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Alt 15.09.2013, 14:24
Laskar Laskar ist offline
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Registriert seit: 15.09.2013
Beiträge: 5
Standard Fast verloren...

Hallo,
ich sitze gerade im Hospiz neben meiner geliebten Mutter. Sie schläft und ich möchte einiges aus der Krankengeschichte aufschreiben. Vielleicht hilft´s irgendwie.

Meine Mam ist jetzt 69 Jahre und seit ca. 3 Wochen im Hospiz. Sie hat einen Hirntumor und ihr Zustand verschlechtert sich seit ca. 6 Wochen rasant.
Die Diagnose kam ca. im März 2012. Sie war unvermittelt öfter gestolpert und konnte einmal gar nicht mehr aufstehen. Der Arzt schickte sie gleich zum MRT und diese erkannten schnell, dass etwas nicht stimmte.
Sie kam dann zügig ins UKE und wurde operiert. Wir hatten schreckliche Angst vor der OP und konnten auch nicht fassen, was uns gerade widerfuhr. Als dann nach der OP die Diagnose Glioblastom lautete, waren wir geschockt. Die Statistiken vom Glio lassen nicht viel Raum für Hoffnung. Trotzdem hofft man natürlich die Ausnahme zu sein.

Danach konnte sie den rechten Arm und das rechte Bein nicht mehr gut bewegen. Wir dachten zunächst, das könne durch Therapie wieder verbessert werden, es wurde aber nur kurz besser. Meine Ma war von einem Moment auf den anderen schwer behindert.

Meine Schwester lebt in den USA und ich habe einen mehrjährigen Vertrag in Sachsen. Es war sehr schwer nicht täglich vor Ort sein zu können, v. a. da die Lebenssituation mit meinem Vater teilweise sehr schwierig war. Ich habe Ihr eine behindertengerechte Wohnung bei uns in der Nähe gesucht, aber sie konnte sich nicht durchringen.

Nach der Operation hat meine Ma Bestrahlung und Chemo bekommen. Die Chemo hat sie stark mitgenommen, ihre Blutwerte waren im Herbst 2012 so schlecht, dass sie nicht mehr weitermachen konnten. Die Höchstmenge der Bestrahlung hatte sie auch erhalten. Sie hat dann Bevacizumap bekommen. Die Oberärztin hat es gegen die Krankenkasse durchgesetzt, da es noch nicht freigegeben ist. Dies hat den Tumor ungefähr ein Jahr bis zum Sommer 2013 in Schach gehalten. Aber das letzte MRT Anfang August zeigte Wachstum an zwei neuen Stellen.
Gleichzeitig wurde die Pflegesituation immer dramatischer. Ich war gerade dabei eine schöne Seniorenresidenz zu suchen, als die Oberärztin sagte, dass die Heilungsversuche jetzt beendet seien und nur noch Palliativbehandlung Sinn mache. Sie hat das Medikament abgesetzt und ein Hospizunterkunft verordnet. Wir haben nach der Diagnose viel geweint. Meine Ma hatte bis zuletzt immer noch Hoffnung.

Es war auch ein Kampf ins Hospiz zu kommen, es hat 3 Wochen gedauert und ich bin jedes Wochenende nach Hamburg hochgefahren, um für meinen Vater die Nachtpflege zu übernehmen. Schon zu Hause musste sie Windeln tragen, bekam zunehmend Probleme mit dem Essen, war auch mehr abwesend. Treppe steigen ging nicht mehr, gehen bald auch nicht mehr. Wir haben Ihr Bett runter ins Wohnzimmer gebracht. An einem Wochenende habe ich es noch geschafft mit ihr nach oben zu kommen, um sie zu duschen. Dann fing sie an zu lallen und undeutlich zu sprechen und hatte Tage, an denen sie das Bett nicht verlassen wollte. Dann bekamen wir endlich den Hospizplatz.

Sie hat sehr geweint. Noch kurz vorher, als ich eine Plegemöglichkeit für sie suchte, sagte sie für eine Hospiz sei es ja noch zu früh. Sie fürchtete sich vor der Endgültigkeit. Ich bin aber sehr froh, die Pflegerinnen im Hospiz sind so lieb und es ist sehr schön hier.

Im Hospiz konnten wir dann noch einige Rollstuhlausflüge machen im Spätsommer. Nach und nach wurde es allerdings auch mit dem Sprechen schlechter. Jetzt kann sie überhaupt nicht mehr sprechen. Das ist für uns alle und für sie am meisten ganz furchtbar. Unter der Woche in Sachsen rief ich an und habe die ganze Zeit einen Monolog gehalten, bis ich nichts mehr zu erzählen wusste.

Nun sitze ich hier an Ihrem Bett und kann die Tränen nicht zurückhalten. Sie dämmert die meiste Zeit. Kurz habe ich den Eindruck, sie ist etwas da, aber ich bin nicht sicher, dann scheint sie wieder zu schlafen. Sie weint auch sehr viel, auch im Schlaf.
Es ist sehr traurig. Ab morgen muss ich meinen beruflichen Pflichten in Hamburg nachkommen und ich hoffe, es gelingt mir die Fassung zu behalten.

Mein Vater hat mir gestern gesagt, sie hätten ihm geraten, die Beerdigung vorzubereiten und es wäre wohl jetzt eine Frage von Tagen. Wir haben beide geweint, als er erzählte, was er sich für die Beerdigung ausgedacht hat.

Jetzt sitze ich hier und sauge die letzten Tage ein, die ich meine Ma noch sehen und anfassen kann. Ein Krebstod ist wahrscheinlich meistens schlimm. Das furchtbare an diesem Sterben ist aber der Verlust Deiner Fähigkeiten und auch ein Stück weit Deiner Würde. Erst die Lähmung und der Verlust von Selbständigkeit, dann die Unkonzentriertheit, dann die Windel, dann das Sprechen und jetzt kann sie kaum noch Schlucken und ist nur noch wenig bei Bewusstsein. Es tut mir sehr leid. Ich hoffe es wird schön für sie, dort wo sie hingeht.
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Stichworte
endstadium, glioblastom, sterbephase


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