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#1
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AW: Ernsthafte Gedanken über Tod und Sterben
Hallo und grins: Euch einen guten Morgen,
Hase 72 und J.F., ihr sagt beide sehr wichtige und gute Dinge. Ja, es ist manchmal weit über vorstellbare Kräfte hinausgegangen, physisch und emotional. Manchmal war die Erschöpfung so immens, daß Freude kaum mehr zu spüren war … auch die Trauer darüber war intensiv. Ich war sehr froh, daß mich die Schwester meiner Freundin unterstützt hat, wo sie nur konnte, obwohl sie sehr weit weg wohnt, ihr Vater hingegen war einfach nur ein armer feiger Egoist. Lieben Gruß an Dich, Karpatenkarla, ich freue mich sehr zu lesen, wie Du Allen hier soviel Kraft gibst! Es ist nicht makaber: meine Kleine war Fighterin, hatte März 2003 Erstdiagnose Brustkrebs, Oktober 2008 Diagnose rezidiv, also Fern-Metas trotz sauberer Lymphknoten und deren Entfernung. Sie hat dann noch 4 1/2 Jahre gelebt, davon 4 Jahre schmerzfrei und glücklich. Also insgesamt zehn Jahre! Danke an Dich Kleine und ans Universum für unsere schöne Zeit! Es ist so, daß ein guter Schmerztherapeut, Dich kennenlernt und weiß, was Du brauchst, bzw. Dich selbst ersteinmal entscheiden läßt, wieviel Du brauchst. Meine Kleine hatte im letzten Monat Schmerzpumpe, da konnte sie selbst dosieren. Später irgendwann ist das Hirn dazu nicht mehr fähig, dann entscheidet Arzt. "Dauerbreit" wird dann der normale Zustand. Und der ist für die Lieben schwer auszuhalten. Auch wenn sie nicht mehr auf Ansprachen reagiert hat, war ich ziemlich sicher, daß Sie mich gehört und verstanden hat und nicht nur mich. Weiter sprechen, miteineander sein, war mir sehr wichtig. Ich bin Atheistin, und glaube an nicht sehr viel, aber der Palliativarzt hat mir bestätigt, daß sie mich hören konnte, und das war sehr wichtig für uns beide. Wir mußten lernen, Abschied nehmen zu können. Das haben wir. Ist ein Sch…thema, weil Sch…dreckskrankheit! Wüsche Euch allen viel Mut, Heilung und Kraft! Genießt den goldenen Herbst von ganzem Herzen! Herzl a. |
#2
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AW: Ernsthafte Gedanken über Tod und Sterben
Ihr Lieben,
wenn ihr irgendetwas sehr genau wissen wollt zum Thema, kann ich dieses Buch sehr empfehlen: Gian Domenico Borasio: Über das Sterben Der Mann ist Palliativarzt und ein sehr geerdeter und kluger Mensch. Er klärt vieles Dunkle ganz unaufgeregt auf und bezieht klare Position für Patienteninteressen. Ich hätte das Buch gern ein Jahr früher gelesen, aber auch jetzt hilft es mir sehr. Bleibt tapfer! Genießt die wunderbaren Herbsttage und seid herzlich gegrüßt von a. |
#3
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AW: Ernsthafte Gedanken über Tod und Sterben
Hallo und einen guten Morgen,
ich bin gerade selber in der Situation, jemanden auf seinem letzten Weg zu begleiten: mein Mann liegt seit einer Woche im Sterben. Er ist zuhause, im Schlafzimmer, wo ich mein Lager mit allem was ich brauche aufgeschlagen habe. Die ersten Tage hatte ich Angst etwas falsch zu machen, aber mit der Zeit wird einiges zur Routine. Unterstützung habe ich durch Familie, es kommt täglich jemand, um mir auch Zeit für mich zu geben. Auch der Palliativdienst kommt zweimal am Tag, um die Spritzen vorzubereiten, aber auch um mir meine Unsicherheit zu nehmen. Inzwischen ist alles mehr Routine. In den ersten Tagen, konnte mein Schatz sich noch etwas äußern (Durst, Schmerz). Jetzt erkenne ich es an seinen Reaktionen, obwohl trinken nicht mehr geht. Es ist ein Rund-um-die-Uhr Job. Windel regelmäßig wechseln- wieviel Wasser er noch lassen kann, obwohl er nicht viel getrunken hat. Mund befeuchten, ihn streicheln und gut zureden, damit er geht. Zitat:
Einen schönen Sonntag wünscht Sabine
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mein Mann: nichtkleinzelliges Bronchialkarzinom // cT2a N2 M1b / Stadium IV //ED: 1.6.2012 Metastasen: linke Schulter und BWK-1 seit Juni 2012 Hautmetastase hinter dem Ohr seit April 2013 austherapiert seit 2.7.2013, seitdem wartend und hoffend verstorben am 27.10.2013, zu Hause, in meinen Armen |
#4
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AW: Ernsthafte Gedanken über Tod und Sterben
Liebe Sabine,
ich bin erschüttert und wünsche Dir viel Kraft und Mut, den vor Dir liegenden Weg gut zu gehen. Dein Mann wird über Dich wachen - von wo auch immer... |
#5
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AW: Ernsthafte Gedanken über Tod und Sterben
Liebe Sabine,
ich sende Dir mein ganzes Mitgefühl! Und ich wünsche Dir wie Mucki richtig viel Kraft. Bleib so tapfer! LG a. |
#6
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AW: Ernsthafte Gedanken über Tod und Sterben
Liebe Sabine,
auch von mir einen ganz großen und tiefen (Mit)-Gedanken, weil - finde ich - manchmal die Worte fehlen. Aber viele Menschen glauben oder spüren sogar noch die Anwesenheit oder sich beschützt, geborgen - das wünsche ich Dir auch! Und nimm Dir für Deine Trauer soviel Zeit, wie Du brauchst - das entscheidest nur Du ganz allein - niemand anderes! Ich war 2 Wochen in einer psychosomatischen Klinik, die den Schwerpunkt vorallem auf Gruppenarbeit - verschiedene Kerngruppen - auch Trauer, etc. legt. Es war eine sehr aufreibende und aber auch positive Erfahrung für mich. Naklar war es keine onkologisch orientierte Behandlung sondern eher gegen Depressionen, Selbstwertgefühl, Ängste - und das war/ist ja das Problem. Wie geht man mit seiner Angst um? Ich meine nicht die Angst vor Spinnen oder vorm Fliegen - auch wenn mir diese Menschen wahnsinnig leid tun - es ist schwer eine "erlernte" Angst auch wieder zu "verlernen". Aber meine Angst bezieht sich ja eher auf - ja - das Wort kommt am besten hin - Ungewißheit. Vor meiner Erkrankung war ich mit meinem Tod bzw. Sterben im "reinen" aber jetzt ist es natürlich ein ganz anderes Thema in meinem Leben und vor allem - ein viel zu Großes. Ich beschäftige mich soviel damit, daß ich tagelang "vergesse" - zu leben. Das Verrückte ist, mein Verstand weiß es ja - auch durch Eure lieben Texte und Information - es gibt Schmerztherapeuten, Morphium, Patientenverfügungen und sogar evtl. Cannabis gegen Schmerzen und "Siechtum". Meine Ärzte haben mir sogar versprochen, daß sie es nicht zulassen im Fall der Fälle - mich leiden zu lassen. Und ich glaube ihnen auch - dafür sind wir schon zulange Jahre beisammen. Und trotzdem - das Gefühl - die Angst - will irgendwie nicht verschwinden und seit Jahren verderbe ich mir damit meine Lebensfreude. Es ist so ähnlich wie damals, als ich meine Diagnose bekam: da in unserer Familie Brustkrebs schon seit ich denken kann immer ein Thema war (Oma, Mama), bin ich seit ich 29 bin fleißig zur Vorsorge gegangen, das fühlte sich genauso bescheiden an, wie die Nachsorge. Es war eigentlich 10 Jahre lang Streß bzw. Angst. Zwar nicht jeden Tag - aber es war immer da. Als ich dann meine Diagnose bekam war mein erster Gedanke (weil ich hatte mir ja die ganzen Jahre schon ausgemalt, wie es werden könnte, welche Behandlungen, blabla - brauche immer Plan B, C und am besten noch D): Also mein erster Gedanke bzw. Gefühl: Gott sei Dank - jetzt ist es endlich soweit - jetzt hast du es und jetzt brauch ich endlich keine Angst mehr zu haben. Verrückt, oder? Die anderen Patienten oder die Ärzte dachten gleich, mit mir stimmt etwas nicht - die meisten Frauen beschreiben diesen Moment als "Himmel auf den Kopf fallen", oder "Boden unter den Füßen wegreißen", ich war einfach nur froh, daß ich keine Angst mehr vor Brustkrebs haben mußte, weil jetzt hab oder hatte ich ihn ja. Nun nach der ganzen Behandlung und dem sehr positiven Ergebnis, es ist immerhin schon das 4. Jahr, geht es genauso weiter wie zu meinen Vorsorgezeiten. Es ist zum Verrücktwerden, jetzt Angst vor den Nachsorgen - nur ein wenig anders weil: 1. ich weiß, was auf mich zukäme, 2. ich weiß, so schnell stirbt man nicht, 3. ich bin nicht alleine. Das hilft - aber wer hat schon Lust diese ganze Geschichte noch einmal mitzumachen. Ich ziehe mit total zurück, gehe kaum noch aus dem Haus. Ich nenne es das "Klebstofftopfgefühl" - einfach nur in der Küche sitzen und ... nichts tun. Obwohl doch alles gut ist. Vielleicht denke ich einfach zuviel nach - da in meiner Krankenzeit mein Arbeitgeber insolvent gegangen ist und ich noch meinen festen Job verlor (das war für mich fast schlimmer als die Krankheit, weil ich mich da so sicher und wohl gefühlt habe - ich hatte mein Team - alle wußten es - ich hätte auch Hilfe bekommen), bin ich seitdem zuhause. Ich bekomme zwar eine Zeitrente - aber ich habe viel zu viel Zeit. Habe auch schon mehrere 400-Euro-Jobs begonnen und wieder gelassen - es ist einfach noch zu viel für mich. Aber das jahrelange daheimsein - da denke ich sehr viel nach. Anstatt respektvoll dankbar zu sein und froh - denn wieviele von uns haben nicht überlebt. Dies macht mich dann noch mehr fertig - fühle mich sehr egoistisch in meinem Verhalten. Hat jemand von Euch vielleicht auch diese Probleme bekommen? Eine absolute chron. Depression (bekomme sogar Rente deswegen - unglaublich) - obwohl der Krebs erstmal verschwunden ist und es sehr gut für die Zukunft für mich aussieht laut den Ärzten? Ich glaube das ist so ähnlich wie bei einer Schwangerschaftsdepression. Alles ist gut überstanden und manche Frauen werden einfach wahnsinnig depressiv. Und meine zweite Frage bzw. Gedanken, die ich hier gerne mal ansprechen möchte - habe lange überlegt - aber wenn nicht hier - wo denn dann? Natürlich habe ich in der Chemozeit, OP und danach noch eine OP in/an der Lunge sehr sehr viele Schmerzmittel bekommen, ich konnte noch nie gut mit Schmerzen - egal was - umgehen und hatte immer ein Aspirin bei mir. Ja und dann - dies alles dauerte ca. 1 Jahr - wurde ich sozusagen "nach Hause geschickt" aber völlig medikamentenabhängig. Dies ist ein Thema, welches ich in Zusammenhang mit Brustkrebs noch gar nicht irgendwo gelesen habe. Also den Krebs besiegt aber jetzt eine Suchterkrankung? Oder bin ich selber schuld, weil ich soviel Mittel genomen habe, weil ich "Lusche" einfach die Schmerzen nicht ertragen konnte und nie Naturmedizin versucht habe? Es würde ich wirklich sehr interessieren, ob es Euch vielleicht auch ähnlich ergangen ist. Wenigstens habe ich es erkannt und konnte so ganz gut dagegensteuern aber lange Zeit habe ich nicht verstanden, daß vieles an den Medikamenten lag. So - jetzt habe ich aber wieder soooviel geschrieben - das wollte ich doch gar nicht. Ich wünsche Euch alles alles Liebe und Gute. Der November ist ja immer so ein seltsam "trauriger" Monat aber ich hoffe, Ihr kommt alle da irgendwie durch und dann beginnen ja schon die Weihnachtsvorbereitungen. Vielen vielen Dank fürs Lesen und die Informationen, die ich hier immer von Euch bekomme. Es macht mir sehr viel Mut und ich hoffe, ich kann dem einen oder anderen auch etwas postives dalassen. Alles Liebe Karpatenkarla
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#7
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AW: Ernsthafte Gedanken über Tod und Sterben
Liebe Karpatenkarla,
deine Post hat mich traurig gemacht und erst einmal etwas sprachlos, wenn ich ehrlich bin. Du bist eine sehr tapfere Frau und beweist gerade mit diesem Schreiben unwahrscheinlich viel Mut. So möchte ich dir erst einmal für deine Offenheit danken und ich schreibe dir meine persönlichen Empfindungen und Meinungen zu deinen Fragen. Du fragst: Wie geht man mit seiner Angst um? … der Ungewissheit? Nun, ich bin sehr offensiv damit umgegangen und habe mich bewusst meiner Angst gestellt, mich mit ihr bis ins kleinste Detail auseinander gesetzt. Es war ein Prozess, der mich dazu geführt hat, dass ich jetzt noch vorsichtig bin, aber nicht mehr ängstlich. Und das mit der Ungewissheit, das ist wohl überhaupt die Frage der Fragen und kann verdammt quälend sein. Am schlimmsten ist ja das Kopfkino, was einem zukünftige Szenarien vorspielt und wahrlich grausam sein kann. So habe ich gelernt dieses Kopfkino auszuschalten, indem ich bewusst im Jetzt und Hier lebe. Für mich ist der Moment sehr wichtig geworden, und da entdeckt man dann wahrlich viele schöne Dinge. Nein, deine anderen Probleme kenne ich nicht. Klar, als ich die Diagnose bekam, fiel ich in dieses berühmte schwarze Loch und alles sah schwarz aus. Aber seit ich meine Einstellung gegenüber dem Leben, der Diagnose und mir geändert habe und begriffen habe, dass ich sehr wohl meine Gefühle, Gedanken beeinflussen kann und damit überhaupt mein Leben verändern kann, liebe ich das Leben, jeden Tag und genieße all die Momente bewusst. Du schreibst außerdem: Anstatt respektvoll dankbar zu sein und froh - denn wieviele von uns haben nicht überlebt. Dies macht mich dann noch mehr fertig - fühle mich sehr egoistisch in meinem Verhalten. Eh, du darfst egoistisch sein und an dich denken, das ist doch verdammt wichtig – sich selber wert zu sein, an sich zu denken und auf sich aufzupassen, dass es einem gut geht. Denn wenn es dir nicht gut geht, wie kannst du dann wiederum für andere etwas Gutes tun? Das ist das, was ich gelernt habe – mich selber anzunehmen, mich selber zu lieben und zu achten, denn wer wenn nicht ich, sollte das für mich tun? Mit den Medikamenten bin ich ins Gegenteil abgerutscht und feilsche um jede Tablette oder Pille, die ich nehmen sollte. Ganz nach dem Motto: Ich habe schon genug Chemie intus. Somit nehme ich nur ein, was unbedingt sein soll und ich dem zustimme. Zum Monat November – ich mag diesen, wie alle anderen auch. Für mich leitet er die besinnliche Zeit ein und wenn es draußen stürmt und regnet mache ich es mir daheim so richtig schön gemütlich mit einem guten Buch oder Kerzenschein und Musik oder … Auch hier ist für mich die Einstellung eine wichtige Sache. Und so wünsche ich dir, liebe Karpatenkarla, und allen anderen eine gute Einstellung zum Leben, denn es lohnt sich. Alles Gute Evelyn |
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