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  #1  
Alt 21.09.2020, 09:51
toastbrot81 toastbrot81 ist offline
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Standard AW: Mama lehnt jede Hilfe ab

Mama ist nun seit ein paar Tagen im Hospiz. Sie hat zwar das kleinste Zimmer, dafür aber direkt bei den Pflegern. Die lassen die Tür oft offen, damit sie "am Leben" teilhaben kann und sieht, was so passiert.
Sind alle sehr nett dort, auch die Palliativärztin.

Reden kann sie ja nicht mehr, mittlerweile auch kaum noch ja/nein. Laufen geht leider gar nicht mehr, keine Kraft. Vor 1 Woche ging es zumindest noch ganz langsam und vorsichtig. Eine Pflegerin sagte, dass sie immer nach links wegknickt -auch beim sitzen (obwohl sie bisher nur rechts Probleme hatte).
Sie trinkt etwas, aber isst fast nichts. Die Pfleger bieten ihr viel an, aber sie will es nicht. Gestern hatte ich ihr ein Stück Torte gegeben. Das hat die komplett verputzt. Pfleger staunten nicht schlecht. Aber sonst isst sie fast nichts, vielleicjt mal nen Löffel Brei. Ob sie keinen Hunger hat oder keinen Appetit oder ihr was weh tut, ist schwer zu ermitteln. Sie antwortet manchmal auf die gleiche Frage unterschiedlich. Aber ich weiss, dass die Pfleger ein Auge für Schmerzen haben.
Sie sagt mir aber,dass sie isst , obwohl sie es nicht tut. Vielleicht will sie nicht, dass ich mir Sorgen mache.

Ansonsten liegt sie nur im Bett. TV will sie nicht schauen. Auf die Terrasse darf i h mit ihr noch nicht - sie muss wegen Corona ne Woche isoliert im Zimmer bleiben.

Gestern musste ich so weinen vor ihr, dass die meine Hand genommen hat und mich versucht hat zu trösten. Dabei ist das in der Situation doch meine Aufgabe....

Sie hat es lange verleugnet, aber ich glaube sie realisiert das alles. Sie scheint mir auch nicht böse, dsss ich sie dahin geschafft hab. Sie merkt ja, dass sie Hilfe braucht.

Die Pfleger dort sind sehr lieb und bemüht (nicht im negativen Sinne wie bei Zeugnissen). Aber es ist nicht einfach, wenn Mama nichts annimmt.

Sie war mal eine starke, stolze Frau und liegt jetzt nur noch da und wartet auf das Ende. Ich hoffe sehr, dass sich das nicht über viele viele Wochen hinziehen wird. Es ist ja irgendwie demütigend und kein Leben mehr.
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  #2  
Alt 28.09.2020, 13:27
Beccamaus Beccamaus ist offline
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Standard AW: Mama lehnt jede Hilfe ab

Mir kommen selber die Tränen weil ich daran denken muss das ich beim ersten Besuch im Hospiz weinend bei meinen Daddy in den Armen zusammengebrochen bin. Mein Papa hat mich nur gestreichelt und "scheiß Krebs" gesagt, keine Träne hat er vergossen, obwohl er sonst so nah am Wasser gebaut war. Er wollte mir wohl eine Stütze sein, obwohl ich das in diesem Moment doch sein sollte. Genauso habe ich auch gedacht. Aber ich war lange eine Stütze und auch danach. Man soll seinen Gefühlen freien Lauf lassen, alles nochmal ansprechen, weinen, ich glaube die betroffenen wissen das es uns schwer fällt und können mit Trauer und Tränen der Angehörigne umgehen. Wir sind ja nun mal keine Maschinen.
Jeden Tag oder jeden zweiten war ich da, habe mich zu ihm ins Bett gelegt und TV geschaut oder Bilder auf dem Handy angeschaut. Was will man anderes machen?? Für mich und meine Familie war das Hospiz die beste Entscheidung. Papa hat sich sehr wohl gefühlt und er hat ab diesen Tag kaum mehr Schmerzen leiden müssen. Auf jedes Symptom konnte sofort gehandelt werden, er erhielt Wunschkost und und und... Es ist schön das es solche Orte gibt und auch ich würde mir meinen Lebensabend dort vorstellen können.

Ich hoffe das deine Mama nicht mehr lange leiden muss, das war für mich auch das schlimmste. Fühl dich gedrückt....
__________________
Mein Daddy
* 04.08.1947 25.06.2018

ED: 03.04.2017 (metastasierendes Lungenkarzinom (Adeno))


-------- Somewhere over the Rainbow---------
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  #3  
Alt 28.09.2020, 16:25
toastbrot81 toastbrot81 ist offline
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Standard AW: Mama lehnt jede Hilfe ab

Hallo Beccamaus,
Eltern sind halt Eltern ... und egal wie erwachsen das Kind ist, man will es trösten.
Habe ich gestern auch wieder gemerkt. Mama hat mir wieder die Tränen weggewischt. Sie selbst hab ich aber noch nie weinen gesehen. Ich fragte sie, ob sie Angst hat oder Sorgen ... "nö". Sie ist mittlerweile oft in ihrer eigenen Welt, scheint mir. "Spricht" mit sich selbst (reden kann sie nicht mehr wirklich), deutet auf irgendwas, macht willkürliche Handbewegungen etc. Ob von den Metastasen oder von den Schmerzpflastern kommt, weiss ich nicht (wobei die noch gar nicht so hoch dosiert waren). Oder ob das die Halluzinationen sind, die man als Merkmal der Terminalphase so liest ... keine Ahnung. Bei Kopfkrankheiten, sagten die Pfleger, nicht immer einfach zu differenzieren.
Manchmal frage ich mich, ob Mama weiss, dass sie bald sterben muss oder ob sie denkt, dass sie wieder gesund wird. Ja, es wurde mit ihr gesprochen - aber glauben und hoffen/verdrängen sind ja verschiedene paar Schuhe.

Sie hat immerhin mittlerweile Hilfe im Hospiz angenommen - als die Kopfschmerzen wieder mehr wurden. Die Pfleger haben sich richtig gefreut, als sie mal helfen durften. Pflaster wurde jetzt erhöht. Ich glaube Spritzen nimmt sie jetzt noch nicht an (sie ist da etwas eigen...), wird sie aber vermutlich leider irgendwann "müssen" - wenn Schmerzen nochmal stärker werden oder Atemnot hinzukommen.
Ansonsten hatte sie bisher noch keinen Anfall oder Übelkeit/Erbrechen. Vielleicht/hoffentlich bleibt ihr das erspart.

Es ist schön, dass es solche Orte gibt. Es war eine gute Entscheidung, da stimme ich Dir zu, ja. Auch wenn manche das als "abschieben" ansehen. Manchmal geht es zu Hause einfach nicht und es wird einem ein Stück Sorge abgenommen. So kann man die Zeit bewusster wahr nehmen.
Das mit der Wunschkost kann ich auch bestätigen. Wir wurden auch gefragt, was Mama mag und sie wollten die Wünsche erfüllen. Aber sie isst ja nichts mehr ... außer manchmal Süßkram (Torte, diese kleinen Windbeutel etc.) Deftiges gar nicht mehr.

Sie ist derzeit sehr emotional und braucht Nähe zu Papa und mir. Ich genieße jede Minute mit ihr, auch wenn es oft nur Schweigen ist.
Aber ich brauch zwischendurch auch mal nen Tag Pause, wo ich nicht hinfahre. Seit 2 Monaten unter Dauerstrom merkt man irgdnwann. Ich weiss nicht, wie manche das über x Monate hinbekommen. Respekt dafür.

Yvonne
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  #4  
Alt 04.10.2020, 16:54
toastbrot81 toastbrot81 ist offline
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Standard AW: Mama lehnt jede Hilfe ab

Jetzt ist sie schon seit knapp über 2 Wochen im Hospiz.
Ihre Tagesform schwankt. Diese Woche gab es Tage, wo sie nur geschlafen hat - ganz fest - und nur einmal die Augen leicht geöffnet hat (hab aber nur weisses gesehen, kaum Pupille). Hatte sich auch schon Schmerzmittel spritzen lassen. Konnte kaum schlucken, musste mit Sprüflasche Flüssigkeit zugeführt werden.
Seit 2 Tagen ist sie munterer und besser drauf (verhältnismäßig). Sie hat gestern sogar den ersten Satz seit über 3 Wochen rausbekommen ("geht es dir gut?"). Sie hat verhältnismäßig viel gegessen (2 Stück kuchen + 5 kleine Windbeutel, deftiges mag sie nicht) und getrunken. Wollte sogar TV schauen, was sie seit 3 Wochen nicht tat. Heute ebenfalls gut drauf. Wollte sich hinsetzen. Das geht natürlich nicht. Hab aber eine Schwester geholt und wir haben das dann zusammen gemacht. Mit dem Rollstuhl auf die schöne Terrasse wollte sie aber nicht.
Die Körpertemperatur ist seit 2 Tagen aber auf unter 35 Grad. Sie friert aber nicht, sagt sie. Kann sie aber vielleicht nicht mehr selbst wahrnehmen, daher passen die Pfleger natürlich auf, dass sie gut zugedeckt ist und es nicht zu kalt im zimmer ist.

Das ist schon fast spucky (natürlich nicht negativ gemeint), war sie doch vorher eher schlecht drauf. Das im Kopf ist ja auch noch da und nicht weg. Ich freute mich wahnsinnig über diesen einen Satz, den sie gesagt hat. Zugleich verwirrt es mich natürlich, denn sie versucht ja auch andere Sachen zu sagen, die nicht gehen.
Ist es das letzte Aufbäumen vorm Tod oder werden es noch Wochen des auf und abs mit Mama? Weiss niemand. Aber ich genieße jede Minute mit ihr, auch wenn es mich körperlich, emotional, seelisch zermürbt. Ich kann mich nicht an den Gedanken "gewöhnen", dass sie bald nicht mehr da ist und ich ihre Wärme nicht mehr spüren kann. Dennoch hoffe ich sehr, dass sie sich nicht lange quälen muss.
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  #5  
Alt 05.10.2020, 07:58
Beccamaus Beccamaus ist offline
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Standard AW: Mama lehnt jede Hilfe ab

Liebe Yvonne, wer auch immer sagt das ein Hospiz ein "abschieben" ist, der ist einfach nur ein schlechter Mensch. Ich finde es zeugt von großer Stärke diesen Schritt zu gehen. Denn immerhin müssen wir unsere Angehörigen begleiten und das kann man oft zu Hause nicht weil man daran zerbricht. Und viele können es zu Hause einfach nicht, sei es körperlich oder psychisch. Jeder sollte nur auf sich hören in so einer Situation und nicht auf das was andere vielleicht sagen könnte.
Und genau das meine ich, deiner Mama geht es nochmal richtig gut, zu Hause wäre das sicher nicht gewesen. Auch die betroffenen merken eine Art von Sicherheit. Die Hospizzimmer sind wunderschön, das Personal nicht gestresst und die Angehörigen zu jeder Tag-und Nachtzeit da. Und vor allem, geht es in dem Hospiz nicht nur um Krankheit und Leid, nein, die Mitarbeiter sind fröhlich und lenken die betroffenen ab, gehen mit den betroffenen normal um und führen normale Gespräche. Zu Hause ist dies oft nicht der Fall, die betroffenen bekommen Mitleid zu Hause, die Angehörigen haben Angst - das alles fällt weg in einem Hospiz. Also bitte - schiebe diesen Gedanken ganz weit weg.

Ich wünsche dir weiterhin ganz viel Kraft und noch ein paar schöne Momente mit deiner Mama.
__________________
Mein Daddy
* 04.08.1947 25.06.2018

ED: 03.04.2017 (metastasierendes Lungenkarzinom (Adeno))


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  #6  
Alt 05.10.2020, 11:08
Clea Clea ist offline
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Beiträge: 560
Standard AW: Mama lehnt jede Hilfe ab

Liebe Yvonne,

genieße einfach jeden besseren Tag.
Nicht nachfragen, Antworten gibt es sowieso nicht.
Hauptsache, ihr habt euch noch gegenseitig.
Auch, wenn sie sich nicht mehr äußern kann,
freut sie sich sicher, jedesmal, wenn du kommst.
Das ist das letzte, was wir noch für sie tun können. Da sein.
Und dann ist es egal, wo man ist, Zuhause wäre es vielleicht schöner,
aber es muss ja auch praktikabel sein.
Und für Angehörige ist es angenehmer, wenn das Leben nicht Zuhause endet,
mag es sich auch grausam anhören, aber es muss Zuhause ja später auch weitergehen.
Meine Mutter wäre auch ins Hospiz gegangen, nachdem wir anfänglich dachten, das eht schon Zuhause. Leider kam esnicht mehr dazu, sie war einfach zu schnell.
Viel Kraft weiterhin für euch alle.
__________________
Meine Ma
17.9.1957-19.2.2017, 59 Jahre, Lungenkrebs mit Hirnmetastasen
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  #7  
Alt 06.10.2020, 07:20
toastbrot81 toastbrot81 ist offline
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Beiträge: 37
Standard AW: Mama lehnt jede Hilfe ab

Hallo ihr Lieben,
Danke für Eure Worte. Ich bewundere Euch sehr, dass ihr das alles selbst durchgemacht habt und sicher durch Geschichten immer wieder dran erinnert werdet und dennoch paar liebe Worte übrig habt. Vielen Dank dafür.

Mama geht es weiterhin verhältnismäßig gut. Sie isst aber halt immer noch nicht. Na ja, ich zwing sie auch nicht dazu, auch wenn sie total abgemagert ist.
Wenn sie zwischendurch immer mal kurz für 2-3 Minuten einschläft, ist mittendrin immer mal für 5-10 Sekunden die Atmung weg. Ist schon seit paar Tagen so. Ist aber vermutlich in dem Stadium auch normal.

Aber ich finde den Verlauf echt interessant. Der Hirndruck muss ja noch da sein, da sie kein Kortison kriegt/will. Aber sie kriegt wieder ein paar Worte raus und ist klarer. Die Schwester findet das auch interessant und spannend.
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