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  #1  
Alt 21.10.2016, 11:54
Benutzerbild von Frank Emm aus Weh
Frank Emm aus Weh Frank Emm aus Weh ist offline
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Standard eine Geschichte, die mich unruhig macht...

... und weil ich nicht weiß, was ich damit machen soll, erzähle ich sie euch einfach mal:

in dem Vorort, in dem ich als Kind lebte (Dortmund-Kruckel) , gab es ein großes Brachgelände einer ehemaligen Zeche, und daran anschließend ein ebenfalls stillliegendes großes Gelände mit Gleisanschlüssen u.s.w.. Das gesamte Gelände gehörte damals der VEW, dem Arbeitgeber meines Vaters, und es war der schönste Abenteuerspielplatz, den man sich als Kind wünschen konnte.
Als etwa 8-10-jähriger, also Ende der 60er Jahre, habe ich zusammen mit Freunden sehr gern zugeschaut, wie der Inhaber eines großen Dachdeckerbetriebs aus dem Nachbarort an einer Stelle dieses Geländes sehr häufig große Mengen gebrauchter Teerpappe abgekippt und direkt vor Ort in Brand gesteckt hat. Ich kann mich noch gut an die beeindruckenden schwarzen Qualmwolken erinnern, die wir als Kinder ganz toll fanden. Diese etwa wöchentlichen Großfeuer fanden über Jahre statt und umfassten einen Geländestreifen von etwa 50 Metern, etwas abseits einer Straße, und weit genug vom Elternhaus entfernt, dass meine Eltern das nicht sehen konnten.
Etwa 5 Jahre später wurde das Gelände grob von Müll geräumt, und die VEW verkaufte es als günstigen Baugrund an ihre Mitarbeiter.
Meine Eltern kauften eines der Grundstücke, nämlich genau an der Stelle, wo Jahre zuvor die ständigen Teerpappefeuer stattgefunden hatten. Natürlich legten mein Vater und seine neuen Nachbarn in den großen Gärten auch Beete und kleine Gewächshäuser an, und es entstand beinah so etwas wie ein Wettbewerb, wer die schönsten und meisten Möhren, Tomaten, Gurken, Salate u.s.w. ernten konnte. Selbstverständlich wurde all dies auch regelmäßig von den Familien verzehrt.
Zu keinem Zeitpunkt wurde je daran gedacht, dass hier Umweltschäden eine Gesundheitsgefahr darstellen könnten, denn erstens war weder meinen Eltern noch den Nachbarn bewusst oder bekannt, dass hier etwas nicht so ganz stimmte, und zweitens war auch mir als ehemaligem "Zeugen" eine Umweltsünde überhaupt nicht bewusst, und ich hatte es sowieso schon längst vergessen.
Das änderte sich auch nicht, als in den Achtziger und Neunziger Jahren einige (eigentlich fast alle) Nachbarn und auch mein Vater an Krebs erkrankten. Einige davon verstarben (wie auch mein Vater), und nur einer lebt bis heute.
Ich habe das alles nie weiter verfolgt, da ich als junger Erwachsener irgendwann in eine andere Stadt zog und erst nach einigen Jahren mit eigener Familie wieder ganz in der Nähe der Eltern wohnte.
Nachdem ich im letzten Jahr an Krebe erkrankte, sprach mich ein sehr alter Herr aus unserer Straße an und sagte: "das wundert mich eigentlich nicht. Dein Vater ist doch auch an Krebs gestorben, und fast die ganze Nachbarschaft von euch genau so. So viele Krebskranke in nur 6 Familien, das gibt es doch sonst nirgendwo. Das ist doch alles nur wegen dem alten Dachdecker ****, der da jahrzehntelang seinen giftigen Müll verbrannt hat. Ich konnte es nie ansprechen, denn dein Vater und alle anderen Nachbarn waren immer schon so schwer krank, bevor ich es überhaupt erfahren habe, und ich kannte die Familien ja auch nicht so gut. Aber ich dachte, dir könnte ich es jetzt endlich mal sagen."
Natürlich sah ich sofort wieder die riesigen Feuer und Qualmwolken vor mir, die ich nach über vierzig Jahren eigentlich vergessen hatte. Und seitdem geht mir ein seltsames Gefühl im Bauch herum. Sind diese Dinge vielleicht wirklich die Ursache all der Krebsfälle, und vielleicht sogar meiner eigenen Erkrankung? Und müsste ich nicht irgendwas tun? Man denkt sofort an Schadenersatz, aber das ist natürlich Quatsch. Den alten Dachdecker gibt es längst nicht mehr, und was nützt es auch? Aber wäre es sinnvoll, die jetztigen Besitzer der Häuser mal anzusprechen und ihnen die Geschichte zu erzählen? Ihnen vielleicht sogar eine Überprüfung der Böden nahezulegen? Oder mache ich sie damit nur verrückt und mich selbst lächerlich? Wären jetzt überhaupt noch Bodenverunreinigungen nachweisbar?
Eigentlich will ich mit all dem gar nichts zu tun haben, denn ich habe spätestens seit meiner Erkrankung genug eigene Dinge, die mich beschäftigen.
Aber es ist eben eine Geschichte, die mich unruhig macht...

Geändert von Frank Emm aus Weh (21.10.2016 um 12:14 Uhr)
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  #2  
Alt 21.10.2016, 12:43
Safra Safra ist offline
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Standard AW: eine Geschichte, die mich unruhig macht...

Hallo,

da fällt mir ein, dass meine Schwester zu mir sagte: Na jetzt weißte ja, woher der Krebs ist... Hintergrund ist die hohe Radonbelastung da, wo mein Elternhaus steht. Früher hat da kein Hahn danach gekräht, auch wurde keine Isolationsschicht eingebracht. Erst vor ca. 10 Jahren wurde das im Zuge einer Neubebauung in der Nähe festgestellt.
Auf der einen Seite ist es schon wichtig, dass man das weiß. Man kann aber sicherlich ein Gutachten machen lassen, damit alle Zweifel ausgeräumt werden. Und wenn die Erkrankungen darauf zurückgeführt werden sollten, dann müsste sich ja auch was nachweisen lassen.
Auf der anderen Seite steht natürlich, dass der Wert der Grundstücke rapide sinken wird, wenn das bekannt wird.
Die Häufung des Krebses kann auch ein Zufall sein. Es erkrankt ja heute ohnehin jeder dritte daran. Und das ist nicht gleichmäßig verteilt, da gibt es mal eine Ecke mit Vielen, und eine andere, wo nichts ist. Bei meinen Nachbarn, die unmittelbar angrenzen, ist auch bisher jeder zweite erkrankt und jeder dritte gestorben. Hatten denn alle den gleichen Krebs? Alle gestorben daran? Wie alt waren sie?


Safra
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  #3  
Alt 21.10.2016, 15:45
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Frank Emm aus Weh Frank Emm aus Weh ist offline
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Standard AW: eine Geschichte, die mich unruhig macht...

hallo Safra,

das Unangenehme an solchen Dingen ist ja, dass man nichts hat, wo man so richtig anpacken kann. Es könnte alles möglich sein, aber man weiß eigentlich nichts sicher.
Und du hast noch einen sehr wichtigen Punkt genannt, der mich unsicher macht, ob es überhaupt sinnvoll ist, der Sache weiter nachzugehen:
die Leute wollen zwar alle sicher sein, dass sie gesund und auf "sauberer" Erde leben, aber sobald es wirtschaftliche Risiken mit sich bringen könnte (Wertminderung der Grundstücke oder nur die Kosten für eine Untersuchung), wollen sie es lieber doch nicht mehr so genau wissen. Damit kann man sich ganz schnell zum Störenfried machen, obwohl man gute Absichten hat.
Die Krebsfälle sind übrigens alle in relativ kurzen Zeitabständen und in vergleichbarem Alter aufgetreten: etwa 15 - 25 Jahre nach dem Bezug der Häuser. Da die Häuslebauer damals alle Familien mit Kindern in unterschidlichem Alter waren, hat der Krebs die Elterngeneration also immer im Alter zwischen ca. 60 und 70 Jahren erwischt. Aber das ist ja auch das typische Alter für viele andere Krebserkrankungen, die nichts mit diesem Fall zu tun haben.
Übrigens waren es ausschließlich Erkrankungen der Verdauungsorgane, nämlich Darmkrebs, Magenkrebs, Bauchspeicheldrüsenkrebs. Und in meinem Fall (wenn der überhaupt damit zusammenhängt) das Kardia-Karzinom.
Ob noch andere "Kinder", also aus meiner Generation, erkrankt sind, weiß ich nicht.
LG,
Frank
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  #4  
Alt 21.10.2016, 23:37
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Ibis Ibis ist offline
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Standard AW: eine Geschichte, die mich unruhig macht...

Hallo Frank,

ich glaube sehr wohl, dass diese Dachpappe die Ursache für Deinen Krebs und die ganzen anderen Erkrankungen der Eltern und Nachbarn war. Bis Anfang der 70er Jahre wurde sie mit Steinkohlenteer hergestellt, der krebserregende polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe enthält. Überreste davon sind wahrscheinlich nach der Verbrennung im Boden geblieben und wurden über das Gemüse von Euch aufgenommen. Dafür spricht auch, dass es sich immer um Erkrankungen des Verdauungstraktes handelte.

Für die noch lebenden Nachbarskinder und die jetzigen Bewohner der Häuser wäre es sicherlich wichtig, davon zu erfahren, damit sie sich vorbeugend oder im Fall von Beschwerden frühzeitig untersuchen lassen können. Ich fürchte, dass das zuständige Gesundheits- und/oder Umweltamt wahrscheinlich eher träge reagieren werden, aber vielleicht könntest Du sie trotzdem informieren und bitten, aktiv zu werden? Beim Umweltamt Dortmund wäre wohl die untere Bodenschutzbehörde zuständig. Auch Umweltorganisationen wie z.B. BUND könnten eventuell Hinweise zum richtigen Vorgehen geben.
In diesem Fall würde ich finanzielle Erwägungen als nachrangig ansehen; ein Wertverlust ist zwar bedauerlich, aber die Gesundheit sollte doch wohl vorgehen.

Auch wenn der eigentliche Verursacher nicht mehr zu belangen ist, könntest Du Dich einmal informieren, ob nicht der damalige Besitzer und Verkäufer (VEW) zur Verantwortung gezogen werden kann?

Ich wünsche Dir weiter alles Gute und vor allem anhaltende Gesundheit!

herzliche Grüße
Ibis
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Wenn das, was Du sagen willst, nicht schöner ist als die Stille - dann schweig.
(altes chinesisches Sprichwort)

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  #5  
Alt 10.02.2017, 18:43
Norma Norma ist offline
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Standard AW: eine Geschichte, die mich unruhig macht...

Hallo Frank,

ich kann dich wirklich gut verstehen, denn deine Gedankengänge hatte ich auch sehr lange.

Ich bin mitten im Kohlenpott aufgewachsen und zwar grenzte unser Garten auf der einen Seite an einer Kokerei und auf der anderen Seite an einer Zeche. Damals war es üblich, jeden Meter Gartenland für den Obst- und Gemüseanbau zu nutzen. Außerdem hatten wir Kaninchen und Hühner, die wir selbstverständlich auch gegessen haben. Eier gab es natürlich auch sehr oft.
50 m von unserem Wohnhaus verlief noch eine Bahngleise, auf der im Minutentakt die Kohlenzüge fuhren.

Wer hat schon damals an irgendwelche gesundheitlichen Schäden gedacht? Niemand. Für uns Kinder war das alles Spielplatz und unsere Eltern waren nur ab und zu etwas sauer, wenn wir so schmutzig wieder nach Hause kamen.

Als Erwachsene zog ich im gleichen Viertel in ein Mietshaus, dessen Verseuchung mit Astbest erst 20 Jahre später entdeckt wurde. Da waren sogar schon unsere Kinder erwachsen.

Jetzt sollte man meinen, unser ganzer Ortsteil müsste an Krebs erkrankt sein. Dem ist aber nicht so. Die Nachbarn, mit denen ich noch Kontakt hatte (und das waren sehr viele), sind größtenteils sehr alt geworden >80 Jahre und Krebs als Todesursache wurde nur selten genannt.

ABER: MEINE Generation (frühe 1950er bis 1960er Jahre) scheint bedeutend öfter betroffen zu sein. Offensichtlich sind es die damaligen Kinder, deren Immunsystem die vielen Schadstoffe aufgenommen hat. Genaues weiß niemand, das sind alles nur meine persönlichen Wahrnehmungen und Statistiken gibt es offensichtlich nicht.

Die von mir beobachteten Krebsfälle umfassen eigentlich das gesamte Repertoire an Möglichkeiten: Leukämie, Darmkrebs, BSD-Krebs, Eierstockkrebs, Magenkrebs, Prostata-Krebs, Brustkrebs etc. .

Nein, ich persönlich halte nichts davon, im Nachhinein irgendeine bestimmte Art von Schadstoffen verantwortlich zu machen. Es sind einfach viel zu viele, denen wir ahnungslos ausgesetzt waren.

Mein Mann und ich sind beide Krebskrank (auch er ist im gleichen Stadtteil aufgewachsen), haben aber unsere Überlegungen inzwischen eingestellt. Wir werden die wahren Verursacher nicht ermitteln können.

Richtige Angst habe ich aber davor, dass auch unsere Kinder erkranken könnten.

Dir von Herzen alles Gute!

Norma
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  #6  
Alt 20.06.2017, 16:56
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Frank Emm aus Weh Frank Emm aus Weh ist offline
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Hallo Norma,

ein weiteres halbes Jahr ist vergangen, und ich habe beschlossen, diese Überlegungen - genau wie du - nicht weiter zu verfolgen. Einerseits weil ich neben Arbeit und vielem anderen einfach nicht genug Energie übrig habe, um mich um das Thema weiter zu kümmern, andererseits aber auch, weil es mir sicherlich besser tut, mich mit erfreulicheren Dingen zu beschäftigen.

Dir und allen anderen weiterhin alles Gute!
Frank
__________________
Diagnose Kardia-Karzinom T3 N1 M0 - Juli 2015
Neoadjuvant Bestrahlung/Chemo - Sept bis Nov 2015
OP Magenhochzug - Dez 2015
1. Reha in Bad Neuenahr - Jan 2016
2. Reha in Bad Neuenahr - Feb 2017
seitdem geht's ....

meine eigenen Erfahrungen mit der Magenhochzug-OP,
dem Leben und Überleben des Kardia-Karzinoms und
Nützliches zum Umgang mit Magen- und Speiseröhrenkrebs findet ihr hier
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