Krebs-Kompass-Forum seit 1997  


Zurück   Krebs-Kompass-Forum seit 1997 > Spezielle Nutzergruppen > Forum für Angehörige

Antwort
 
Themen-Optionen Ansicht
  #1  
Alt 19.12.2005, 08:55
Andrea6 Andrea6 ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 15.04.2005
Beiträge: 26
Standard Auch das noch....

Guten Morgen an alle,

ich muss mich dringend mal ausheulen, ansonsten platze ich, glaube ich:

Seit zwei Jahren ist meine Familie doppelt mit Krebs konfrontiert worden: Vor zwei Jahren erkrankte mein Vater an Darmkrebs; vor einem Jahr wurde bei meiner Mutter Eierstockkrebs festgestellt. Seitdem haben wir die gesamte "Palette" mit diversen OP's, darunter einer Not-OP, verbunden mit dem Abbruch des lang ersehnten Urlaubs, Chemo, Bestrahlung, Metastasenfund etc. hinter uns gebracht. Die letzten zwei Jahre waren also nicht leicht, für keinen von uns. Dazu kommt allerdings, dass die Ehe meiner Eltern seitdem ebenfalls einen schlechten Verlauf genommen hat. Seit einiger Zeit hängt der Haussegen schief, und mittlerweile so sehr, dass am Wochenende erstmals das Wort Trennung ausgesprochen wurde. Seitdem hänge ich voll in den Seilen. Ich will das einfach nicht wahrhaben. Am liebsten würde ich meine Eltern anschreien, wie sie es zulassen können, dass diese Scheißkrankheit unsere Familie zerstört. Es ist einfach zum Heulen. Beide haben sich seit ihrer Erkrankung so verändert. Sie sind beide vollkommen unterschiedlich an die Krankheit und ihre Bewältigung herangegangen, und genau das macht u.a. den Konflikt aus. Sie werfen sich das vor (ausgesprochen und unausgesprochen). Seit einiger Zeit herrscht nur noch Spachlosigkeit, gepaart mit stummen Vorwürfen. Es ist nicht zum aushalten. Wenn es wenigstens mal zu einer Aussprache käme, aber das wird abgeblockt. Beide tragen Schuld an der momentanen Situation, und das macht es auch für mich so schlimm. Ich verstehe beide. Aber, verdammt, sie sind so lange verheiratet und haben schon einiges durchgestanden, und sie lieben sich doch. Nur sind sie mittlerweile an einem Punkt angekommen, an dem sie ohne Hilfe aus dieser Krise nicht mehr herauskommen. Im neuen Jahr wollen sie zur Eheberatung; ich hoffe, es bringt etwas; ich frage mich nur, ob sich auch beide darauf einlassen.

Momentan graut es mir allerdings in erster Linie vor Weihnachten. Der Zeitpunkt für die Eskalation einer Krise ist wahrscheinlich nie gut, aber fünf Tage vor Weihnachten ist er denkbar schlecht. Man bekommt überall nur heile Welt, happy familiy und Besinnlichkeit vorgegaukelt, und das ertrage ich nun überhaupt nicht. Ich will auch diese Sprachlosigkeit nicht. Mit Diskussionen kann ich leben, aber dieses angespannte Schweigen gibt mir jedesmal das Gefühl, dass es jederzeit zu einer Explosion kommen kann. Am liebsten würde ich meine Sachen packen und wegfahren, aber daran hindern mich diverse Familienfeierlichkeiten und mein schlechtes Gewissen.

Trotzdem einen guten Wochenstart für Euch, Andrea
Mit Zitat antworten
  #2  
Alt 19.12.2005, 16:13
sanne2 sanne2 ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 17.08.2005
Beiträge: 1.088
Standard AW: Auch das noch....

Hallo Andrea,
da Dir noch keiner geantwortet hat, werde ich es einfach mal machen!
Es scheint ja wirklich sehr schlimm bei Euch zu sein! Einen Rat kann ich Dir in dieser Situation nicht geben, aber vielleicht reicht es Dir schon,Dir einfach mal alles von der Seele zu schreiben.
Das Problem bei dieser scheußlichen Erkrankung hast Du ja selber gut erkannt.
Jeder Betroffene geht anders mit der Situation um. Der Eine wird depressiv und lässt sich hängen, der Andere kämpft und lässt sich nicht unterkriegen. Wer ist denn bei Euch der depressive Teil? Deine Mutter oder Dein Vater?
Ob eine Eheberatung hilft, weiß ich nicht, ist aber schon mal ein guter Ansatzpunkt. Das heißt ja das Deine Eltern gewillt sind, ihre Ehe zu retten!
Vielleicht wäre eine Psychotherapie oder eine Selbsthilfegruppe, ob getrennt oder gemeinsam, auch nicht schlecht, damit jeder für sich mit seinem Krankheitsbild zurechtkommt.
Bei uns war es so ähnlich vor zwei Jahren. Da erkrankten mein Mann und meine Mutter zur gleichen Zeit an Krebs und ehrlich gesagt hatte ich mich damals auch ständig mit meinem Mann gestritten. Warum weiß ich bis heute nicht! Ich mag es gar nicht aussprechen, aber eigentlich habe ich ihm damals das Leben fast zur Hölle gemacht! Das Merkwürdige an der Sache ist, das ich fast alles verdrängt habe und kaum noch etwas davon weiß.
Mein Mann und meine Kinder erzählen mir heute noch manchmal von meinen "Ausrastern".
Lebst Du denn noch bei Deinen Eltern? Gibt es keine engen Freunde oder Verwandten die vielleicht mal mit Deinen Eltern sprechen könnten?
Deine Eltern wollen doch gesund bleiben! Der ewige Stress kann auf Dauer auch nicht gut für ihre Gesundheit sein. Und Schweigen ist wirklich schlimmer als ein offener Streit!
Ich wünsche Dir trotzdem ein einigermaßen schönes Weihnachtsfest!
Vielleicht wird es ja harmonischer als Du denkst!
Liebe Grüße!
Sanne

Hast Du denn schon mal versucht mit Deinen Eltern zu sprechen?
Wie äußern die sich denn zu dieser angespannten Situation?
Mit Zitat antworten
  #3  
Alt 19.12.2005, 18:27
Benutzerbild von Kerstin63
Kerstin63 Kerstin63 ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 30.10.2002
Ort: Norddeutschland
Beiträge: 155
Standard AW: Auch das noch....

Hallo Andrea,

ich kann gut verstehen dass Dir vor den bevorstehenden Feiertagen graut, und auch Deine Fluchtimpulse und das schlechte Gewissen, das Dich davon abhält....

Dass ein oder sogar beide Elternteile an Krebs erkrankt sind, ist ja schon eine enorme Belastung, und dazu habt Ihr da jetzt noch diese zusätzliche Ehekrise. Du stehst daneben und hast anscheinend das Gefühl, kaum etwas tun zu können. Und ich denke, das ist eigentlich auch der Punkt: meiner Ansicht nach kannst Du da garnicht viel machen. Es ist nicht deine Verwantwortung oder Aufgabe, die Eheprobleme deiner Eltern zu beseitigen oder für Klärung zu sorgen. Natürlich wäre es schön, wenn man als (erwachsenes) Kind da helfen könnte, aber ich halte das für unrealistisch. Klar belastet es Dich. Aber ich denke Du solltest versuchen, Dich von dem schlechten Gewissen so weit es geht zu lösen. Wenn man zwischen zwei "Fronten" steht, wird man meistens zermürbt, umso mehr wenn es sich um die Eltern handelt. Eine "normale" drohende Trennung wäre ja auch schon schlimm. Aber anscheinend kommen Deine Eltern mit der Situation der Krebserkrankung MITEINANDER nicht klar. Vielleicht aber brodelt jetzt auch nur etwas hoch, was schon vorher geschwelt hat? Vielleicht haben beide auch angesichts der bedrohlichen Krankheit plötzlich das Gefühl, was ändern zu müssen?

Das sind ja nur reine Spekulationen, vielleicht liege ich total falsch. Ich will Dir auch nicht zu nahe treten. Ich meine nur, es gibt immer Dinge zwischen den Eltern die wir nicht wissen, und vielleicht auch lieber nicht wissen sollten.... Das hat auch nichts mit mangelndem Familienzusammenhalt oder so zu tun, aber das ist dann auch irgendwie deren "Privatsache", verstehst Du was ich meine?

Natürlich ist es furchtbar schwer sich das mit anzukucken wie anscheinend alles den Bach runter geht.... aber vielleicht rappeln sie sich wieder zusammen, vielleicht gehen sie zur Paarberatung aber vielleicht auch nicht, das kannst Du aber fürchte ich (kaum ?) beeinflussen...

Du musst auch darauf achten wo Du bleibst. Ich hiffe das hört sich jetzt nicht herzlos oder so an, natürlich sorgst Du Dich und nimmst Anteil, das ist ja ganz normal, ich denke nur Du solltest es nicht als Deine Verantwortung empfinden, und auch möglichst kein schlechtes Gewissen haben wenn Du Dich z.B. einer unerträglichen Situation mal entziehst, ich finde das wäre auch dein gutes Recht.

Alles Gute
Kerstin
Mit Zitat antworten
  #4  
Alt 20.12.2005, 08:44
Andrea6 Andrea6 ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 15.04.2005
Beiträge: 26
Standard AW: Auch das noch....

Guten Morgen und vielen Dank für Eure Antworten.

@ sanne2: Mein Vater ist eher der depressivere Teil. Meine Mutter ist sehr viel aktiver an ihre Krankheit herangegangen, ohne das jetzt werten zu wollen. Ich habe beide manchmal nicht verstanden. Was die eine zuviel machte, machte der andere zu wenig. Soll heißen, wo mein Vater manchmal mehr oder weniger gezwungen werden musste, das Haus zu verlassen, hielt es meine Mutter eine Woche nach ihrer OP für eine gute Idee, Bücherregale zu kaufen, in den Keller zu tragen und sie aufzubauen... Dass diese Krise da ist, kann ich irgendwo auch verstehen, schließlich ist mit den Erkrankungen so einiges aus dem Lot geraten. Aber es ist mir halt unverständlich, dass die beiden ihre Energien nicht eher darauf verwenden, wieder gesund zu werden. Dass die Nerven blank liegen, kann ich ebenfalls verstehen; mir geht es da zum Teil so, wie Du es auch beschrieben hast. Mein Freund musste in den letzten zwei Jahren auch desöfteren unter gewaltigen Stimmungsschwankungen meinerseits leiden. Es ist halt einfach schwer, zumal mir auch der Abstand fehlt. Ich wohne zwar nicht mehr zuhause, aber sehr nah bei meinen Eltern und habe auch ein sehr enges Verhältnis zu ihnen. Deshalb nimmt mich das ja auch so mit. Ich habe auch schon mit meinen Eltern gesprochen bzw. meine Eltern mit mir. Aber diese Gespräche bringen nicht viel, weil sich einfach an der Situation nichts ändert. Außerdem will ich auch gar nicht an der Lösung beteiligt werden, schließlich bin ich das "Kind" und kein Eheberater. Es ist halt alles total festgefahren. Ob die Eheberatung etwas bringt, weiß ich nicht, schließlich müssen sich beide darauf einlassen, und daran bestehen bei mir noch Zweifel.

@ Kerstin63: Ich mache wirklich drei Kreuze, wenn "das Fest der Liebe" vorbei ist. Natürlich hätte mich diese Sache auch zu jeder anderen Zeit belastet, aber jetzt ist da eben dieser Zwang, Weihnachten feiern zu müssen. Von mir aus könnte es dieses Jahr wirklich ausfallen. Ich habe noch keine Geschenke, zumal meine Eltern meine eigentliche Geschenkidee (Karten für eine dieser Dinnershows) mit der Eskalation ihrer Krise gewissermaßen torpediert haben, weil ich jetzt nicht weiß, ob es eine gute Idee ist.
Du hast recht mit dem, was Du sagst. Es ist nicht meine Krise, und es wäre auch besser, mich da überhaupt nicht einzumischen. Das mache ich eigentlich auch nicht, aber man bekommt zwangsläufig mit, wenn etwas nicht gut läuft. Ich kann und will auch überhaupt nicht zur Lösung beitragen, aber ich glaube, einen Teil der Problematik erkennen zu können. Sie waren immer schon sehr unterschiedlich, und das wird jetzt zum Problem. Früher hat sich das super ergänzt, aber jetzt, wo eh alles aus dem Lot gerät, entsteht eben auch hier ein Ungleichgewicht.
Natürlich ist es deren Privatsache, und ich will mir auch nicht anmaßen, auf die Lösung des Problems Einfluss nehmen zu können, aber dennoch geht es mir nicht gut mit der Situation; schließlich ist das alles auch für mich nicht leicht. Seit mehr als zwei Jahren läuft mein Leben sowieso nicht mehr normal, und das ist das jetzt noch das Tüpfelchen auf dem "i".

Alles Gute für Euch, Andrea
Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen


Aktive Benutzer in diesem Thema: 1 (Registrierte Benutzer: 0, Gäste: 1)
 

Forumregeln
Es ist Ihnen nicht erlaubt, neue Themen zu verfassen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, auf Beiträge zu antworten.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Anhänge hochzuladen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Ihre Beiträge zu bearbeiten.

BB-Code ist an.
Smileys sind an.
[IMG] Code ist an.
HTML-Code ist aus.

Gehe zu


Alle Zeitangaben in WEZ +2. Es ist jetzt 14:59 Uhr.


Für die Inhalte der einzelnen Beiträge ist der jeweilige Autor verantwortlich. Mit allgemeinen Fragen, Ergänzungen oder Kommentaren wenden Sie sich bitte an Marcus Oehlrich. Diese Informationen wurden sorgfältig ausgewählt und werden regelmäßig überarbeitet. Dennoch kann die Richtigkeit der Inhalte keine Gewähr übernommen werden. Insbesondere für Links (Verweise) auf andere Informationsangebote kann keine Haftung übernommen werden. Mit der Nutzung erkennen Sie unsere Nutzungsbedingungen an.
Powered by vBulletin® Version 3.8.7 (Deutsch)
Copyright ©2000 - 2024, vBulletin Solutions, Inc.
Gehostet bei der 1&1 Internet AG
Copyright © 1997-2024 Volker Karl Oehlrich-Gesellschaft e.V.
Impressum: Volker Karl Oehlrich-Gesellschaft e.V. · Eisenacher Str. 8 · 64560 Riedstadt / Vertretungsberechtigter Vorstand: Marcus Oehlrich / Datenschutzerklärung
Spendenkonto: Volker Karl Oehlrich-Gesellschaft e.V. · Volksbank Darmstadt Mainz eG · IBAN DE74 5519 0000 0172 5250 16 · BIC: MVBMDE55