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Alt 27.07.2012, 12:51
berliner-engelchen berliner-engelchen ist offline
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Standard AW: Darmkrebs im Entstadium

Hallo Ihr Lieben,
insbesondere Nicole, Cuxland und Arsinoe - danke für Eure Komplimente, ich bin schier vor dem Rechner rot geworden.
Ich kämpfe halt meinen Kampf so gut es irgend geht. Jeden Tag aufs Neue. Das ist jetzt meine Lebensaufgabe. Hatte ich mir mal ganz ganz anders vorgestellt, aber jetzt isses halt so. Die Anerkennung von Euch tut echt richtig richtig gut.

Liebe Cuxland,

Es ist für Dich als Angehörige, die Du nah dran bist, emotional, eine sehr schwere Aufgabe, die Dir da gestellt wird. Du hast nicht darum gebeten, aber nun ist es so. Es ist Deine Chance, daran zu wachsen.
Die "Launen" deiner Großeltern auszuhalten, ist schwer. Sie sind nun selbst total überfordert, und denken nicht mehr darüber nach, wie sie auf andere wirken.

Versuch so viel wie möglich, an dir abprallen zu lassen, all die negativen Momente und die wenigen positiven zu genießen und in der Erinnerung abzuspeichern. am besten kommentierst du die emorionalen Ausfälle der Großeltern nicht oder mit stoischer Ruhe. Um gebetsmühlenartigen die angebote zu wiederholen, Schöne Dinge zu tun: zum Beispiel: bitte komm mit in den Park, Du würdest mir einen großen Gefallen tun." Ich würde so gerne mit dir xy tun....
Klare Ich-Botschaften von Dir kommen besser an als herumzudiskutieren, was der Oma "gut tun würde". Vielleicht schafft sie es nicht mehr für sich selbst etwas gutes zu tun und fragt, wozu das alles noch und warum soll ich überhaupt noch mal aus dem Fernsehsessel raus.
Darüber mit ihr zu diskutieren bringt gerade nichts. Mach ihr einfach konkrete Angebote, die sie Dir zuliebe, weil DU !!!! das gerne mit ihr tun würdest, das eine oder andere Mal annehmen kann. Dann hat sie das Gefühl gebraucht zu werden.

Ich erzähl dir noch ein Geshcichte von mir: als ich auf Intensiv lag nach der total OP, da war es echt knapp. Und dann kam der Moment, da war ich ganz wach und habe keine Luft mehr bekommen, ich konnte einfach nicht mehr einatmen. Und alles wurde warm und strahlend weiss in mir und es war ein wunderbar samtiges Gefühl um mich rum und ich dachte mir: jetzt lass ich los, nichts ist mehr wichtig, ich kann nicht mehr und das ist gut so. Mein geliebter Mann wird sich um die geliebten Babys kümmern (Meine Tochter war 9 Monate und meine Sohn 17 Monate)

Und dann sagte mein Mann völlig panisch und echt laut (und das ist er so gut wie nie, und er denkt eigentlich auch nicht an sich selbst): Du musst dableiben, Du KANNST MICH jetzt nicht verlassen, ICH schaff das nicht, ICH brauche dich und zwar JETZT!!!!!!!!!
Das wohlige Gefühl ist abrupt zusammengebrochen, ich war zurück in einem fiesen, schmerzvollen, dunklem Kampf um mein Leben - aber ich habe es dann geschafft. Die Ärzte sagten, sie hätten nicht mehr dran geglaubt. tja, seitdem kämpfe ich.

Was ich damit sagen will ist: niemand kann voraussehen, welche Momente wir noch vor uns haben. Niemand kann wissen, ob es Deiner Oma nochmal besser gehen wird oder schlechter. Eine Chemo in dem Alter ist auch einfach unglaublich anstrengend. Aber es kommt auch darauf an, was Deine Oma daraus macht.
Natürlich wirst Du deine Oma nie mehr so haben, wie vormals. Aber niemand kann wissen, ob es von jetzt ab "bergab" geht. Sie kann noch so viele schöne Momente haben. Sie kann eine kurze Zeit haben oder eine lange. Aber erst mal hat sie ein MORGEN.

Es ist unrelevant, ob sie noch 1 oder 2 oder 3 Sommer hat, und auch ob sie Weihnachten noch erlebt. Es ist einfach unrelevant in dieser Situation. Am besten versuchst Du, diese Gedanken fort zu schieben - und ich weiss wie schwer das ist.

Du fragst: was ist denn dann relevant? ?? Relevant ist, wie glückvoll Ihr von heute bis zum Tag X lebt. Keiner weiss und braucht wissen, wann Tag X da ist. Relevant ist, ob die Zeit von jetzt bis X schön, wichtig, toll - eben glückvoll - war. Und wenn es zuende ist, dann ist es eben zuende. So ist das eben.
Zu klammern, zu grübeln, zu hadern - all das ist erlaubt und zutiefst menschlich. Aber eben nur zu bestimmten Zeiten. In der anderen Zeit ist es die Aufgabe, möglichst gut zu leben, egal wie lange wir noch haben. Warum denn nachdenken, ob das nun kurz, lang, mittelkurz oder ganz kurz ist??? Das macht nur Angst. Und Angst lässt das glickliche Miteinander sehr schwer werden.

So, und nun tu ich was für mein persönliches Glcüksgefühl: ich lasse all die Arbeitsberge, die ich eigentlich bewältigen müßte heute liegen und geh in den Garten, stell mich unter die eiskalte Gartendusche und lege mich in den schatten und schnüffel herum und genieße den Geruch von Rasen, Sonne, Lavendel

Und setze mich damit auseinander, dass ich Dienstag die nächste Vorsorge habe und mir davor graust. Meine Angstteufel sitzen schon wieder in der Startposition und die Grübelkönige "und was ist, wenn ich wieder ein Rezidiv habe" wollen auch bekämpft werden.
Es ist manchmal sehr sehr schwer.

Ich wünsche Dir und Deiner Oma gaaaaanz viel Kraft
Nimm Dir selbst kleine Schritte vor, die Du mit ihr erreichen willst (so wie mit dem Fisch - das fand ich super), dann kannst Du Dich über Erfolge freuen.

Alles Liebe
Birgit
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