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  #1  
Alt 12.12.2007, 20:38
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Redaktöse Redaktöse ist offline
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Standard AW: Unzufrieden mit Informationen durch Arzt

Hallo ihr,

danke für eure Zeilen.

Seit dem Wochenende geht es mir nicht besonders, und ich schätze, es wird nun doch Zeit, dass ich einmal meine ehemalige Psychologin aufsuche. Ein bisschen was ist immerhin passiert: Gestern wurde bei meinem Vater die zweite Lungenbiopsie erfolgreich durchgeführt. Sie hat über zwei Stunden gedauert. Er hat auch endlich einmal das Röntgenbild seiner Lunge gesehen. Der Tumor sei etwa zwei Zentimeter groß und sitze eher am Rand, meinte Papa, und ich gebe zu, dass ich sofort gedacht habe, dass man das Ding vielleicht doch einfach wegschneiden kann. Nur eine Liste mit den Medikamenten haben wir immer noch nicht erhalten, obwohl der Chefarzt das nach der Beschwerde meines Vaters angeordnet hatte. Er bekommt aber wohl neben Cortison und Schlafmitteln für nachts auch irgendwelche Psychopharmaka, denn er weint gar nicht mehr. Es schockt mich aber doch ganz schön, dass sich die psychologische Betreuung von Krebspatienten nur darin erstreckt. Ich dachte wirklich, dass man da inzwischen viel weiter ist.

Seit der "dahingerotzten" Diagnose vor drei Wochen ist alles anders. Vor allem begegnet mir der Krebs überall: in Talkshows im Fernsehen, in Erzählungen von Freunden, Kollegen, natürlich täglich am Telefon mit meiner Mutter und in der Klinik sowieso.

Am Freitag fahre ich wieder hoch vom Bodensee nach Bonn. Dann müsste das Ergebnis der Biopsie langsam mal kommen.

Liebe Regina/östel, danke für deine praktischen, nützlichen Tips! Ich hoffe, ich schaffe es bald, aus meiner derzeitigen Resignation auszubrechen, mich zu informieren und zu kämpfen.

Liebe Carola/seifenhexe, was du schreibst, klingt leider sehr vertraut. Ich hoffe so sehr, dass sich der Umgang der Ärzte mit Krebspatienten und deren Angehörigen doch nach und nach zum Einfühlsameren ändert. Oder liegt das vielleicht speziell an den Ärzten in der Klinik und ist in ambulanten Praxen anders?

Lieber William, ich von dir schon vor einigen Tagen gelesen und mich in vielem sehr wiedergefunden. Vielleicht auch, weil wir in einem ähnlichen Alter sind, und die Krankheit bzw. der Tod eines Elternteils einen im vermeintlichen Erwachsensein so hin- und herschmeißt zwischen Verantwortungübernehmen und Kindseinwollen. Krebs ist einfach beschissen.

Danke euch allen für eure guten Wünsche! Passt auf euch auf!
Regine
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  #2  
Alt 12.12.2007, 20:52
jutta50 jutta50 ist offline
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Standard AW: Unzufrieden mit Informationen durch Arzt

Liebe Regine,

die Psychoonkologen muss man leider mit der Lupe suchen.

Die Krebs-Hotline ( 07 61 / 2 70 - 60 60) in Freiburg kann dir Telefonnummern von Psychoonkologen in der Nähe deines Papas raussuchen.

Liebe Grüße
Jutta
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  #3  
Alt 14.12.2007, 13:42
WilliamMatthew
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Standard AW: Unzufrieden mit Informationen durch Arzt

Zitat:
Zitat von Redaktöse Beitrag anzeigen
(...) Lieber William, ich von dir schon vor einigen Tagen gelesen und mich in vielem sehr wiedergefunden. Vielleicht auch, weil wir in einem ähnlichen Alter sind, und die Krankheit bzw. der Tod eines Elternteils einen im vermeintlichen Erwachsensein so hin- und herschmeißt zwischen Verantwortungübernehmen und Kindseinwollen. Krebs ist einfach beschissen.

Danke euch allen für eure guten Wünsche! Passt auf euch auf!
Regine
Das Kind-sein-wollen ist wirklich treffend ausgedrückt. Ich bin in den vergangenen 8 Wochen innerlich um Jahre gealtert - wegen all der Verantwortung, die ich liebend gern nicht gehabt hätte.

Bin auch am See Dass Du plötzlich überall mit dem Krankheitsthema konfrontiert bist, liegt sicher daran, dass man unbewusst alles aufsaugt, was einem hierzu "geboten" wird. Ich meine - als wir in der Lungenfachklinik Vati immer besucht haben, habe ich auch "schlimme Gestalten" sehen müssen, die wir Menschen nennen und die alle um's nackte Überleben kämpfen. An dem Tag, als wir leider die Koffer meines Vaters aus dem KH tragen mussten, da sind mir im Foyer Leute begegnet, die sahen schlimmer aus, als mein Vater... und sofort dachte ich: was ihr alles noch vor euch habt, um Gottes Willen.

Du machst sicher ein mega Auf und Ab durch und musst funktionieren. Aber du funktionierst nicht, weil du dich dazu disziplinierst, sondern weil du einfach aus irgend einer seltsamen Kraft heraus funktionierst. (Schachtelsätze mag ich )

Alles Gute für Euch ...
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  #4  
Alt 15.12.2007, 22:23
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Redaktöse Redaktöse ist offline
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Standard AW: Unzufrieden mit Informationen durch Arzt

Hallo ihr,

ich muss gestehen, dass diese Seite schon fast eine Tagebuchfunktion für mich bekommen hat. Viele andere Krankheitsgeschichten lese ich hier, vergleiche, finde Gemeinsamkeiten und nehme sie in mich auf wie die Erzählungen von Bekannten, auch wenn ich hier ja niemanden kenne; jedesmal bin ich auch froh, mir etwas von der Seele schreiben zu können.

Unsere Woche war bewegt. Am Donnerstag brachte ein Arzt die Diagnose auf, die angeblichen Metastasen im Gehirn seien nur Blutgerinsel und der angebliche Tumor in der Lunge nur nekrotisches Gewebe. Was hatten wir wieder Hoffnung! Noch einmal davongekommen!
Am Freitag folgte eine weitere Untersuchung, die leider aber die ursprüngliche Diagnose wieder erhärtete: Lungenkrebs mit zwei Metastasen im Gehirn, alle drei Tumore höchst virulent. Welche Art von Lungenkrebs wissen wir immer noch nicht. Auch die versprochene Liste der Medikamente, die mein Vater bekommt, haben wir nicht erhalten.

Nun hat Papa sich dieses Wochenende wieder auf eigene Verantwortung aus der Klinik entlassen lassen und ist daheim, wie ich zurzeit auch. Was vor zwei Wochen noch unvorstellbar schien, wird nun langsam Realität: Die Krankheit beginnt, sich auch nach außen zu zeigen.

Mein Vater ist nur noch aggressiv und macht uns Vorwürfe wegen allem. Er schläft überhaupt nicht mehr und wird auch nicht müde. Dafür hört man ihn jetzt immer laut atmen. Auf seinem Kopfkissen im Krankenhaus waren seltsame blassrote Blutspuren zu sehen.

Ich dachte, wir hätten innige letzte Wochen zusammen, mit vielen Gesprächen. Aber mein Vater ist in seiner eigenen Welt, wichtige Fragen können wir gar nicht besprechen. Schon gar keine Gefühle. Er beschimpft uns immer nur, wir würden ihn ja lieber tot sehen wollen.

Und ich? Ich fühle mich so gar nicht verständnisvoll. Ich kann nur enttäuscht schweigen. Es fällt mir schwer, ihn so zu lieben. Allein dieser heutige Tag mit ihm war so unglaublich kraftraubend. Dabei bin ich doch zu meinen Eltern gefahren, um Kraft zu geben. Nun erwarte ich nur noch morgen Mittag, wenn ich mich in den Zug nach Konstanz setzen kann und eine ganz normale Arbeitswoche vor mir habe.
Mir graut vor Weihnachten. Gleichzeitig bin ich so enttäuscht über meine eigene Mangelhaftigkeit, mein Unvermögen, großzügig über alles hinwegzusehen.

Und das ist erst der Anfang.

Regine

Geändert von Redaktöse (15.12.2007 um 22:25 Uhr)
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  #5  
Alt 16.12.2007, 13:21
Benutzerbild von Graci
Graci Graci ist offline
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Standard AW: Unzufrieden mit Informationen durch Arzt

Hallo Regine,
was Du gerade erlebst, ist leider völlig normal.
Mit meinem Mann geht es mir ganz ähnlich, meine große Liebe,
seit 20 Jahren zusammen, dann die Diagnose:
Lungenkrebs mit Gehirnmetastasen.
Das war vor drei Monaten,
und mein Mann hat sich derartig verändert, die ganze Persönlichkeit ist anders, er ist körperlich sehr hinfällig, auch ungerecht und stänkerig, dann nimmt er sich wieder zurück,
also von innigen Gesprächen kann auch keine Rede sein, eher ein reduziertes Leben auf Essen, Waschen etc. und warten auf den Tod,
es ist fürchterlich,
und ich kann Dein schlechtes Gewissen gut verstehen, ich habe es auch, aber wir sind auch nur Menschen und haben keinerlei therapeutische Ausbildung, um damit umzugehen.
Ich glaube, der Patient entschwindet innerhalb kurzer Zeit nach der Diagnose - mein Mann weiß, das keine Heilung möglich ist, weil die Krankheit zu spät entdeckt wurde,
in einer ganz eigenen Welt, und die Gehirnmetastasen tun ein Übriges, um den Menschen komplett zu verändern.
Mein Mann ist gerade zur Chemo im Krankenhaus,
und ich nehme die Pause, um selbst wieder auf die Beine zu kommen,
es ist sehr schwer, mit einem so kranken Menschen umzugehen,
also erwarte auch nicht zuviel von Dir,
Gruß Gracia
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  #6  
Alt 16.12.2007, 13:25
seifenhexe seifenhexe ist offline
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Standard AW: Unzufrieden mit Informationen durch Arzt

Liebe Regine,
es tut mir gut das Du auch nicht immer nur Verständnis und Liebe aufbringen kannst.Ich habe mir am Anfang auch viele Vorwürfe ob meiner Unzulänglichkeit gemacht.Jetzt denke ich einfach das ich auch ganz oft überfordert bin mit der Situation und eben auch nur ein Mensch.Ich versuche die Launen auszuhalten bzw frage dann einfach:worüber regst Du Dich denn wirklich auf?Möchtest Du darüber reden?"meistens ist die Antwort ein Nein.Auch ich hatte die Vorstellung einer innigen und liebevollen,besonders nahen Zeit.Aber heute glaube ich einfach wenn ich in der Situation wäre,würde ich nur noch schreien und um mich schlagen.
Ich sage meinem Mann ganz oft das ich ihn liebe und immer für ihn da bin.Ich koche nur noch was er gern mag und tue sonst auch alles für ihn.Das ist meine Art ihn zu ünterstützen und ihm das Gefühl zu geben das er immer gut aufgehoben ist.Und dann kommen plötzlich Augenblicke in denen er zu seiner Schwester sagt:"ich habe meiner Frau alles zu verdanken,ohne sie wäre ich auf geschmissen,sie kümmert sich sehr um mich"das ist doch dann viel Nähe und liebevolle Zuneigung.
Ich glaube einfach das man sich nicht total verändert weil man krank ist.Wenn man nie groß über Gefühle reden konnte wird man das dann auch nicht tun.Ich denke heute auch das mein Mann das Recht hat sich so zu verhalten wie es ihm gerade zumute ist ,denn ich könnte diese Angst die er haben muß,überhaupt nicht aushalten.
Trotzdem,wenn es mir zuviel wird sage ich das auch.Allerdings in einem möglichst ruhigen und auf keinen Fall verletzendem Ton.
Mein fazit nach diesemlangen Text:Überfordere Dich nicht mit dem Gefühl des "Allesverstehns" , nimm auch nicht alles wörtlich was er so sagt,denke immer das er ja gar nicht auf Euch böse ist sondern auf dieses sch....Schalentier.Außerdem hat jeder Mensch seine eigenen Regeln und die Idealvorstellung wie man mit solchen Dingen umgehen "muß"erfüllen wohl die wenigsten.
Mensch was für ein Text.......

Ganz lieben Gruß und viel Kraft für Dich

Carola
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  #7  
Alt 18.12.2007, 19:38
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Redaktöse Redaktöse ist offline
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Liebe Garcia, liebe Carola,

eure Beiträge zu lesen hat mir so gut getan. Manchmal denke ich, so wie man Idealvorstellungen davon hat, wie das Leben zu sein hat, hat man als Angehörige/r auch Idealvorstellungen, wie ein Patient mit einer unheilbaren Krankheit zu sein hat. Für mich war das immer gemeinsames Trauern, Gespräche über die wirklich wichtigen Dinge im Leben, die kurzen schönen Momente in Ruhe gemeinsam genießen ... So ist es nun eben nicht.

Aber irgendein Sinn wird auch dahinter stecken. Nur erkenne ich den vielleicht erst viel, viel später.

...

Morgen wird mein Vater aus dem Krankenhaus entlassen - nach dreieinhalb Wochen. Es hat bisher kein ausführliches Arztgespräch stattgefunden, keine Bestimmung der Tumorart, keine Bekanntgabe der Medikamente, keine Info über Chemo oder Strahlentherapie. Dafür soll nun am 27.12.2007 eine der beiden Metastasen im Gehirn operiert werden. Mir ist absolut schleierhaft, warum. Das widerspricht allem, was ich bisher gelesen habe. Mein Vater wiederum ist froh und glücklich über diese OP. Aber ich kann mich gar nicht darüber freuen. Ich sehe keinen Grund, warum.

Vielleicht weiß ja jemand von euch mehr dazu.

Liebe Grüße
Regine
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  #8  
Alt 18.12.2007, 20:14
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Graci Graci ist offline
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hallo Regine,
zu der Op kann ich nichts sagen, aber Du hast vollkommen recht, diese Gespräche und diese Innigkeit, die man sich als Angehöriger wünscht, gibt es wohl nicht, und ich habe mich auch gefragt, wie würde ich denn mit einer solchen Diagnose umgehen?
Mein Mann ist wirklich schon weg, und Dein Vater ist auch schon in seiner eigenen Gefühlswelt,
es ist alles nur schrecklich, aber einfach nicht zu ändern,
habe ihn trotzdem lieb,
einen besseren Rat habe ich leider nicht,
Gruß Gracia
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  #9  
Alt 18.12.2007, 20:29
jutta50 jutta50 ist offline
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Liebe Regine,

ich glaube Hirnmetastasen haben bei der Behandlung immer oberste Priorität vor allem anderen. Bin mir zwar nicht ganz sicher, aber das würde das Vorgehen der Ärzte erklären.
Liebe Grüße und alles gute
Jutta
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