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Alt 19.04.2006, 00:25
maja_6 maja_6 ist offline
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Beiträge: 4
Standard Lungenkrebs und Psychose

Hallo Zusammen,

seit einigen Wochen besuche ich immer mal wieder dieses Forum und heute Abend habe ich beschlossen, selbst etwas zu schreiben. Unter einem anderem Thema habe ich bereits einen Anfang "gewagt", hoffe aber mit einem neuen Titel ähnliche Erfahrungen zu erhalten.
Vor etwa vier Wochen wurde bei meinem Vater Lungenkrebs festgestellt. Jedoch muss ich schon vorher anfangen, da es eigentlich mit einer Psychose begann.

Vor sechs Wochen hat mich die Frau meines Vaters (er ist 48 Jahre und seit 2 Jahren neu verheiratet) weinend angerufen und wusste nicht mehr weiter. Sie sagte nur, dein Vater ist verrückt geworden. Er hat seitenweise Zettel mit Zahlen voll geschrieben, von einer Welt außerhalb der MAtrix geredet, immer wieder gesagt, gleich passiert es... im Grunde also nur wirres Zeug geredet. Da ich knapp 200km weit entfernt wohne, konnte ich nicht direkt zu ihm, bin aber sofort los gefahren. Ich kam gleichzeitig mit dem Notarztwagen an, mein Vater saß im Wohnzimmer, hat mich erkannt und doch wieder nicht. Ich saß dann mit im Krankenwagen. Auf dem Weg ins Krankenhaus meinte er, ich wäre an allem Schuld, aber eigentlich ergab kein Satz einen Sinn.
Im Krankenhaus redete er als davon, die Ärzte sollen ihm endlich sein Heroin geben, was natürlich Schwachsinn war, da er nie Drogen genommen hat. Die damalige Diagnose lautete Schizophrenie... da die Ärzte nicht mehr Herr über ihn wurden, haben sie ihn in Narkose gelegt. Am nächsten Tag sind seine Frau und ich ins Krankenhaus und da war er wieder "normal". Und er wußte von nichts mehr. Die Ärzte haben ihn geröntgt, CT und alles gemacht, konnten körperlich jedoch nichts feststellen. Nur, dass seine Natriumwerte extrem niedrig waren. Ich habe dann im Internet nachgeforscht und dort gelesen, dass eine Psychose durch den Natriummangel kommen kann. Wiederum am nächsten Tag hat er sich auf eigene Verantwortung entlassen.
2 Wochen ging alles soweit gut. Er war zwar nicht mehr der Mann, der er vorher war, jedoch war er bei vollem Bewußtsein.
Genau 14 Tage später hatte er dann wieder einen Anfall, redete wieder wirres Zeug und wurde diesmal sogar aggressiv. Vor allem verbal hat er seine Frau ziemlich fertig gemacht. Wieder Krankenhaus, wieder Untersuchungen. Diesmal wurde ein Schatten auf der Lunge festgestellt. Ich habe das Röntgenbild gesehen und es war klar. Der Tumor erschien mir riesig (glaube, es waren ca. 8cm). Bei der Bronchoskopie wurde dann ein kleinzelliges Broncialkarziom festgestellt, ein paar Tage später wurden Metastasen im anderen Lungenflügel und in der Leber festgestellt. Er war dann drei Wochen im Krankenhaus, in denen er noch weitere Anfälle erlitten hat. Danach konnte er sich an nichts mehr erinnern. Vor einer Woche hatte er dann die erste Chemo, bei der er wohl panische Angst hatte. ER hat sich so rein gesteigert, dass er gegen alle aggressiv wurde, sogar gegen sich selbst. Er hat die Infusionen abgerissen und wollte sich sogar den Port raus reißen. Zum Glück konnte das verhindert werden, da er wieder in Narkose gelegt wurde.

Die erste Chemo ist nun rum und seit 4 Tagen ist er zu Hause. Er ist sehr letagisch, redet kaum, starrt nur vor sich hin und ist sehr schwach. Außerdem friert er die ganze Zeit.
Er hat zwar keinen Anfall mehr gehabt, aber mir kommt sein jetziger Zustand viel schlimmer vor. Er redet nicht von seiner Krankheit und spricht wenn überhaupt, dann nur, dass er wieder arbeiten möchte. Ich glaube, er realisiert gar nicht, dass die Ärzte ihm keine Hoffnung mehr geben. Die Chemo bedeutet nur eine Lebensverlängerung und die Ärzte haben deutlich gesagt, dass es keine Heilung mehr gibt.
Ich glaube, mit dem Krebs kann ich einigermaßen umgehen, jedoch macht mir seine Wesensveränderung viel mehr zu schaffen. Ich bin seit 6 Wochen andauernd am pendeln und vernachlässige mein eigenes Leben, um ihn zu unterstützen. Ich war über Ostern wieder bei ihm und heute den ganzen Tag mit ihm alleine. Wir waren beim Arzt zur Blutuntersuchung und ich wollte mich um ihn kümmern. Zur Erklärung: Ich habe mich immer sehr gut mit meinem Vater verstanden, wir hatten eigentlich nie Streit und er war immer Stolz auf mich und zufrieden mit mir. Doch heute war alles anders. Ich habe seine Ablehnung richtig gespürt. Nichts, was ich gemacht habe, hat ihm gepasst. Er war immer schroff und hat sich eigentlich gar nicht mit mir befasst. Ich hätte auch eine Fremde sein können. Wieder daheim angekommen habe ich mit seiner Frau telefoniert, die mir erzählte, er habe sich über mich beschwert. Ich hätte ihn so bevormundet und mich aufgeführt wie ein General. Ich war stinksauer, habe aber auch Angst, dass er mich nun vollkommen ablehnt.

Ich weiß nicht mehr, wie ich mich verhalten soll. Ich habe Angst vor der nächsten Diagnose und Angst, dass er wieder einen Anfall bekommt. Ich würde ihm gern von meinen Ängsten erzählen und auch davon, wie es mir geht. Denn gefragt, wie es mir geht, hat er mich seit 6 Wochen nicht einmal! Aber ich mache mir Gedanken, ob ich ihn damit nicht zu sehr belaste. Ich hab ja keine Ahnung, wie stabil er von der Psyche ist.
Der Arzt hat heute davon gesprochen, dass man das Nervenwasser mal untersuchen müsste, vielleicht läge die Wesensveränderung auch daran. Kennt sich da jemand mit aus?
Ich habe schreckliche Angst um meinen Vater, Angst, dass er bald nicht mehr bei mir ist und ich fühle mich hilflos.
Weiß jemand, ob man in einem solchen Fall schneller an einen Psychologen ran kommt? Vor sechs Wochen haben wir nämlich schon jemanden gesucht und da hieß es immer: "Termin in 1-2 Monaten", doch meiner Ansicht nach muss ihm sofort geholfen werden.
Es wäre lieb, wenn mir jemand antworten könnte.

Und danken wollte ich schon im Voraus. Viele Beiträge haben mich zum Weinen gebracht und viele haben mir Hoffnung und Kraft gegeben.

Liebe Grüße, sab
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