Krebs-Kompass-Forum seit 1997  


Zurück   Krebs-Kompass-Forum seit 1997 > Krebsarten > Magenkrebs

 
 
Themen-Optionen Ansicht
  #1  
Alt 06.12.2005, 06:56
linne72 linne72 ist offline
Neuer Benutzer
 
Registriert seit: 06.12.2005
Beiträge: 4
Standard Siegelringzellkarzinom C-16.9G, Diagnose vor 8 Monaten

Hallo Leute,

hier mein Erfahrungsbericht, vielleicht hilft er ja irgendwem weiter. Hoffentlich ist Euch das nicht zu trocken geschrieben, aber ich wollte es möglichst übersichtlich halten.

Wegen der Übersichtlichkeit gliedere ich wie folgt:

1. Über mich
2. Diagnose
3.Verlauf vor der Diagnose
4. Umgang mit der Diagnose
5. Operation
6. Chemotherapie
7. Befinden
8. Aussichten


1. Über mich

Ich bin Stefan, 33 Jahre alt (Neuer Rekord, was das Alter betrifft 8) ?),
Maschinenbauingenieur, verheiratet, zum Teil getrennt lebend, 2jährige Tochter, wohne im Kreis Steinfurt in Nordwestdeutschland.


2. Diagnose

Hauptdiagnose nach ICD10: C.16.9G.
Siegelringzell- Karzinom, Stadium T4 (letztes Stadium mit Übergriff auf benachbarte Organe, hier Dickdarm).
Per Magenspiegelung auch mit Gewebeproben nicht diagnostizierbar.
Exakte Diagnose erst nach OP und Feingewebeuntersuchung des OP-auslösenden Darmtumors.
Diffuse Infiltration der Magenwand.


3. Verlauf vor der Diagnose

Keine langjährige Vorgeschichte, kein Krebs in der Familie (bis auf kürzlich aufgetretenen Prostatakrebs beim 60jährigen Vater, aber das ist ja nicht so ungewöhnlich und ein anderer Krebs als bei mir).

Voher kein Sodbrennen oder sonstige Magenbeschwerden.

Rauche kaum (alle 2 Monate eine Pfeife oder so), habe nie exzessiv oder regelmäßig getrunken.

Anfang Februar 05 zunehmend Völlegefühl nach dem Essen, Magenschmerzen, Übelkeit, Erbrechen.
Erstdiagnose Magenschleimhautentzündung.
Weitere Verschlechterung, feste Nahrung kommt wieder raus.

Krankenhauseinweisung vor Ostern, Untersuchung u.a. per Computertomographie (CT), bei der ein geschwürbedingter DARMVERSCHLUSS festgestellt wird. Gewicht inzwischen vo 65 kg auf 57 kg runter, bei 186cm.

Am selben Abend Operation ohne Diagnose, ob der Tumor gutartig oder bösartig (=Krebs) ist.


4. Umgang mit der Diagnose

Die volle Diagnose und was sie bedeutet ist mir so nach und nach klar geworden.

Angefangen vom OP-Ergebnis in Halbnarkose über die Erkenntnis bösartiger Tumor= Krebs, Aussicht auf längere Chemotherapie und allmähliches Erfahren, wie das tatsächlich ist, haben diese kleineren "Portionen" mir geholfen, das ganze zu verdauen.

Ich habe mich zu meinem jeweiligen Diagnosestand zwar immer Informiert, viel gefragt und gelesen, aber nicht darüber hinaus versucht, alles zu erfahren oder zu weit in die Zukunft zu blicken. War vielleicht ein unbewusster Schutz meiner Seele.

Zum Erstaunen des Krankenhauspsychologen (kann ich empfehlen! "Gegen die Krankheit kämpfen, nicht gegen die Gefühle!"; notfalls "fröhlich durchhängen") habe ich bis jetzt keine Phase der Niedergeschlagenheit/ Depression gehabt.

Ich erkläre mir das so:
a) Ich bin Ingenieur und darauf gedrillt, bei Problemen nicht jammernd zu suchen, woran das Auftreten desselben liegt oder zu fragen, warum gerade mir das passiert, sondern zu schauen "was kann/ muss ich tun, um das zu Lösen?" und entsprechend meiner Möglichkeiten zu handeln.
b) "verdaubare" Portionen an schlechten Nachrichten (s.o.)
c) Es gab immer Hoffnung, z.B. Chemotherapie
d) Ich glaube, ich habe ein hilfreiches Grundvertrauen, hier v.a. in die Ärzte/ Schulmedizin
e) Vielfach waren die Diagnose- und Therapieschritte mit Erleichterung verbunden, z.B. "Endlich wissen wir, woran das Erbrechen liegt", "Endlich ist etwas gegen die Chemo-Übelkeit gefunden".
f) Die Erkenntnis: " Vor 20 Jahren wäre das noch härter gewesen" und " vor 100 Jahren wäre ich jetzt schon tot gewesen".


5. Operation

Der Tumor wurde mit 2/3 des Dickdarms entfernt, ebenso einige Lymphknoten, ein Bypass zwischen Magen und Dünndarm wurde gelegt, um die Nahrungspassage sicher zu stellen.

Die OP hat mich körperlich ganz schön mitgenommen. Bauch war won Brustbein bis Schambein 1x komplett aufgeschnitten. "Hätte ich noch den Magen entfernt, wäre er mir liegen geblieben" (Chirurg).
Ich lag direkt im Anschluss für 1 Tag erschreckend verkabelt auf Intensiv.

Auf der Chirurgie kamen innerhalb der nächsten 14 Tage nach und nach ab:
-Blasenkatheter ( weil ich zuerst zum Wasserlassen gar nicht aufstehen konnte),
-3 venöse Zugänge an den Armen
-Venöser Zugang am Hals (ersetzt durch implantierten Port)
-Magensonde aus der Nase
-Rückenmarkszugang (für Narkose/ schnelle Schmerzmittel)
-2 Wunddrainagebeutel am Bauch
-33 Metallklammern, die die Wunde zusammengehalten hatten (Anstelle des Nähens).

Nach 2 Tagen konnte ich mit Hilfe wieder aufstehen, nach 4 Tagen alleine, nach 14 Tagen konnte ich "schon" 50m gehen.

Es dauerte, bis die Verdauung wieder anlief, aber die erste Brühe war nach langer Abstinenz (auch schon vor der OP) ein Hochgenuss!

Bis heute sind normal große Portionen problematisch ( durch infiltrierte Magenwand verringerte Dehnbarkeit des Magens).


6. Chemotherapie

Wöchentlich 5FU (mobile 24h-Pumpe),
14-tägig Cisplatin (ambulante Infusion, ca. 4h beim Onkologen),
nach 6 Wochen 1x Aussetzen zum Erholen.



5FU vertrug ich von Anfang an recht gut, nur leichte Appetitlosigkeit.

Cisplatin war "zum Kotzen": Beim ersten Mal 5 Tage, beim zweiten Mal 10 Tage, mit Gewichtsverlust auf 50 kg (bei 186cm, wie gesagt! Mittels zeitweiliger künstlicher Ernährung habe ich wieder ausreichend zugenommen) in der 4-Wochen-REHA. Ist jetzt recht gut im Griff, mit 8-12mg Dexamethason (Cortisonpräparat; zuerst Fortecortin) an den kritischen 4 Tagen in Verbindung mit Ement (3-Tages Kur mit Hartkapseln 120-80-80mg, anscheinend recht neu).

Allgemeine Appetitlosigkeit/ Übelkeit ist damit sowie mit Magensäurehemmer (20mg- Omep, voher Nexium Mups) und MCP-Tropfen überwiegend ausreichend im Griff.

Über die 4 Tage nach Cisplatin bin ich immer sehr schlapp und schlafe tagsüber meist noch 2x für 2 Stunden.

Therapie scheint anzuschlagen, zumindest habe ich mich körperlich gut erhohlt und bei den 6wöchigen Verlaufskontrollen (CT und Ultraschall) sieht man einen Rückgang der Magenwandschwellung sowie keine Metastasen in der Leber oder den Nieren. Der Tumormarker im Blut ist bei mir nicht aussagefähig (wie bei ca. 10% der Menschen), so dass sich eine Verbesserung nicht direkt ablesen lässt.
Eine operative Gewebeprobenentnahme war mal im Gespräch.

Anscheinend ist durch die Chemo eine leichtere Laktose-Intoleranz (Milchzucker-Unverträglichkeit, Symptom bei mir häufige nach faulen Eiern stinkende Fürze) aufgetreten. Habe Milch- und Yoghurtkonsum auf laktosefreie (" L minus") umgestellt, das hilft.


7. Befinden

Ich sage immer: " Nicht gesund, aber munter".

Allerdings:
Lebensqualität durch oben erwähnte nur überwiegend ausreichend im Griff befindliche Appetitlosigkeit/ Übelkeit herabgesenkt.

Teilweise ist das bei mir durch Ernährung beeinflussbar:
-kleine Portionen (stoppen, bevor ich mich eigentlich satt fühle)
-nichts (besonders) Fettes
-keine scharfen Gewürze

Bei mir gilt der tägliche Kampf vor allem dem Halten des Gewichtes. Am Besten geht es mir, wenn ich ganz wenig esse, aber das geht ja auch nicht. Körperliche Anstrengung führt oft zu verstärkter Übelkeit.

Allgemein bin ich deutlich schwächer als zuvor, beim Rennen spüre ich sofort weiche Knie und stoppe dann sofort, weil ich Angst habe, hinzufallen.
Ich merke immer wieder, dass ich zurecht arbeitsunfähig geschrieben bin und mich enttäuschenderweise in meinem Tatendrang immer wieder stoppen muss.

Die Anteilnahme von Freunden und Verwandten (von denen ich jetzt zum Teil ganz anderer Seiten - überwiegend hilfreiche - kennengelernt habe) tat und tut mir gut, wobei ich mir das " in Watte packen" verbitte, denn dadurch fühle ich mich erst so richtig krank und schwach.


8. Aussichten

Wenn ich es richtig verstanden habe, gibt es 2 Alternativen:

a) Lebensverlängernde Chemotherapie so lange wie es hilft. Hier gibt es keine Garantie, dass der Tumor etwa eine Resistenz entwickelt (Onkologe: "Wir haben keine Sicherheit, dass Ihre Frau in 2 Jahren nicht alleine dasteht"). Ich plane inzwischen deutlich weniger langfristig, rechne aber im Allgemeinen mit guten Wahrscheinlichkeiten, dass die Therapie hilft bzw. dass im Bedarfsfall ein anderes Chemo-Medikament probiert werden kann.

b) Eindämmung/ Verkleinerung des Magenkarzinoms durch Chemo, so dass der Magen mit dem (hoffentlich gesamten) Primärtumor operativ entfernt werden kann. Keine schöne Aussicht mit den zu erwartenden Komplikationen für die Ernährung, aber wohl der sicherste Weg. Wovon die Entscheidung dafür abhängt, ist mir aber nicht klar.

Ich habe keine "Torschlusspanik" nach dem Motto "schnell noch das Leben genießen, solange es noch geht", aber es hilft mir, wenn ich konkrete schöne Sachen plane und ausführe, wie z.B. eine 12-Tage Motorradtour oder den Jagdschein (beides aber natürlich etwas piano angegangen). Auch meine kleine Tochter ist immer wieder ein Anlass zur Freude.

Über das, was im Detail in 5 Jahren sein könnte, mache ich mir besser keine Gedanken, das ist einfach zu ungewiss, die obige Grobabschätzung reicht mir.


Über Eure positiven Erfahrungen, vor allem langfristige, würde ich mich freuen!
Wenn jemand zu Details besondere Fragen/ Anregungen hat, würde ich anregen, daraus im Forum eine eigenes, neues Thema zu machen (evtl. mit Zitat aus obigem Text und Verweis auf diesen Beitrag), weil ich diese allgemeine Rubrik unter Umständen zu allgemein und unübersichtlich finde.

Gruß,
Stefan

Geändert von linne72 (06.12.2005 um 06:59 Uhr) Grund: Ergänzung des Autors
Mit Zitat antworten
 

Lesezeichen


Aktive Benutzer in diesem Thema: 1 (Registrierte Benutzer: 0, Gäste: 1)
 

Forumregeln
Es ist Ihnen nicht erlaubt, neue Themen zu verfassen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, auf Beiträge zu antworten.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Anhänge hochzuladen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Ihre Beiträge zu bearbeiten.

BB-Code ist an.
Smileys sind an.
[IMG] Code ist an.
HTML-Code ist aus.

Gehe zu


Alle Zeitangaben in WEZ +2. Es ist jetzt 03:22 Uhr.


Für die Inhalte der einzelnen Beiträge ist der jeweilige Autor verantwortlich. Mit allgemeinen Fragen, Ergänzungen oder Kommentaren wenden Sie sich bitte an Marcus Oehlrich. Diese Informationen wurden sorgfältig ausgewählt und werden regelmäßig überarbeitet. Dennoch kann die Richtigkeit der Inhalte keine Gewähr übernommen werden. Insbesondere für Links (Verweise) auf andere Informationsangebote kann keine Haftung übernommen werden. Mit der Nutzung erkennen Sie unsere Nutzungsbedingungen an.
Powered by vBulletin® Version 3.8.7 (Deutsch)
Copyright ©2000 - 2024, vBulletin Solutions, Inc.
Gehostet bei der 1&1 Internet AG
Copyright © 1997-2024 Volker Karl Oehlrich-Gesellschaft e.V.
Impressum: Volker Karl Oehlrich-Gesellschaft e.V. · Eisenacher Str. 8 · 64560 Riedstadt / Vertretungsberechtigter Vorstand: Marcus Oehlrich / Datenschutzerklärung
Spendenkonto: Volker Karl Oehlrich-Gesellschaft e.V. · Volksbank Darmstadt Mainz eG · IBAN DE74 5519 0000 0172 5250 16 · BIC: MVBMDE55