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Alt 06.11.2012, 23:31
hamburgschmuck hamburgschmuck ist offline
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Beiträge: 30
Standard Wielange darf ich um meine Mum trauern? (längere Geschichte)

Hallo Ihr Lieben Mitleser und Schreiber!

Leider habe ich meine liebe Mama am 20.10.2012 verloren.

Natürlich bin ich total traurig, lasse mich gehen, will alleine sein, aber am liebsten liebe Menschen um mich herum haben, aber ich habe eine Frage, denn ich habe Angst, dass ich diese irgendwann vor den Kopf bekomme.

Wie lange darf ich trauern?

Ich muss dazu eine kleine/große Vorgeschichte loswerden.

Mit 18 Jahren bin ich von zu Hause weg, ab dem Moment hat meine Mum mich dafür gehasst glaube ich. Eine gute Mutter war sie eigentlich nie, denn sie liebte Alkohol und sich. Ich habe immer wieder versucht Kontakt herzustellen, was aber schief lief. Letztendlich bin ich seelisch krank geworden, war ca. 15 Jahre Magersüchtig und bin nur mit vielen guten Gesprächen und ganz viel Angst vor dem Tod wieder einigermaßen fit geworden.

Vor 3 Jahren fing ich an meiner Mum mitzuteilen sie dürfe nicht mehr trinken, denn sie ist krank. Sie verneinte natürlich alles. Man muss dazu erwähnen, dass ich erst seit ca. 3 Jahren wieder einigermaßen Kontakt zu ihr habe. Weihnachten 2010 ging es ihr jedenfalls schlecht, sie hatte eine Magenschleimhautentzündung und konnte nichts mehr essen oder trinken, und zum Arzt ging sie auch nicht. Ich habe jedenfalls Sorge getragen, dass Sie ins Krankenhaus kam und sich mal durchchecken ließ. In einigen Gesprächen mit den Ärzten habe ich sie dann dazu bekommen einen Entzug zu machen und danach eine 6 monatige Langzeittherapie, welche sie auch alles toll meisterte. Während des Entzugs wurde ihr ein/e Wernicke Enzophalopathie + Polyneuropathie diagnostiziert. Jedenfalls lernte sie während der Langzeitthera einen Mann kennen, brach die Thera ab und war wieder zuhause. Dort ging es dann wieder los, allerdings kein Billigwein mehr, sondern Klarer und das trank sie nieeee.

Weihnachten verbrachte sie dann mir und meinen Geschwistern, abwechselnd. Schon zu der Zeit merkte ich dass sie immer Halsweh hatte, ich dachte an eine verschleppte Angina und kümmerte mich nicht weiter darum, denn sie war ja schließlich alt genug um zum Doc zu gehen!
Eines Tages Ende Januar 2011 kam dann ein Anruf, sie wäre gestürzt und lag die ganze Nacht ohne dass ihr jemand geholfen hat, weil sie niemand hörte.
Von dort an nahm alles seinen Lauf. Krankenhaus, OP wg Oberschenkelhalsbruch, Reha und dann wieder zu Hause. Dort merkte ich schnell dass sie immer vergesslicher wurde und aus der Wernicke Enzophalopathie entwickelte sich die schwerere Form der Alkoholdemenz das Korsakow Syndrom, denn sie hatte nun überhaupt kein Kurzeitgedächtnis mehr.

Im März beschloss ich mir einen neuen Wagen zu kaufen. Bis dahin wurde sie dann von einer ambulanten Suchtberaterin betreut, welche sie bei allen wichtigen sozialen Sachen begleitete.

Ich merkte jedoch, dass Ihre Halsschmerzen und auch ihre Polyneuropathie immer schlimmer wurden und ihre Suchtberaterin ging mit Ihr zum Doc HNO.
Diagnose Zungengrundkarzinom T4 Ende März 2012.
Sie wollte keine OP, das hätte bedeutet total Entfernung der Zunge. Das konnte ich verstehen.
Sie hat im Übrigen noch zwei weitere Kinder 24 und 26 Jahre alt, nur so nebenbei zur Info.
Dann bekam sie Bestrahlung und eine PEG Sonde, denn Chemo hätte sie nicht überstanden, denn sie aß und trank schon sehr wenig wegen der Schmerzen und wog irgendwie knappe 45 kg.

Nach der Bestrahlung im Juli 2012 kam sie wieder nach Hause und ich war erst mal beruhigt. Ich besuchte sie nur 4 Wochen nicht uns trennten zu der Zeit 160km. Und als ich dann bei Ihr war nach 1 Monat war ich sehr erschrocken , denn sie hatte meiner Meinung nach mind. 10kg abgenommen. Das Pflegepersonal und ich beschlossen dann Sie wäre besser im KKH aufgehoben um etwas aufgepäppelt zu werden und die Schmerzen besser einzustellen, denn diese wurden immer unerträglicher
Sie willigte gottseidank ein.
Es vergingen 2 Wochen auf der HNO ohne irgendeine Besserung, dann sagte man sie würde auf die Palliativstation verlegt werden, das ist nicht immer die letzte Station, es wäre einfach mehr Pflegepersonal vorhanden und sie bräuchte einfach mehr Hilfe als auf einer normalen Station. Nach CT und Röntgen wurde uns dann mitgeteilt, der Tumor wäre kleiner, es wäre dort etwas, was man aber momentan noch nicht eindeutig benennen könne, aber das könnte auch Narbengewebe sein. Nun gut, das ist auch nur ein Teil vom Ganzen.

In dieser Zeit des KKH Aufenthaltes überlegten die Ärzte, meine Mum und ich wie es weitergehen soll, denn alleine zurück nach Hause wäre nicht mehr machbar. Also machte ich mich mit der Hilfe eines Sozialarbeiters auf die Suche nach einem Pflegeheim hier bei mir in Hamburg, wo es auch gestattet war, dass ihr geliebte Katze Paula mitkommen dürfe. Ich begann also Ihre Wohnung aufzulösen, innerhalb dieses 4-5 Wochen langen KKH Aufenthaltes.
Es kam, sie zog ins Pflegeheim ein, jedoch nur 3 Tage. Donnerstag bis Sonntag, denn Sonntag war das Pflegepersonal restlos überfordert mit den Schmerzen meiner Mum, also kam sie ins KKH.

Dort gab es unglaubliche Situationen, aber dazu schreibe ich nicht mehr, als dass doch tatsächlich ein Assistenzarzt zu mir meine: ich habe gute Nachrichten für Sie, Ihre Mutter hat gar kein Krebs mehr! Ich wäre fast ausgerastet, verständlich, oder? Schon 2 Tage später haben meine Freundin und ich beschlossen ein Hospiz aufzusuchen und es anzusehen. Diese Idee war die Beste, die ich/wir je getroffen hatten.

Jedenfalls ist unsere Beziehung in dieser Zeit so innig und liebevoll geworden, wie ich es seit Kindheit nicht mehr hatte. Sie war liebevoll, führsorglich und lieb, eben wie eine Mama. Und das kannte ich nicht. Und sie war die Kranke, nicht ich, aber sie liebte mich, das sagte sie mir und das spürte ich zum ersten Mal.

Dann kam der Tag an dem meine Mum ins Hospiz einzog und sie fühlte sich das erste Mal richtig gut, sie lachte wann immer ich sie ansah. Und sie hatte nur einen Wunsch: lass mich bitte nicht alleine. Die ersten 4 Wochen kam ich täglich mehrere Stunden zu Besuch, lag mit Ihr im Bett, wir schliefen zusammen, lachten und machten Faxen. Sie war immer gut drauf, aber sie war eben vergesslich und sich ihrer schweren Krankheit wahrscheinlich nicht so 100% bewusst. denn sie fragte mich immer wieder, wann sie denn wieder nach Hause kommen würde. Ich sage euch, es ist so schrecklich diese traurigen Augen ertragen zu müssen, als ich Ihr dann versucht habe, sie wäre zu krank um wieder Heim zu kommen.
Sie arangierte sich mit dem Gedanken. In der 5. Woche jedoch ging es ihr von Tag zu Tag schlechter und schließlich schlief sie friedlich und sanft in meinen und den Armen einer sehr guten Freundin ein. Sie wog keine 25 kg mehr und ich habe soviele Fragen!

Ich bin immer noch geschockt und es tut so weh, alles ist leer und ich fühle mich so allein.

Diese Geschichte soll es Euch nur etwas erleichtern mich/meine Frage besser zu verstehen.

Ich darf doch trauern solange ich will, oder?

Auch wenn wir erst so spät zueinander gefunden haben, sie anfangs eine nicht so nette Mama war, aber in den letzten Wochen einfach alles wieder gutgemacht hat was vorher falsch lief?

Es war doch richtig sie zu begleiten und Ihr ihren einzigen Wunsch den Sie hatte zu erfüllen, oder?

Liebe Grüße
Cindy
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