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Alt 20.02.2013, 14:05
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Kleeblattkind Kleeblattkind ist offline
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Standard Begleitung heißt Liebe...es tat so weh..

Immer wieder quälen mich dieselben Gedanken, es dreht sich wie ein Karussell, und ich sitze darauf und kann mich kaum halten.
Ich kann es nicht fassen, dass man dir nur diese 3 kurzen Monate ließ.
55 Jahre durftest du nur werden, es ist nicht fair. Die Diagnose brach herein, wie eine Bombe. Von nun an, wussten wir, die Uhr tickt, aber, dass sie so schnell stehen bleiben würde, hätten wir alle nicht gedacht.
Immer wieder sehe ich dich, wie du weintest, und sagtest, du wollest noch nicht sterben. Dies sagtest du schon, als wir die Woche zur Diagnosstellung im Krankenhaus waren, und noch gar nicht sicher wussten, was kommen würde.
Cup-Syndrom…Metastasen ohne Primärtumor…das war unsere Botschaft. Deine Leber war durchsetzt von diesen gemeinen Dingern. Ich erinnere mich nur zu genau, als du mir das Sono Bild via Handy schicktest, und du mir sagtest, ich soll dir keine Panik machen. Ich sah es, und innerlich brach in mir doch die Panik aus. Ich wollte dies, dich nicht spüren lassen. Aber ich ahnte was da kommen wird.
Ich brach auf, und verbrachte eine Woche bei dir im Krankenhaus, um die schwere Zeit des Wartens auf die Diagnose zu erleichtern. Aber nichts war leicht, immer wieder dieses Hoffen, es könne was anderes sein, was exotisches, was sicher zu heilen sei. Und dennoch zugleich mit dem Schlimmsten zurechnen.
15. November, es war mein Geburtstag, und wir erfuhren, das alles, ganz, ganz schlimm sei…So, mit diesen Worten sagte es mir der Arzt in einem 4 Augengespräch…es ist, ganz, ganz schlimm… ich höre es noch ganz genau.
Du wurdest entlassen, so nach dem Motto: Sorry, hier ist erstmal der Weg zu Ende. Wir können nichts mehr für Sie tun…. Wir packten deine Tasche, und konnten gar nicht fassen, was hier gerade geschah.
Nun folgte Chemo, ein Kampf, den du auf dich nahmst. Doch jeder neue Versuch endete in einer Reaktion deines Körpers, die sagte, er vertrage es nicht. Massive Durchfälle- Chemostop Neutropenie- Chemostop, Immer wieder mussten wir den Block unterbrechen, weil es zu Zwischenfällen kam. So oft rebellierte dein Körper. Fieber, Abgeschlagenheit, Probleme mit Divertikel und Darmfloraschädigungen, niedriger Blutdruck, erhöhter Zucker. Übelkeit und erbrechen. Massive Oberbauchschmerzen begleiteten dich Tag ein, Tag aus. Ich weiß, dein Bauch, das war dein schwerstes Weh Weh, geplagt hast du dich…das fraß mich auf…das mit zu erleben, und nichts tun zu können
500 Km trennten uns, aber ich nahm mir all meine Zeit, wie es noch ging, bei dir sein zu können. Weihnachten haben wir zusammen verbracht, 4 wundervolle, kostbare Tage. Ich war immer so froh, dass dein Appetit so gut war, den hast du dir bis zum Ende bei behalten, und darüber bin ich froh.
Jeden Tag haben wir mindestens 2-mal telefoniert, ich war deine kleine Ratgeberin, und ich versuchte, alles was in meiner Kraft lag, für dich heraus zufinden. Jedes Leiden, jede Ungewissheit. Ich versuchte Antwort darauf zufinden. Ich schaffte es immer wieder dir Mut zugeben und dich hoch zu puschen. Auch das klingt mir noch den Ohren „Ach Kindi, weißt, du dass du mir immer wieder Mut und Hoffnung machst ?!“ Es stimmte mich glücklich und traurig zugleich, weil ich ja doch wusste, dass unsere Zeit begrenzt war. Aber du warst ein Kämpfer, unsere Witze haben wir gemacht, den Krebs tauften wir mit dem Namen „CUPI“
Immer wieder hast du felsenfest gesagt: „Der kriegt mich nicht, ich glaub es hackt, dem zeig ich wo es lang geht.“
Oft lagst du daheim in eurem Bett, in der Ecke stand ein Sessel, auf dem ich viel Zeit verbrachte. So saßen wir quasi doch gemütlich zusammen, und redeten über Vergangenes, und das was man sich für die Zukunft wünschte. Und Papa, eines muss ich dir lassen, deinen Humor, den hast dir behalten, bis 4 Tage vor deinem Gehen. Das hat mich gestärkt, das hat mich lachen und lächeln lassen.
Es wurde Ende Januar. Ich war für 5 Tage bei euch zu Besuch, begleitete dich zu deiner, leider, letzten Chemo…und diese hattest du wohl gar nicht mehr verkraftet. Zum ersten Mal begann der Kampf mit Erbrechen und Übelkeit. Aber auch dies versuchtest du tapfer weg zu stecken. 2 Tage später in der Nacht, wurden deine Oberbauchschmerzen so massiv, dass wir nachts den Notarzt rufen mussten. Ich fuhr mit dir in ein Krankenhaus. Du kamst in die Notfallaufnahme, ich sollte draußen warten. Kurz darauf, kam eine Ärztin und sagte mir, das du meintest, ich solle entscheiden, wohin man dich legt: Innere oder Palliativ. Das war wie ein Schlag ins Gesicht. Ich wusste, dass es für dich besser war, auf Palliativstation zukommen, weil man dort ja doch feinfühliger aufgehoben ist. So entschied ich es dann…und brach in Tränen aus, diese Entscheidung treffen zu müssen, aber mein Vater wünschte es, also tat ich es. .Palliativ…das war immer das, was wir ganz weit von uns schoben. Und nun führte der Weg dort hin. Jedoch dachtest weder du noch ich, das dort der Weg zu Ende sein würde.
Die Station war angenehm, warm und freundlich. Du bekamst ein Einzelzimmer, mit einem freien zusätzlichem Bett…dieses wurde dann Meines…

Dort bekamst du erstmal eine Behandlung der Schmerzen, es half gut, und alles wirkte wieder beruhigender…Am übernächsten Tag musste ich wieder zurück nach hause,500km wieder weit weg von dir…Ich fuhr mit einem seltsamen Gefühl nach Hause, und spürte , dass ich dort nicht lange bleiben würde.
Am Tag drauf versuchte ich dich anzurufen, aber du bist nicht mehr ans Telefon dran. Das gab es nie. Wir haben jeden Tag 2 mal mindestens telefoniert, und nun hebst du nicht mehr ab?!?!
Ich war kurz vorm durch drehen, rief auf der Station an, um zu erfahren, was los sei. Der Pfleger sprach in Rätseln, und war nicht in der Lage mir den Zustand meines Vaters richtig zu erklären… Er hielt das Telefon an dein Ohr, weil ich dich sprechen hören wollte. Ich hört nur ein erschwertes Atmen, und keinen richtigen Satz hast du mehr heraus bekommen.
Ich versuchte die Nacht irgendwie zuschlafen, und fuhr in der Frühe wieder direkt zu dir.
Angekommen im KH, bat mir ein Bild, das ich kaum glauben konnte. Du lachtest, soviel hast du lange nicht gelacht. Ich erkannte dich teilweise gar nicht wieder, du warst so wesensverändert. (Wohl durch das Cortison, sagten die Ärzte).Du liefst durch Zimmer wie ein Jungspund, wolltest mir zeigen, wie fit du doch bist. Du bekamst hochdososiertes Cortison, und das ließ dich in nur kurzer Zeit wieder „aufblühen“ aber anders, als ich dich kannte.

Man merkte, dass in deinem Kopf etwas war, das da nicht hingehörte. Aber du fühltest dich so ca. 2 Tage recht gut. Gegessen hast du wie ein Großer, noch mehr als je zuvor…das war schön…alles was du dir wünschtest, hast du bekommen, und es war eine Wonne dir beim genießen zu zusehen. Von Tag zu Tag wurdest du vom Kopf her immer mehr ein wenig klarer, und dein altes Papawesen kehrte zurück…das tat gut, aber dafür gegenteilig, baute dein Körper immer mehr ab. Die massiven Oberbauchschmerzen wurden immer doller, es war Aszites, und wir mussten punktieren. Es brachte wohl etwas Erleichterung, aber nebenher, versackte dein Körper immer mehr… Von nun an blieb ich 24 am Tag an deiner Seite. Du warst immer ganz grimmig, wenn ich mal kurz weg fuhr, essen einkaufen oder so. Irgendwie war es dir wohl wichtig, all die Zeit immer bei dir zu sein. Es war schön, dass ich ein Bett bei dir hatte, und du warst auch total happy, dass ich da bleiben durfte Du musstest leider in den letzten 4 Tagen alles an Leid erfahren. Es ging immer rasanter berg ab. Schmerzen, unwohsein, dein Körper schickte alles an Signalen raus, die sagten, dass es bald zu Ende gehen würde. es ging immer schneller. Du verlorst deine Kraft, konntest nicht mehr aufstehen, immer wider hast du dich im Bett auf gerappelt, und fielst doch zurück, weil du keine Kraft mehr hattest. Das ging einen Tag und eine Nacht so.. Es brach mir das Herz…oft hast du geweint, dann wieder gelacht. Es ging alles so schnell. Vor 3 Tagen waren wir noch draußen mit dem Rollstuhl , bei deinem Lieblingsfriseur haben deine Haare nach rasieren lassen, waren im Cafe, aßen Gebäck und tranken Kaffee.. und jetzt plötzlich lagst du da, und warst nicht mehr Herr über deinen Körper. Ich glaube in den letzten 2 Wochen weinte ich soviel, wie nie in meinem leben zu vor. Ich wusste immer, wenn es mal soweit kommt, werde ich bei dir sein. Früher machten wir unsere Witze, so von wegen: „wenn ich mal krank und alt bin, dann pflegst mich, gell Lotti?“ Klar, würde ich, und ich tat es… Es gab zwischen uns nie eine Verschlossenheit, und wir würden akzeptieren, wenn es so kommen würde. Aber nie hätte ich gedacht, dass ich dies so schnell, so früh erleben muss. Es sind so viele Dinge deiner letzten 3 Tage, die mich innerlich zerfressen, du hast so sehr geschwitzt, alles roch so stark und krank ich wusste, dass es deine Leber ist, die nicht mehr ihre Aufgabe schaffte. Deine Haut und dein Augen wurden so gelb. Dich so zu pflegen, wie einst du mich pflegtest als ich baby war, war eine meiner härtesten und schmerzhaftesten Lebenserfahrungen. Vor 2 Wochen warst du quasi noch ein starker Papa, nun lagst du da… Ich werde dies nie vergessen können. Am vorletzten Tag warst du nicht mehr ansprechbar, aber du hast gewusst, dass ich da war, bei der Körperpflege hast du doch aus letzten Kräften heraus mir geholfen, dies bewältigen. Immer hast du ein wenig mit gemacht. Deine Atmung war an diesem Tag noch so stark und kräftig. Aber ich wusste, dass es jetzt bald käme.
Unsere letzte Nacht war angebrochen, ich habe mein Bett an deines heran geschoben, dass ich dir ganz nahe sein durfte. Ich versuchte, diesen Moment als einen schönen zu erleben. Dein Atmen, dein Dasein, deinen Arm halten und streicheln. Auch wenn du mir nun auf nichts mehr antworten konntest, war es mir wichtig dir immer wieder zusagen, wie sehr ich dich liebe..
3 Tage kümmerte ich mich nun um dich, wie du es mit mir tatest, als ich ein Baby war. Ich war froh, dies alles für dich tun zu können. Aber es erfüllte mich mit Schmerz, meinen Herzschmerz spürte ich immer bis in die Fingerspitzen.
Der letzte Tag brach an…Ich wusste, dass es heute geschehen würde. ich sah dass an einem Körper überall dunkle Flecken kamen. Deine Atmung wurde immer flacher und kürzer. Das Leben entwich deinem Gesicht, manches mal wollte und konnte ich kaum hin sehen, weil es mir so weh tat. Aber immer berührte ich dich wieder, und küsste dir die Wange, und flüsterte dir, wie sehr ich dich liebe und brauche. In der letzten halben Stunde wusste, ich, dass es nun passieren wird. Ich legte mich hinter dich zu dir ins Bett und nahm dich in meinen Arm. Mein Gedanke war: „Ich durfte früher in deinen Armen einschlafen, nun darfst du es in meinen.“ Deine liebe Lebensgefährtin saß vor dir, und wir hielten unsere Hand.
Dann hörte deine Atmung auf, und wir wussten, dass du uns nun verlässt. Eigentlich bist du so ruhig am Ende eingeschlafen, doch dann passierte das, was mir meinen Verstand zerstört hat. Du hattest auf Grund einer Herzerkrankung einen eingepflanzten Schrittmacher und Defi(DCI) gehabt. 3 Tage vor deinem Tod, bat ich die Ärzte diesen abzuschalten, damit mein Vater ruhig einschlafen könne. Sie hielten einen Magnetring dran, und meinten er sei nun ausgeschaltet. Ich wollte nicht, dass wenn Tag X kommt, mein Vater die Schläge des Defis erleben sollte.
Doch dann ca. 30 Sekunden nach seinem letzten Atemzug, tat es einen Schlag, 10 Sekunden später wieder, wir klingelten total geschockt und verstört nach der Schwester und schrieen, sie sollen den Magnetring holen, der Defi ist doch nicht aus. Einmal gab es dann nochmals einen starken Schlag, und dann war es vorbei….. Ich weiß und spürte, dass mein Papa nach diesen Defischlägen nicht wieder atmete oder so, aber dennoch, war es für mich ein traumatisches Erlebnis. Es lässt mich nicht los.. es frisst mich auf… hat er das noch mitbekommen müssen?? War er doch tatsächlich nicht aus??? Warum ? warum ? warum so was am Ende…. Ich bete immer wieder, dass er dies nicht mehr mitbekommen musste…

Es war alles schon schlimm genug, die Erkrankung, das Leiden, sein nicht aufgeben wollen die Begleitung, aber das am Ende mit dem Defilibrator hätte nicht passieren dürfen….

Es überrollen mich Vorwürfe meinerseits, Ängste, Bilder, die ständig in meinem Kopf kreisen. Aber zu ändern ist es nicht mehr.

Wir legten dich gerade ins Bett, falteten deine Hände, steckten den Papabär dazwischen, deckten dich zu, und übersähen, deine Decke mit Tulpenblättern….

Ich sah dich nun zum letzten Mal…. Mein Herz ist gebrochen…du warst mein wichtigster Mensch….du gingst am 10.02.2013um 14.00 Uhr für immer von mir..Du wurdest Sonntag geboren, und starbst an einem Sonntag..

Begleiten ist eine harte aber dennoch wertvolle Aufgabe. Sie geschieht mit Liebe, du entwickelst Kräfte, auch wenn dein Dasein nur noch mit Tränen und Schmerz verbunden ist.
Meine Glaube ist es, wenn man gehen muss, und die Liebsten sind ganz nah bei dir, ist dieser Weg leichter zugehen, als alleine… Liebe macht dich zu allem fähig…. Begleitung ist Dankbarkeit, an den, der gehen muss. Ich danke meinem Papa, dass er mir mein Leben geschenkt hat. In mir lebst du nun weiter, das spüre ich….

Mein Herzschmerz ist unertragbar….

Geändert von Kleeblattkind (20.02.2013 um 16:31 Uhr) Grund: etwas vergessen
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