst deinen Vater und wirst genau wissen, wie du mit ihm umgehen kannst. Den Betroffenen in Watte packen bringt nichts.

Ich wünsche dir und deinem Paps noch eine möglichst lange beschwerdefreie Zeit.

Liebe Grüße

blueblue
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  #6  
Alt 24.06.2010, 21:25
MavoLiMa MavoLiMa ist offline
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Beiträge: 220
Standard AW: wieviel ehrlichkeit ist richtig?

hallo moonchild!

ich finde das auch sehr schwer. meine mama hat die selbe diagnose wie monis mann. leider ist dieser krebs nicht operier- und heilbar! sie wird sterben, ganz klar. die lebenserwartungen im internet sehe seeehr bescheiden aus. sie weiß, dass sie sterben wird, aber wann? das weiß natürlich keiner, aber das werde ich ihr auch nicht erzählen.

sie selber macht sich überhaupt nicht schlau. sie weiß, dass ich hier rumgeister, aber das war es. sie hat ihren doc und das reicht. dass die prognose einfach bescheiden ist, will sie nicht wissen. deshalb sieht es hier derzeit so aus, dass wir ihr viel positives erzählen, da ich persönlich glaube, dass sie daraus mehr kraft zieht. ihre zeit genießt sie im moment eh sehr! sie arbeitet nicht mehr, ihr geht es zur zeit noch sehr gut, und wir (ich und meine kleinen kinder) sind fast täglich bei ihr und lenken sie gut ab. das ist das was sie will!

was wirklich kommt weiß einfach keiner so genau. ich stelle mich auf nicht mehr viele jahre ein. wir müssen das nächste CT abwarten... die nächste chemo!

ich finde du hast alles richtig gemacht. wenn meine mama wirklich fragen würde, so in echt, dann würde ich es ihr auch sagen. ich finde das sehr wichtig für die weitere behandlungsstrategie. wenn meine mama durch die chemo nur zb 2 monate mehr hätte, dann hätte sie das nicht angefangen. sie weiß dein vater, was er für sich noch machen lassen möchte!

ich finde das sehr schwer und kann es schwer ausdrücken!

ich wünsche euch alles erdenklich gute
annika
__________________
betroffen: meine mama (1952)
diagnose 20.05.2010: epitheliales pleuramesotheliom rechts - T3N0M0
Für immer eingeschlafen: 07.07.2011
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  #7  
Alt 21.03.2012, 18:04
Jasofe Jasofe ist offline
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Registriert seit: 08.02.2012
Beiträge: 83
Standard AW: wieviel ehrlichkeit ist richtig?

Ich denke, du hast vollkommen richtig gehandelt.

Du kennst deinen Vater am besten. Du weißt genau (auch wenn du es im Nachhinein in Frage stellst), was du ihm zumuten kannst und was nicht.

Er hat dich gefragt, du wusstest die Antwort und hast sie ihm gesagt.

Es ist in jedem Falle eine Chance die verbleibende Zeit so gut wie möglich zu nutzen, vielleicht so gar das zu tun, was man gerne noch mal tun wollte, Streitigkeiten zu schlichten, Dinge zu regeln und einfach nur auf ehrliche liebevolle Art füreinander da zu sein.

Dein Papa kann stolz sein, dass du seine Tochter bist und den Mumm in der Hose hast, ihm die Wahrheit zu sagen. Das schaffen viele Ärzte bei ihren Patienten nicht!
__________________
Nachdem er viel von der Welt gesehen hat, erkundet er nun sein letztes Reiseziel - die Ewigkeit.
(mein Papa : gestorben am 31.3.2012 und ich hielt seine Hand)
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  #8  
Alt 04.04.2012, 20:49
sjarissa sjarissa ist offline
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Beiträge: 130
Standard AW: wieviel ehrlichkeit ist richtig?

Hallo,

keiner von uns weiß wie lange die verbleibende Zeit ist. Meinem Mann und mir hat man ein offenes Gespräch angeboten und da wurden die Fakten sehr nüchtern besprochen. Das hat uns aber angespornt die verbleibende Zeit intensiv zu erleben... und letztendlich ist aus den prognostizierten 4 - 6 Monaten fast 1 Jahr geworden... eine Zeit die ich nicht vermissen möchte, so intensiv, so schön, so reich... die letzten 9 Tage waren sicherlich unendlich belastend...aber ich habe jeden Moment so intensiv erlebt als wären es Jahre...
Es ist sicherlich sehr schmerzhaft auf Fragen ehrlich zu antworten...aber es ist auch das Einzige was dem Sterbenden Ruhe gibt... Mein Mann hat jeden einzelnen engeren Freund gesagt was er von ihm mitnimmt und auch die Frage gestellt was derjenige von ihm mitnimmt. Diejenigen die sich dieser Situation stellen konnten haben dazu beigetragen, das mein Mann sich bis auf seinen Todestag glücklich und reich beschenkt fühlte. Und das gibt mir unendlich viel Kraft...
Das Vertrauen, das mein Mann in mich gesetzt hat, es ist ein kostbares Juwel und ich würde ohne diese Erfahrung zerbrechen. Ich bin unendlich dankbar diesen letzten Weg in aller Offenheit und Ehrlichkeit gegangen sein zu dürfen...Tief in seinem Inneren wußte mein Mann das es zu Ende geht und ich wollte ihn begleiten, ihm die Möglichkeit geben, das zu sagen und diesen Schmerz zuzulassen... Es ist das Letzte was wir tun können, präsent sein...begleiten...

Euch allen viel Mut und Kraft

Sjarissa
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Der Tod ist der Grenzstein des Lebens, aber nicht der Liebe.

Guido * 25.12.1953 + 03.01.2012
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  #9  
Alt 12.04.2012, 12:20
Marooone Marooone ist offline
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Beiträge: 36
Standard AW: wieviel ehrlichkeit ist richtig?

Also, wir stehen ja noch recht am Anfang der Diagnose. Meine Mutter weiß seit 4 Wochen, dass sie BSDK hat. Ihr Lebensgefährte hat seine vorige Frau durch Krebs verloren. Beide sagen im Moment, dass man gar nicht alles wissen muss.
Ich denke, wenn "fest steht", dass es sich nur noch um kurze Zeit handelt, würde ich schon versuchen, sie zumindest in die Richtung zu bringen...
Ich möchte im Moment ganz genau wissen, wie es um sie steht.Ich denke, das hilft mir!
Wieviel ich dann von meinem Wissen an sie weitergebe... Ich werde es sehen...
__________________
LG, Marooone
*****************
Mutti, *08.04.1945
- 07.04.2012 Diagnose Pankreas(schwanz)karzinom
- 12.04.2012 Linksresektion mit Entfernung der Milz
- 27.04.2012 Entlassung aus dem Krankenhaus
- 06.06.2012 Chemo
- 13.07.2012 Herzinfarkt u. Einsetzen mehrerer Stents
- 12/12 Lebermetastasen
- 08.01.2013 Port gesetzt
- Abbruch der Chemos auf Mutters Wunsch
- 13.08.13 beginnender Darmverschluss
- ab 22.09.13 nicht mehr aufwacht
- 24.09.13 mit einem Seufzer entschlafen,
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  #10  
Alt 17.05.2012, 20:03
Arsinoe Arsinoe ist offline
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Standard AW: wieviel ehrlichkeit ist richtig?

Hallo
Im Moment habe ich offenbar Verbaldiarrhö!

Und weil mir diese Frage sehr am Herzen liegt, gebe ich dazu auch noch meinen Senf ...

Ich habe gemerkt, dass ich sehr, sehr grossen Wert darauf lege wirklich ehrlich und umfassend über meinen Zustand informiert zu werden.

Das begann schon, als nach der Darmspiegelung eine der Ärztinnen an meinem Bett stand und sagte: "Leider haben wir nicht so gute Nachrichten für Sie ..." Leider sagte sie dann nicht so viel, guckte aber mit einem seltsam mitleidsvollen Blick. Ich war einfach zu baff, um gross Fragen zu stellen Und dann war sie ganz schnell weg ... Als dann auch noch die Pflegenden zum Teil Bemerkungen machten im Sinne von "Sie Arme!", begann es in meinem Kopf zu rattern ...

Als dann endlich der nächste Arzt zu mir ans Bett kam und auch nicht so wahnsinnig viel sagte, begann ich ihn richtig gehend zu löchern ... Auch bei ihm hatte ich das Gefühl, dass er ganz gern schnell wieder verschwunden möchte. (Ich denke, er war im Stress. Im Krankenhaus haben alle viel zu tun, ich nehme es auch nicht übel.)

Es gab dann noch ein paar solcher Gespräche, bei denen ich immer forscher nachfragte und die Ärzte bat, wirklich Klartext zu reden. Ich hatte aber oft das Gefühl, dass sie das nicht wirklich taten. Insbesondere, was die "Ernsthaftigkeit" der Erkrankung und Heilungschancen angeht.

In der Zeit nach dem Krankenhaus recherchierte ich im Internet und fand auch einige Infos. Vieles war aber auch verwirrend. Fragen über Fragen stauten sich in mir an ...

Das beste Gespräch hatte ich vorgestern mit dem Onkologen, bei dem ich die Chemo machen werde. Er nahm sich sehr viel Zeit und beantwortete alle Fragen offen und ehrlich, so weit ich das beurteilen kann. Er nannte auch ein paar Zahlen (Überlebensraten, etc), die schon nicht grad ermutigend klangen.

Ich muss dazu sagen, dass ich Statistiken gegenüber skeptisch bin. Solche Zahlen sagen, meiner Meinung nach, wenig aus. Trotzdem können sie helfen, die Lage ein wenig besser einzuschätzen, habe ich das Gefühl.

Mir ist es sehr wichtig, meine Lage einigermassen realistisch einschätzen zu können. Insbesondere, um Entscheidungen fällen zu können. (Ich bin die "Ernährerin" in unserer Ehe und trage einige Verantwortung.)

Ich merke natürlich auch, dass mich das, was ich erfahren habe, einiges an Lebensmut hat einbüssen lassen. Das ist vermutlich der Preis, den ich für meinen Informationshunger zahlen muss. Ich werde das Ganze verarbeite und neuen Lebensmut schöpfen müssen ...

Aber mir persönlich ist es lieber so.

Ich kann gut verstehen, wenn es anderen Menschen anders geht und sie lieber nicht allzu viel wissen wollen.

Ich denke, Ärztinnen und Ärzte sollten die Patientinnen und Patienten in dem Masse informieren, wie diese es sich wünschen. Das ist sicher auch nicht einfach, zumal es vermutlich nicht immer einfach ist, herauszufinden, was jemand wirklich will.

Ausserdem ist es schwierig unangenehme, ja vielleicht schockierende, Nachrichten zu überbringen. Ich merke das selber. Ich ertappe mich immer wieder dabei, wie ich versuche meinen Schatz zu schonen und ihm nicht allzu viel zu erzählen ... Wie ich die positiven Aspekte hervorhebe und die negativen herunterspiele ...

Ich denke, Moonchild hatte eine sehr schwierige Aufgabe und hat sie gut gelöst. Dass sie dafür offenbar von der Stiefmutter angegriffen wurde, finde ich absolut daneben!

Just my 2 cents!

Arsinoe

PS: Ich möchte noch anmerken, dass ich - nachdem ich hier einige Beiträge gelesen habe - denke, eigentlich habe ich es noch ganz gut getroffen - oder "es" mich. Ich habe den Eindruck, hier gibt es Viele, denen es wirklich sehr schlecht geht im Vergleich zu meiner Diagnose. Mut macht mir das natürlich nicht, aber es relativiert das Ganze ...

Geändert von Arsinoe (17.05.2012 um 20:12 Uhr)
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