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  #1  
Alt 09.11.2009, 15:54
hacki66 hacki66 ist offline
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Registriert seit: 09.11.2009
Beiträge: 5
Daumen runter Meine Mutter wird sterben

Hallo zusammen!
Seit einigen Wochen lese ich regelmäßig im Forum - manchmal hat es mir auch einfach nur geholfen, zu lesen. Jetzt muss ich mir aber wohl doch mal Luft machen und meine Geschichte bzw. die Geschichte meiner Mutter erzählen.
Seit dem 09.07. steht unsere Welt Kopf - an dem Tag ging meine 81jährige Mutter ins Krankenhaus, da es einen Schatten auf ihrer Lunge gab. Man handelte schnell, alle Untersuchungen wurden noch am nächsten Tag gemacht - am 14.07. kam dann die Hiobsbotschaft: Lungenkrebs im linken Lungenflügel, inoperabel, wächst in die Pleura und die Trachea hinein. Metastase an der Nebenniere. Man kann nur noch palliativ etwas tun. O-Ton des Arztes "Regeln Sie bitte ihre Sachen. Und wenn Sie sich noch mit jemanden versöhnen möchten, dann tun Sie es jetzt!" Wir haben Familienrat gehalten (Mutter, mein Bruder und ich) - sie wollte noch kämpfen, sie wollte noch so viel erleben: mein Neffe fängt dieses Jahr sein Studium an, meine Nichte wird 18 (und zum Zeitpunkt der Diagnose war sie auch noch zu ihrem Schuljahr in USA!). Also am übernächsten Tag Verlegung in die Strahlentherapie und los ging es mit Bestrahlung und Chemo. Unser Glück war ein hervorragender Onkologe und Strahlenarzt, dem meine Mutter und wir sehr vertrauten und der in vielen bedenklichen Situationen half & uns zur Seite stand. Jede Nebenwirkung, die es gibt, meine Mutter hat hier geschrien. Den einen Tag fehlten ihr rote Blutkörperchen, also Bluttransfusionen. Den anderen Tag spielten die weißen verrückt und sie musste 1 Woche in Isolation, da die Chemo plötzlich lebensgefährlich wurde. Pilz, Ausschlag, Übergeben...1,60m groß und nur noch 51 kg. Sie wurde weniger, obwohl sie aß wie ein Scheunendrescher. Der Arzt sprach von Pflegeheim und Hospiz und dass sie wohl nicht mehr alleine leben könne... Wieder mal ein Schock für sie. Mitte Sept. war dann klar, dass eine weitere Chemo sie nur umbringt, aber nicht hilft. Die Bestrahlungen wollte man noch zu Ende führen (28 x), dann hiess es Entlassung. Sie wollte unbedingt nach Hause und ich habe ihr diesen Wunsch auch erfüllt. Aber schon nach 48 Std. war klar, dass wir es nicht stemmen konnten: total verwirrt, ohne Kontrolle kein essen & trinken, wacklig, brauchte überall Hilfe. Dann sahen wir das 1. Mal die abschließende Diagnose: Metastasen in Nebenniere, Brust und Rückenwirbel, wahrscheinlich auch im Hirn. Die ganze Quälerei hatte nicht wirklich was gebracht. Meine Mutter begriff sie gar nicht ganz, aber sie wollte nicht mehr zurück ins Krankenhaus, keine Chemo, keine Bestrahlungen mehr. Unser Glück im Unglück war Haus Franz, das Hospiz, wo wir wie mit einem 6er im Lotto für meine Mutter ein Bett bekamen (wir standen allerdings auch schon seit Wochen auf der Warteliste - für alle Fälle...). Hier lebt sie nun in der 8. Woche. Anfangs blühte sie auf, genoß die Sonne auf ihrer Terrasse und diese lieben Menschen dort. Jetzt verliere ich sie langsam jeden Tag mehr. Sie isst kaum noch, ist oft dement und verwirrt, bettlägerig, schläft fast nur noch, nur noch Haut & Knochen. Meine Mutter ist noch da und dennoch verliere ich den Menschen, der sie einst war. Und das tut so weh. Wenn sie klar ist, sagt sie, dass sie nicht mehr will. Am einen Tag denke ich, das Ende ist nah und dann ist sie am nächsten Tag wieder besser drauf. Ein einziges Auf & ab, jedes auf wird kleiner, jedes tief wird tiefer. Ich versuche, stark zu sein, aber sie ist doch auch meine beste freundin, meine seelenverwandte - wir haben zusammen die Zeit nach dem Tod meines Vaters durchstanden. Stark sein fällt so schwer - die Zeit scheint immer mehr Kraft zu rauben. wir wissen, dass sie sterben wird. aber der weg dorthin ist verdammt schwer. Mal wünsche ich mir, sie noch Jahre bei mir zu haben (egal wie alt, es ist wohl immer zu früh), aber ich weiß, dass dies kein Leben mehr für sie ist und dass der Krebs gewinnen wird. Und wenn ich mir dann wünsche, dass es wenigstens schnell gehen soll, damit keiner leidet (sie und wir nicht), habe ich ein schlechtes Gewissen, weil man doch einem Menschen, noch dazu einem geliebten, nicht den Tod wünschen darf. Wir werden sehen - ich weiß noch nicht, was heute ist - wir fahren jeden Abend nach dem Büro zu ihr. Vielleicht ist heute ein guter Tag...
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  #2  
Alt 10.11.2009, 01:16
Boxerhund1 Boxerhund1 ist offline
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Registriert seit: 05.06.2009
Ort: Ba-Wü
Beiträge: 202
Standard AW: Meine Mutter wird sterben

hallo Hacki,

fühl dich ganz lieb gedrückt.

Aber eines mußt du ganz schnell ablegen - das schlechte Gewissen!!! Es gibt Situationen, wo man einem geliebten Menschen nur noch eines wünschen kann, nämlich daß es dann doch ganz schnell geht vollends. Deine Mama sagt ja selber, wenn sie dann mal klare Momente hat, daß sie nicht mehr will. Es geht nicht darum, daß man jemanden den Tod wünscht - es geht darum, daß man dem Menschen, den man liebt, keine weiteren Qualen wünscht in dem sicheren Wissen, wo es sowieso dann endet. Man wünscht dann nichts Böses sondern für den Betroffenen etwas Gutes - das Ende des Leidens.

Ich weiß, wie du fühlst. Ich habe es selber grad durch. Meine Mama starb Ende Juni diesen Jahres - viel zu schnell. Aber ich bin froh für sie, daß sie nicht mehr leiden mußte und es so schnell ging.
Die Mutter geht immer zu früh. Aber wir haben das nicht in der Hand, wir müssen es nur ertragen lernen.

Ich wünsche dir viel Kraft für die schwere Zeit, die jetzt noch vor dir liegt.
__________________
Liebe Grüße, Cori

Als Angehörige kam ich, als Hinterbliebene blieb ich.

Mama: 4.10.1924 - 29.6.2009
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  #3  
Alt 10.11.2009, 13:45
paula2007 paula2007 ist offline
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Registriert seit: 02.09.2009
Beiträge: 839
Standard AW: Meine Mutter wird sterben

hallo hacki,

ich habe meinen papa am 22.10. für immer verloren. er war gerade mal 58. das tut verdammt weh!
ich kann dich gut verstehen, aber du darfst kein schlechtes gewissen haben. mein papa hat sehr leiden müssen und ich habe ihm auch so sehr gewünscht von seinem leid erlöst zu werden! als es dann soweit war kam es plötzlich obwohl man schon lange wußte, dass es bald soweit ist. und nun ist da diese unendliche leere...das einzige was mich beruhigt ist, dass es ihm jetzt besser geht und er keine schmerzen mehr hat!
ich wünsche auch dir viel kraft das alles zu überstehen! geniesse die euch verbleibende zeit! ganz liebe grüße, nicole
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