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Alt 25.03.2008, 21:53
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Nicky72 Nicky72 ist offline
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Registriert seit: 25.03.2008
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Standard Angst um meine Mutter

Bis Donnerstag mittag (20.03.2008) war meine Welt noch in Ordnung und seit dem verstehe ich die Welt nicht mehr. Seit Monaten wurde meine Mutter immer schwächer, schlapper, antriebsloser, hatte zu nix mehr Lust und hat nur noch geschlafen. Dazu kamen in der letzten Woche immer mehr geistige Aussetzer, aber kein Arzt hat was gefunden. Sie hat viele Untersuchungen und Tests über sich ergehen lassen, aber alle ergebnislos. Von Mittwoch auf Donnerstag wurde sie noch mal auf Schlafapnoe getestet. Natürlich auch ohne Ergebnis.

Mein Bruder und ich hatten vorher beschlossen, wenn dabei auch nix rum käme, würden wir sie ins Krankenhaus bringen und genau das habe ich Donnerstag mittag getan.

Wir waren gegen 17.00 Uhr da und auf einmal ging alles ganz schnell. Das Gespräch mit der Ärztin. Daraufhin noch Blutabnahme und ab zum CT. Wir hatten evtl. noch die Vermutung, dass sie MS hätte, weil ihre Mutter daran früh gestorben war. Die Untersuchung ging schnell und ca. einer halben Stunde hatten wir das Ergebnis. Es war keine MS, sondern ein Gehirntumor in der rechten vorderen Gehirnhälfte. Das war für mich ein Schlag in meinen Magen, wie sich wahrscheinlich jeder hier denken kann. Das war der erste Hammer. Ich hatte dann erst mal die Nerven verloren und mir lief die Suppe so aus den Augen. Meine Mutter war stark und hat mich noch versucht zu trösten. Dabei hätte es eigentlich umgekehrt sein müssen. Aber es war für mich einfach schockierend, weil ich damit absolut nicht gerechnet habe, obwohl ich viel recherchiert habe, aber anscheinend immer die falschen Begriffe bei google eingegeben habe. Gehirntumor war mir dabei nie erschienen. Mir gingen tausend Gedanken durch den Kopf.

Ich musste dann erst mal raus und habe meinen Bruder angerufen, der schon auf dem Weg von Bonn nach Essen war und habe es ihm mitgeteilt. Dann bin ich wieder rein und dann kam der 2. Hammer. Inzwischen war die Neurochirurgin hinzugekommen und klärte mich auf, dass Ding muss raus und das sofort. Inzwischen war mein Bruder dann auch da. Mutter war in der Zeit in der Kernspin. Die Ärztin meinte nur, die OP könne 4 aber genauso gut 8 bis 9 Stunden dauern, je nachdem was man finden würde.

Um 20.00 Uhr kam sie dann in den OP und wurde operiert. Mein Bruder, meine Schwägerin und ich haben dann überlegt was wir nun tun. In der Klinik wollten wir nicht bleiben, weil wir ja nicht wussten wie lange es dauert und inzwischen hatten wir trotz allem Hunger. Jeder von uns hatte schon einen harten Tag hinter sich. Also haben wir was zu Essen geholt und sind dann zu mir nach Hause gefahren. Mein Bruder ist dann noch zu unserem Vater gefahren, um ihn auch zu informieren, obwohl meine Eltern geschieden sind. Wir haben gedacht, es würde ihn interessieren. Mein Bruder kam aber schnell zurück. Wir waren hundemüde, obwohl an Schlaf natürlich nicht zu denken war, aber jede wollte ein wenig Ruhe haben. War natürlich nicht möglich, wie sich jeder denken kann. Mein Bruder hatte dann gerade im Hotel eingecheckt, als der erlösende Anruf aus der Klinik kam. Um Mitternacht rief er mich dann an und teilte mir mit, dass unsere Mutter die OP gut überstanden hätte, dass man den Tumor vollständig entfernen konnte, dass sie schon wieder ansprechbar war und auch eigenständig atmen konnte. Danach konnten wir erst mal durchschnaufen und einigermaßen schlafen.

Am Freitag kam dann mein Bruder gegen mittag zu mir und wir haben gemeinsam auf der Intensivstation angerufen um uns zu erkundigen, wie es ihr geht. Die Schwester hat mir eine positive Auskunft gegeben und das wir sie um 14.30 Uhr besuchen könnten. Das haben wir dann natürlich getan und ihr werdet es mir nicht glauben: "Sie war fit wie ein Turnschuh". Sie war voll da, hatte nur ganz wenige Aussetzer und sah wirklich besser aus. Ich vermute aber, dass die Narkose noch gewirkt hat, denn das war mehr als ungewöhnlich. Wir waren ca. 1 Stunde da, weil wir dann doch merkten, dass sie müde wurde. Ist ja auch normal. Die OP war nicht leicht. Wir haben uns tierisch gefreut, dass es ihr so gut ging. Wir hatten aber auch noch keine Ahnung wie das alles abläuft.

Ich habe dann Samstag morgen wieder angerufen um zu hören, wie sie die Nacht überstanden hätte. Da war die Auskunft schon nicht mehr so positiv. Die Schwester meinte sie wäre sehr schläfrig. Aber das war der Zustand, den ich schon eher für Freitag erwartet hätte. Wir waren nicht lange da, weil sie wirklich sehr müde war und wir ihr diese Ruhe gönnen wollten. Aber sie war ansprechbar.

Sonntag morgen bin ich dann mit einem sehr unguten Gefühl aufgewacht und ich wusste sofort, dass irgendetwas nicht stimmt. Ich habe mich gezwungen noch bis 8.00 Uhr mit meinem Anruf zu warten und das fiel mir nicht leicht, weil ich schon um 6.00 Uhr wach wurde. Die Antwort fiel aus, wie schon ein Tag vorher, dass sie sehr schläfrig sei. Ich bin dann mittags das erste mal alleine zu ihr gefahren. Ich habe sie nicht wach bekommen und habe eine Scheißangst bekommen. Sie hat nur auf Schmerzen reagiert, also wenn die Schwester sie gekniffen oder leicht ins Gesicht geschlagen hat. Ich bin dann mit der Schwester raus gegangen und habe gesagt, dass ich mir ernsthaft Sorgen machen würde. Sie meinte nur, die Ärzte auch, deshalb würde sie gleich noch mal zum CT gebracht, weil sie Blutungen vermutet hatten. Ich habe dann 45 Minuten warten müssen. Es waren die schlimmsten meines Lebens! Als ich zurück kam, war alles wie vorher auch. Blutungen hatte sie keine, aber das Gehirn war sehr geschwollen und daher wohl dieses halbe Koma. Der Anästhesist, der an diesem Tag Notdienst hatte, erklärte mir anhand der CT Bilder, dass man, wenn sich der Zustand weiter verschlechtern würde, sie ein 2. Mal operieren müsse und den Schädel öffnen müsse, damit der Druck verschwinde. Ich habe nur gesagt, wenn sie das tun müssen, sollten sie nicht warten, bis ich käme, sondern mir nur eine kurze Info geben. Zu meiner Angst, die ich eh schon hatte, musste er mir noch einen Schlag in die Magengegend verpassen. Er meinte nämlich, der Tumor meiner Mutter sei bösartig. Auf meine Frage hin, woher man das jetzt schon wissen könne (weil die Ergebnisse ja noch gar nicht da sind) meinte er, dass hätten die Ärzte schon bei der OP sehen können. Ist mir schleierhaft, warum wir dann überhaupt auf die Ergebnisse warten müssen und ob man das wirklich schon bei der OP sehen kann.

Als ich nach Hause kam, habe ich dann meinen Bruder informiert und wir waren sehr niedergeschlagen. Wie meine Nacht verlaufen ist, muss ich wahrscheinlich nicht erwähnen. Ich hatte tierische Angst, dass das Telefon klingeln würde, was es aber Gott sei Dank nicht tat. Seitdem erlebe ich ein Wechselbad der Gefühle.

Montag bin ich dann mit einem wesentlich besseren Gefühl wach geworden. Konnte wider Erwarten doch ein paar Stunden schlafen. Als ich im Krankenhaus anrief, hieß es dann, der Zustand sei eine Spur besser geworden. Ich hatte mir den so in etwa wie Samstag vorgestellt. Als ich dann mittags hin kam und mich grade anmelden wollte, kamen in dem Moment Freunde von ihr heraus und grinsten über alle Backen und meinten: "Sie hätten ihre alte Gitte wieder!" Ich wollte das gar nicht glauben und meinte, davon müsse ich mich selbst überzeugen. Ich muss den beiden Recht geben. Sie war so wie sie am Freitag war, eben nur noch ein wenig müde, was ich immer noch für normal halte. Ich war so glücklich, weil ich Sonntag wirklich dachte, sie fällt mir jeden Augenblick ins Koma. Die Schwellung des Gehirns war über Nacht zurückgegangen. Ich weiss wirklich nicht, wieviel Zentner Steine mir vom Herzen gefallen sind.

Dienstag morgen rief sie mich von der Intensivstation an. Erst hatte einen Heidenschrecken bekommen, als ich die Nummer auf meinem Display sah, aber ich hatte eine vergnügte Mutter am Telefon, die ein paar Wünsche äußerte, die ich ihr natürlich gerne erfüllt habe. Sie kam dann heute vormittag auf die normale Station und ist auch schon wieder aufgestanden (allerdings nicht alleine). Ganz offensichtlich ist bei der OP nichts beschädigt worden. Sie war zwar noch wackelig auf den Beinen, aber sie konnte laufen. Über diesen Zustand bin ich sehr happy.

Dienstag nacht um 0.30 Uhr klingelte das Telefon und ich hatte schon mit dem schlimmsten gerechnet. Aber es war meine Mutter. Sie hatte Angst das meiner Schwägerin und mir was passiert wäre, weil sie meinte, sie hätte unsere Stimmen gehört. Ich weiss nicht was es war. Ob es ein Traum war oder ob sie die Stimmen sich im wachen Zustand eingebildet hat? Ich habe keine Ahnung. Hat hier jemand auch schon Erfahrung damit gemacht? Ich habe mich bis dato nicht mit diesem Thema beschäftigt, weil wir leider auch noch nicht wissen, wie dieser Tumor heisst. Ich habe versucht sie zu beruhigen, ob ich es geschafft habe, weiss ich nicht. Als wir auflegten merkte ich aber, dass sie müde wurde und sie meinte auch, sie hätte eine Tablette zum schlafen bekommen.

Mittwoch und heute (Donnerstag) ist sie zwar noch oft müde, aber es geht ihr soweit ganz gut. Sie überlegt, ob sie noch eine Reha dran hängen soll und fragte mich, was ich davon halte. Ich habe sie darin bestärkt, aber es hängt natürlich letztlich alles von den Ergebnissen ab. Ich hoffe, dass sie morgen endlich kommen. Die Ärzte sind aber ziemlich zufrieden mit ihr. Ich habe die Visite heute miterlebt. Habe aber leider nur böhmische Dörfer verstanden, außer dass man noch auf die Ergebnisse wartet. Heute morgen hatten die Ärzte wohl schon überlegt, sie Dienstag zu entlassen. Ich finde das persönlich ein wenig zu früh, aber das ist man wohl machtlos.

Aber die Ergebnisse aus der Pathologie sind noch nicht da und diese Warterei macht mich noch wahnsinnig. Solange die noch nicht da sind, kann mir auch keiner die Angst nehmen. Die Ärzte meinen zwar, sie hätte das schlimmste überstanden, aber ich weiss nicht, ob ich denen noch trauen kann. Jetzt heisst es noch bis Ende der Woche abwarten und ich bete, dass er gutartig war.

Ich habe nach wie vor eine Scheißangst. Ich musste mir das alles von der Seele schreiben, weil ich es selbst noch nicht ganz kapiert habe. Es ging alles viel zu schnell und irgendwie hatte ich noch nicht richtig die Zeit darüber nachzudenken.

Geändert von Nicky72 (27.03.2008 um 19:57 Uhr)
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