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Alt 17.10.2007, 22:41
Liz und Willy Liz und Willy ist offline
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Standard Mami bereitet sich auf ihren Tod vor ...

Wie im Thread zum Thema Hirntumor schon erwähnt, geht Mami nun ganz bewusst in Richtung Abschiednehmen, Loslassen und Vorbereiten auf den Tod.

http://www.krebs-kompass.org/Forum/s...ad.php?t=28736

In diesem Thread hier möchte ich meine Gedanken zu unserem gemeinsamen Abschied niederschreiben.

Mein Kopf schwirrt als ob ich ihn in ein Wespennest oder Bienenhaus gesteckt hätte. Ich bekomme keinen klaren Gedanken mehr hin, vieles ist mir so was von egal geworden - Einkaufen gehen, Haushalt etc.

Ich sitze nachts am Pc und suche nach Hilfe - im Wissen es gibt keine und ich ständig in eien Sackgasse gerate.

Ich bete und zünde eine Kerze an und hoffe auf ein Wunder - im Wissen es gibt keines.

Ich versuche für sie da zu sein - im Wissen sie muss den Weg alleine gehen ohne mich.

Ich versuche vernünftig zu sein - im Wissen, dass mein Herz am zerreisen ist und Panik pur verspürt.

Ich versuche es zu respektieren, auch wenn es wahnsinnig schwer ist.

Ich versuche für Willy und den Boys sowie den Geschwistern da zu sein - im wissen sie müssen sich selber damit auseinander setzen und auf ihre eigene Art von ihr Abschiednehmen.

Ich bin hin und her gerissen - soll ich meine Brüder informieren oder nicht. Sie will es nicht und doch weiss ich nicht ob sie es doch nicht tief im Herzen möchte - seit 1969 besteht fast kein Kontakt (Scheidung und Wegzug ins Ausland) und doch egal welchen Weg ich mich entscheide, ich weiss dass die Zeit nie wieder nachzuholen sein wird. Nur lohnt es sich alles wieder aufzuwühlen?

Werde ich es schaffen, werde ich es richtig machen, so dass es für Mami stimmt und sie loslassen kann? Ich weiss es nicht. Gerade diese Fragen plagen mich im Moment sehr, denn ich will nicht, dass sie unnötig leiden muss, darunter fällt auch das Leiden des Nichtloslassen-könnens.

Ich will nur noch so lange und so oft wie nur möglich bei Mami sein. Es sind sehr intensive Gespräche, sehr viele Nähe und Liebe die nur noch so sprudelt. Trotz aller Traurigkeit empfinden wir Frieden und es als eine schöne Zeit, auch wenn ich aus dem Zimmer bin nur noch mit meinen Gefühlen und Tränen kämpfen muss. Ich weiss aber auch, dass Mami im Moment auch sehr viel weint, egal ob ich dabei bin oder nicht.

Nachts sitze ich am PC und suche nach irgendeinem Strohhalm im Netz und doch weiss ich nur zu gut, es gibt keinen.

Und doch habe ich mir heute 2,5 Stunden Ikebana gegönnt und mich ab der Einfachheit der japanischen Blumengesteckkunst erfreut.

Mami kommt im Zimmer nicht richtig zur Ruhe, die haben ihr eine Drogensüchtige ins Zimmer getan die nicht schlafen kann, laut ist und klaut. Zudem beklagt sich die Frau ständig über das Personal obwohl sie sich rührend um die Patienten kümmern.

Mami weiss noch nichts vom Tumor, nicht weil wir es ihr nicht sagen wollen, sondern weil sie es im Moment noch nicht auffassen kann.

Sie ist wieder ansprechbar, zeitweise noch verwirrt und doch wiederum ganz klar im Kopf. Die Nieren haben sich deutlich erholt so dass keine Lebensgefahr mehr besteht. Man ist aber sehr reserviert bezüglich Medikamentengabe, weil sie befürchten, dass die Nieren sofort wieder versagen könnten. Dies ist auch der Grund warum keine Chemo gemacht werden kann, man kann nicht einmal nach evtl. anderen Tumoren suchen, da Kontrastmittel nötig wäre und dies für sie tödlich wäre.

Das schlimmste ist wirklich daneben zu stehen und ohnmächtig zusehen zu müssen wie der Tumor immer mehr und mehr von ihr mir wegstehlen wird. Im Gegensatz zum Lungen- und Gebärmutterkrebs stehen wir hier und wissen, dass wir weit vor ihrem Tod schon von ihr Abschiednehmen müssen weil sie über kurz oder lang wieder in ihre eigene Welt versinken wird. Wann dies stattfinden wird kann uns niemand sagen, es kann aber genau so plötzlich passieren wie es vor 14 Tagen war.

Hey sind es schon 14 Tage her als das ganze unaufhörlich anfing? Oh ja am Donnerstag vor 2 Wochen....

Die Vorstellung, dass ihr Wesen, Ihre Sprache und das Erkennen von uns allen, ja einfach das was unseres Mami ausmacht und darstellt sehr viel früher gehen wird, ist unvorstellbar und schmerzt unheimlich. Einen Vorgeschmack haben wir ja schon gehabt.

Diese Ohnmacht ist ja schon schlimm wenn man den Partner begleitet und eine Behandlung noch möglich ist. Weit schlimmer ist es aber im Bewusstsein gar nichts machen zu können jemand den man so liebt zu begleiten - es ist wie eine potenzierte Ohnmacht.

Das einzige was sie nun machen ist Mami aufzupäppeln und sobald es einigermassen stabil genug ist wird sie in die Reha verlegt um weiters aufzubauen.

Es wird einem schweren Herzen bewusst wie wenig man wirklich machen kann.

Das scheibchenweise Abschiednehmen ist im vollen Gange auch wenn Mami nichts weiss, so ahnt sie sehr viel. Jeden Tag ist das Thema Tod, Beerdigung und was ist danach präsent und für sie sehr wichtig. Ich bin überzeugt sie weiss resp. ahnt sehr viel mehr als wir uns vorstellen können.

Heute habe ich ein Beerdigungsinstitut aufgesucht, um das Thema Urne mit ihnen zu besprechen und Mamis grösster Wunsch zu erfüllen. Mami wünscht sich ein Verstreuen ihrer Asche entweder im Wald oder sonst wo oder auf dem Wasser.

Seit einiger Zeit hat sie immer wieder den Gedanken aufgebracht ein Holzschiffchen mit Sonnenblumen zu bemalen und den Rhein runter gleiten oder auf den Zürisee schwimmen zu lassen mit Kerzen beladen, damit sie Licht hat. Sie wünscht sich, dass das Schiffchen aus auflösbarem Material ist (ist eh so vorgeschrieben) damit es bei davonschwimmen einfach ganz still und leise versinken wird und ihr Lichtlein mit ihr erlischt. Sie wünscht sich, dass ich ihr ihre Urne selber mache.

Sie wünscht sich auch, dass ganz viele Federn in die Luft gelassen werden und dass an der Abdankung Fats Domino, Dixie und klassische Musik gespielt wird.

Sie ist zwar sehr gläubig - möchte aber nicht, dass ein Pfarrer kommt.

Der Grund dafür liegt 28 Jahre zurück. Damals vor 28 Jahren ist sie aus der Kirche ausgetreten als Papi starb und als es darum ging die Beerdigung zu organisieren der Pfarrer zu ihr sagte "Er habe keine Zeit". Ein Religionslehrer hat dann gnädigerweise die Abdankung abgehalten - ein Schämer für Kirchgemeinde, denn Papi war aktiv in der Kirchgemeinde und auch aktiv in der Gemeinde an sich. Es kamen weit über 300 Personen zur Beerdigung und doch hatte der Pfarrer keine Zeit.....

Ich bin nun dabei Fotos von ihr aus ihrem ganzen Leben zusammen zu tragen, sie einzuscannen (weiss nur nicht wo, da ich keinen habe), denn Willy und ich möchten bei der Abdankung eine Diashow von ihrem Leben machen. Wir werden auch jemand anfragen der ohne ein Wort zu sagen zu einer ihrer lieblings Klassiker tanzend ihre Seele an der Urne entgegen nimmt und sie aus der Kirche raus tragen wird. Draussen wird diese Person dann eine weisse Taube in die Luft lassen um symbolisch das wegfliegen lassen ihrer Seele zu symbolisieren.

Das Symbol der weissen Taube in Federform wird bei der Aschenverstreuung dann wieder übernommen und alle nehmen sich eine Handvoll weisser Federn die sie dann in die Luft pusten. Abends dann werden wir ein Sternenleuchten für sie machen.

Es macht mir sehr weh zu erleben wie sie bewusst diesen Weg geht und doch bin ich so stolz auf sie, dass sie ihn mit mir teilen will.

Ich respektiere sie und ihren Wunsch resp. Weg den sie eingeschlagen hat. Und werde alles daran setzen, dass sie einen schönen Übergang ins Regenbogenland haben wird.

Irgendwann werde ich sagen könen, doch es hat für sie und für uns so sein müssen und es stimmt für uns so... oder ich hoffe zumindest, dass ich das irgend wann mal sagen kann.

Mami ich liebe dich über alles ....

Wir werden es schaffen egal wie es ausgehen wird.... du bist nicht alleine. Papi und Daddy werden auf dich achten.

Alles Liebe s'Doppelpäggli
__________________
***

Willy 54 J. LK Pancoast Tumor Adeno. ES 8/02 ED 11/02, Radio-Chemo, Op. 2/03 seither Teilgelähmt, O2-abhängig
Liz MS im Rolli. Gebärm.ca. 8/05
Mami 10.4.1934 - 7.9.2009
inoper. Hirntumor 10/07, Blasenkrebs 1/09
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Unsere Welt:
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GEMEINSAM SIND WIR STARK - seit 30 Jahren das DOPPELPÄGGLI!
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