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Alt 26.08.2010, 23:54
Benutzerbild von Marita P.
Marita P. Marita P. ist offline
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Registriert seit: 26.05.2006
Ort: Raum München
Beiträge: 1.463
Standard Meine Mutmach Geschichte

Meine Mutmach-Geschichte!

Familie: verheiratet, 1 Tochter
Beruf: Kinderkrankenschwester i.R.
Hobbys: Oper, Operette, Tanzen, Politik, Garten, Backen und Kochen

Vater Pankreascarcinom +
Schwester der Mutter Nierenkrebs +
Mutter Papillencarcinom

Krankengeschichte
09. 1998 Radikale Tumornephrektomie und Adrenalektomie links - TNM: pT3b,pN0,pMx,GII
10. 1999 OP Peritonealcarcimatose und Adnektomie
09. 2004 Wipple OP bei Pankreaskopfmetastase
10. 2005 Keilresektion rechter Lungenunterlappen
03. 2006 OP Parotismetastase
03. 2006 Radiochirurgische Behandlung bei Cyberknife (Kleinhirnmetastase)
05. 2006 Totale Thyroidektomie
10. 2007 Metasektomie Thorax links
01. 2008 Metasektomie Thorax rechts
03. 2010 orale Leukoplakie (Vorstufe zum Zungenkrebs)
09. 2010 Vergrößerung der Metastasen in beiden Lungen
12.2011 Cyberknife-Behandlung von 2 vergrößerten Lungenmetastasen
06. 2006 - 07. 2007 Behandlung mit Sunitinib
07. 2007 - 02. 2012 Behandlung mit Sorafinib
03. 2012 - dato Behandlung mit Sunitinib (sogenannt rechallange)
05. 2012 - angedachte Behandlung mit Axtinib

Warum gerade ich Euch Mut machen will?

Es ist der 22.August 1998, unsere Silberhochzeit. Die Tage vorher waren durch die vielen Vorbereitungen für die große Feier (100 Pers.) bis in den späten Abend ausgefüllt. Somit merkte ich erst am Tag der Silberhochzeit, dass mein schwarzes Abendkleid, welches ich acht Wochen vorher gekauft hatte, etwas zu weit war. Ich hatte über 7 kg Gewicht abgenommen, worüber ich mich natürlich freute. Wir verbrachten ein tolles rauschendes Fest mit Verwandten und Freunden bis in den frühen Morgen.
Am Donnerstag, den 10.Sept.98, hatte ich meinen 50. Geburtstag. Bei der ersten Gratulation am Telefon bekam ich plötzlich starke Magenkrämpfe, dass mir vor Schmerzen gleich die Tränen kamen. Nachdem ich an dem Tag viele Gäste erwartete, hatte ich nicht viel Zeit zum Nachdenken. Eine Stunde später bekam ich wieder diese Magenkrämpfe. Daraufhin fuhr ich gleich zu meinen Hausarzt.
Während des Ultraschalls sagte er, dass ich einen Tumor an der linken Niere hätte. Ich antwortete, das kann nicht sein und betonte, dass man vor 25 Jahren in der Uniklinik auch schon den Verdacht gehabt habe. Es wurde dann noch Blut abgenommen und ich fuhr, nach dem ich das verschriebene Medikament in der Apotheke holte, wieder nach Hause.
Am Abend war auch mein Hausarzt (seine Frau ist meine Freundin) auf meiner Geburtstagsfeier. Aufgrund meiner Aktivität meinte er, „du hast schon Recht, du bist nicht krank, nachdem was Du hier leistest“. Es war eine sehr schöne Feier in unserem Keller mit Musik und Tanz.
Nach diesen Wochen mit Feiern und Festen sollte sich nun mein Leben total ändern. Am Montag rief mich mein Hausarzt an und sagte, dass sofort ein CT gemacht werden muss, da meine Blutbefunde miserabel seien. Zwei Std. später wurde das CT im Krankenhaus gemacht. Anschließend fuhr ich nach Hause und wartete auf den Anruf. Gegen 16 Uhr rief mich mein Hausarzt an und bat uns, um 19 Uhr zu ihm nach Hause zu kommen. Irgendwie konnte ich das alles nicht begreifen. Ich und Krebs, den kriegen doch nur andere. Ich bin nicht der Typ für Krebs.
Mein Mann und unsere Tochter waren mehr geschockt als ich. Ich versuchte sie zu beruhigen in dem ich sagte, dass ich mich sofort operieren lasse und dann ist es wieder gut. Am nächsten Nachmittag bekam ich gleich einen Termin. Nachdem man sich die Bilder angesehen hatte, sprach man von Glück, da der Tumor noch nicht so groß und abgegrenzt ist. Anschließend bekam ich einen Termin zur Aufnahme am 23.9.98. Die Tage bis zur Aufnahme war ich wie ferngesteuert. Es sprach sich rasch herum und viele riefen mich an und wollten mir Mut zusprechen. Ich bin sicher stark, das alles zu schaffen, aber ich konnte keinen Abend mehr ohne Schlaftablette einschlafen.

Im KH bekam ich ein Einzelzimmer. Nachdem ich eine starke Raucherin war, nahm ich zwei Stangen Zigaretten mit. Es wurden in den nächsten Tagen viele Untersuchungen gemacht (u.a. CT, seitengetrennte Nierenfunktionsszintigraphie, Skelettszintigramm).
Am Abend vor der OP, am 28.9.98, rauchte ich die letzte Zigarette. Da wusste ich noch nicht, dass es die letzte in meinem Leben sein sollte.
An diesem Abend bekam ich wegen der OP Angst, schrieb noch Briefe an meine Tochter und meinen Mann, telefonierte und weinte, so als ob ich die OP nicht überleben würde. Ich hatte vorher noch nie Angst vor einer OP, aber dieses Mal war alles anders. Ich war immer ein Mensch voller Taten und mit einer positiven Einstellung. Nun wusste ich plötzlich nicht, wie es mit mir weiter geht.
Ich dachte an meine Familie, an unsere Tochter, die erst 14 Jahre alt war. Ich wollte auf keinen Fall sterben. Mit der Abendprämedikation schlief ich dann bis morgens durch.


Die OP verlief gut und ich verbrachte eine Nacht auf Intensiv. Am 2. Tag nach der OP kam der OA. zur Visite. Er sagte zu mir u.a. „wenn Sie auch in Zukunft soviel rauchen, wird Ihnen spätestens in zwei Jahren die zweite Niere entfernt“. Plötzlich machte es Klick in meinem Kopf. Ich ging mit dem Infusionsständer an meinen Schrank und holte die zwei Stangen Zigaretten sowie die angefangene Schachtel und schenkte alle Zigaretten den Schwestern. Diese hatten Mitleid mit mir und besorgten mir am nächsten Tag zur Überwindung Nikotinpflaster. Damit ging das Aufhören ohne Probleme. Nach 6 Wochen brauchte ich auch kein Pflaster mehr. Am 8. Tag bekam ich den histologischen Befund:
Klarzelliges Nierenzellcarcinom mit Einbruch in die Nierenvene bei Hilusabsetzung sowie Einbruch in die Nierenkapsel bei tumorfreier Gerota Faszie. Tumorklassifikation: pT3b,pN0,pMx,GII
Am nächsten Tag sollte ich, obwohl meine Wunde etwas gerötet war, entlassen werden, was mir überhaupt nicht gefiel. Aber es kam anders. In der Nacht platzte meine Narbe auf, es ergoss sich eitriges, stinkendes Sekret über meinen Bauch. Die Ärzte entschieden nun, dass ich wegen der Wundversorgung verlegt werde. Die Narbe war 12 cm auf und 5 cm tief. Nach zwei Wochen im Krankenhaus musste ich noch weitere drei Monate in die Ambulanz zum Verbinden fahren.
Im anderen KH wurde ich bei der Verlegung mit einem Nachsorgeausweis ausgestattet und bekam den nächsten CT-Termin in drei Monaten. Man sagte mir, ich hätte Glück gehabt und müsste keine Angst mehr haben. Ich war glücklich, dass ich alles so gut überstanden hatte. Als ich nach der Entlassung zu Hause angekommen war, wollte ich gleich wieder richtig loslegen. Ich merkte jedoch schnell, dass ich noch zu schwach war.

Die Monate vergingen schnell. Wir renovierten unser Wohnzimmer und richteten es neu ein. Ich hatte dabei keine Zeit, an den Krebs zu denken.
Wir planten einen sechswöchigen Urlaub in die USA. Vorher, im Juli 99, ließ ich noch die CT Kontrolle machen, es war alles in Ordnung.
Am 2. August flogen wir nach San Francisco. Ich merkte plötzlich, dass ich nicht so belastbar war. Bei der Führung im Brice Canyon sagte z.B. mein Mann, „du bist aber die Langsamste von allen“. Wir verbrachten schöne Wochen. In Las Vegas ging meine Filmkamera nicht mehr, so dass ich mir schwor, später nochmals nach Las Vegas zu fahren. In diesem Urlaub wurde ich immer dicker und bekam wenig Luft. Ich schob es auf das amerikanische Essen und die Wärme.
Die 6. Woche verbrachten wir am Golf von Mexiko, was für mich Erholung pur war.

Am 10. Sept. 99 flogen wir wieder nach Hause.
Mein Hausarzt verordnete sofort ein CT.
Beurteilung:
Ausgedehnte Peritonelcarcinose mit multiblen metastatischen Absiedelungen sowie ausgeprägte Aszitis.
V.a. ausgedehnte Nebennierenmetastase
Tumoröses RF im Bereich beider Adnexen.

Ich ging zur Untersuchung in die Frauenklinik. Der Chefarzt wollte mich gleich operieren. Er sagte, dass er den Chefarzt der Chirurgie dazu nehmen möchte, dann kann dieser den Darm sanieren und er den Unterleib. Ich bekam nun Angst vor dieser OP.

Melanie war in der Ganztagsschule und am Abend wurde sie von meinem Mann oder meiner Mutti, die bei uns im Haus wohnt versorgt. Also konnte ich ohne mich zu sorgen ins Krankenhaus gehen.
Nach der OP sagte der Prof. „hoffen wir mal, dass die Tumore vom Unterleib sind, denn da gibt es schon ganz gute Chemos. Bei der Niere sieht es schlecht aus.“ Zu meinem Mann sagte man, ich hätte dann nur noch drei Monate zu leben. Irgendwie merkte ich, dass mir was verheimlicht wurde. Ich bekam plötzlich viele Besucher, auch von weit her, die mich normalerweise nicht besucht hätten. Ich wollte dann endlich alles wissen. Der Prof. setzte sich daraufhin auf mein Bett nahm meine Hand und sagte mir was los ist.
Ich wusste nicht mehr was ich denken sollte, ich will doch noch nicht sterben. Meine Tochter Melanie ist doch noch viel zu jung, um ohne Mutter aufzuwachsen, dachte ich mir. Nachdem ich im Krankenhaus ein schönes Einzelzimmer mit Schreibtisch hatte, ließ ich mir von meinem Mann die Fotos von der Silberhochzeit und ein Album bringen, um mich irgendwie abzulenken. Ich lies mir auch mein Gesangbuch bringen und schrieb alles für meine Beerdigung auf. Ich war hin- und her gerissen zwischen Tod und Leben. Ich war traurig, manchmal weinte ich, dann freute ich mich wieder, wenn ich das Album gestaltete und weil ich alles so gut überstanden habe.

Als der histologische Befund kam, wurde alles bestätigt, so wie schon beim CT. Die Tumore waren Metastasen von der Niere und nicht vom Unterleib.
Der Stationsarzt der Frauenklinik setzte sich mit Großhadern in Verbindung und ich bekam sofort ein Zimmer für die Einleitung einer Immun-Chemo-Therapie.
Ich hatte keine Ahnung, was auf mich zukam. Ich wusste nur, ich will leben und musste alles machen, was man mir empfahl.

Die Immun-Chemo-Therapie bestand aus den Substanzen Interleukin 2, Interferon Alpha und 5 Fluoracil (5FU).
Diese Therapie bekam ich acht Wochen lang. Die Nebenwirkungen waren schrecklich. Fieberschübe über 40°, Schüttelfrost Tag und Nacht im Wechsel, Schwächegefühl, Knochen- und Muskelschmerzen, Abgeschlagenheit, Hautprobleme, sehr niedriger Blutdruck, Schleimhautentzündungen im Mund, Erbrechen und Appetitlosigkeit bzw. Ekel, wenn man schon Essen riecht. Nach zwei Wochen Therapie wollte ich nur noch aufhören und sterben, weil es mir so schlecht ging. Es war die Hölle. Ein ständiger Wechsel zwischen Wolldecke, Wärmflasche, Eisbeutel, Nachthemden und Bettwäsche wechseln usw. Wegen der unzumutbaren Belastung halbierten die Ärzte die Dosis der Therapie. Zu meinem Mann sagte ich, „sollte ich das überleben, dann fahre ich nach Las Vegas“. Ein paar Tage später rief mich eine Freundin an und teilte mir mit, dass sie mit mir nach Las Vegas fährt, wenn ich alles überstanden habe. Mit dieser freudigen Nachricht, überstand ich dann die letzten sechs Wochen einigermaßen.
Es war mittlerweile Ende Nov. 99. Wir hatten im Sommer einen Privatball mit einer Fünfmannband für Silvester organisiert und für die Kinder im Keller des Lokals einen Discoabend.
Nachdem mein Mann und ich das initiiert hatten, wollte ich auch unbedingt irgendwie dabei sein. Meine Gedanken bewegten sich nur noch ans Überleben und an die Silvesterfeier. Gleichzeitig schwebte mir vor, noch 20 Jahre zu leben, dann wäre ich 70 und unsere Tochter Melanie 35 Jahre.
Es war also klar, ich musste auf diesen Silvesterball.
Am 23. Dez 99 wurde ich entlassen. Ich war noch recht schwach, aber entschlossen auf den Ball zu gehen.Nach den Weihnachtsfeiertagen ging es mir immer besser. Ich ging natürlich mit auf den Ball und konnte sogar in jeder Runde ein wenig tanzen. Es war ein gelungenes Fest.

Bevor ich am 23.12.99 entlassen wurde, sprachen die Ärzte von einer Reha, die ich aber ablehnte, da ich mich nicht erholen kann, wenn alle nur Krebs haben.
Also ließ ich mir Reisekataloge nach Hause bringen, denn ich wollte nur irgendwohin fahren, wo die Sonne scheint. Ich suchte mir Tunesien aus und buchte für Ende Januar zwei Wochen.
Vorher wurde noch eine CT-Kontrolle gemacht. Wir konnten es nicht glauben, es war keine Metastasen mehr sichtbar. Wir freuten uns und allen liefen Freudentränen herunter. Für Ende Februar wurde ich zum 2. Zyklus einbestellt.
Nach Tunesien fuhr ich ganz alleine. Ich erholte mich richtig. Am Tage schlief ich viel, manchmal verschlief ich sogar das Frühstück. Ich machte Spaziergänge am Strand, ging manchmal in den Ort und legte mich sonst abseits von den anderen auf einen Liegstuhl, um zu lesen oder nur zu faulenzen. Am Abend saß ich bei einem Ehepaar (ein ev. Pfarrer aus Franken) zum Essen. In einer Reha hätte ich mich mit den vielen Terminen und Krankheitsfällen nicht so erholen können.

Ich nahm so langsam diese schreckliche Krankheit als „Freund“ oder Partner an. Informationen hatte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht viele. Im Pschyrembel
war nicht viel zu finden. Über die Deutsche Krebshilfe gab es zwar eine Broschüre, die aber nicht umfassend war, da es damals ja fast keine Therapie für den Nierenkrebs gab. Wir hatten damals auch noch kein Internet. Einiges an Material habe ich von den Ärzten bekommen.
Mir wurde immer wieder gesagt, dass dieser Krebs nicht heilbar ist und dass man 20 Jahre nichts haben kann und dann kommt wieder ein Rezidiv.

Ende Februar 2001 musste ich wieder ins Krankenhaus zur Immun-Chemotherapie.
Diesen Zyklus vertrug ich schon besser, da er gleich mit der halben Dosis begonnen wurde. Das Fieber war weiterhin über 40! Aber es gab kein Erbrechen mehr.
Nach diesem Zyklus bekam ich dann alle acht Wochen eine Erhaltungstherapie, die dauerte immer von Montag bis Freitag, Samstag und Sonntag waren dann zur Erholung. Ich war in der Regel immer sechs Tage in der Klinik. Nach einem Jahr bekam ich wieder einen Zyklus von acht Wochen.
Anfang November 2001 flog ich mit meiner Freundin Sybilla dann nochmals nach Las Vegas. Es war eine tolle Woche.

Diese Therapie machte ich insgesamt 4 ½ Jahre. Ich hatte viele Einschränkungen und Probleme, die ich aber akzeptierte.
Wenn ich nicht mehr konnte, legte ich mich hin, ich fuhr nicht mehr so oft in die Stadt zum Einkaufen, dafür mehr zu den Ärzten, ich kochte viel zu Hause, backte viele Kuchen und Torten. Wenn ich auf die Klinikstation kam, brachte ich gleich immer einen Kuchen mit. Die Urologische Ambulanz bekommt seitdem alle drei Monate eine Torte oder einen Kuchen, wenn ich meinen CT- Termin habe. Ich freue mich sehr, dass ich damit den Ärzten und Schwestern eine Freude machen kann.

Das größte Problem seit dieser Zeit ist das Körpergewicht. 1998 hatte ich Gr. 42 und 62 kg, 2004 hatte ich Gr. 52 und 92 kg. Ich hatte Wassereinlagerungen, nahm ständig Wassertabletten, aber es wurde immer mehr Gewicht.
Wir fuhren weiterhin in Urlaub, machten einige Kreuzfahrten, da ich große Besichtigungsreisen nicht mehr bewältigen konnte.
Ich nahm weiterhin meine Kontrolluntersuchungen alle drei Monate wahr, zusätzlich jede zwei Jahre ein Skelettszintigramm sowie Ultraschall und Blutabnahmen.

Im Juli 2004 entdeckte man im CT eine Metastase am Pankreas. Ich dachte das ist jetzt das Ende. Mein Vater ist mit 70 am Pankreascarcinom nach drei Wochen Krankheit verstorben.
Ich wollte aber leben, also musste ich mich operieren lassen. Seit 2000 haben wir auch Internet, somit hatte ich auch viel mehr Informationen über meine Krankheit. Ich setzte mich Nächte an den PC und schrieb und las im KrebsForum über Pankreasmetastasen. Für mich stand auch dieses Mal fest, ich lasse mich wieder sofort operieren, obwohl wir einen Urlaub nach Mecklenburg und die Mark Brandenburg (meine alte Heimat) gebucht hatten, aber das Operieren war wichtiger.

Am 9.8.2004 wurde ich im Klinikum aufgenommen. Zu meinem Mann sagte ich, wenn ich das überlebe fahre ich nach Rio (mein Traum seit meinem 16. Lebensjahr). Er sagte nur, hör auf schon wieder Pläne zu machen.
Ich habe die Operation auch dieses Mal überstanden, war aber 4 ½ Monate im KH, musste mehrmals operiert werden, hatte eine Riesensepsis und lag vier Monate mit offenem Bauch da. Manchmal war mir mehr zum Sterben als zum Leben. Meine Familie sagte ich war oft dem Tod sehr nahe.
Ich bekam eine Wipple OP (Pankreaskopf, ein Teil vom Dünndarm, ein Teil vom Magen und die Galle wurden entfernt). Zwei weitere Notoperationen waren erforderlich.
Nachdem ich bis zum Entlassungstermin ständig jede Nahrung erbrechen musste, verlegte man mich in die interne Klinik. Da mir dort viele meiner Wünsche erfüllt wurden, konnte ich schrittweise die Mahlzeiten wieder behalten. Nach diesen vielen Monaten in den verschiedenen Kliniken benötigte ich zu Hause noch viel Ruhe und Erholung.

Im Januar 2005 bekam ich eine weitere achtwöchige Immun-Chemo-Therapie.
Mittlerweile hatte die Urologie einen neuen Chefarzt, dieser riet mir von weiteren Immun-Chemo-Therapien ab. Nachdem aber in der re. Lunge eine neue Metastase festgestellt wurde, wusste ich nicht mehr was ich machen sollte. Ich machte noch ein paar mal die Erhaltungstherapie und entschloss mich dann, mich operieren zu lassen.
Es wurde eine Keilresektion vom rechten Lungenunterlappen vorgenommen. Während dieser Zeit suchte ich mir gleichzeitig einen Onkologen, damit ich nicht so oft ins KH musste. Ich fühle mich dort sehr gut aufgehoben.
Im Januar 2008 wurde ein Schilddrüsenszintigramm gemacht und man entdeckte dabei Knoten. An einem Ohr hatte ich schon seit ein paar Wochen einen Knoten, was normalerweise nichts Aufregendes ist, aber wenn man ein Nierenzellcarcinom hat, darf man nichts auf die leichte Schulter nehmen. Also machte mein Onkologe von der Schilddrüse und am Ohr eine Biopsie. Resultat: Nicht bösartig. Ich freute mich sehr, war aber trotzdem irgendwie unruhig. Ich wollte sicher gehen und meldete mich in der Klinik an. Nach der erforderlichen Sonographie sagte er zu mir, „man kann nur nach einer OP mit Sicherheit sagen ob es gutartig ist. Ich entschied mich daher sofort zur Operation. Mir wurde noch erklärt, wie die OP gemacht wird.

Am 7.3.2006 wurde ich in der Klinik aufgenommen und am nächsten Tag operiert. Es wurde eine laterale Parotidektomie links mit intraoperativem Fazialismonitoring gemacht.
Ich erholte mich schnell und fühlte mich blendend. Etwa eine Woche nach der OP bekam ich den histologischen Befund. Ergebnis:
Speicheldrüsensektat mit knotiger Infiltration durch ein klarzelliges Carzinom.

Ich war am Boden zerstört und dachte, nun sind die Metastasen auch schon im Kopf. Ich wurde am nächsten Tag zur Urologie geschickt. Diese ordnete sofort ein MRT vom Schädel an. Als ich ein paar Tage später den Befund bekam und erfuhr, dass ich eine Kleinhirnmetastase habe, war ich wie vom Blitz getroffen.
Mir liefen die Tränen herunter und ich sagte, ich möchte doch 70 Jahre alt werden.
Danach telefonierte ich mit meinen Mann, der auch sprachlos war. Als ich meine jüngere Schwester anrief meinte sie, „jetzt würde ich aber nichts mehr machen lassen und ans Sterben denken“. Ich sagte ihr, ich will noch leben und unsere Melanie ist doch noch so jung. Meine ältere Schwester sagte gleich, „ sie wird sofort für mich beten“. Meine Mutti war sehr traurig.
Melanie sagte: „lass gleich was machen, das hat bei Dir immer geklappt“.

Am Nachmittag stellte ich mich bei Cyberknife vor und bekam für den 20.3.06 einen Termin. Diese Behandlung fand ich sehr schonend und angenehm. Eigentlich wollte ich alles mitbekommen, aber ich habe die ganze Behandlung verschlafen.
Nach diesen 60 Minuten Behandlung war diese Metastase nicht mehr aktiv. Ich fuhr nach Hause und fing an, Kuchen zu backen. Irgendwie musste ich mich abreagieren. Ich hatte irgendwie ständig eine innere Unruhe. Nachts war ich viel am PC im Krebsforum. Diese vielen Betroffenen machten mir Mut, schrieben liebe Zeilen und so entstand ein reger Kontakt, der sich telefonisch und später auch persönlich bei einigen Nierentreffen fortsetzte. Ich meldete mich in der onkologischen Praxis an. Ich wollte etwas unternehmen, da ich wegen dieser ständigen Metastasen keinen klaren Kopf mehr hatte.

Im Mai 2006 ließ ich mich an der Schilddrüse operieren. Es wurde eine totale Thyroidektomie gemacht. Der histologische Befund ergab wieder Metastasen von der Niere. Daraufhin verordnete mir der Onkologe im Juni 06 das Medikament „Sutent“. Ich wusste, ich habe keine andere Wahl. Wenn ich leben will, muss ich dieses neue Medikament nehmen.
Die Nebenwirkungen waren schlimm (Durchfall, Müdigkeit,Fieber Übelkeit, Erbrechen, Sodbrennen, Hand-Fuß-Syndrom, Atemnot und Hautausschläge).
Zu diesem schrecklichen Durchfall kommt es, weil Sutent die Funktion des Dünndarms, die Flüssigkeit aus der Nahrung zu entziehen, ausschaltet. Es passierte regelmäßig, dass ich nicht schnell genug zur Toilette kam. Mit bestimmten Medikamenten, u. a. auch Opium Tr. , konnte ich schon mal zwei Std. ohne Toilette auskommen. Durch meine bestehende Atemnot lag ich viel auf dem Liegestuhl zwischen meinen Rosen. Das Medikament musste ich vier Wochen einnehmen, dann hatte ich zwei Wochen Pause. Bei diesem Verfahen erholte ich mich immer sehr rasch wieder und konnte auch oft alles wieder essen. Alle meine Aktionen verlegte ich immer auf die zweiwöchige Pause.

Nachdem ich schon lange nicht mehr in Urlaub war und mein Mann kein Urlaubsverlangen mehr hat, buchte ich mit einer Freundin für Oktober 2006 eine Kreuzfahrt. Für mich ist eine Kreuzfahrt richtig und wichtig, da ich nicht ständig Koffer schleppen muss und doch fast jeden Tag woanders bin und dabei viel sehe und erlebe. Außerdem kann man am Abend schöne Kleider anziehen und viel unternehmen. Andere Urlaube sind mir zu anstrengend und ein Badeurlaub ist mir zu langweilig.
Es kam die Adventzeit 2006. Ich backte wie jedes Jahr viele Stollen und sehr viele Plätzchen. Manchmal halfen mir meine Tochter und ihr Freund. Alle Ärzte bekommen seit meiner Krankheit jedes Jahr Stollen und Plätzchen.

Im Juni 2007 wurden bei einer CT-Kontrolle wieder Metastasen in der Lunge entdeckt. Ich war ganz enttäuscht, denn Sutent hat somit nur kurz geholfen!
Sutent wurde deshalb abgesetzt und das neue Medikament „Nexavar“ angeordnet. Nexavar hat ähnliche Nebenwirkungen wie Sutent, dafür aber kein Sodbrennen. Ich konnte alles essen, nahm aber wieder an Gewicht ab. Leider gab es bei der Einnahme keine Pause wie bei Sutent. Ich dachte, ich könnte wegen der nunmehr ständigen Durchfälle nie mehr in Urlaub fahren. Mein Urologe sagte, ich soll die Lunge operieren lassen, mein Onkologe sagte, nicht operieren. Ich wusste nicht mehr, was ich machen sollte. Da meine Psychologin mir zur OP riet, ließ ich mich im Okt. 2007 an der linken Lunge operieren.
Im CT vor der OP zeigten sich 12 Rundherde links und acht Rundherde rechts. Bei der OP entfernte der Prof. minimal invasiv 20 Metastasen und fünf Lymphknoten davon waren auch zwei Lymphknoten befallen. Die Tage danach waren nicht einfach. Ich hatte trotz Schmerzmittel noch Nervenschmerzen, so dass ich Morphium dazu bekam. Kurz vor der Entlassung machte ich mit dem Prof. gleich den nächsten Termin für die re. Lungenoperation aus. Ich wollte einfach wieder alle Metastasen aus meinem Körper entfernt haben. Zu Hause erholte ich mich gut, so dass ich bald mit dem Backen der Stollen und Plätzchen begann.

Am 14. Jan.2008 wurde ich wieder in der Klinik aufgenommen und am nächsten Tag operiert. Auch meine Freundin Karin mit gleicher OP wurde zur gleichen Zeit aufgenommen. Bei mir wurden 12 Metastasen und acht Lymphknoten entfernt. Von den Lymphknoten waren drei befallen. Mir ging es nicht sehr gut. Ich hatte große Schmerzen und wurde deshalb am 8. Tag für eine Woche nach Feldafing verlegt. Nach dieser Operation machten meine Freundin und ich aus, bald zu einer Reha zu fahren.

Leider wurden wir zu unserer Reha im August 2008 in den Schwarzwald und nicht an die See geschickt. Trotzdem haben wir uns bestens erholt. Das war meine erste Reha in 10 Jahren.
Am 3. Oktober 2008 feierten wir unseren „125. Geburtstag“ (meinen 60. und den 65, meines Mannes).Ich habe sehr viele Torten gebacken und dabei meine gesundheitlichen Grenzen überberschritten. Wir feierten mit 100 Personen bis in den frühen Morgen. Leider konnte ich nicht viel tanzen, da meine Füße so schmerzten.
Nachdem mittlerweile die Nebenwirkungen vom Nexavar leichter zu ertragen waren und ich den Durchfall (z.T. mit Medikamenten) im Griff hatte, buchte ich für März 09 meine lang ersehnte Reise nach Rio. Meine Cousine Rosel begleitete mich auf dieser Kreuzfahrt. Ich kann es noch immer nicht glauben, dass ich in Rio auf dem Corcovado war. Wir verlebten 19 wunderschöne Tage.
Im Januar 2009 entdeckte man bei der nächsten CT-Kontrolle wieder in jeder Lunge eine Metastase. Nun sagten die Ärzte:“ Vorläufig nicht operieren, denn Nexavar soll weiterhin wirken“. Beim letzen CT im September 2009 wurde dann eine neue Metastase und ein Zuwachs der anderen um 4 mm festgestellt.
Vor jedem CT-Termin bin ich immer aufgeregt, aber ich muss mich einfach damit abfinden, dass ich immer irgendwo Metastasen haben werde.
Nachdem es ja mittlerweile mehrere Medikamente für das Nierenzellcarcinom gibt, gebe ich die Hoffnung nicht auf, meinen 70. Geburtstag zu erreichen.

Seit letztem Jahr ist meine Mutter ein Pflegfall mit Stufe 3. Es kommt 3x täglich der Pflegedienst, 2x wöchentlich kommt die Putzfrau, den Rest machen meine Schwester und ich. Manchmal ist mir alles zuviel, aber ich will sie nicht ins Altenheim geben, da man da evtl. nicht so gut versorgt wird und mit 90 J. wird ja irgendwann das Ende kommen.

Nun, eine solche Krankheit verändert den Menschen!
Jetzt lebe ich schon über 11 Jahre mit dem Nierenkrebs, mal besser mal schlechter. Nachdem ich immer Ziele habe und positiv denke und immer über alle Probleme geredet habe, lebe ich eigentlich gut mit dieser Krankheit.
Ich pflanze weiterhin neue Rosen, backe weiterhin viele Torten, koche nach wie vor sehr gerne und koche weiterhin meine eigene Marmelade. Außerdem schreibe ich viel im Krebsforum. Ich versuche immer den Betroffenen Mut zu machen und wenn sie unerfahren sind, versuche ich, sie zu unterstützen.
Die positiven Briefe und Anrufe von Betroffenen bestärken mich dann immer, weiter zu machen.

Vielleicht ist das genau der Grund, warum ich Euch Mut machen will.

Einen Rat möchte ich Euch noch geben:
Geht mit dieser Krankheit zu den Spezialisten der großen Kliniken oder Tumorzentren und holt Euch eine zweite Meinung ein.
Sucht Euch einen Urologen oder Onkologen, wo ihr nicht der einzige Patient mit Nierenkrebs seid
Macht die anstehenden und erforderlichen Untersuchungen, z.B. CT alle 3 Monate.
Ändert Eueren Lebensablauf nicht wesentlich.
Hört bitte das Rauchen auf!
Macht sonst was Euch gefällt.
Bleibt stets positiv!
Habt keine Angst, denn Angst frisst die Seele auf.
Das Wichtigste ist, dass man die Liebe und die Unterstützung der Familie und von Freunden bekommt.


Mein aktueller Thread : Erste, zweite bald dritte Lungenoperation

Geändert von gitti2002 (03.11.2015 um 21:55 Uhr) Grund: Realname und private Daten entfernt
 

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Stichworte
metasektomie, nierenkrebs, nierenzellkarzinom, pankreaskopfmetastase, parotismetastase, thyroidektomie, wipple op


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