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  #1  
Alt 22.05.2012, 12:51
Blümling Blümling ist offline
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Registriert seit: 22.05.2012
Beiträge: 3
Standard Was waren/sind eure gesellschaftlichen Hürden?

Hallo, ich bin neu hier. Ich bin mit 18 Krebskrank geworden(Ohrspeicheldrüsenkrebs). Mit 19 wurde ich dann operiert, danach hatte ich innerhalb von 7 Wochen 42 Bestrahlungen und in der 3. und 6. Woche bin ich ins Krankenhaus umd 2 Chemos parallel zu bekommen.

Doch ich möchte eher wissen, wie ihr mit gesellschaftlichen Hürden umgegenagen seit.

Hier ein paar Beispiele von mir. Als ich von der 1. Chemo nach Hause kan, hatte ich einen Brief von der Bundeswehr(zu der Zeit hab ich Zivildienst gemacht) im Briefkasten. Darin stand, dass sie mich für Zivildienstunfähig erklärten und ich in 3 Tagen kein Zivi mehr sei. Das heißt, dass ich ohne Krankenversicherung und ohne Einkommen da stand. Das haben die gamcht, damit sie meine Arztrechnungen nicht mehr bezahlen brauchten. Rechtlich konnte man da nix machen, denn als Zivi ist man Soldat und hat eingeschränkte Grundrecht und kein Angestellten- sondern nur ein Dienstverhältnis.
Es kostete mich zum glück nur ein Anruf, um bei der TK wieder Familienversichert zu werden. Sie haben alle laufenden und angefallen Kosten ohne "Murren" übernommen. Doch wo bekommt ein 19jähriger arbeitsloser Krebskranker sein Geld zum Leben her? Das Arbeitsamt wollte nicht zahlen, da ich erwärbsunfähig war, EU-Rente hab ich nicht bekommen(viel zu Jung) und das Sozialamt wollte nicht zahlen, da sich meine Therapie nicht über 6 Monate hin zog. Letztenendes hat sich das A-amt 6 Monate anbetteln lassen endlich mal ein bisschen Geld zu zahlen.
Eine andere Sachen waren die Menschen aus meinem Umweld. Menschen, die ich seit Jahren nicht gesehen hatten kamen plötzlich auf mich zu, hielten mir Vorträge über meine Krankheit, ihren Umgang. Sie gaben mir Tipps, was ich denn machen sollte und jeder kam immer an mit der Frage."Wie geht's dir?"
Irgendwann fand ich einen Weg, den Sarkasmus. Immer wenn jemand fragte:"Wie geht's dir?" antwortete ich mit:"Ach, ich strahl so vor mich hin."
Das half mir zwar, aber es schürte auch meine Wut. Meine Wut und Eifersucht auf die Menschen, die ihren Körper schlecht behandeln und gesund sind. Hier möchte ich erwähnen, dass ich noch nie geraucht oder Alkohol getrunken habe, weder vor noch nach meiner Diagnose. Und überall she ich Menschen, die rauchen, saufen und kern Gesund sind. Sie gehen so undankbar und selbstverständlich mit ihrer Gesundheit um, dass mich das fast rasend machte. Dadurch hab ich mich isoliert, weil ich meinen Mitmenschen nicht vor den Kopf stoßen wollte.
Inzwischen hat sich meine Wut gelegt, da meine letzte Chemo 3 Jahre zurück liegt, aber einen Weg damit umzugehen, hab ich bis heute nicht gefunden.

Und nun komm ich zurück auf mein Anliegen. Wo habt ihr solche "Steine" auf eurem Weg gefunden, die ihr selbst oder andere dort hin gelegt haben. Und wie seit ihr damit umgegangen?
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  #2  
Alt 22.05.2012, 14:26
Wangi Wangi ist offline
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Registriert seit: 15.06.2009
Beiträge: 1.389
Standard AW: Was waren/sind eure gesellschaftlichen Hürden?

Hallo Blümling ,

bin zwar nicht deine Altersklasse kann dich aber gut verstehen, obwohl ich dadurch natürlich andere Probleme habe.
Und mit dem Umfeld hab ich die auch. Viele meinen weil es mir jetzt besser geht ist alles FAST so wie vorher. Neeee, ist es nicht. Wenn ich erzähle dass ich jetzt schon wieder Einiges essen kann, bekomme ich zu hören, Mensch, da kannste ja froh sein, denke mal dran wie es war als nix ging. Klar denke ich daran und bin auch froh, aber ich kann immer noch nicht und wahrscheinlich auch nie wieder einfach mal so in die Stadt gehen und ein Fischbrötchen (trocken, scharf), einen Hamburger (TROCKEN) oder ein Stück Pizza (trocken, scharf) essen so zwischen durch. Natürlich hängt da nicht das Leben dran, trotzdem wäre es schön es wieder tun zu können. Nach Krebs ist aber nichts mehr so wie vorher, auch wenn man ihn (hoffentlich) besiegt hat. Ich glaube ich gehe manchen Leuten schon auf den Nerv weil ich immer wieder sagen muss Nein danke, wenn sie mir Essen/Trinken anbieten. Geht ja schon an der Fleischtheke los, als Brotbelag geht für mich am besten saftiger Kochschinken, allerdings SEHR dünn geschnitten, so bekomme ich ihn am besten runter. Ich möchte da aber nicht immer meine Krankengeschichte erzählen, manche Bedienung ist nett und macht kein Aufheben, andere gucken wegen Extra Arbeit. Aber naja, so langsam hab ich ein dickeres Fell bekommen und denke nur daran wie es für mich am Besten ist, denn ich muss damit leben.
Für dich als so junger Mensch gibt es bestimmt noch sehr viele andere Hürden, kannst ja event. nicht alles machen was man in deinem Alter so macht, Sport oder so. Ist ja sicherlich anstrengender als für Andere.

Lieben Gruß
Wangi
__________________
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  #3  
Alt 24.05.2012, 08:43
Blümling Blümling ist offline
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Registriert seit: 22.05.2012
Beiträge: 3
Standard AW: Was waren/sind eure gesellschaftlichen Hürden?

Ich kenn soetwas auch. Der Krebs hat mich meinen Geschmackssinn gekostet. Selbst jetzt, fast 3 Jahre säter, muss ich das meiner Familie immernoch erklären. Ich weiß nie ganz, wie ich das deuten soll. Wollen sie meien Krankheit verdrängen, ignorieren? Wollen sie mich damit nicht immer gelasten oder haben sie nur Angst, daruf zu reagieren?
Aber ob sie es so wollen oder nicht. Sie legen mir damit Steine in den Weg. Kennt das noch jemand von euch?

Blümling
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  #4  
Alt 26.05.2012, 15:39
G.Sundheit G.Sundheit ist offline
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Registriert seit: 09.01.2012
Beiträge: 142
Standard AW: Was waren/sind eure gesellschaftlichen Hürden?

hallo ihr lieben,

das ist ein sehr schöner thread um sich auszutauschen und auch zu sehen "denen geht es genau so"

vor meinem krebs hatte ich beruflich viel mit krebskranken zu tun (krankenschwester) und zu den 2-3 sachen, die ich dabei nicht verstehen konnte gehörte immer, daß (meist ältere) kranke ihre krankheit vor ihrem gesamten umfeld geheim hielten, sogar logen ("haarausfall deshalb perücke") oder sich einfach über die krankheit auf kein gespräch einliessen.

HEUTE und selbst betroffen kann ich das sehr gut verstehen

auch wir krebskranken müssen unser umfeld verstehen, das wurde mir schon klar als sich mit paukenschlag meiner diagnose eine freundin nicht mehr meldete, sogar nicht mehr ans telefon ging wenn sie meine nummer sah und nicht zurückrief. sie fragte andere freundinnen per sms, wie es mir geht.

ihr mutter sagte mir dann "sie kann das nicht aushalten" und "sie hat noch nie mit soetwas was zu tun gehabt und fürchtet sich davor"
gut, ich versuchte sie zu verstehen, aber es kommt eben darauf an, was wir daraus machen und ich kappte für mich diese freundschaft. ende. aus. diese frau kenne ich nicht mehr, auch wenn ich ihr damit unrecht tue oder es ihr gutes recht ist, sich so zu verhalten wie sich eine andere freundin ausdrückte.

einer meine chemo-freundinnen lief der ehepartner buchstäblich weg, nicht, ohne ihr vorher an den kopf zu werfen daß er es mit einer "ewig kranken frau" nicht mehr aushält und daß er endlich "wieder leben möchte"
sie dachte darüber nach und fand verständnis denn sie war schon vor dem krebs chronisch krank und brauchte viel hilfe.
sie lies ihn ohne groll gehen und organisiert nun ihr leben neu was ihr sehr gut tut.

gerade überlege ich noch, wie ich mit meinen kolleginnen umgehen werde denn die rückkehr ins berufsleben steht dann, in ein paar wochen unmittelbar bevor.
da die chemo über 6 monate lang her ist, der krebs ja "herausoperiert" wurde und es mir ja schon soooo gut geht erwartet mich das gleiche wie ricola, mit dem tag meiner wiederankunft soll ich an den tag vor meiner diagnose anknüpfen.....unmöglich!

manchmal telefoniere ich mit kollegen und spreche auch mal über die "NW" von denen für mich die schlimmste ist, daß ich nach 4-5 h auf den beinen völlig platt bin und mich hinlegen muß. daß ich oft nicht wirklich in die pötte komme und der tag dann schon vorbei ist ohne daß ich die hälfte geschafft habe. daß ich mit dem tempo meiner kinder nicht mehr mithalten kann. mein dicker lympharm, mit dicken wurstlfingern (auch noch rechts) der mich einfach nur behindert und für den ich jetzt täglich zur physio muß....meine sensibilitätsstörungen in den fingerspitzen..

tja, die antworten darauf sind immer gleich, auch bei meiner familie, selbst bei meinem mann:
- das wird schon
- sei froh, daß es schon viel besser geworden ist
- das geht auch noch weg (wenn ich dann sage, daß das lymphödem nie mehr weggeht kommt automatisch daß ich aber doch "dafür" den krebs besiegt hätte)

...nein, ich lasse es, zu erwähnen, daß dieser krebs nicht in 10 jahren besiegt ist und schon gar nicht nach einem jahr und meine kollegen müßten es ja alle besser wissen....aber....anderne menschen mit chronischen/akuten erkrankungen geht es auch schlecht und auch sie bekommen weder zuspruch noch rücksichtnahme, auch sie werden mit sprüchen abespeist, auch sie leiden weil sie sich nicht ernst genommen fühlen. meine cousine hat MS, sie ist 33 und arbeitet noch, der freund meines mannes hat seit 12 jahren rheuma....ich weiß, das es so ist und es "beruhigt" mich etwas und ich verlange deshalb von den menschen nicht zu viel. *schachtelsatzoff*

manchmal gebe ich es mir und spiele bewußt den "krebs" aus. wie z.b. wenn mich jemand fragt ob ich einen "tennisarm" habe wegen dem lymphödem. "nein, ich habe krebs." ist dann meine standartanwort und ich schaue in pikierte gesichter. menschen, die sofort das thema wechseln. ja, ich kenne diesen sarkasmus auch.

lg
gesine
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Einfach leben.
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  #5  
Alt 26.05.2012, 16:52
Svenja-Anika Svenja-Anika ist offline
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Ort: Schulzendorf
Beiträge: 30
Standard AW: Was waren/sind eure gesellschaftlichen Hürden?

Auch ich fühle mich von diesem Thema angesprochen, da ich recht verzweifelt bin.
Meine ED war September 07, ich habe meine Therapien
durchgezogen und bin voller Freude wieder arbeiten gegangen. Leider haben dann meine Chefin und meine Kollegen angefangen mich raus zu mobben.Es ging bis zur ungerechtfertigten Abmahnung. Vorgiges Jahr im August wurden dann Knochenmetastasen gefunden. Nach Gesprächen mit den Betriebsrat und Ermahnungen für meine Chefin bin ich nun in der Wiedereingliederung. Die Arbeit macht mir grossen Spass und lenkt mich auch vor meiner Angst vor der Zukunft ab.
Leider geht das gleiche Spiel wieder von vorne los, nur eben versteckter.
Ich habe wieder den Betriebsrat eingeschaltet und um ein Personalgespräch gebeten. Aber ich kann nicht verstehen wie Menschen so sein können. Sie bräuchten doch bloß abwarten.
Ich bin darüber sehr traurig.
Viele Grüße an alle tapferen Frauen hier.
Heidi
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  #6  
Alt 28.05.2012, 23:55
mucki53 mucki53 ist offline
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Ort: Hessen
Beiträge: 734
Standard AW: Was waren/sind eure gesellschaftlichen Hürden?

Ach, all Ihr Tapferen,
nach der Krebsdiagnose ist nichts mehr, wie es wahr. Aber nur wenige aus dem Umfeld verstehen das oder bemühen sich wenigstens darum.
Mobbing greift immer mehr um sich, die "Alten, Teuren" müssen weg, und wenn sie auch noch krank sind...
Ich war 38 Jahre lang bei einer Steuerberatungsgesellschaft beschäftigt, schon vor meiner Erkrankung war nur Stress und Superleistung angesagt.
GsD habe ich ziemlich schnell meine Erwerbsminderungsrente durchbekommen und bin trotz allem froh, dass ich da nicht mehr hin muss. "Wir danken für die Zusammenarbeit..." - nix davor und nix dahinter.
Allerdings hatte ich auch nichts anderes erwartet.
Meine alten, guten Freunde stehen alle zu mir und unterstützen mich, manche Bekannte musste auch ich "abhaken".
Und ganz viel Zuspruch und Rückhalt habe ich in meinem Hundeforum erfahren, mit Besuchen, Schutzengeln und ganz vielen guten, lieben Worten und Gedanken.
Während meiner KH-Aufenthalte haben sie sogar meinen Mann moralisch so unterstützt, dass er es garnicht fassen konnte, dass Leute, die sich z. T. garnicht persönlich kennen, so zusammenhalten !
Das ist meine schönste Erfahrung und die lässt die Negativen an mir abprallen.
Auch der Rückhalt hier im Forum tut gut und man kann sich austauschen, was mit Aussenstehende ja oft so nicht möglich ist.
Ich wünsche Euch allen, dass Ihr auch solche Menschen habt - egal, ob wenige oder viele.
Und uns allen wünsche ich, dass es uns irgendwann wieder gut geht .
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