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  #1  
Alt 16.09.2010, 22:21
Ranimaus Ranimaus ist offline
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Standard Wieviel Wissen verkraftet der Mensch

Wie schon im Angehörigen Forum geschrieben, ist mein Vater der bereits einen Schlaganfall mit Spätfolgen, wie Lähmung der rechten Körperhälfte und Sprachverlust nun auch noch an Krebs erkrankt. Für uns als Angehörige war es ein totaler Schock, da der Schlaganfall die Krebssymptome wie Schwäche etc. total überdeckt hat.
Nach Einlieferung ins KH "wieder mal" Verdacht auf Lungenentzündung ( ist bei Schlaganfallpatienten gar nicht so selten) stand nach einer Woche eine Diagnose die uns den Boden weggerissen hat. Mein Vater hat Knochenkrebs vermutlich ausgehend von der Lunge. Niere, Leber, (alle Knochen bis auf die Unterschenkel )sind befallen. Die Ärztin sagte, es gäb keine Rettung mehr und Lebenserwartung läg bei ca. 3 Monaten eher weniger. Die Ärztin wollte meinen Vater über seine Erkrankung aufklären, doch meine Mutter und ich baten sie darum es nicht zu tun. Da mein Papa geistig noch völlig klar ist, trotz Schlaganfall und uns niemals mehr seine Ängste und Nöte mitteilen kann. Er kann durch den Schlaganfall nicht mehr bestimmen, ob er über Krankheit und Tod reden möchte oder nicht. Ich persönlich stelle mir das mehr als GRAUSAM vor, so eine Diagnose mitgeteilt zu bekommen und durch eine andere Krankheit zwar alles zu verstehen aber nicht mehr reden zu können.
Meine Mutter und ich haben daher beschlossen, Ihm nichts zu sagen und als die Ärztin das Knochen CT vorliegen hatte, hat sie auch gesagt, wenn's Ihr Vater wäre würde sie auch nichts mehr sagen!

Die Schwestern von meinem Vater sind aber der Meinung, dass mein Vater über seinen Gesundheitszustand informiert werden sollte ( Hallo? Im Grunde genommen kennt er den selber, er liegt im Pflegebett, wird gewickelt und gefüttert und kann nicht sprechen, -nimmt aber noch alles um sich herum wahr) . Mama und ich halten Ihm die Hand, reden viel mit Ihm, er nickt oder schüttelt mit dem Kopf. Seine Enkelchen springen um Ihn herum. Wir versuchen Ihm irgendwie einen schönen "Alltag" zu bescheren, ohne Ihm die Krebsdiagnose mitzuteilen. Er denkt wahrscheinlich, dass sein Gesundheitszustand durch den Schlaganfall so rapide bergab geht. Er weiss auch, dass er nicht mehr lange hat, da bin ich mir sicher.

Allerdings haben wir jedesmal Angst, dass seine Schwestern, Ihn unüberlegt über seinen Zustand aufklären, nur weil die meinen, NUR so wäre es richtig!
Die überlegen gar nicht wie schwer das für meinen Vater, der sich nicht mehr mitteilen kann ist, zu Wissen, jetzt hat er zum Schlaganfall auch noch Krebs bekommen und ist rettungslos verloren! Ich für mich und auch meine Mutter, "wollten", wenn es keine Rettung mehr gibt, nicht die Wahrheit erfahren. Wir fanden es damals auch ganz grausam, als mein Opa an Blasenkrebs erkrankte, den "fast" besiegte und zwei Jahre später bei einer Nachkontrolle festgestellt wurde, dass er an Bauchspreicheldrüsenkrebs erkrankt war, der Arzt die voraussichtliche Lebensdauer von 6 Wochen genannt hat (die auch noch bis auf den Tag genau stimmte). Mein Opa hat auch gesagt, dass er das nicht so genau wissen wollte und er das so vor den Kopf geknallt bekommen hat. Mit den Worten " machen sie sich noch eine schöne Zeit" !! Wie schön kann die Zeit sein, wenn man weiss, dass man noch 6 Wochen zu leben hat! Die geniesst man wahrscheinlich soooo richtig! Mein Opa ist in Depressionen versunken und hat geweint, geweint, geweint! Er wollte uns (seine Familie) noch nicht verlassen!!!


MIch würde Eure Einstellung zu dem Thema interessieren! Vielleicht denke ich in der BEziehung total falsch und müsste es so sehen, wie meine Tanten: Es ist seine Krankheit also hat er auch darüber Bescheid zu wissen"!Überzeugen konnten mich meine Tanten bisher nicht und ich halte den Weg den ich eingeschlagen habe, für meinen Vater am Besten! Wie seht Ihr das.

Lieben Gruß
Rani
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  #2  
Alt 17.09.2010, 01:17
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suze2 suze2 ist offline
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Standard AW: Wieviel Wissen verkraftet der Mensch

liebe rani, eigentlich bin ich mehr zufällig über deinen beitrag gestolpert, entschudligung. jetzt sah ich, du hast noch keine antwort bekommen und möchte dir nun eine kleine information geben:
meine ärztin fragt immer, wenn sie jemand behandelt, der krebs hat, wieviel der betreffende über seinen zusatdn informiert wurde. sie sagt: "die patienten haben ihre eigene art (oft), ihre situation wahrzunehmen und damit umzugehen". insofern macht ihr es richtig. dein vater "weiß" auf seine art, was los ist. nicht alles "wissen" ist einfach als sprachliche mitteilung vorhanden.

weiß nicht, ob du jetzt damit was anfangen kannst, aber vielleicht ein klein bisschen?

normalerweise bin ich im BK faden unterwegs, als betroffene.

alles liebe dir und, ja gute wünsche und viel kraft
suzie
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seit 2005 bin ich ein angsthase
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  #3  
Alt 17.09.2010, 08:55
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Levira Levira ist offline
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Standard AW: Wieviel Wissen verkraftet der Mensch

Liebe Rani

Auch ich bin eher zufällig über Deinen Beitrag gestolpert.

Als ich im Krankenhaus lag und man mir so zwischen Tür und Angel "Verdachtsdiagnosen" an den Kopf geknallt hatte, war ich echt durch den Wind.
Ich hatte dann ein sehr gutes Gespräch mit einer Sozialarbeiterin.
Sie erwähnte unter anderem einen Satz, welcher mir noch heute in Erinnerung geblieben ist: Jeder Patient hat ein Recht auf Wissen über seinen Zustand. Aber er hat genauso ein Recht auf ein Nichtwissen.

Wenn Ihr das Gefühl habt, dass es Deinem Vater mehr schadet als nützt, wenn er über seinen Zustand genau Bescheid weiss, dann finde ich auch, dass er das Rcht hat, nicht genau darüber aufgeklärt zu werden.

Ich finde es toll, wie ihr ihn begleitet und bei ihm seid. Das ist viel wichtiger für ihn, als wenn er mit Mitteilungen und Diagnosen zusätzlich belastet wird, an denen er eh nichts ändern kann.

Liebe Grüsse und viel Kraft für die kommende Zeit!
Levira
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  #4  
Alt 17.09.2010, 09:23
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HeikesFreundin HeikesFreundin ist offline
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Standard AW: Wieviel Wissen verkraftet der Mensch

Hallo Rani,

sicher hat ein jeder Mensch das Recht zu wissen, wie es um ihn steht - wenn er es denn wissen will. Ich bin Altenpflegerin und oftmals mit solchen Situationen konfrontiert und eure Geschichte erinnert mich an einen Mann den ich pflegte.
Er hatte sehr fortgeschrittene MS, konnte bis auf Schlucken definitiv nichts mehr ... Seinen Husten hielt man im KH immer für "Aspirationspneumonie" (also Lungenentzündung durch Einatmen von Flüssigkeit, wie wenn man sich verschluckt). Eines Tages stellte ich im Spätdienst nen ziemlich aufgetriebenen Bauch fest - er hatte keine Schmerzen. Mein Gefühl sagte mir, ich muss den Arzt rufen (Sonntag). Krhs, Not-OP usw ... wobei festgestellt wurde, dass die immer wieder mit Antibiose behandelte "Aspirationspneumonie" Lungenmetastasen waren - er hatte nämlich Darmkrebs.

Mit den Angehörigen und auch den Ärzten haben wir beschlossen, in nicht auch noch nit DIESER Diagnose zu belasten - er hatte wahrlich schon genug zu tragen!

Entscheidend dabei war für uns:
dieser Mann konnte auch nicht mehr sprechen. Mit wem soll er, wenn er eine solche Diagnose erfährt dann sprechen? Mit wem seine Ängste teilen?

Wenn jemand sprechen kann und auch die Möglichkeit hat sowas in Gesprächen zu be-/verarbeiten, dann bin ich für Wahrheit.

Aber wenn jemand dazu nicht mehr in der Lage ist, empfinde ich es als
fahrlässig, jemandes Psyche so sehr zu belasten!

Vielleicht sprecht ihr nochmal in Ruhe mit den Geschwistern und fragt sie, ob sie sich vorstellen können, sie selbst würden dort SO artikulationsunfähig liegen und jemand würde ihnen so etwas mitteilen - und sie könnten mit KEINER Menschenseele darüber reden ...
Manchmal sind da ganz klare, manchmal auch harte Worte notwendig - kein Drumherumreden, damit jemand "aufwacht".

Fazit:
Ich bin der Ansicht, er sollte davon verschont bleiben - welchen Sinn hätte es, ihn zu belasten, denn nichts anderes wäre das: eine weitere schwere psychische Belastung ohne "Nutzen".

Viel Kraft!
__________________
... meine Freundin Heike ist am 24. Mai 2010 mit 48 J ganz friedlich für immer eingeschlafen ...

... meine liebe Freundin Lilli44 - auch Du hast für immer Deinen Platz in meinem Herzen ...


... I`ll see you when the sun sets!!!
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  #5  
Alt 17.09.2010, 14:44
Ranimaus Ranimaus ist offline
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Beiträge: 18
Standard AW: Wieviel Wissen verkraftet der Mensch

Danke @ all!!!

Ihr habt mir noch neue Argumente geliefert, die unser Verhalten meinem Papa nix zu sagen rechtfertigt. Für uns die jeden Tag um Ihn rum sind, ist es eh schon schwer genug, Tränen zu verbergen, Trost zu spenden und Mut zuzusprechen! Hatte schon langsam Zweifel daran, ob es richtig wäre, weil die Geschwister so darauf pochen Ihn über seinen Zustand zu unterrichten.

@ Heikesfreundin

Wenn ichs nicht besser wüsste, könnte man meinen Du schreibst über meinen Vater. Mein Vater war auch letztes Jahr wg. einer Aspirationspneumonie im Krankenhaus und anschliessend in einer Reha! Vor einigen Wochen hat sich mein Vater auch wieder ganz doll verschluckt und wir dachten auch, dass die vermeintliche Lungenentzündung wieder vom Verschlucken kam.
Das er voller Krebs sein könnte hätten wir NIE gedacht.

Hoffe, dass meine Tanten uns endlich mit diesem Thema in Ruhe lassen, denn ich denke, dass wir als seine nächsten Angehörigen wissen, was in seinem Sinne ist.

Lieben Gruß
Rani
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  #6  
Alt 23.09.2010, 21:26
Norma Norma ist offline
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Registriert seit: 06.11.2005
Beiträge: 1.157
Standard AW: Wieviel Wissen verkraftet der Mensch

Die Frage ist falsch formuliert.

NICHT: Wieviel Wissen verkraftet der Mensch?

SONDERN: Wieviel Wissen verkraftet der Betroffene?

Es gibt keine allgemein gültige Anwort auf diese Frage; jeder Betroffene ist anders.

In der Tat: die allernächsten Angehörigen, welche den Kranken am Besten kennen, sollten entscheiden;
gerade dann, wenn es bereits durch Vorerkrankungen zu einer massiven gesundheitlichen Beeinträchtigung gekommen ist.

Alles Gute und viel Kraft wünscht
Norma
Diagnose Brustkrebs Nov. 2001
Diagnose Darmkrebs Juni 2007 bei meinem Mann
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