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Alt 22.05.2013, 04:59
Peppi79 Peppi79 ist offline
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Registriert seit: 02.01.2013
Beiträge: 20
Standard Mama ist jetzt zu den Engeln

Hallo,

meine Mutter ist im Alter von 59 Jahren, vor genau einer Woche, mitten in der Nacht anscheinend ganz friedlich und ruhig im Hospiz eingeschlafen.

Unser Leben änderte sich am 20.12.2012 schlagartig- welch Ironie... am 21.12. endete der Maja-Kalender und die Welt ging zumindest für uns unter.
Mutter sagte mir am 2. Weihnachtstag, dass sie Lungenkrebs habe.
Mich traf das wie ein Schlag und riss mir den Boden unter den Füßen weg.

Ich muss wohl dazu sagen, dass ich mit einem schweren Geburtsfehler zur Welt kam, einer "Blasenekstrophie", also mit offenem Bauch. Dadurch waren immer Operationen, von kleinauf nötig, bei denen sie mich stest begleitete. Sie war auch mit mir allein erziehend. Wir wurden zu einer "Einheit".
Ihre Probleme waren meine, und andersrum.

Darum hatte ich eine besonders innige Beziehung zu ihr. Wir telefonierten bis zuletzt über Skype täglich, trotz meines Alters von 33 Jahren.
Sie war meine Mutter, mein Vater, meine beste Freundin und einzige Person die mir wirklich etwas bedeutete und die mich auswendig kannte.

Ich mache derzeit noch eine Ausbildung (Studium) im geh. Dienst. An Silvester etwa setzte ich mich mit der Hochschule in Verbindung, da gerade damals die Klausurvorbereitungen waren und ich wegen der Diagnose zu nichts mehr fähig war.
Es gab die Option bis Sept. 2013 zu "pausieren", um ein Jahr zu wiederholen, oder zu versuchen die Klausuren anstatt Ende Januar, Ende März, in der Vorwoche von Ostern zu schreiben, um danach dann in eine Praxisphase daheim bei Mama zu gehen.

Zwischen Ende Januar und Mitte März stabilisierte sich meine Lage. Mutter wurde am Lungenkrebs bestrahlt und sagte mir nichts, dass man ihr bereits damals keine Hoffnung auf Heilung machen wollte. Sie hatte ein großzelliges Lungenkrazinom, welches aber außergewöhnlich aggressiv war, weshalb eine Chemo nichts genutzt hätte, sondern nur die Bestrahlung.
Wie gesagt, das sagte sie mir nicht, um mich nicht zu beunruhigen bzw. sie selbst hatte diese Tatsachen versucht auszublenden

Ende Februar, als meine Ferien vorbei waren sah ich sie das letzte Mal in einem "normalen" Zustand. Bereits dieser Abschied damals war äußerst tränenreich und ich heulte wohl die komplette Zugfahrt von vier Stunden, aus Angst sie nicht mehr wieder zu sehen.
Anfang März ging sie wieder in die Klinik und wurde bestrahlt.

Es ging ihr etwa bis Mitte März dort gut. Sie wurde am Hals und an der Lunge bestrahlt und hielt tapfer durch.

Jetzt im Nachblick frage ich mich, ob die Ärzte dort nicht "Gefahr" hätten wittern müssen. Meine Mutter war am Donnerstag, 10 Tage vor Ostern, extrem und äußerst verwirrt. Meiner Schwester sagte sie am Telefon, sie hätte eben ihre erste Bestrahlung hinter sich gebracht, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt sicherlich schon 20 hatte. Wie gesagt, am Kopf wurde sie nicht bestrahlt und es war, auch nach Aussage einer Tante, die unsere Mutter besuchte unverkennbar, dass unsere Mutter an diesem Tag VOLLKOMMEN verwirrt war.

In Internet las ich nun, dass sich Schlaganfälle, durch kleine "Schlägchen" ankündigen können.

Davor war sie wegen der Bestrahlung nicht verwirrt.

In der Nacht von Freitag auf Samstag dann erlitt unsere Mutter auf Station der Klinik einen sehr schweren Schlaganfall.
Uns sagte man später dann, die Nachtschwester wäre um 3Uhr durch die Station gegangen- da war anscheinend alles ok.
Um 6Uhr etwa fand man sie quer auf dem Bett liegend.

Was uns Kindern nicht runter geht, ist dass unsere Mutter um 2:30Uhr meiner Schwester eine SMS schickte, mit nur einem Buchstaben- dem Ersten ihres Namens.

Man kann jetzt nichts mehr machen, aber ich glaube meine Mutter lag da mit dem Schlaganfall wesentlich länger.

Am Samstag rief mich meine Schwester am Nachmittag an und sagte mir, dass unsere Mutter einen schweren Schlaganfall erlitt. Sie konnte ausßer "Ja", "Nein", und meinem Namen, nicht mehr sprechen. Sie wr bis zuletzt halbseitig gelähmt und bis auf einige Ausnahmen, bei welchen sie wie 100% "da" war, sehr weit eingeschränkt in der geistige Fähigkeit.

Wie der Zufall es wollte, war dies genau vor der Woche in welcher ich die Klausuren geschrieben hätte. Somit war klar, dass ich bis September "pausieren" werde, um das Jahr zu wiederholen.

Ich fuhr sofort zu ihr.

Der Anblick zerriss mir das Herz. Sie war die stolzeste Frau überhaupt. Nun lag sie dort, ohne Möglichkeit etwas zu sagen, oder sich selbst zu helfen.

Ihr war es auch peinlich. Wenn man sie frisch machte, zog sie sich ihr Nachthemd sofort zurecht, wenn intimes zu sehen war.

Sie wollte sich nicht pflegen lassen und verweigerte sämtliche Behandlung. Auch das Essen und Trinken verweigerte sie.
Sie nahm es nur von mir oder meiner Schwester an.

Ich fühlte mich verantwortlich für sie, sodass ich acht Wochen versuchte beim Frühstück, beim Mittag und beim Abendessen bei ihr in der Klinik, bzw. im Hospiz zu sein. Auch nachts war ich bei ihr.
Ich wäre fast zusammen gebrochen, bis ich eine Woche vor ihrem Sterben die Notbremse ziehen musste und weniger zu ihr ging.

Sie konnte sich nicht durch Gesten oder Worte äußern, sodass ich nicht wusste, was sie wollte, wenn sie unruhig wurde. (Sie war teilweise extrem unruhig).

Ich habe zum Glück in dieser Zeit viel geweint.

Am Vorabend zum 14.05. war sie wieder sehr unruhig. Die Schwester im Hospiz meinte, es wäre besser, ich würde heim und schlafen, sonst würde Mama nicht mehr ruhig werden.

Am Morgen um 6 Uhr rief das Hospiz an.

Mama ist gehen 3:40 Uhr eingeschlafen.

Sie hatte 8 Wochen Bettlägrigkeit hinter sich- eine Höllenqual für sie. Sie war extrem abgemagert, übersäht mit blauen Felcken, weil sie sich oft an den Bettgittern gestoßen hatte.

Als ich kam... mir reißt es das Herz raus.. lag sie da. Leblos und kalt.

Auch mein Kampf endete.
Ich habe mehr gegeben, als ich hatte.

Ich kann es noch nicht begreifen. Diese Endgültigkeit. Ich werde sie hier nie mehr sehen. Nächste Woche wird sie beerdigt.

Ich habe nächsten Donnerstag Geburtstag.
Wie beschissen tragisch, unfair und ironisch ist das alles?!

Sie war 59 Jahre. Hatte genug gekämpft im Leben, eigentlich viel zu viel Scheiße erleben müssen und dann sowas?!

Sie hätte so viel sagen wollen!

Ich habe so riesige Angst, wie ich es oft gehört habe, nachdem alles geregelt ist mit Beerdigung usw. ein ein TIEFES, SCHWARZES LOCH zu fallen.

Mir wurde ein Stück meines Herzens und meiner Seele genommen.



Peppi
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