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  #1  
Alt 25.07.2009, 11:56
twinkle80 twinkle80 ist offline
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Registriert seit: 01.05.2009
Beiträge: 3
Standard Suizid nach 1. Chemo-Block

Hallo,

ich weiß nicht, ob solch ein Thema hier richtig oder gewünscht ist, aber ich muss mir einfach mal alles von der Seele schreiben.

Mein Vater hatte seit Anfang des Jahres starke Schmerzen im Bein. Anfang März begann die Suche nach der Ursache.
Zig Arzt- und Krankenhaustermine musste mein Vater durchlaufen, bis wir Mitte Mai die Diagnose Knochenkrebs an drei Stellen (Rippe,Beckenknochen und Oberschenkelknochen).
Zwischenzeitlich hat sich der Allgemeinzustand meines Vaters extremst verschlechtert.

Nach der Diagnose fing die Suche nach der passenden Klinik und Behandlungsmethode an.
Letztendlich haben wir uns für Chemo in einer Uniklinik entschieden.
Nach erfolgreicher Chemo sollte dann in zwei großen OP´s die Tumore entfernt werden.

Ende Mai ging es mit der stationären Chemo los.
Die ersten zwei Tage ging es meinem Vater noch einigermaßen. Am dritten und vierten Tag wurde es so schlimm(Angstzustände, Wahnzustände, extremste Aggressivität und Übelkeit), dass die Chemo unterbrochen wurde.
Nach Beratung mit den Ärzten wurde ein Wirkstoff aus der Chemo entfernt, der für diese extremsten Nebenwirkungen verantwortlich war.
Allerdings verlor die Chemo dadurch auch an Wirkung.

Nach zwei Tagen Pause bekam mein Vater den Rest des Chemo-Blocks.
Zwar waren die Nebenwirkungen nun zu ertragen, aber sein Allgemeinzustand verschlechterte sich zusehends.
Er konnte nun fast gar nicht mehr alleine laufen, er fiel quasi in sich zusammen.

Nach Beendigung des Chemoblocks wurde mein Vater in ein heimischen Krankenhaus überwiesen, da er zuhause alleine (meine Eltern sind geschieden) nicht zurechtgekommen wäre.

Die ersten Tage ging es aufwärts. Er erholte sich gaaanz langsam bis das Zelltief kam.
Laufen ging gar nicht mehr. Teilweise war er nicht ansprechbar oder erzählte nur wirres Zeug. Leider musste er auch "Pampers" tragen, was ihn sehr mitnahm.
Dann kamen zwei Tage, wo wir dachten, dass mein Vater es nicht überlebt.
Ich würde es als Zustand eines leichten Komas beschreiben. Manchmal wurde er kurz wach, war sehr verwirrt und schlief sofort wieder ein.

Nach diesen zwei Tagen kam ich morgens in Krankenhaus und war sehr überrascht. Es ging im merklich besser.
Er saß sogar aufrecht im Bett. Zwar war mein Vater noch geschwächt, aber man konnte sich mit ihm unterhalten.

Am nächsten Tag war es sogar noch besser. Er telefonierte sogar, als ich ins Zimmer kam.
Allerdings hat sich an diesem Tag das verhalten meines Vaters verändert.
Er war sehr kühl zu mir und hat gesagt, dass er nun wüsste, dass er bald stirbt.
Ich habe natürlich versucht, ihn zu stärken und ihm zu sagen, dass wir das schon schaffen.
Aber er hat gar nicht reagiert und mir noch gesagt, wo manche Sachen in seiner Wohnung zu finden sind.
Dann meinte er, er wäre müde und wollte schlafen.

Nachts bekam ich einen Anruf, dass mein Vater sich aus seinem Zimmer(5.Stock) des Krankenhauses gestürzt hat.

Das ist nun 6 Wochen her. Die ersten Gefühle waren Fassungslosigkeit, unglaubliche Wut und Enttäuschung, aber vielleicht auch ein wenig Verständnis.Auch habe ich mich sehr geschämt, dass cih die Tochter eines Selbstmörders bin

Inzwischen bin ich sehr traurig, dass er uns nicht wenigstens ein paar Zeilen hinterlassen hat.
Hat er das schon länger geplant oder war es eine Kurzschlusshandlung.

Hatte er so eine Angst vor dem natürlichen Tod,dass man sich aus dem Fenster stürzt?

Ich weiß, dass es ein sehr povokantes Thema ist, aber vielleicht können einige hier mir helfen, die Gedankengänge meines Vaters zu verstehen.

Schon mal vielen lieben Dank
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  #2  
Alt 25.07.2009, 12:19
Benutzerbild von evelin
evelin evelin ist offline
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Beiträge: 444
Standard AW: Suizid nach 1. Chemo-Block

Liebe twinkle 80

Mein herzliches Beileid zu deinem Verlust.

Ich bin sehr traurig und tief erschüttert über deine Zeilen. Ich weiß gar nicht was ich sagen soll. Ich wünsche dir die kraft das geschehende zu verarbeiten.

Ein stillen und traurigen Gruß
evi
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  #3  
Alt 25.07.2009, 12:36
Hope1935 Hope1935 ist offline
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Beiträge: 432
Standard AW: Suizid nach 1. Chemo-Block

Liebe twinkle 80,

mein herzliches Beileid zum Tod Deines Vaters. Sicherlich ist es schrecklich, wenn sich der Vater das Leben nimmt. Zu schämen brauchst Du Dich nicht. Man kann schwer sagen, was in Deinem Vater vorgegangen ist. Ein Abschiedsbrief wäre für Dich sicher hilfreich gewesen, Deinen Vater ein wenig zu verstehen. Vielleicht hatte er keine Hoffnung und Angst vor einem qualvollen Tod. Dies wird immer sein Geheimnis bleiben. Ich hoffe sehr, dass Du Dich nicht so sehr mit Fragen quälst, und wünsche Dir Kraft, das Geschehene irgendwann zu begreifen.

Traurige Grüße von Heike
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  #4  
Alt 25.07.2009, 14:17
vintage vintage ist offline
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Standard AW: Suizid nach 1. Chemo-Block

hallo liebe twinkle80,

suizidale menschen kann man oft nicht verstehen; sie haben es für sich entschieden und vielleicht keine kraft gehabt zu leben. das hat m. e. nichts mit ihrer umwelt, familie zu tun. du bist nicht die "tochter eines selbstmörders", sondern eine tochter die ihren vater verloren hat, in erster linie durch krankheit, denn sein wesen wurde dadurch ja auch verändert.

ja, es ist traurig, das keine zeilen hinterlassen wurden, aber selbst dazu fehlte wahrscheinlich die kraft. denn das hiesse, sich noch einmal hinzusetzen und zu erklären und nachzudenken und fühlen, und das können diese menschen in diesen momenten ebend nicht.

du hast deinen vater verloren, mein beileid für dich und deine familie.

und: es passt in dieses forum! auch wenn es sicher nicht so oft vorkommt. oder niemand darüber schreiben mag. aber gedacht haben es manche bestimmt schon, weil die kraft zu ende ging, sie verzweifelt waren.


liebe gruesse & viel kraft für die nächste trauerzeit, vintage
__________________
lieben gruß, vintage



Mein geliebter Mann wurde nur 49 Jahre alt und
starb knapp fünf Monate nach der Diagnose.
* Juli 1965 - + Mai 2015

ED Weihnachten 2014 Darmkrebs mit zu vielen Lebermetastasen,
dann auch Lungenmetastasen...
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  #5  
Alt 25.07.2009, 15:13
lyra lyra ist offline
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Beiträge: 375
Standard AW: Suizid nach 1. Chemo-Block

Hallo liebe Twinkle, mein ehrliches Beileid zu dem Tod Deines Vaters.
Ich schicke Dir mein tiefes Mitgefühl, habe aber auch genausoviel Mitgefühl für Deinen Vater.
So, wie Du es schilderst, scheint er im Krankenhaus nüchtern Bilanz gezogen zu haben- vielleicht hat er seinen bevorstehenden Leidensweg geahnt, speziell nachdem die erste Chemo so katastrophale Nebenwirkungen hatte, vielleicht wollte er auch keinem- z.B. Dir- zur Last fallen (Du schreibst, Deine Eltern haben sich getrennt), vielleicht wollte er den Rest seines Lebens nicht in einem hilflosen Zustand verbringen, sehend, daß es nicht besser, sondern immer schlechter wird- keiner weiß das.
Aber bitte schäme Dich nicht für Deinen Vater- es gehört viel Mut und Konsequenz dazu, auf diese Weise aus dem Leben zu gehen. Das ist jetzt nur meine persönliche Meinung- meist wird gesagt:Suizid ist feige- aber das ist es für mich nicht.
Versuche mal, Dich in die Situation Deines Vaters hineinzuversetzen- vielleicht macht es Dir Deine Trauer dann sogar etwas leichter.
Ich wünsche Dir viel Kraft
Liebe Grüße
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  #6  
Alt 25.07.2009, 16:17
Benutzerbild von Artemis
Artemis Artemis ist offline
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Registriert seit: 02.07.2009
Beiträge: 318
Standard AW: Suizid nach 1. Chemo-Block

Liebe Twinkle,
mein tiefstes Mitgefühl an dich und deine familie.

Ich stimme Lyra zu und denke das selbe wie sie.
Es gehört viel dazu um so aus dem Leben zu gehen.
Dein Vater wollte dir bestimmt einiges ersparen.
Aber denke dran, dein Vater wird immer bei dir sein und ein Teil von dir sein.
Egal was ist.

Ich grüße dich ganz Lieb und drück dich

Artemis
__________________


Meine geliebte Mama ist jetzt ein Engel
07.04.1948-18.06.2009
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  #7  
Alt 25.07.2009, 16:50
Bremensie Bremensie ist offline
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Registriert seit: 25.11.2007
Beiträge: 758
Standard AW: Suizid nach 1. Chemo-Block

Liebe twinkle 80,
erst einmal möchte ich dir sagen dass ich tiefes Mitgefühl mit dir habe und mein Beileid zum Tot deines Vaters aussprechen. So wie dein Vater aus dem Leben gegangen dazu gehört sehr viel Mut so wie das lyra schon gesagt hat. Als mein Exmann mich vor 15 Jahren verlassen hat stand ich selber vor der Entscheidung will ich weiterleben oder mache ich Schluss. Damals fing ich an Schlaftabletten zu sammeln und habe mir dann gesagt wenn ich das Gefühl habe es geht nicht mehr mache ich Schluss. Ich habe danach öfter vor dem Gefühl gestanden es geht nicht mehr. Aber ich wusste ich habe die Schlaftabletten also kann ich ruhig noch ein wenig weitermachen. Irgendwann habe ich die Schlaftablettensammlung in der Apotheke abgegeben.Sicherlich wirst du dir auch gesagt haben der muss doch wissen das ich traurig bin, warum hat er denn bloß nicht an mich gedacht dabei. Ich hatte damal zwei Mädchen im Alter von 18 und 15 Jahren. Sie lebten da beide noch bei mir. Die hatte ich in meinen Selbstmordüberlegungen total ausgeblendet. Schämen musst du dich überhaupt nicht. Es war die alleinige Entscheidung deines Vaters. Ich denke es war dann schlussendlich eine Augenblicksentscheidung und darum hat er keinen Abschiedsbrief hinterlassen. Vielleicht hatte er auch Angst wenn er erst einen Abschiedsbrief verfasst dann verläßt ihn der Mut. Vielleicht schaffst dub es ja auch irgenswann an deinen Vater einen Brief zu schreiben in dem du ihn dann sagen kannst dass du ihn ganz lieb hast und dass du sauer bist dass er einfach so gegangen ist, dass du aber auch seine Angst verstehen kannst vor den Schmerzen usw. und er darum auch gehen konnte und du nun hoffst dass es ihm besser geht wo immer er auch ist. Ich persöhnlich glaube an ein Leben nach dem Tod. Und darum glaube ich dass dein Pappa jetzt auch auf dich aufpasst und nahe bei dir ist und er dich auch darum bittet ihn zu verstehen. Ich wünsche dir ganz viel Kraft für die Zeit die nun durchlebst

Traurige Grüße von Erika
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  #8  
Alt 11.08.2009, 11:55
Stefans Stefans ist offline
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Registriert seit: 27.01.2007
Beiträge: 426
Standard AW: Suizid nach 1. Chemo-Block

Hallo,

Zurück zum Thema Suizid...

Zitat:
Zitat von twinkle80 Beitrag anzeigen
Inzwischen bin ich sehr traurig, dass er uns nicht wenigstens ein paar Zeilen hinterlassen hat.
Als meine Frau wusste, dass sie am Krebs sterben muss, aber noch Zuhause war, hat sie verschiedene persönliche Unterlagen (Tagebücher, Briefe u.ä.) zusammengesucht, die ich nach ihrem Tod verbrennen sollte. Mir aber nicht gesagt, wo. Ein paar Wochen nach ihrem Tod öffnete ich zufällig eine große Schublade, in der all diese Sachen waren. Und obenauf der Abschiedsbrief an meine Frau - von ihrer ersten großen Liebe, die sich vor 30 Jahren das Leben genommen hat. Ich wusste nicht, dass es diesen Brief gibt. Und schon gar nicht, dass meine Frau ihn all die Jahrzehnte über aufgehoben hatte. Ging mich auch nichts an. Und ich hätte ihn auch nicht gelesen, aber bevor ich kapiert hatte, worum es sich handelt, hatte ich ihn schon gelesen.

Es waren genau solche "paar Zeilen", die twinkle vermisst hat. Ein paar Sätze, das Papier aus einem A5-Schreibheft rausgerissen. Sinngemäß: "ich liebe dich, aber ich kann nicht anders." Twinkle, du hast nichts verpasst ohne so einen Abschiedsbrief. Meine Frau hat den Suizid ihres Freundes ein Leben lang nicht verwunden. So wird es jedem gehen, deren Partner / Angehöriger / Freund sich das Leben nimmt. Mit der Schuld (wieso habe ich das nicht gemerkt, wieso konnte ich das nicht verhindern...) muss man leben. Und diesen Brief... ich, der 20 Jahre lang miterlebt hat, wie meine Frau unter dem Suizid dieses Menschen gelitten hat, empfand ihn eher als Verhöhnung, nicht als "beruhigende" Erklärung. Der Mann hätte besser die Klappe gehalten.

Was ich am Thema Suizid so schlimm finde, ist die absolute Tabuisierung. In D nehmen sich doppelt so viele Menschen pro Jahr das Leben wie im Straßenverkehr sterben. Gut 10.000, also etwa jede Stunde einer. Aber es gibt ein stillschweigendes agreement, dass darüber nicht berichtet werden darf. Tun Fernsehen und Zeitungen auch grundsätzlich nicht. Angeblich, um "Nachahmungstaten" zu verhindern. Blödsinn, weil die Suizidraten in allen westlichen Industriegesellschaften etwa gleich hoch sind. Die Menschen tun es so oder so, wenn sie verzweifelt genug sind, unabhängig von der Berichterstattung.

Berichtet wird nur, wenn es sich nicht vermeiden läßt, weil der Sprung vom Hochhaus so spektakulär war und ohnehin schon 20 Leute mit Foto-Handy vor Ort... Über Verkehrsunfälle wird hingegen täglich x mal berichtet. OK, Leichen dürfen nicht gezeigt werden, aber ein Autowrack oder ein einsamer, blutiger Turnschuh, der auf der Überholspur liegt, gerne. Das gruselt so angenehm.

Ebenso schlimm finde ich, dass in D zwar das Selbstbestimmungsrecht des Menschen auch über den eigenen Tod ein hohes Gut ist, das unbestritten über moralisch-religiösen Fragen steht (auch wenn Kirchenvertretern das nicht gefällt). Nicht zufällig ist in D der Suizid(versuch) schon lange nicht mehr strafbar, und die passive Beihilfe dazu auch nicht. Aber dieses Selbstbestimmungsrecht ist eher theoretisch, weil es bei Todkranken oft nicht respektiert wird. Patientenverfügungen (die oft den Wunsch nach "passivem Suizid" festschreiben, durch Verweigerung von Behandlung oder künstlicher Ernährung), werden gerne und häufig ignoriert. Sogar bis zum BGH wurde darüber schon vor ewigen Zeiten prozessiert (mit faulem Kompromiss als Urteil).

Und wenn jemand noch physisch in der Lage ist, Suizid zu begehen, dann wird es ihm verwehrt, in Würde zu Sterben. Natürlich darf sich jeder das Leben nehmen. Sich aus dem 4. Stock stürzen, erschiessen, erhängen, vor den nächsten Baum fahren... Aber in Würde heisst für mich, dass eine humane Art der Selbsttötung möglich ist, mit der auch die Angehörigen besser leben können. Das ist nunmal die Überdosis Nembutal / Seconal - die Tötungsart, wie sie in Holland und der Schweiz bei der aktiven Sterbehilfe praktiziert wird. In D und weiten Teilen der "zivilisierten" Welt ist dieses Medikament nur noch zum Einschläfern von Tieren erhältlich. Und wer keinen korrupten Landtierarzt kennt, der sein Giftbuch fälscht und einem eine Ampulle abgibt, kommt da nicht ran.

Über die nächstbesten humanen Methoden (Medikamente, Helium, Plastiktüte) wird in D auch sorgsam geschwiegen. Fachliteratur wie das "Suicide Handbook" sind in D zwar nicht verboten. Noe, aber sie werden ignoriert. Trotz internationaler ISBN bei Libri nicht gelistet und bei Amazon.de nicht zu kaufen. OK, diese Art der Zensur ist für den versierten Internet-Nutzer kein Problem. Bestellt er halt bei Amazon USA, die liefern weltweit. Aber traurig bezeichnend für den Umgang mit diesem Thema in D finde ich das schon.

"Humane" Selbsttötung heisst für mich möglichst friedlich, schmerzfrei, einfach praktizierbar, legal - und für die Angehörigen "erträglich". Meint u.a., dass ein Toter so aussehen sollte, dass die Hinterbliebenen ihn bei Aufbahrung noch ansehen und von ihm Abschied nehmen können. Und im besten Fall, dass die Angehörigen gar nicht merken, dass ein Suizid vorliegt, damit sie ohne Schuldgefühle weiter leben können. Das ist in D praktisch verboten, weil die Mittel dazu verboten sind.

Die Alternativen? Eine habe ich gerade vor ein paar Wochen erlebt, Freitag morgen um 9.20 Uhr, als ich bei uns im Hof sass. Wir wohnen direkt am Bahnübergang, und die Strecke verläuft so 100 m lang direkt an unserem Grundstück lang. Da hupt der Lokführer ein paar Sekunden, dann eine Sekunde Stille, und dann dieses dumpfe Aufprallgeräusch - wie wenn man gegen einen Pappkarton tritt. Dann Bremsen kreischen, Stillstand, und mein Hund, der völlig durchdreht. Mit eingekniffenem Schwanz und in die Luft gereckte Nase in den Garten läuft, direkt am Zaun Richtung Bahn Sitz macht und jault ohne Ende. Dann Polizei, Bahnpolizei, Rettungswagen, Leichenwagen, usw. Ich habe mir das nicht im Detail angesehen, sondern meinen Hund zurückgerufen und das Tor zum Garten zugemacht. Ich weiss nicht, wie weit Leichenteile fliegen, wenn jemand mit 150 km/h vom Regionalexpress zermalmt wird. Aber die 5 m von Gartenzaun bis Geleis waren mir zu wenig, um nachzusehen. Und ich habe den Garten auch danach tagelang nicht betreten, obwohl die Polizisten, die ihn gründlich nach Überresten durchkämmt hatten, meinten, da wäre ganz sicher nichts.

Erschiessen ist auch lustig. Meine Jugendliebe hatte einen WG-Mitbewohner, der sich im Sommer, als er am Wochenende allein war, in der Wohnung den Kopf mit der Schrotflinte weggeschossen hat. Man muss kein Pathologe sein, um sich vorstellen zu können, wie groß die Fliegenmaden schon sind, wenn man jemanden findet, der bei 30°C zwei Tage lang tot in der Wohnung liegt. Diesen Anblick vergisst kein Mensch, lebenslang nicht. Über ähnlich "humane" Tötungsarten wissen alle Bescheid, die damit zu tun haben. Wie mein Cousin als Polizist oder meine Schwester als Krankenschwester in der Intensivmedizin. Die freuen sich immer wieder besonders auf Dienst an Weihnachten...

Was bleibt, human und selbstbestimmt? Nicht viel. Wenn man noch kann, ist der vorgetäuschte Autounfall eine gute Wahl. Da können sich alle vormachen, dass es sich um einen Unfall handelt. In Zeiten moderner Sicherheitstechnik im Auto allerdings immer schwieriger (die Airbags in meinem Auto sind deaktiviert, befreundete KFZ-Bastler sei Dank). Für Todkranke bleibt wohl nur der passive Suizid durch Nahrungsverweigerung. So wie meine Frau die parenterale (künstliche) Ernährung abgelehnt hat. Wäre der Krebs nicht schneller gewesen, wäre sie halt (nachdem sie schon > 30 kg abgenommen hatte) spätestens in 3 Monaten verhungert. Diese Methode ist legal. Aber ob sie für den Sterbenden humaner ist als eine rechtzeitige Überdosis Nembutal, möchte ich doch sehr bezweifeln...

Viele Grüße,
Stefan
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