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  #1  
Alt 22.10.2012, 20:06
Larimari Larimari ist offline
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Standard AW: Die Sorge um sich selbst...

so, hier noch ein kurzer abendbericht.

wir haben eine kurzzeitpflegestelle fuer meinen bruder. 25km weg in der nachbarstadt. er kommt dort morgen hin. meine mom hat heute, wie die letzten tage schon, gepackt wie eine wilde. es muss ziemlich viel zeug mit. sie ist fertig mit der welt. fuer meine mom bricht eine welt zusammen. eigentlich brechen saemtliche welten gerade zusammen. ich weiss nicht, wie sie das alles schafft. sie ist eine tapfere frau.

dad ist grad wieder in einer schlechteren phase des deliriums. aber heute hat er irgendwann gemeint, dass sein kopf nicht so mag wie er will, und dass ihn das nervt. und irgendwann hab ich so heulen muessen, und hab gemeint, dass ich ihn so lieb hab. und dann hat er meinen kopf in seine haende genommen, und meinte, er haette mich auch lieb. und dann hats mich zerbroeselt. und ich weiss nicht, ist es mein dad, oder ist es das delirium, was da spricht.

ab morgen duerfen wir wahrscheinlich nicht mehr im krankenhaus uebernacht bleiben. ich weiss nicht, wie das gehandelt wird, obs vielleicht doch klappt, wenn ein bett frei ist. mal gucken. es wird jetzt organisatorisch etwas komplizierter. weil wir natuerlich auch zu meinem bruder muessen.

auf jeden fall befinden uns meine mutter und ich auf irgendeinem komischen weg, der immer auch von loslassen gepraegt ist. es klingt vielleicht komisch, aber wir muessen in der lage sein, zu sagen, es ist okay, wenn sie gehen. sonst schaffen wir das alles nicht.

so, jetzt geh ich mit meiner mom kuscheln!

bis morgen!
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  #2  
Alt 23.10.2012, 08:11
Benutzerbild von Mirilena
Mirilena Mirilena ist offline
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Standard AW: Die Sorge um sich selbst...

Ach Mari,

ich musste gerade heftig schlucken, als ich deinen Abendbericht gelesen habe... Es war nicht das Delirium, sondern dein Papa, der da zu dir gesprochen hat. Das war ein wacher und sehr bewusster Moment, den er da hatte und mit dir geteilt hat. Und ich finde es ganz wunderschön, dass ihr euch gesagt habt, wie lieb ihr euch habt. Auch die Geste deines Vaters, als er deinen Kopf hielt... Das berührt mich sehr.

Es erinnert mich sehr an die Zeit meines Vaters, da er mit Morphium vollgepumpt und zugepflastert war, ständig vor sich hindämmerte und dann auch Gestalten und Stimmen wahrnahm, die wir nicht wahrnehmen konnten. Das muss ihn sehr beschäftigt haben, denn er sagte auch ganz verzweifelt zu mir: "Siehst du, jetzt bin ich nicht nur krank sondern werde auch noch bekloppt im Kopf..." Ich habe ihm dann ruhig erklärt, dass er aufgrund der starken Medikamente all diese Stimmen hört und seltsame Gestalten sieht.

Es ist eine so schwere Zeit, die ihr da jetzt durchmacht. Und gleichzeitig gibt es diese so kostbaren Momente, wie du es jetzt erfahren hast. Diese Nähe, Intensität und Innigkeit. Und Mari, ich kann dir nur den Tipp geben, genau diese Momente mit allen Sinnen aufzusaugen, ganz fest in deinem Herzen einzuschließen, jede Berührung auszukosten, den Geruch deines Papas aufzunehmen, dem Klang seiner Stimme zu lauschen... Wie ich dich "kenne", tust du das ohnehin.

Gemeinsam werdet ihr das durchstehen und deine Mutter ist wirklich eine sehr tapfere Frau! Gut, wenn ihr euch gegenseitig in den Arm nehmen könnt. Ach, fühle dich aus der Ferne ebenfalls in den Arm genommen und gehalten...

Alles Liebe
Miri
__________________
Mein Papa erhielt am 18.04.11 die Diagnose Lungenkrebs mit Knochenmetastasen und ging am 21.02.12 ins Licht. Alles vergeht, aber die Liebe bleibt...

Hand in Hand - gemeinsam sind wir stark!
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  #3  
Alt 23.10.2012, 10:17
El_Desparecido El_Desparecido ist offline
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Standard AW: Die Sorge um sich selbst...

Zitat:
Zitat von Larimari Beitrag anzeigen
es klingt vielleicht komisch, aber wir muessen in der lage sein, zu sagen, es ist okay, wenn sie gehen. sonst schaffen wir das alles nicht.
Liebe Mari,

das klingt ganz und gar nicht komisch, sondern absolut richtig und folgerichtig. Man könnte diese Einsicht bestimmt sogar philosophisch betrachten und für wertvoll befinden.

Ich bin mir genau wie Miriam sicher, dass dein Dad zu dir sprach. Und das dich dieser innige, gegensätzliche Moment der Liebe und des Verlustes "zerbröselt" hat, kann ich nur allzu gut nachvollziehen. Ich habe irgendwann vor 5 Wochen angefangen meinem Vater morgens und abends zu sagen, dass ich ihn lieb habe.
Es werden die Momente sein, an die ich mich später erinnern möchte und werde.

Ich bin im Gedanken bei dir, Mari.
Und wünsche dir Zuversicht, Stärke und Ausdauer für die kommende Zeit.
Was so viel heisst wie: mach einfach weiter so wie bisher!
Du machst das großartig!

Ich drück dich.
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  #4  
Alt 23.10.2012, 10:36
puppe88 puppe88 ist offline
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Beiträge: 205
Standard AW: Die Sorge um sich selbst...

Liebe Mari,

ich habe meinen Vater vor 5 Jahren wegen dieser Krankheit gehen lassen müssen und kann ein wenig erahnen wie es dir gehen mag....

Doch du hast ja nicht nur die Sorge um deinen Vater, sondern gleichzeitig auch noch die Veränderungen, die deinen Bruder betreffen. Es ist schon wahnsinn, was deine Mutter und du im Moment alles "wuppen" müsst - und ihr macht das echt klasse!
Ich habe damals die Erfahrung gemacht, dass man in solch krassen Zeiten irgendwie über sich hinauswächst...von "irgendwoher" die Kraft bekommt, die man braucht.
Ich habe beim Heimfahren von meinen ELtern (sie haben woanders gewohnt) ganz oft meinen Frust beim "Mitsingen" von Radioliedern rausgeschrien - rausgeheult. Das war so ein kleines Ventil, was mir ganz gut getan hat. Ich hoffe, dass du auch eine Möglichkeit hast, deine Gefühle ein Stück weit "abzubauen". Soweit ich mitbekommen habe, lebt dein Freund ja nicht in deiner Nähe - aber ich hoffe, dass du liebe Menschen um dich herum hast, die dir (auch wenn im Moment kaum Zeit dafür ist), das Gefühl geben, sie begleiten und stützen dich auf diesem schweren Weg.

Ich kann mich Mirilena nur anschließen - versuche irgendwie, die "guten" Momente gaaanz fest zu verinnerlichen - sie werden dir noch lange Zeit ein innerliches Lächeln und ein gutes Gefühl verschaffen.
Ich wünsche euch von Herzen, dass es deinem Papa nochmal besser gehen möge - er wieder orientierter wird und ihr noch ganz viele "gute" Momente, wenn nicht sogar Tage davon haben werdet.
Wenn ich darf, drück ich dich ganz lieb in Gedanken....
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  #5  
Alt 24.10.2012, 08:17
Larimari Larimari ist offline
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Standard AW: Die Sorge um sich selbst...

guten morgen!

vielen dank fuer eure lieben worte!

leider war gestern ein bescheidener tag. der dad hat den ganzen tag geschlaffen. und wenn er mal fuer ein paar sekunden wach war, hat er nicht wirklich was registriert. das war traurig. wir haben aber gestern doch ein wenig gelacht, d.h., mein dad hat uns ein bisschen zum lachen gebracht. so aus dem versteckten heraus. er hat naemlich manchmal gedichte geschrieben. und meine mom hat eins gefunden, in dem er ueber seine haare reflektiert, und sich wundert, wie sie so schnell ausfallen konnten. und er muss wohl an dem tag irgendwas ueber das ploetzliche und abrupte ergrauen von frank-walter steinmeier gelesen haben, denn irgendwie bringt er es in verbindung, raeumlich... es klingt komisch, ist auch komisch, und ich hab nach dem lachen erstmal lange heulen muessen, weil die vorstellung, dass er keine gedichte mehr schreibt, zermuerbend ist.

mein bruder ist seit gestern bewohner einer kurzzeitpflegeeinrichtung. es war vor allem fuer meine mutter schlimm. das heim ist eigentlich auf alte leute ausgelegt, aber die damen und herren dort kuemmern sich sehr gut um ihn. er ist halt sehr pflegeintensiv, aber die machen das toll. meine mom ruft ab und zu an, um sich zu vergewissern, dass alles in ordnung ist.

heute haben mom und ich mal zuhause geschlafen. und das war wichtig. jetzt gehen wir zum papa.

liebe gruesse euch allen!
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  #6  
Alt 24.10.2012, 08:28
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Mirilena Mirilena ist offline
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Standard AW: Die Sorge um sich selbst...

Guten Morgen Mari,

schön, dass ihr wenigstens mal für einen Moment auch lachen konntet! Auch wenn da die Wehmut durchkommt, ist es doch sehr wichtig, oder?

Schön zu lesen, dass dein Bruder einen Platz gefunden hat, wo man sich gut und liebevoll um ihn kümmert. So schwer es deiner Ma auch fällt, derzeit geht es einfach nicht anders.

Heute ist ein neuer Tag und vielleicht bringt er ein wenig mehr Licht in euer Dunkel! Ich wünsche es euch von Herzen!!! Übrigens, auch wenn dein Papa sehr viel schläft und dämmert, dann kannst du oder deine Mutter doch mit ihm sprechen. Es kommt ganz sicher bei ihm an und ich könnte mir sehr gut vorstellen, dass allein deine und ihre Gegenwart ihm gut tun.

Alles Liebe
Miri
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Mein Papa erhielt am 18.04.11 die Diagnose Lungenkrebs mit Knochenmetastasen und ging am 21.02.12 ins Licht. Alles vergeht, aber die Liebe bleibt...

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  #7  
Alt 24.10.2012, 12:35
Larimari Larimari ist offline
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Standard AW: Die Sorge um sich selbst...

hi miri!

wir waren heute kurz beim dad, auf ne stunde in der frueh, fahren gleich wieder hin. er hat die ganze zeit geschlafen. aber manchmal, wenn man ihn was gefragt hat, hat er genickt. und die schwester meinte, er sei heute schon mal wach gewesen.

ich war jetzt grad mit meiner mom ein bisschen einkaufen. sie hat keine klamotten, um sich
"unter leute" zu begeben. sie hat nur schwarze sachen gekauft. um vorzusorgen. auf der einen seite verstaendlich, auf der anderen seite aber irgendwie makaber. ich hatte ein schlechtes gewissen.

ach gottchen, ich weiss auch nicht. hoffe, der nachmittag beim papa wird gut.

liebe gruesse,
m.
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  #8  
Alt 24.10.2012, 14:03
puppe88 puppe88 ist offline
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Beiträge: 205
Standard AW: Die Sorge um sich selbst...

Hallo Mari,

das ist mir gerade beim Lesen deiner Zeilen auch wieder eingefallen....als ich damals schwarze Sachen gekauft habe, für die Zeit, nachdem mein Vater gestorben sein wird :-(

Ich kam mir auch ganz seltsam dabei vor, irgendwie ein bisschen wie ein "Verräter", weiß nicht, ob du verstehst was ich meine....

Ich hoffe immer noch sehr, dass es mit deinem Papa nochmal aufwärts geht!
Wieviel bekommt eigentlich dein Bruder von der ganzen Situation mit? Hast du das Gefühl, dass es schlimm für ihn ist, dass er nun in diesem Heim ist?

LG
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