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Alt 11.03.2023, 15:58
frankfurt100 frankfurt100 ist offline
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Standard Hodenkrebs Stadium IIIa mit 17 Jahren

Hallo zusammen,

wie man dem Titel schon entnehmen kann, bin bzw. war ich Hodenkrebspatient.
Am 03.07.2022 im Alter von 17 Jahren wurde er nachts gegen 1 Uhr morgens in der Urologie im örtlichen Krankenhaus diagnostiziert.
Am 05.07 war die Operation. Unilaterale Orchiektomie links. Rechts wurde eine Biopsie entnommen: Krebsfrei
Ich habe mich für ein Implantat entschieden. Die Entscheidung bereue ich ehrlich gesagt überhaupt nicht.
Am Tag darauf konnte ich schon wieder entlassen werden. Chirurgisch ist das wirklich kein großes Ding.
In den darauffolgenden zwei Wochen lief dann noch das CT für Hals/Thorax und das MRT für Abdomen bis Becken. Ergebnis: Metastasen bis rauf zur Lunge. Ebenfalls befallene Lymphknoten im Retroperitoneum links unten. Laut Leitlinien folgten dann 3 Zyklen PEB.
Ich bin natürlich noch Schulpflichtig und besuche aktuell die 12. Klasse eines Gymnasiums in BW. Zu dem Zeitpunkt ging ich in die 11. Klasse. Verpasst hab ich nicht viel, aber meine Sommerferien sind natürlich gelaufen.
Erstaunlicherweise musste ich mich während der Chemo überhaupt nicht übergeben. Lediglich im dritten Zyklus hat mich bereits am Tag 3 der Appetit verlassen und musste Maaloxan wegen Sodbrennen nehmen. Die Lösung war, dass ich mir 3x in einer Woche Fastfood ins Krankenhaus liefern lassen hab. Das hab ich wunderbar runter bekommen.
Fazit nach 9 Wochen Chemo: Hab 500g mehr auf den Rippen gehabt als vorher. Das schlimmste an der Chemo war ehrlich gesagt die Langeweile. Bedingt durch die miese Organisation war ich im Peak von 4 Uhr morgens bis 23 Uhr Abends fast durchgehend am Schlauch.
Wer Patient ist oder im medizinischen Bereich tätig ist, weiß sicherlich, dass nach dem zweiten Zyklus mit bildgebenden Verfahren nach dem Zwischenstand geschaut wird. Das Ergebnis war bereits da positiv: Die Chemo schlug an. Alles war noch nicht weg, aber sah sehr gut aus.

Die letzte Chemo erhielt ich am 12.09.2022 - gleichzeitig mein erster Schultag. Ich bin am Vormittag in die Schule, dann für 3h ambulant ins Klinikum für die Chemo und am Nachmittag wieder in die Schule und hatte bis 16:30 Uhr Schule. Insgesamt kam mein Körper mit der Chemo wirklich gut klar. Nur an den Fingernägeln haben sich an meinen beiden Daumen schwärzliche Stellen gebildet, die nach einigen Wochen aber wieder rausgewachsen sind. Erklären konnte sich das fast kein Arzt. Ich hab lediglich mal die Vermutung gehört: Der Nagel löst sich eben etwas ab und das sieht dann halt so aus.

Am 02.11 folgte dann nach Leitlinien das 6 Wochen Checkup. Also wieder in die Röhre.... Ergebnis vom CT: Lunge top. Ergebnis vom MRT: Lymphknoten immer noch um einiges zu groß. In der Spitze noch 1,6cm. Die Grenze liegt hier bei 1cm. Alles darüber ist verdächtig.
Meine Tumormarker waren da aber bereits wieder unter der Nachweisgrenze. Da ich aber theoretisch den Teil, der die Tumormarker produziert hat mit der Chemo gekillt haben könnte und dennoch Krebszellen in den zu großen Lymphknoten überlebt haben könnten, bedeutete das RLA. Anfangs hatte ich unheimlich Panik, weil das als große OP gilt. Am 30.11. nach Einholen einer Zweitmeinung hab ich die Operation aber dann machen lassen.
Ergebnis: 16 Lymphknoten raus, 13 Tumorfrei und in 3 konnten Reste eines bereits nicht mehr vitalen Teratoms nachgewiesen werden. Also war die OP so gesehen unnötig.
Vier Tage später konnte ich bereits wieder entlassen werden.
Ich weiß nicht woran es gelegen hat, aber dann folgten erstmal 4 Wochen Rückenschmerzen, die sich gewaschen haben. Ich bin wirklich keine Heulsuse, aber in der Zeit hätt ich echt das Ave Maria rauf und runter singen können.
Vermutung meines Urologen, nachdem er eine Lymphozele von 15cm gefunden hat: Die drückt auf irgendeinen Nerv.
Ich konnte also erstmal ganz normal weiter meine Schule machen....

Diese Woche hatte ich dann wieder ein CT und MRT. Lunge sah wieder super aus, nur das MRT war laut Radiologe auffällig. Die radiologische Praxis wo ich bin, ist digital sehr gut unterwegs. Die händigen einem einen QR Code aus und lassen einen den Befund einsehen. Der Arzt schrieb, dass er Lymphknoten von 2,5 und 1,6cm gesehen hat. Auch hier: Zu groß. Also erstmal Panik.... Am Mittwoch rief mich dann mein Urologe an, nachdem er Rücksprache mit seinen Kollegen im Krankenhaus gehalten hat und er meinte, dass sie sich einig sind, dass es lediglich noch kleine Reste der Lymphozele sind. Man hab ich geschwitzt.... Angerufen hat er mich übrigens während einer Informatik Klausur (Leistungskurs). Mein Lehrer ist zum Glück cool drauf.

Falls jemand Fragen zu meiner Behandlung hat, gerne raus damit. Ich schildere gerne auch detaillierter, wie es mir ging. Vielleich hilft es ja jemandem! Es gibt leider viel zu wenig zuverlässige Quellen im Netz....
Auch dazu kann ich gerne Tipps geben.
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  #2  
Alt 14.03.2023, 00:08
POWVorti POWVorti ist offline
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Standard AW: Hodenkrebs Stadium IIIa mit 17 Jahren

Vielen Dank für deine Geschichte. Ich selbst will meine schon seit Wochen teilen, schaffe es aber zeitlich gerade nicht... Schande auf mein Haupt
Eine Krebserkrankung kann man sicher in keiner Lebenslage gebrauchen. Auch als Schüler stelle ich mir das schwer vor. Wie hat dein Umfeld deine Erkrankung aufgenommen? Es ist gut, dass du alles soweit ohne große Beeinträchtigungen überstanden zu haben scheinst.
Wie hat sich denn deine Erstdiagnose ergeben? Hattest du Schmerzen oder selbst eine Veränderung erfühlt? Weißt du, welche Art Hodenkrebs du genau hattest? Hast du dich ansonsten von der Chemo und der RLA gut erholt? Keine Nebenwirkungen? Planst du noch eine Reha?
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  #3  
Alt 15.03.2023, 15:53
wiesel007 wiesel007 ist offline
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Beiträge: 186
Standard AW: Hodenkrebs Stadium IIIa mit 17 Jahren

herzlichen glückwunsch, das war ja fast ein reibungsloser Verlauf. Ich hatte 2012/13 Stadium IIIb mit einer Metastase 11x12x6 cm und Lungenrundherden bis 2 cm. Auch das konnte geheilt werden, da sind wir als Hodenkrebsler schon gut dran. Dir alles Gute
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  #4  
Alt 21.03.2023, 08:03
frankfurt100 frankfurt100 ist offline
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Beiträge: 9
Standard AW: Hodenkrebs Stadium IIIa mit 17 Jahren

Huhu,

sorry, dass ich bis jetzt nicht dazu kam zu antworten. Ich lerne aktuell gefühlt nur noch. Schreibe am 20.04 meine erste Abiklausur.
Zu den Fragen...
Ich hatte einen nicht-senimösen Keimzelltumor mit Anteilen eines Teratoms sowie vermuteten Anteilen eines embryonalen Karzinoms und Dottersacktumors. Insgesamt lautete die TNM-Klassifizierung: pT2 cN3 M1a L1 V1 Pn0 R0
Meine Mutter hat natürlich geschockt reagiert und konnte Nächte nicht schlafen. Was mein Umfeld in der Schule angeht....
Ich habs direkt am gleichen Abend (Morgen -> 2 Uhr früh) in eine Gruppe auf Whatsapp reingeschickt, weil wir kurz darauf eigentlich ein Treffen geplant hatten. Jemand aus dieser Gruppe sorgte dann dafür, dass es in meiner Stufe nur 2 Tage später jeder im Grunde wusste. Letztendlich nicht so schlimm, weil ich hab vom ersten Tag an kein Geheimnis drum gemacht.
Schlecht reagiert hat niemand. Aber man hat denen ihre besorgten Blicke schon angesehen. Drauf ansprechen macht bei sowas natürlich niemand, weil man sich natürlich fragt: Wie geht man sowas an?
Ich muss ehrlich gestehen.... Mich hat das Mitleid, was von allen Seiten kam ziemlich genervt. Ich wollte einfach trotz meiner Erkrankung normal behandelt werden, aber das ging nicht mehr.

Die Sache mit der Erstdiagnose ist find ich ziemlich dumm gewesen bei mir... Ich hab gemerkt: Irgendwas fühlt sich am Hodensack seltsam an. Die linke Seite ist vergrößert. Nach ner Zeit kamen Schmerzen in der Leiste hinzu. Bei der Größe des Hodens dachte ich mir: Jo.... hast halt irgendwas, vielleicht ne leichte Verdrehung oder so und das geht wieder weg. Die Leistenschmerzen hab ich als Rückenschmerzen abgetan. Da ich ein recht großer Mensch bin, sind Rückenschmerzen bei mir nichts neues.
Dann kam noch dazu, dass man bei G8 in der Oberstufe vom Gymnasium ziemlich eingespannt ist. Das hats noch erleichtert, es bedeutungslos abzutun. Schließlich hätt ich ja Unterrichtszeit verpasst um zum Arzt zu gehen.
Am Abend vom 03.07 wurden die Schmerzen dann aber so schlimm, dass ich zu meiner Mutter gesagt habe: Jetzt müssen wa ins Krankenhaus.
Dass da ein Zusammenhang besteht zwischen Hoden und Rücken hab ich dann da erfahren.
Das ist was, was ich jetzt fürs Leben gelernt hab.... Ich schieb nen Arztbesuch nicht mehr auf die lange Bank. Und wenn ich dann halt umsonst beim Arzt war, hat der eben sich leicht die 30€ von der Krankenkasse verdient. Aber ich bin zumindest auf der sicheren Seite.

Das mit der 11x12x6cm Metastase find ich echt krass!

Eine Sache will ich noch erwähnen....
Ich find beim Thema Krebs ist eines absolut wichtig: Man muss auf seine mentale Verfassung achten! Wenn die stimmt, ist schon mal eine ganz wesentlicher Grundstein für die Heilung da. Ich habe am Beginn des ersten Zyklus auch ein Gespräch mit dem Psycho-Onkologischen-Dienst gemacht. Einfach um zu schauen, ob alles ok ist. Geholfen hats mir ehrlich gesagt nicht wirklich. Aber ich hatte dann zumindest ne Meinung von ner Medizinerin, was meine mentale Gesundheit betrifft.
Insgesamt hab ich während der Chemo gemerkt, wie wenig man doch sein alltägliches Leben zu schätzen weiß.... Man geht zur Arbeit/Schule, geht nach Hause, schläft, geht wieder zur Arbeit/Schule....
Aber während meiner Behandlung hab ich mir nichts mehr gewünscht als das wieder zu haben. Ich bin davon überzeugt, dass mir das am Ende den Arsch gerettet hat, dass mein Körper mit der Chemo so gut klargekommen ist. Der Kopf kann den Körper maßgeblich beeinflussen.
Deswegen bin ich der Ansicht, was Reha betrifft:
Wenn man wirklich Strapazen hinter sich hatte und körperlich schwach ist: Machen! Unbedingt!
Ansonsten möglichst schnell wieder in den Alltag zurück.
Ich habe direkt schon nach der Orchiektomie eine Reha angeboten bekommen. Im Verlauf der Behandlung noch weitere 4x. Ich habs jedes Mal abgelehnt.
Die beste Reha war und ist für mich der Alltag. Ich will mich einfach nicht noch mehr mit dem Thema auseinandersetzen müssen, als es wirklich sein muss.
Ein weiteres Argument war....
Die Anzahl der Standorte, wo man unter Gleichaltrigen ist (ich war 17 Jahre alt), ist nicht grad hoch.... Wenn ich mit Menschen zusammen gewesen wäre, die meine Eltern sein könnten, hätte ich das auch als nicht angenehm empfunden.

Geändert von frankfurt100 (21.03.2023 um 08:07 Uhr)
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