Krebs-Kompass-Forum seit 1997  


Zurück   Krebs-Kompass-Forum seit 1997 > Spezielle Nutzergruppen > Forum für Hinterbliebene

Antwort
 
Themen-Optionen Ansicht
  #46  
Alt 13.04.2006, 14:17
shalom shalom ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 25.08.2005
Ort: Baden-Württemberg
Beiträge: 222
Standard AW: Gemeinsame/einsame Wege bei Krankheit

Kritische Nachbetrachtung meiner hier im öffentlichen Forum geschilderten Trauerarbeit.

Es wurde meine "Nüchternheit", das "strukturierte" Vorgehen, die "gefühlsmäßige Distanz" und diverse andere Dinge angemerkt.

Es wurde die systematische Gliederung meines Erfahrungswegs hinterfragt, die dann zum Teil als "absolut setzend" und "missionierend" ankam. Dabei ist zu bedenken , daß ich nur den (gedanklich geordneten) Ablauf meiner Erfahrung, weniger die Rückschritte, Seitwärtsschritte usw. aus der zeitlichen Distanz beschrieben habe. Ich bin zudem erst drei Jahre nach dem Tod meiner Frau zum Krebsforum gestossen und habe dann im eigenen Thread meine Erfahrungen aus der Rückschau geschildert. Jetzt nach sechs Jahren ist die Bearbeitung meiner Trauer wieder ein Stück fortgeschritten.

Vernunft und Gefühl in Balance zu halten, war (ist) für mich schwierig. Neben anderen wichtigen Richtschnüren ist das Nachdenken, das Hinterfragen (das Einschalten der Vernunft) jedoch eine wesentliche Leitlinie in meinem beruflichen und auch privaten Leben. Gefühl und Vernunft miteinander wirken zu lassen war(ist) ein sehr mühsamer Prozeß. Ja, manchmal eilt die Vernunft dem Gefühl weit voraus, dann war es Zeit für mich, die Seele nachkommen zu lassen.

Die öffentliche Darstellung der eigenen Erfahrung mit Krankheits- (Trauer)erfahrungen und -konflikten (das habe ich wohl hier im Krebsforum lernen müssen) trifft Menschen in den unterschiedlichsten (und oft äußerst sensiblen und labilen) Seelenzuständen. Die konnte ich jedoch nicht in jedem Fall erahnen. Daher auch nachträglich meine Entschuldigung an die Teilnehmer in diesem Hinterbliebenenforum, daß ich durch die Darstellung MEINER Erfahrungen eventuell die Befindlichkeiten anderer "überrannt" habe.

Hier im Trauerforum sind eher Betroffene, die frisch trauern. So wie es mal in meine Richtung beschrieben wurde, lag mein Antrieb nicht darin, zu "missionieren" oder ein "Trauergesetz zu verkünden", sondern eher MUT zum Leben zu machen, geschildert an meinem Erfahrungsweg.

Wo und wie sich jeder hier wiederfindet (wenn überhaupt) um ein paar dieser persönlich geschilderten Schritte nachzuvollziehen, muß jedem selbst überlassen bleiben. Keiner muß sich durch die Erfahrungen anderer eingezwängt fühlen. Was für einen Trauernden geeignet erscheint, muß es für andere jedoch nicht unbedingt sein. Die Trauerexperten sprechen von Trauerphasen, aber diese Phasen gestalten sich für jeden Trauernden wohl ganz individuell oder auch mal ähnlich zu einem "Nachbartrauernden".

Es wurde meine "Nüchternheit" oder "Coolness" angesprochen.

Nüchternheit und systematische Gliederung meiner Aussagen sind sicher bei mir auch beruflich bedingt. Ich bin sensibel, aber nicht empfindlich. Wie man in verschiedenen Threads merken konnte, weiche ich auch Konflikten nicht aus, sondern spreche sie an. Dabei wurde von mir nicht die Art der Trauer, wohl aber die zeitweilige Art des öffentlichen Umgehens miteinander im Forum kritisiert. Ich habe ein Gespür dafür, wenn in der Kommunikation eine Schieflage auftritt. Da war ich auch nicht ganz alleine mit meiner Ansicht.

Die außerordentlichen Chancen in dieses Forum liegen darin, uns austauschen zu können, mitnehmen zu können, was wir benötigen, beiseite zu legen, was uns nicht geeignet erscheint.

Es ist doch eine gute Seite dieses Forums, sich zur Seite zu stehen. Dabei braucht Trauer sehr viel Zeit: für die Nachbearbeitung des bisherigen gemeinsamen Lebens mit unseren Verstorbenen, aber auch für das Nachdenken und für die Vorbereitung auf das weitere Leben nach dem traurigen Ereignis.

LG
Shalom

Alles hat seine Zeit

Es gibt eine Zeit der Freude,
Es gibt eine Zeit der Stille,
Es gibt eine Zeit des Schmerzes, der Trauer,
und eine Zeit der dankbaren Erinnerung.
__________________
Es ist nicht genug zu wissen, man muß es auch anwenden.
Es ist nicht genug zu wollen, man muß es auch tun.


(Johann Wolfgang von Goethe)
"Wilhelm Meisters Wanderjahre", 3. Buch, 18. Kapitel
Mit Zitat antworten
  #47  
Alt 15.04.2006, 08:32
shalom shalom ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 25.08.2005
Ort: Baden-Württemberg
Beiträge: 222
Standard AW: Gemeinsame/einsame Wege bei Krankheit

Vielleicht lassen sich die folgenden Geschichten auch auf die Trauer und die Beobachtung(sweisen) der Wege aus der Trauer übertragen. Überall spielt die Zeit eine Rolle und damit die Veränderung.

Bis die Seele nachkommt

Ein europäischer Biologe hatte für eine Himalaja- Expedition eine Gruppe indischer Träger angeheuert. Der Forscher war in großer Eile, denn er wollte schnell an sein Ziel kommen. Nachdem die Gruppe den ersten großen Pass überschritten hatte, erlaubte er ihnen eine kurze Rast. Nach einigen Minuten rief er aber wieder zum Aufbruch. Die indischen Träger blieben aber einfach auf dem Boden sitzen, als hätten sie ihn gar nicht gehört. Sie schwiegen und ihr Blick war zu Boden gerichtet. Als der Forscher die Inder schärfer aufforderte, weiterzugehen, schauten ihn einige von ihnen verwundert an.
Schließlich sagte einer: "Wir können nicht weitergehen. Wir müssen warten, bis unsere Seelen nachgekommen sind."


Über das Sehen

Die Schüler hatten den Meister bereits eine Weile beobachtet und wollten nun von ihm wissen, welche Art der Meditation er denn jeden Morgen im Garten praktiziere. Der Meister antwortete ihnen: "Wenn ich aufmerksam schaue, sehe ich den Rosenstrauch in voller Blüte." Darauf fragte einer seiner Schüler:" Aber warum muss man denn aufmerksam schauen, um den Rosenstrauch zu
sehen? Die Blüten sind doch wirklich auffällig."
Der Meister lächelte und sagte dann: "Damit man wirklich den Rosenstrauch sieht, und nicht die eigene Vorstellung davon."


Die Schnecke und der Kirschbaum

Der Meister wurde einmal gefragt, ob er es nicht manchmal leid sei und sich entmutigt fühle, wenn all seine Mühe kaum Früchte trägt. Da erzählte er die folgende Geschichte: Es war einmal eine Schnecke, die sich an einem nasskalten, grauen und stürmischen Frühjahrstag aufmachte, am Stamm eines Kirschbaumes hinaufzuklettern. Die Spatzen, die überall im Garten saßen, lachten über die Schnecke und zwitscherten: "Du bist ja ein Dummkopf - schau doch, da sind überhaupt keine Kirschen am Baum! Warum machst du dir die Mühe, da hochzuklettern?" Die Schnecke kroch unbeirrt weiter und sagte zu den Spatzen: "Das macht mir nichts - bis ich oben angekommen bin, sind Kirschen dran!"

entnommen aus: http://www.zeitzuleben.de/inhalte/in/geschichten
__________________
Es ist nicht genug zu wissen, man muß es auch anwenden.
Es ist nicht genug zu wollen, man muß es auch tun.


(Johann Wolfgang von Goethe)
"Wilhelm Meisters Wanderjahre", 3. Buch, 18. Kapitel
Mit Zitat antworten
  #48  
Alt 02.05.2006, 14:11
shalom shalom ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 25.08.2005
Ort: Baden-Württemberg
Beiträge: 222
Standard AW: Gemeinsame/einsame Wege bei Krankheit

Nachdenkliches zum Wechselspiel zwischen Verstand, Gefühl, Trauer und Glück

Wer meine Beiträge in diesem und anderen Threads verfolgt hat, konnte herauslesen, daß Gedanken UND Gefühle aktiv gewesen sind, wenn ich meine Beiträge schrieb.

Wer (Denken, Gefühl), Wann und Wie mal die augenblickliche Überhand hat und mein Verhalten damit steuert, ist nicht einfach vorher zu sagen.

Vielleicht ist eine "abgeklärtere" Darstellung nicht so leicht zu akzeptieren wie eine augenblickliche sehr gefühlsbetonte Stimmung.

Ich habe versucht in meinen Beiträgen offen und ehrlich dasjenige darzustellen, wie es mir aus jetziger Sicht und einer offenen Nachschau nun erscheint.

Ich will die Chance weiter zu leben NUTZEN. Das tue ich im Blick zurück in Liebe und nach vorne in Liebe.

Wege zum Leben (nach dem Tod meiner Frau) zu finden hieß auch MICH ZU ÖFFNEN ohne mich der Vergangenheit zu verweigern oder mir die Zukunft zu verbieten.

Es waren (sind) die kleinen Dinge, die mich glücklich machen konnten (können), wenn ich sie denn sehen (wollte) will. Es hing (hängt) sehr viel davon ab, wie ich die Welt sehe und erlebe. Vielleicht konnte (kann) ich mich durch meine Haltung zum Leben sogar für Glück öffnen und "vorbereiten" wieder zu LEBEN.

Glück ist gar nicht mal so selten,
Glück wird überall beschert,
vieles kann als Glück uns gelten,
was das Leben uns so lehrt.

Glück ist jeder neue Morgen,
Glück ist bunte Blumenpracht
Glück sind Tage ohne Sorgen,
Glück ist, wenn man fröhlich lacht.

Glück ist Regen, wenn es heiß ist,
Glück ist Sonne nach dem Guß,
Glück ist, wenn ein Kind ein Eis ißt,
Glück ist auch ein lieber Gruß.

Glück ist Wärme, wenn es kalt ist,
Glück ist weißer Meeresstrand,
Glück ist Ruhe, die im Wald ist,
Glück ist eines Freundes Hand.

Glück ist eine stille Stunde,
Glück ist auch ein gutes Buch,
Glück ist Spaß in froher Runde,
Glück ist freundlicher Besuch.

Glück ist niemals ortsgebunden,
Glück kennt keine Jahreszeit,
Glück hat immer der gefunden,
der sich seines Lebens freut.

(Clemens von Brentano)

Aus dem Zusammentreffen von
Vorbereitung und Gelegenheit
entsteht das, was wir Glück nennen.


(Anthony Robbins)


Mit lieben Grüßen
Shalom
__________________
Es ist nicht genug zu wissen, man muß es auch anwenden.
Es ist nicht genug zu wollen, man muß es auch tun.


(Johann Wolfgang von Goethe)
"Wilhelm Meisters Wanderjahre", 3. Buch, 18. Kapitel

Geändert von shalom (02.05.2006 um 14:19 Uhr)
Mit Zitat antworten
  #49  
Alt 02.05.2006, 15:20
Benutzerbild von AndreaS
AndreaS AndreaS ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 09.02.2005
Ort: SB
Beiträge: 962
Standard AW: Gemeinsame/einsame Wege bei Krankheit

Hallo Shalom

und da wir gerade vom Glück reden, möchte ich mal wieder PeWerner zitieren, die in einem ihrer Lieder ganz einfach sagt:

Glück ist im Grunde
nur eine Frage der Balance.

Ich finde, diese Aussage trifft es genau auf den Punkt. Die Balance wiederzufinden, wenn das Schicksal dir den Boden unter den Füßen wegzieht, ja, ich denke, das ist Glück!

LG
Andrea
__________________
Που να 'σαι τώρα που κρυώνω και φοβάμαι
και δεν επέστρεψες
Mit Zitat antworten
  #50  
Alt 08.05.2006, 09:52
shalom shalom ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 25.08.2005
Ort: Baden-Württemberg
Beiträge: 222
Standard AW: Gemeinsame/einsame Wege bei Krankheit

Im Krebskompass auf der Seite "Gedenkseite - Place of Memory" für TinaNRW habe ich folgendes Gedicht gesehen und als sehr tröstlich empfunden, denn das Leben meiner verstorbenen Frau war nicht umsonst.

Nichts war umsonst

Nichts war umsonst
Wenn wir einmal gehen müssen - was bleibt?
Ist es die Liebe,
die wir in andere Herzen gelegt haben;
ist es die Hoffnung,
die wir anderen Menschen geschenkt haben;
ist es der Glaube,
der uns auf ein Wiedersehen hoffen lässt;
ist es der Trost,
den wir verbreitet haben;
ist es der Gedanke an unsere Arme,
die uns beschützt haben;
sind es die schönen Worte,
die wir gesprochen haben?
Das alles bleibt - nichts war umsonst.

(Hildegard Peresson)

__________________
Es ist nicht genug zu wissen, man muß es auch anwenden.
Es ist nicht genug zu wollen, man muß es auch tun.


(Johann Wolfgang von Goethe)
"Wilhelm Meisters Wanderjahre", 3. Buch, 18. Kapitel
Mit Zitat antworten
  #51  
Alt 10.05.2006, 07:57
shalom shalom ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 25.08.2005
Ort: Baden-Württemberg
Beiträge: 222
Standard AW: Gemeinsame/einsame Wege bei Krankheit

Nach meiner damaligen Trauer eine stabile Einstellung zum LEBEN zu finden war nicht einfach, aber es war möglich. Und irgendwie stimmt er schon der denkwürdige Satz:

Du wirst so werden, wie Du Dich siehst.

Irgendwann habe ich mich entschlossen, freundlich mit mir zu sein.

Und das Surfen im Internet scheint es zu bestätigen:

Wenn du nicht freundlich zu dir bist, wer soll es dann sein? Die anderen? Die haben genug mit sich selbst zu tun. Also mußt du schon selbst anfangen.

Hast du einmal darauf geachtet, wie oft du negativ oder abfällig oder kritisierend über andere sprichst? Und wie oft sprichst du auf die selbe Weise mit dir selbst! Achte einmal darauf, was du so den ganzen Tag lang zu dir selbst und zu anderen sagst, im stillen wie auch laut; wenn du einen Tag lang ein Aufnahmegerät bei dir trügest und es abends abhörtest, wärst du sicherlich sehr erstaunt - oder gar erschrocken.

Wandel geschieht; Veränderung geschieht - Leben geschieht. Du kannst dich dagegen wehren und mitgerissen werden. Und du kannst es annehmen, dich darüber erheben und mitfließen. Es ist deine Wahl.

Willst du zufrieden sein, dann finde drei Dinge, für die du dankbar bist; willst du glücklich sein, dann finde 10 Dinge, für die du dankbar bist; willst du erleuchtet sein, dann sei für alles dankbar.


gefunden in: http://daily.joy4u.net/

LG Shalom
__________________
Es ist nicht genug zu wissen, man muß es auch anwenden.
Es ist nicht genug zu wollen, man muß es auch tun.


(Johann Wolfgang von Goethe)
"Wilhelm Meisters Wanderjahre", 3. Buch, 18. Kapitel
Mit Zitat antworten
  #52  
Alt 15.05.2006, 08:36
shalom shalom ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 25.08.2005
Ort: Baden-Württemberg
Beiträge: 222
Standard AW: Gemeinsame/einsame Wege bei Krankheit

Warum nicht nochmals zurückblicken ?!

Warum nicht nochmals zurückblicken, wie es damals während der Zeit der Krankheit war (Ich habe die folgenden Sätze in einem ganz anderen Thread dieses Forums mal auf eine Nachfrage geschrieben.):

Durch eine Krebserkrankung wird so etwa alles einer Belastungsprobe unterzogen, was vorher selbstverständlich und stabil war. Es ist auch so, daß einem der Boden unter den Füßen entzogen wird. Meine Frau und ich haben damals sehr viel nachgedacht, sehr viel geschwiegen, sehr viel miteinander gesprochen. Es klingt so banal, aber jeder von uns mußte erst neu herausfinden, wie mit der Krankheit und wie miteinander umgehen. Nichts war mehr so, wie es vorher war. Jeder war auch sehr viel mit sich selbst beschäftigt, oder anders ausgedrückt: auf sich focussiert.

Das Meiste mußte neu austariert werden: Kontakte zu Verwandten und Freunden, die Selbstgestaltung des Tagesablaufs meiner Frau (jeden Tag aufs Neue mit sehr viel Zeit zum Grübeln), die Neugestaltung von Nähe und Distanz (im allgemeinen täglichen Umgang, im Erotischen, im Sexuellen) zwischen uns beiden mit häufiger emotionaler Rückversicherung. In den beschwerlichen Phasen ihrer Krankheit und bei den Nachwirkungen der schweren Chemos versuchte ich ihr alles Erdenkliche abzunehmen, sie jedoch wollte aus verständlichen Gründen nicht die Kontrolle über sich und ihre Umgebung komplett abgeben. Sie hat mir liebevoll signalisiert, daß sie sich ein wenig "overprotected" fühlte, und dies oder jenes selbst wieder in den Griff bekommen wollte.

Es gibt so viele Dinge, die ich als Gesunder mal eben schnell gemacht habe, für sie war jedoch jede kleine Aktion eine selbst vollbrachte Leistung und machte ihr Mut: Das kann ich schon wieder.

Es sind die vielen kleinen alltäglichen Dinge und der neue Umgang mit ihnen gewesen, die zeigten, ob ich/wir sensibel füreinander waren. Die "großen" Fragen standen dabei immer im Raum: Wie geht es weiter ? Was ist wenn ? Auch das haben wir nicht ausgeklammert. Zeit zum Nachdenken gab es ja viel, aber auch wunderschöne unbeschwerte GEMEINSAME Erlebnisse trotz Krankheit. Und genau die sind es, von denen ich jetzt noch zehre.

Es (war) ist eine sehr intensive, schwere und dabei sehr schöne Zeit, füreinander da zu sein. Diese gemeinsam erlebte Zeit (war) ist nicht wiederholbar, also lohnt(e) es sich bewußt und intensiv gemeinsam zu leben.


Vieles mußte neu austariert werden NACH der Krankheit, in der Zeit der Trauer, in der Zeit des Wieder-neu lebens-Wollens. Dabei hat mir die gemeinsame Zeit während der Krankheit sehr geholfen.

Liebe Grüße
Shalom
__________________
Es ist nicht genug zu wissen, man muß es auch anwenden.
Es ist nicht genug zu wollen, man muß es auch tun.


(Johann Wolfgang von Goethe)
"Wilhelm Meisters Wanderjahre", 3. Buch, 18. Kapitel
Mit Zitat antworten
  #53  
Alt 23.05.2006, 10:25
shalom shalom ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 25.08.2005
Ort: Baden-Württemberg
Beiträge: 222
Standard AW: Gemeinsame/einsame Wege bei Krankheit

Nachdenkliches aus verschiedenen Quellen zum "Tod als Freund" und zur Schwierigkeit zu uns selber zurück zu finden nach dem Tod eines geliebten Menschen.

Anfang der Zitate:

Nach Henri J. M. Nouwen besteht unsere Aufgabe darin, uns mit dem Tod anzufreunden.

"Menschen, die sich mit dem Tod angefreundet haben, können der eigenen Sterblichkeit ins Gesicht sehen und sich für das Leben frei entscheiden".
(Henri Nouwen, "Sterben um zu leben", Herder-Verlag, Freiburg)

Diese Menschen bekommen einen neuen Blick auf das Ziel und laufen "befreit auf". Ich kann mich mit dem Tod anfreunden, wenn ich von Menschen höre, die in Würde ins Ziel gelangt sind. Das gibt mir Kraft, selber weiter zu laufen. Ich kann mich mit ihnen freuen und sie als Vorbilder für mein eigenes "Rennen" nehmen.

Der Psychoanalytiker Erich Fromm hat vor Jahren das Buch "Authentisch leben" verfasst. Seine Kernaussage kann man kurz auf den Nenner bringen, "dass wir nur dann zu einem glücklichen und erfüllten Leben finden, wenn wir authentisch leben." Das geschieht laut Fromm, "wenn wir aus uns selbst heraus leben und Entscheidungen treffen, und nicht bloß die Erwartungen von außen erfüllen."

"Nicht was man gedacht hat hält, nur was man gefühlt hat. Jeder Dank und jedes Gefühl bleiben gebunden an mich. Alles kommt auf mich zurück.

Authentisch sein (Ich selbst sein) heißt zur Ruhe kommen."


Ende der Zitate
__________________
Es ist nicht genug zu wissen, man muß es auch anwenden.
Es ist nicht genug zu wollen, man muß es auch tun.


(Johann Wolfgang von Goethe)
"Wilhelm Meisters Wanderjahre", 3. Buch, 18. Kapitel
Mit Zitat antworten
  #54  
Alt 09.06.2006, 14:16
shalom shalom ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 25.08.2005
Ort: Baden-Württemberg
Beiträge: 222
Standard AW: Gemeinsame/einsame Wege bei Krankheit

Zum "Zu-mir-selber-finden" während/nach Krankheit und Sterben meiner Frau gehörte für mich das "Sich-Zeit-nehmen", denn ich habe die Möglichkeit weiterzuleben als Chance angesehen und nicht als Last.

Es ist (war) schwer, aber für mich ist es sehr lohnend, sich auf das neue Leben einzulassen, wenn ich die Zeit, die ich habe (mir verbleibt) nutze. Zurückblicken und Nach-vorne-Schauen wechseln sich dabei stetig ab. Das Zurückblicken bringt immer mehr die unauslöschlich wertvollen gemeinsamen Ereignisse zurück, während die schweren und traurigen Ereignisse zwar immer präsent sind, aber an Dunkelheit und Schwere abnehmen.

Trauer zulassen können, Glück an mich heranlassen, den neuen Lebensschwerpunkt suchen/finden brauchte ZEIT, viel ZEIT.

Vielleicht ist auch das mit der Suche nach einem neuen "authentischen" Leben gemeint.

Ich denke in grosser Dankbarkeit an die gemeinsame mehr als 30jährige Zeit zurück, die ich mit meiner verstorbenen Frau erleben konnte. In wenigen Tagen jährt sich zum 6. Mal der Tag der unerbittlichen und endgültigen Trennung.

LG
Shalom



Ich wünsche Dir Zeit


Ich wünsche Dir nicht alle möglichen Gaben.
Ich wünsche Dir nur, was die meisten nicht haben:
Ich wünsche Dir Zeit, Dich zu freu'n und zu lachen
und wenn Du sie nützt, kannst Du etwas d'raus machen.

Ich wünsche Dir Zeit für Dein Tun und Dein Denken,
nicht nur für Dich selbst, sondern auch zum Verschenken.
Ich wünsche Dir Zeit - nicht zum Hasten und Rennen,
sondern die Zeit zum Zufrieden-sein-können.


Ich wünsche Dir Zeit - nicht nur so zum Vertreiben.
Ich wünsche sie möge Dir übrigbleiben
als Zeit für das Staunen und Zeit für Vertrau'n
anstatt nach der Zeit auf der Uhr nur zu schau'n.


Ich wünsche Dir Zeit, nach den Sternen zu greifen,
und Zeit, um zu wachsen, das heißt, um zu reifen.
Ich wünsche Dir Zeit, neu zu hoffen, zu lieben.
Es hat keinen Sinn, diese Zeit zu verschieben.


Ich wünsche Dir Zeit, zu Dir selber zu finden,
jeden Tag, jede Stunde als Glück zu empfinden.
Ich wünsche Dir Zeit, auch um Schuld zu vergeben.
Ich wünsche Dir Zeit: Zeit haben zum Leben!


(Elli Michler)


entnommen aus dem Thread "Gedanken und Gedichte"
__________________
Es ist nicht genug zu wissen, man muß es auch anwenden.
Es ist nicht genug zu wollen, man muß es auch tun.


(Johann Wolfgang von Goethe)
"Wilhelm Meisters Wanderjahre", 3. Buch, 18. Kapitel

Geändert von shalom (09.06.2006 um 14:52 Uhr)
Mit Zitat antworten
  #55  
Alt 21.06.2006, 14:02
shalom shalom ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 25.08.2005
Ort: Baden-Württemberg
Beiträge: 222
Standard AW: Gemeinsame/einsame Wege bei Krankheit

Nach der Trauer und mit der Trauer;Nachdenkliches zum Umgang mit dem Glück und der wichtigen Aufgabe des Neu-Zu-sich-selber-Findens.


Glück


Glück - sag mir was ist das denn nun?
Glück - tut das vielleicht weh?
Glück - hat das was mit Pech zu tun?
Glück - erklär’s mir doch, damit ich’s versteh.

Glück, das kann man nicht beschreiben,
man muss es einfach spüren.
Glück, das kann man nicht betreiben,
man kann es höchstens fühlen.

Glück, manch einer will es buchen,
doch das geht leider nicht.
Glück, du kannst es ja versuchen,
doch scheitern wirst du sicherlich.

Glück, manch einer hat es schon,
ohne es zu wissen.
Glück, das ist ein hoher Lohn,
und niemand will ihn missen.

Glück liegt meistens in dem kleinen,
wo man es nicht erwartet,
Glück, ja es wird so scheinen,
dass es dort auf dich wartet.

(unbekannt (Brecht?))
aus: www.schreibart.de



Einstimmung und Vorbereitung auf das Glück

Es wäre besser gewesen, du wärst zur selben Stunde wiedergekommen", sagte der Fuchs.

"Wenn du zum Beispiel um vier Uhr nachmittags kommst, kann ich um drei Uhr anfangen, glücklich zu sein, je mehr die Zeit vergeht, um so glücklicher werde ich mich fühlen. Um vier Uhr werde ich mich schon aufregen und beunruhigen; ich werde erfahren, wie teuer das Glück ist.

Wenn du aber irgendwann kommst, kann ich nie wissen, wann mein Herz da sein soll... Es muß feste Bräuche geben."
"Was heißt fester Brauch' ?" sagte der kleine Prinz.
"Auch etwas in Vergessenheit geratenes, sagte der Fuchs.
"Es ist das, was einen Tag vom andern unterscheidet, eine Stunde von den andern Stunden.
Es gibt zum Beispiel einen Brauch bei meinen Jägern. Sie tanzen am Donnerstag mit den Mädchen des Dorfes. Daher ist der Donnerstag der wunderbare Tag. Ich gehe bis zum Weinberg spazieren.

Wenn die Jäger irgendwann einmal zum Tanze gingen, wären die Tage alle gleich und ich hätte niemals Ferien.

aus: „Der kleine Prinz“ von Antoine de Saint-Exupéry


Alles wandelt sich

Alles wandelt sich. Neu beginnen
Kannst du mit dem letzten Atemzug.
Aber was geschehen, ist geschehen. Und das Wasser
Das du in den Wein gossest, kannst du
Nicht mehr herausschütten.
Was geschehen, ist geschehen. Das Wasser
Das du in den Wein gossest, kannst du
Nicht mehr herausschütten, aber
Alles wandelt sich. Neu beginnen
Kannst du mit dem letzten Atemzug.
- Bertolt Brecht


Morgens und abends zu lesen

Der, den ich liebe
Hat mir gesagt
Daß er mich braucht.
Darum
Gebe ich auf mich acht
Sehe auf meinen Weg und
Fürchte mich vor jedem Regentropfen
Daß er mich erschlagen könnte.
- Bertolt Brecht


aus http://www.worte-projekt.de/brecht.html

Der folgende Text stammt aus:

Der träumende Delphin

Es kommt eine Zeit im Leben, da bleibt einem nichts anderes übrig, als seinen Weg zu gehen.
Eine Zeit, in der man die eigenen Träume verwirklichen muß.
Eine Zeit, in der man endlich für die eigenen Überzeugungen eintreten muß.
Gerade in der größten Verzweiflung hast Du die Chance, Dein wahres Selbst zu finden. Genauso wie Träume lebendig werden, wenn Du am wenigsten damit rechnest, wird es mit Antworten auf jene Fragen sein, die Du nicht lösen kannst. Folge Deinem Instinkt wie einem Pfad der Weisheit, und laß Hoffnung Deine Ängste vertreiben.
Die meisten von uns sind nicht in der Lage, über ihre Mißerfolge hinwegzukommen; deshalb gelingt es uns auch nicht, unsere Bestimmung zu erfüllen. Es ist leicht, für etwas einzutreten, das kein Risiko birgt.
Vielleicht bedeutet Liebe auch lernen, jemand gehen zu lassen, wissen, wann es Abschiednehmen heißt. Nicht zulassen, daß unsere Gefühle dem im Weg stehen, was am Ende wahrscheinlich besser ist für die, die wir lieben.
Neue Welten zu entdecken wird Dir nicht nur Glück und Erkenntnis, sonder auch Angst und Kummer bringen. Wie willst Du das Glück wertschätzen, wenn Du nicht weißt, was Kummer ist? Letztlich liegt die große Herausforderung des Lebens darin, die Grenzen in Dir selbst zu überwinden und so weit zu gehen, wie Du Dir niemals hättest träumen lassen.
Träume bedeuten vielleicht ein hartes Stück Arbeit. Wenn wir versuchen, dem auszuweichen, können wir den Grund, warum wir zu träumen begannen, aus den Augen verlieren, und am Ende merken wir, daß der Traum gar nicht mehr uns gehört. Wenn wir einfach der Weisheit unseres Herzens folgen, wird die Zeit vielleicht dafür sorgen, daß wir unsere Bestimmung erfüllen.
Denk daran:
Gerade wenn Du schon fast aufgeben willst, gerade wenn Du glaubst, daß das Leben zu hart mit Dir umspringt, dann denk daran, wer Du bist.
Denk an Deinen Traum.
Es gibt Dinge, die Du mit den Augen nicht sehen kannst. Du mußt sie mit dem Herzen sehen, und das ist das Schwierige daran. Wenn Du zum Beispiel in Dein Inneres blickst und spürst, daß dort ein junges Herz schlägt, werdet ihr beide mit Deinen Erinnerungen und seinen Träumen losziehen und einen Weg durch jenes Abenteuer, das man Leben nennt, suchen, stets bestrebt, das Beste daraus zu machen. Und Dein Herz wird niemals müde werden oder alt .............
Durch unsere Entscheidungen definieren wir uns selbst. Allein durch sie können wir unseren Worten und Träumen Leben und Bedeutung verliehen. Allein durch sie können wir aus dem, was wir sind, das machen, was wir sein wollen.
Dort, wohin Du gehst, gibt es keine Wege, keine Pfade, Du kannst nur Deinem Instinkt folgen. Du hast die Zeichen beachtet und bist endlich angekommen. Nun mußt Du den großen Sprung ins Unbekannte wagen und selbst herausfinden:
Wer im Unrecht ist.
Wer im Recht ist.
Wer Du bist.
Einige Dinge werden immer stärker sein als Zeit und Raum, wichtiger als Sprache und Lebensart. Zum Beispiel, Deinen Träumen nachzugehen und zu lernen, Du selbst zu sein. Mit anderen das wunderbare Geheimnis zu teilen, das Du entdeckt hast.
(von Sergio Bambaren)

gefunden in: www.gomah.de


__________________
Es ist nicht genug zu wissen, man muß es auch anwenden.
Es ist nicht genug zu wollen, man muß es auch tun.


(Johann Wolfgang von Goethe)
"Wilhelm Meisters Wanderjahre", 3. Buch, 18. Kapitel

Geändert von shalom (21.06.2006 um 14:06 Uhr)
Mit Zitat antworten
  #56  
Alt 22.06.2006, 08:48
Benutzerbild von AndreaS
AndreaS AndreaS ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 09.02.2005
Ort: SB
Beiträge: 962
Standard AW: Gemeinsame/einsame Wege bei Krankheit

Lieber Shalom

vielen Dank für die wunderbare Geschichte vom "träumenden Delphin"

Ich habe sie ausgedruckt und werde sie meiner Tochter mitgeben, wenn sie nächste Woche für 4 Monate ins Ausland geht. Eigentlich steht dort alles drin, was ich ihr noch zu sagen hätte. "Geh wohin dein Herz dich trägt", eigentlich ganz einfach, oder?

LG
Andrea
__________________
Που να 'σαι τώρα που κρυώνω και φοβάμαι
και δεν επέστρεψες
Mit Zitat antworten
  #57  
Alt 05.07.2006, 09:00
shalom shalom ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 25.08.2005
Ort: Baden-Württemberg
Beiträge: 222
Standard AW: Gemeinsame/einsame Wege bei Krankheit

In Trauer und in Freude kann ich den Gedanken von Jörg Zink zustimmen, mich sensibel zu halten für von mir nicht beinflußbare Veränderungen, sie zuzulassen und mich ihnen zu stellen.

Die Gedanken von Jörg Zink helfen mir, den Tod meiner Frau und die Chance meines Weiterlebens gelassener einzuordnen in eine übergeordnete Richtschnur für mein Leben.

LG
Shalom


Wie ein Morgenlicht

"Ich wünsche dir nicht ein Leben
ohne Entbehrung,
ein Leben ohne Schmerz,
ein Leben ohne Störung.
Was solltest du tun
mit einem solchen Leben?

Ich wünsche dir aber,
dass du bewahrt sein mögest
an Leib und Seele.
Dass dich einer trägt und schützt
und dich durch alles,
was dir geschieht,
deinem Ziel entgegen führt

Dass du unberührt bleiben mögest von Trauer,
unberührt vom Schicksal anderer Menschen,
das wünsche ich dir nicht.
So unbedacht soll man nicht wünschen.

Ich wünsche dir aber,
dass dich immer wieder etwas berührt,
das ich dir nicht recht beschreiben kann.
Es heißt Gnade.

Es ist ein altes Wort, aber wer sie erfährt,
für den ist sie wie ein Morgenlicht.
Man kann sie nicht wollen und erzwingen,
aber wenn sie dich berührt, dann weißt du:
Es ist gut."

- Jörg Zink -

aus Nina Hopes Thread: Worte, die gut tun"
__________________
Es ist nicht genug zu wissen, man muß es auch anwenden.
Es ist nicht genug zu wollen, man muß es auch tun.


(Johann Wolfgang von Goethe)
"Wilhelm Meisters Wanderjahre", 3. Buch, 18. Kapitel
Mit Zitat antworten
  #58  
Alt 25.07.2006, 08:10
shalom shalom ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 25.08.2005
Ort: Baden-Württemberg
Beiträge: 222
Standard AW: Gemeinsame/einsame Wege bei Krankheit

Wer meine Beiträge zu meiner eigenen Trauerbewältigung kennt, weiß, daß ich vieles (auch die Trauer) aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet habe und noch immer betrachte.

Geholfen haben mir ganz sicher eine positive Lebenseinstellung, mein Bestreben AKTIV Situationen bestehen zu können und der Wunsch/Wille Situationen (auch der Trauer) nicht restlos ausgeliefert zu sein.

Beim Lesen eines kleinen Artikels über Wut und Aggression

http://www.zeitzuleben.de/go?tk348

kam mir der Gedanke, diese Überlegungen auf TRAUER zu übertragen.

Im Sinne dieses Artikels wurde ich zwar in die Trauersituation hineingeworfen, aber es lag an mir, wie ich damit umging und welche Entscheidungen und aktiven Handlungen ich unternahm, um mit der Trauer umzugehen.

In der Nachreflexion habe ich wohl in der ersten Zeit nach dem Tod meiner Frau instinktiv für mich Aktivitäten ergriffen, die mir weitergeholfen haben. (Zur damaligen frischen Trauerzeit habe ich ganz gewiß nicht an Reflexion über meine Handlungen gedacht!) Ich habe mich wohl Eingebungen folgend daran gegeben, Plätze (Kliniken, Hospiz) und die für sie inzwischen mühsamen Wege aufzusuchen, die wir in sehr schwerer Zeit beschritten haben. Ich habe sehr viel geweint, sehr viel Nähe zu ihr gespürt, sie war unsichtbar bei mir.

Einserseits war ich in großer Trauer, ich wollte nichts verdrängen und andererseits sollte die Trauer mich nicht absolut beherrschen. So habe ich für mich den Schritt gewagt, mich "kontrolliert" in Situationen zu begeben, die mit Schwermut und Tränen verbunden waren. Dabei konnte ich gut verfolgen, was und wie meine Seele die Trauer aufnahm und wie es mir dabei ging. Jedes Mal war es schwer, jedes Mal wurde jedoch auch ein wenig Erleichterung spürbar.

Oder wenn mich einmal Trauerwolken überkommen haben, so habe ich sie betrachtet, mich gefragt, wieso sie jetzt gerade über mir sind, habe geweint und irgendwann war die Wolke weitergezogen. Als Wolkenschieber wollte und konnte ich mich nicht betätigen.

Es eröffnete sich mir ganz allmählich die Einsicht, daß wir alles getan hatten, was WIR tun konnten und das es gut für sie war, die zerbrechliche Hülle verlassen zu dürfen. Wir haben unser gemeinsames Leben als zeitlich befristetes Geschenk ansehen können. Wir wären gerne gemeinsam alt geworden.

Die Entscheidung und Freiheit meiner Frau während der Krankheit und während des Abschieds beistehen zu können war schwer für meine Seele, aber selbstverständlich. Die AKTIVE Entscheidung und Freiheit aus/in der Trauer für mein eigenes weiteres Leben war/ist eine große Herausforderung für mich. Ich lebe bewußt die mir geschenkte Zeit, die mir zusammen mit meiner Frau leider nicht vergönnt war.

LG
Shalom
__________________
Es ist nicht genug zu wissen, man muß es auch anwenden.
Es ist nicht genug zu wollen, man muß es auch tun.


(Johann Wolfgang von Goethe)
"Wilhelm Meisters Wanderjahre", 3. Buch, 18. Kapitel
Mit Zitat antworten
  #59  
Alt 01.08.2006, 15:12
shalom shalom ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 25.08.2005
Ort: Baden-Württemberg
Beiträge: 222
Standard AW: Gemeinsame/einsame Wege bei Krankheit

In einer zentralen zeitlichen Phase eines anderen Threads im Hinterbliebenenforums
http://www.krebs-kompass.org/Forum/s...ad.php?t=15469
wurde neben anderen wichtigen Punkten heftig diskutiert, ob und wie religiöse Sichtweisen der Sterbe- und Trauerbegleitung, sowie Rituale, Trauerphasen eine Bedeutung nur für die Bearbeitung der Einzelschicksale haben oder etwa sogar generalisierbar sind.

Für meine diesbezüglichen Beiträge bin ich kritisiert worden, obwohl es klar ersichtlich war, daß ich nur für mich selbst sprechen kann und Vorzüge oder Nachteile einer religiös orientierten Lebenshaltung nur für mich ersehen kann und andere Menschen das vielleicht ganz anders sehen.

Entsprechend sensibilisiert habe ich einen anderen Thread hier verfolgt, der sich damit befasste, wie Kranke/Betroffene mit ihrer Sondersituation umgehen:

http://www.krebs-kompass.org/Forum/s...t.php?p=224855

Da hat es mich dann getrieben, mich doch zu äußern. Leider gibt es meines Erachtens KEINE eindeutige WENN - DANN Beziehung von Handlungen , die hinreichend wäre, um aus der Krankheit wieder Gesundheit und aus der Trauer wieder Lebensfreude zu machen.

http://www.krebs-kompass.org/Forum/s...8&postcount=51
http://www.krebs-kompass.org/Forum/s...5&postcount=57

Wir - Kranke, Betroffene, Trauernde - können gegebenfalls durch Religion, Psychologie, Esoterik usw. schwierige Situationen besser bewältigen, diese Handlungsoptionen nehmen jedoch nicht aus sich heraus Krankheit und Trauer fort.

Es liegt nicht in unserer Macht wieder gesund zu werden, aber manchmal können wir feststellen, was uns krank macht. Psychologie (auch Psychoonkologie) kann vielleicht helfen, unsere Einstellung zu uns selbst (damit auch zu Sondersituationen wie Krankheit, Tod, Trauer, schwere Konflikte) zu überprüfen und eigene Verhaltensänderungen zu erleichtern oder zu beschleunigen.

Neue Erkenntnisse dabei über uns selbst zu gewinnen ist schon nicht einfach, geschweige denn unsere Haltungen trotz/wegen der neuen Erkenntnisse zu ändern. Aber es lohnt sich, an sich zu arbeiten, um vielleicht wieder Lebensqualität zu erreichen, oder unabänderliche Situationen besser zu ertragen.

NUR: Arbeiten an/für mich kann ich nur für mich selbst, es wird mir niemand etwas abnehmen. Tue ich das in ganz kleinen Schritten, ist es vielleicht möglich, jeden Tag für mich einen Lichtblick geschenkt zu bekommen. Und Licht/Wärme möchte ich schon in mein Herz lassen.

LG
Shalom
__________________
Es ist nicht genug zu wissen, man muß es auch anwenden.
Es ist nicht genug zu wollen, man muß es auch tun.


(Johann Wolfgang von Goethe)
"Wilhelm Meisters Wanderjahre", 3. Buch, 18. Kapitel
Mit Zitat antworten
  #60  
Alt 19.08.2006, 10:17
shalom shalom ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 25.08.2005
Ort: Baden-Württemberg
Beiträge: 222
Standard AW: Gemeinsame/einsame Wege bei Krankheit

In Modifikation eines meiner Beiträge aus dem Thread "Trauernde Männer":

Aus trauernden Männern können auch wieder glückliche Männer werden, wenn sie es denn zulassen.

Vergangenes zu bewältigen, Jetziges zu gestalten und Zukünftiges vorzubereiten: all das schließt sich nicht aus und ist ganz sicher nicht gegen die geliebten Menschen gerichtet, die wir verloren haben. Ich vermute mal, es wäre sogar im Sinne unserer Verstorbenen, uns wieder lebensfroh und glücklich zu sehen (in meinem eigenen Fall, weiß ich es ganz sicher). Wir können können nun nichts mehr aktiv für unsere geliebten Verstorbenen tun, wohl aber für uns, die wir weiterleben. Es fällt anfangs sehr schwer, einen neuen Lebenssinn zu finden. Es stehen zu viele WARUMs im Raum und im Wege. Auch die Beantwortung der WIEs gelingt nur ganz allmählich. Aber es lohnt sich, den eigenen neuen Weg zu suchen und zu gestalten.

Aus eigener Erfahrung: Ein Spagat der Gefühle bedeutet es schon und Arbeit ist es ganz gewiß auch, sich für neues Glück zu öffnen. Es lohnt sich doch sein eigenes Leben mit dem Geschenk der Gesundheit zu gestalten, oder etwa nicht? Es braucht Zeit sich zuzugestehen, daß man es (z.B. das Leben, neue Liebe usw.) genießen darf, auch ohne Schuldgefühle zu haben. Als ich mir zugestand jeden Tag zu genießen zu dürfen, konnte ich mich auch wieder eher öffnen und am Leben teilnehmen.

Um es mal anders und profan auszudrücken: Mein persönliches Koordinatensystem wurde durch die große Trauer, ein wunderbares neues Glück, die gleichzeitige Bearbeitung von beidem (Trauer UND Glück) ganz ordentlich durchgerüttelt, aber der innere Schwerpunkt ist mir trotz aller Stürme nicht verloren gegangen. Deshalb kann ich mir auch vertrauen, daß der Weg, den ich nun eingeschlagen habe, für mich der richtige ist.

Daher wünsche ich auch jedem die Zuversicht, Beständigkeit und Zufriedenheit, sein Glück (leben zu dürfen) genießen zu können in kleinen Abschnitten: Schritt für Schritt.

LG
Shalom
__________________
Es ist nicht genug zu wissen, man muß es auch anwenden.
Es ist nicht genug zu wollen, man muß es auch tun.


(Johann Wolfgang von Goethe)
"Wilhelm Meisters Wanderjahre", 3. Buch, 18. Kapitel
Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen


Aktive Benutzer in diesem Thema: 1 (Registrierte Benutzer: 0, Gäste: 1)
 

Forumregeln
Es ist Ihnen nicht erlaubt, neue Themen zu verfassen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, auf Beiträge zu antworten.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Anhänge hochzuladen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Ihre Beiträge zu bearbeiten.

BB-Code ist an.
Smileys sind an.
[IMG] Code ist an.
HTML-Code ist aus.

Gehe zu

Ähnliche Themen
Thema Autor Forum Antworten Letzter Beitrag
Erfahrungsbericht über Blasenkrebs Blasenkrebs 144 06.12.2007 21:18
Bücher zum Thema: Leben mit Krebs Sonstiges (alles was nirgendwo reinpaßt) 32 15.04.2005 17:00
Dokumentarfilm über das Tabu Sterben Krebs-Kompass Gästebuch 224 27.01.2005 21:25
Die Krankheit besser bewältigen Tina NRW Umgang mit Krebs und Krankheitsbewältigung 4 09.05.2004 01:50


Alle Zeitangaben in WEZ +2. Es ist jetzt 22:56 Uhr.


Für die Inhalte der einzelnen Beiträge ist der jeweilige Autor verantwortlich. Mit allgemeinen Fragen, Ergänzungen oder Kommentaren wenden Sie sich bitte an Marcus Oehlrich. Diese Informationen wurden sorgfältig ausgewählt und werden regelmäßig überarbeitet. Dennoch kann die Richtigkeit der Inhalte keine Gewähr übernommen werden. Insbesondere für Links (Verweise) auf andere Informationsangebote kann keine Haftung übernommen werden. Mit der Nutzung erkennen Sie unsere Nutzungsbedingungen an.
Powered by vBulletin® Version 3.8.7 (Deutsch)
Copyright ©2000 - 2024, vBulletin Solutions, Inc.
Gehostet bei der 1&1 Internet AG
Copyright © 1997-2024 Volker Karl Oehlrich-Gesellschaft e.V.
Impressum: Volker Karl Oehlrich-Gesellschaft e.V. · Eisenacher Str. 8 · 64560 Riedstadt / Vertretungsberechtigter Vorstand: Marcus Oehlrich / Datenschutzerklärung
Spendenkonto: Volker Karl Oehlrich-Gesellschaft e.V. · Volksbank Darmstadt Mainz eG · IBAN DE74 5519 0000 0172 5250 16 · BIC: MVBMDE55