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Alt 18.11.2008, 13:56
Stefans Stefans ist offline
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Standard AW: Hallo erstmal....

Hallo Susanne,

zunächst mal finde ich es nach wie vor bewundernswert, wie du mit der aktuellen Situation umgehst! Dass du dich erstmal hast krankschreiben lassen, ist IMHO sehr wichtig. Verschafft dir etwas "Freiraum", um dich mehr um deine Mutter kümmern zu können.

Zitat:
Zitat von Susanne85 Beitrag anzeigen
Ich habe einfach ein ungutes Gefühl bei den Behandlungen, die die Ärzte jetzt vorhaben.
(...)
vermutlich haben Ärzte auch die gesetzliche Verpflichtung, Mama zu behandeln. Aber dann sollten sie ihr im gleichen Atemzug auch die Risiken und die Erfolgsaussichten darlegen. Denn Mama hat gesagt, wenn das alles nur 2 Monate bringt, will sie es nicht machen. Aber die Ärzte reden nicht offen mit ihr.
Das ist ebenso typisch wie traurig :-(

Natürlich ist es die Pflicht der Ärzte, eine adäquate Behandlung _anzubieten_. Zugleich ist es ihre Pflicht, den Patienten vorab über Risiken, Nebenwirkungen _und_ den möglichen (Miss-)Erfolg der Therapie (sofern überhaupt vorhersagbar!) aufzuklären. Und natürlich hat der Patient das Recht, eine Behandlung anzunehmen oder _abzulehnen_.

Soweit die Theorie. Die ist aber praktisch nichts wert, wenn die Ärzte mit deiner Mutter nicht offen reden :-( Dass Ärzte es mitunter an Offenheit im Umgang mit dem Patienten fehlen lasse, ist aber auch wieder verständlich. Der Umgang mit Todkranken ist sehr schwierig, auch für Ärzte! Manche Patienten wollen unbedingt und "gnadenlos" "die Wahrheit" wissen. Andere haben Angst vor Fakten und wollen beruhigt und "eingelullt" werden. Beides ist völlig OK. Die Ärzte haben aber oft das Problem, dass es ihrem Feingefühl überlassen bleibt, welchem Patienten sie was sagen (und was nicht). Eine Zwickmühle, in der man eigentlich nie sicher sein kann, "das Richtige" zu tun :-(

Ich kann mir da nur den anderen Leuten hier im thread anschliessen - und dir empfehlen, die Rolle der "Vermittlerin" zwischen deiner Mutter und den Behandlern einzunehmen. Deine Mutter sagt dir als engste Vertraute vielleicht Dinge, die sie den Ärzten nicht sagt. Und die Ärzte sagen dir (wenn deine Mum nicht dabei ist) vielleicht Dinge, die sie in Anwesenheit deiner Mutter nicht sagen. Also solltest du IMHO, sofern du das irgendwie bewältigen kannst, bei Arztgesprächen und Visiten dabei sein, und darüber hinaus allein mit den Ärzten sprechen.

Natürlich kannst du nicht an Stelle deiner Mutter über ihre Behandlung entscheiden. Aber du kannst sicher als engste Angehörige den Ärzten nahebringen, was deine Mutter möchte. Und deiner Mutter behutsam nahebringen, was die Ärzte dir sagen. Auch, wenn das eine extremuindankbare Aufgabe ist, weil du damit zwangläufig "zwischen den Fronten" stehst :-(

Das Wichtigste dabei ist finde ich, dass der Wille deiner Mutter respektiert wird: sie will keine sinnlose Lebensverlängerung durch eine erneute Chemo o.a. Behandlung: "wenn das alles nur 2 Monate bringt, will sie es nicht machen." Sehr gut, dass zu wissen. Schwierig, das praktisch umzusetzen.

Weil dazu deine Mutter selbst "nein sagen" muss, wenn auch mit deiner Hilfe. Und sie muss das gegenüber den Ärzten ganz unmissverständlich tun, solange sie noch physisch und geistig in der Lage ist, ihren Willen zu äußern! Am besten unter Zeugen, also in deinem Beisein. Wenn diese Gelegenheit verpasst wird, dann besteht leider wirklich die große Gefahr, dass deine Mutter letztendlich gegen ihren Willen lebensverlängernd behandelt wird. Und das entscheiden dann (wenn deine Mutter sich nicht mehr geistig klar äußern kann) _ausschließlich_ die Ärzte nach ihrem Gutdünken. Da bist du als Angehörige (egal, ob Tochter oder Ehepartner) völlig aussen vor :-( Heisst: soweit sollte es möglichst nicht kommen.

Ich glaube nicht, dass du deiner Mutter die Freude nimmst, wenn du mit ihr darüber sprichst. Todkranke Menschen meist selbst, wann es für sie Zeit ist, Abschied zu nehmen. Was sich dann halt auch in der Ablehnung "sinnloser" Therapien, die nur das Leid verlängern, äußert.

Für deine Mutter kann niemand sprechen. Aber was du schreibst, habe ich bei Bekannten schon auch erlebt: Es ist keine Heilung mehr möglich. Aber wenn man die Ärzte machen läßt, wird der Todkranke doch noch mal in eine andere Klinik verschoben, um da eine weitere sinnlose Therapie durchzuführen. Das ist IMHO nur noch grausam. Das Sterben wird zum "Verschiebebahnhof" von Klinik a zu b zu c. Und dieses Spielchen wird im schlimmsten Fall (ohne jede Aussicht auf Heilung) so lange fortgesetzt, bis der Patient "endlich" stirbt.

Vielleicht macht es viel mehr Sinn, mit deiner Mutter und den Ärzten darüber zu sprechen, wie man deiner Mutter ein humanes Sterben ermöglichen kann, als "bis zum bitteren Ende" über evtl. mögliche Chemos zu reden. Vielleicht möchte deine Mutter Zuhause sterben, und ihr könnt das sicherstellen, indem sie per Hauspflege und durch ihre Familie / dich (?) betreut wird. Und da nur noch eine schmerzlindernde Morphium-Therapie bekommt. Oder sie möchte, wenn die familiären Verhältnisse bei euch dafür zu schwierig sind, lieber in ein Hospiz? Oder sie möchte in ihrer jetzigen Klinik bleiben, aber eben ohne weiter Chemo oder dergleichen?

Das ist alles möglich, kein größeres Problem. Nur: es muss unbedingt von / mit deiner Mutter geklärt werden, solange sie noch in der Lage ist, ihren Willen klar zu äußern. Dass es seelisch extrem schwierig ist, dieses Thema anzusprechen, sowohl für den Todkranken als auch für die Angehörigen... das ist wohl leider unvermeidlich. Aber daran kommt ihr ohnehin nicht vorbei. Von daher: Lieber zu früh als zu spät.

Und ihr werdet das schaffen, deine Mutter und du! Und es wird allen Beteiligten damit besser gehen, als wenn ihr solche Fragen verdrängt / verschiebt und damit Medizinern überlasst.

Ich wünsche dir und deiner Mutter weiterhin viel Kraft auf eurem Weg! Ihr werdet das schaffen. Viele Grüße, Stefan