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Alt 30.11.2019, 23:56
Thomas99 Thomas99 ist offline
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Registriert seit: 30.11.2019
Beiträge: 1
Standard Hodenkrebs – meine Geschichte nach 5 Jahren (Seminom, IIb)

Hallo zusammen,

vor einiger Zeit habe ich in diesem Forum zahlreiche Einträge von Mitbetroffenen gelesen. Manche davon gaben mir Hoffnung, manche haben mir Angst vor dem was auf mich zukommt gemacht.
Ich war allerdings sehr dankbar, dass es dieses Forum gab. Die vielen positiven Beiträge haben mir geholfen, über die schlimme Zeit nach dem Befund zu kommen.

Nun ist meine eigene Erkrankung über 5 Jahre her und ich bin unheimlich dankbar, dass ich nun hier eine Geschichte beitragen kann, die hoffentlich allen Betroffenen Hoffnung spendet.

Zunächst zu meinem 5-Jahre jüngeren Ich:
Damals gerade 31 Jahre jung, im totalen Durchstarter-Modus im Beruf, seit 6 Monaten verlobt, konnte mich gefühlt nichts aufhalten...alles lief nach Plan. Dann - an einem Samstagabend im Oktober - merkte ich beim Duschen, dass mein rechter Hoden ziemlich stark angeschwollen ist. Und mit ziemlich meine ich ZIEMLICH...mehr dazu später.
Was macht man heute bei so einer Auffälligkeit? Natürlich Dr. Google...relativ schnell stieß ich auf erste Einträge mit der Überschrift „Hodenkrebs“. Zunächst die klassische Verdrängungstaktik: „bin viel zu jung...muss was anderes sein...“ – ups, Hauptrisikogruppe zw. 20 und 40J. Und da fing das Kopfkino richtig an. Habe quasi den Rest des Samstagabends und den Sonntag mit grübeln und immer wieder vor Dr. Google verbracht.
Als dann „endlich“ Montag war und ich beim Urologen vorstellig wurde, war ich quasi schon halber Hodenkrebsexperte.
Ich werde nie die Worte meines Arztes vergessen, nachdem er getastet und einen ersten Ultraschall gemacht hat: „Das sieht nicht gut aus, ich werde sie sofort ins Krankenhaus weiterschicken. Wenn ich ihnen eine Sache mitgeben darf: Ich weiß, das hört sich jetzt komisch an. Aber wenn ich mir einen Krebs aussuchen müsste, dann Hodenkrebs...die Heilungsaussichten sind extrem gut.“...Uff, das war ein völliger Schock. Also tatsächlich Krebs???

Also die Freundin angerufen (sie wollte natürlich sofort informiert werden), ab ins Krankenhaus. Dort das gleiche Spiel: Tasten, Ultraschall. Gleiche Vermutung.
„Da werden wir eine Probe nehmen müssen. Wenn es sich um Krebs handelt, werden wir den Hoden sofort amputieren. OP Termin in einer Woche...“
Ich kann sagen, das war eine der schlimmsten Wochen meines Lebens (nur noch getoppt von den Wochen nach der OP)...Die Ungewissheit, eine Samenspende abgeben (man weiß ja nie, was passiert – Kinder sollte es dann doch irgendwann mal geben), die nächtlichen Recherchen bei Dr. Google und dem ausmalen der Worst-Case Szenarien.

In der Zwischenzeit kamen auch die Tumormarker: LDH erhöht (385), Rest im Normbereich.
Damit war die Sache so gut wie klar...ich kann mich von meinem rechten Kumpel verabschieden. Blieb noch die Hoffnung, dass der Krebs nicht gestreut hat.

Dann die OP: Kurz nach dem Aufwachen bekam ich den Befund. Reines Seminom, 6,9 (!!!!) cm. Bis heute frage ich mich, wie mir nicht auffallen konnte, dass mein rechter Kollege auf diese Größe angeschwollen ist. Im Nachhinein kann ich es mir nur mit Verdrängung erklären.
Der Aufruf an alle, die sich unsicher sind ob da unten alles Roger ist: Geht zum Arzt!!! Lieber einmal zu viel zum Urologen und sich kurz an den Eiern rumgrabbeln lassen, als später mit schlimmer als nötigen Konsequenzen zu leben.

Allerdings machten mir die Ärzte Hoffnung: sah soweit alles gut aus bei der OP, vielleicht habe ich Glück und es hat nichts gestreut. Also warten auf die CT-Ergebnisse. Während der Nacht dann die Grübelei über Konsequenzen wenn doch und das Elend einer Chemo-Therapie...

Dann der nächste (noch größere) Schock: Der Tumor hat gestreut. Drei suspekte Lymphknoten, der größte 2,1 cm groß. Klinisches Stadium IIb.
Empfohlene Therapie: 4 Zyklen PEB. Der reinste Horror!

Und dann doch wieder ein Funken Hoffnung: Es gibt eine klinische Studie, bei einer der Führenden Ärztinnen zu Hodenkrebs in Deutschland: Prof. Krege (heute in Essen, damals in Krefeld). Die Studie beinhaltet einen Shot Carbo-Platin und 36 Gray sehr lokale, begrenzte Bestrahlung – sozusagen das Beste aus beiden Welten
Also ab nach Krefeld...Vorbesprechung. Es machte alles einen super Eindruck (ich kann jedem Betroffenem nur empfehlen, sich bei Prof. Krege behandeln zu lassen. Super kompetent, die Frau weiß was sie tut!).
Entscheidung fiel schnell: ich gehe das Risiko der Studie ein. Die Vorteile überwogen aus meiner Sicht um das Mehrfache.
Dann wieder endlose 4 Wochen, bis der Papierkram für die Studie erledigt war und die Behandlung endlich losging.

Im November war es dann endlich soweit, Tag 1: Ein Shot Carbo-Platin. Die Infusion war ein Klacks. Bin anschließend erleichtert nachhause gefahren. Nach ca. 5-6 h ging die Kotzerei los. Die 24h nach der Chemo waren elendig...aber auch nicht schlimmer als eine üble Magendarm Grippe.
Wieder 4 Wochen später ging die Bestrahlung los. Das war alles halb so wild...das nervigste war die Fahrerei von Köln nach Krefeld jeden Tag.
Man muss aber dazu sagen, dass die Bestrahlung im Vergleich zur herkömmlichen Therapie viel begrenzter war (das Strahlenfeld war nur wenige cm im Durchmesser und nur auf die betroffenen Lymphknoten gerichtet).

Fast-Forward, der erste Kontrolltermin nach 3 Monaten: Das Warten bis zur Sprechstunde war die pure Folter. Dann nach kurzem tasten und Blick auf die CT-Aufnahmen, die Erleichterung! „Sieht alles gut aus, Therapie hat voll angeschlagen“.

Also ging es dann in die regelmäßigen Kontrollen. Bis auf die Nervosität vorher und die aufwändige Logistik (aufgrund der Studie mussten die Kontrollen ebenfalls in Krefeld, später Essen durchgeführt werden) eigentlich halb so wild.

Nach ca. 3,5 Jahren der nächste Schock: die Ärztin (damals übernahm eine Stationsärztin die Kontrollen) entdeckt eine auffällige Stelle im Ultraschall des linken Hodens. Der Horror fing wieder von vorne an! Rezidiv?? Auch der linke Hoden ab????? Ein paar Tage später dann der erlösende Anruf von Prof Krege...“das sieht alles OK aus, die Tumormarker sind ebenfalls völlig unauffällig. Machen sie sich keine Sorgen“.

Und so war es dann auch...die 1,5 Jahre danach war Ruhe.
Meine letzte Untersuchung im Rahmen der Studie war vor einer Woche und die 5 Jahre seit dem Befund sind ohne Rezidiv überstanden.

Rückblickend muss ich sagen, ich hatte großes Glück.
Zum einen, weil ich die Chance hatte in die klinische Studie zu kommen. Die Therapie war im Vergleich zu allem was ich in diesem Forum zu Chemo und Bestrahlung gelesen haben, halb so wild (natürlich hoffe ich, dass ich keine Spätschäden davontragen werde).
Zum anderen, weil ich meine damalige Freundin und heutige Frau an meiner Seite hatte. Sie hat mir zu jeder Zeit Kraft gegeben und war immer optimistisch – auch wenn sie sich natürlich selber große Sorgen gemacht hat. Mittlerweile haben wir eine zweijährige Tochter, die uns jeden Tag große Freude macht (zumindest meistens ).

Ich denke eigentlich kaum noch an die Krankheit, hatte mir aber immer vorgenommen hier meine Geschichte zu posten. Mir hat es damals sehr geholfen, mich hier aus erster Hand informieren zu können.

Etwas Positives habe ich für mich aus der ganzen Erfahrung gezogen: Ich habe mich nach der ersten Nachsorge so lebendig wie noch nie gefühlt! So eine Erkrankung rückt einiges im Leben in die richtige Perspektive - was wirklich wichtig ist usw...

Ich wünsche allen, die hier gerade lesen und in der gleichen Situation sind wich ich vor 5 Jahren genauso viel (und noch mehr Glück) wie ich es hatte.
Unabhängig davon, welche Behandlungsform ihr wählt: Die Heilungschancen sind ausgezeichnet! Das wird schon!
Und auch mit einem Ei kann man noch alle Freuden des Lebens genießen !
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Alt 01.12.2019, 10:20
EggSackt EggSackt ist offline
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Registriert seit: 02.09.2019
Beiträge: 58
Standard AW: Hodenkrebs – meine Geschichte nach 5 Jahren (Seminom, IIb)

Hallo Thomas,
schöne Geschichte mit Happy End. Sowas liest man gerne.
Von der Studie habe ich noch nie etwas gehört. Gibt es da irgendwas zum Nachlesen?
Ich hatte ein Seminom im Stadium 2c und hab 4 x PEB bekommen.
Das war kein Spaß. Morgen ist Nachsorge

Lg EggSackt
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