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  #1  
Alt 27.07.2014, 15:04
catw31 catw31 ist offline
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Beiträge: 56
Standard AW: Endstation Hospiz, wie soll ein Mensch das nur ertragen?

Liebe Agi,

wie gut kann ich Dich verstehen! Tausend Fragen... Immer wieder die Gedanken: Habe ich wirklich alles getan... Ich bin mir sicher, Du HAST. Und ich finde es total schön, dass Ihr zusammen geweint habt. Auch ich habe versucht, immer "stark" für meine Mutter zu sein, habe dann aber nach einem psychologischen Gespräch festgestellt, dass das gar nicht gut ist. Ich habe dann nicht mehr "heimlich" geweint, denn sonst hätte meine Mutter denken können, ich wuppe das alles mit links und sie nicht. Im Zusammen-Weinen waren wir uns ganz nah. Und an diese Momente denke ich jetzt sehr gerne :-)

Das Hospiz ist eine so tolle Möglichkeit, denn man kümmert sich fachmännisch um Deinen Papa, so dass Ihr Euch nicht um Ernährung, Pflege, Medikamente etc. kümmern müsst. So könnt Ihr Euch ausschließlich um den Papa kümmern, vielleicht noch reden oder "nur" Händchen halten.

Und auch ich mache mir große Vorwürfe, dass ich im Moment des Todes nicht bei meiner Mutter war. Es tröstet mich zu wissen, dass sie es gar nicht gewollt hätte. Hätte ich all die Monate an ihrem Bett verbringen können, dann wäre sie sicherlich gegangen, wenn ich zur Toilette oder zum Telefon gegangen wäre. Sie war vom Typ her einfach so, dass sie, wie ein verwundetes Tier, sich lieber in ein Gebüsch zurückgezogen hat und nicht gerne teilen mochte.

Die Frage nach dem Warum... Ja, da kann man nur ins Philosophieren geraten. Am besten gefällt mir die Antwort: Weil ich in der Lage war, es jetzt zu tragen... Warum es gefühlsmäßig allerdings immer die liebsten Menschen trifft und nicht die ekligen, gemeinen, weiß wohl nur der liebe Gott.

Ich schicke Dir eine große Portion Kraft und Energie,

viele Grüße von catw31
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  #2  
Alt 28.07.2014, 16:04
kicia kicia ist offline
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Beiträge: 16
Standard AW: Endstation Hospiz, wie soll ein Mensch das nur ertragen?

Danke euch für eure Antworten!
Heute habe ich mir mal ein paar Stunden genommen und bin ins Elternhaus gefahren, solange ist meine Schwester bei ihm. Seit gestern ist er wieder viel klarer. Auch in der Nacht hat er mich noch gefragt warum und wieso und er will nach Hause. Er macht gerade scheinbar unabhängig vom Hirntumor so eine aggressive Phase durch. Wie könnten wir ihn da rein stecken sagt er. Und er ist sauer. Ich habe versucht ihm zur erklären, dass es gar nicht so schlecht ist da. Viel besser als im Krankenhaus. Und dass ich und meine Schwester immer da sind, solange wir nur können (ich Urlaub bis Sonntag vorläufig, Schwester bis Mittw.). Aber er scheint jetzt so vertieft in sich, meckert nur, er will nach Hause, eine kleine Wertschätzung, dass immer jemand da ist 24/7, die kriegt man nicht. Die erwarte ich auch nicht, aber umso größer die Angst, wie er reagiert wenn wir beide wieder arbeiten müssen und nicht jeden Tag da sein können... bin jetzt gerade mal 2 Std. da mal raus- da lässt er erstmal meine Schwester anrufen wann ich wieder da bin. Das ist so einerseits süß, so kindlich, so hilflos. Und andererseits frage ich mich, was sein soll wenn ich wieder 500 km weit fahre um zu arbeiten.

Oh es wurde schon so lang, nur eine kurze Frage: Ich habe gelesen, man soll den Leuten im Hospiz nicht die Hoffnung nehmen. Ist doch richtig oder? Er fragte mich gestern traurig, scheinbar nicht realisierend, was ein Hospiz ist: Muss ich hier für immer bleiben? Ich sagte Nein. "Nur bis du stirbst" habe ich einfach mal weggelassen. Ist doch richtig oder? Obwohl ich eig. der Meinung bin, jeder Sterbende hätte ein Recht darauf. Aber ich bringe es nicht über das Herz!

Liebe Grüße,
Agi
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  #3  
Alt 28.07.2014, 20:29
mokilove mokilove ist offline
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Beiträge: 29
Standard AW: Endstation Hospiz, wie soll ein Mensch das nur ertragen?

Ich habe mit Tränen in den Augen alle Beiträge gelesen...

Bitte fühlt Euch alle virtuell umarmt in dieser schweren Zeit...

Ich würde an Eurer Stelle den Sterbeskranken niemals ins Gesicht sagen, dass sie sterben werden. So nimmt man ihnen (und sich selbst auch) den letzten Funken Hoffnung meiner Meinung nach.

Was mich anbetrifft, bin ich als Angehörige betroffen und wir stehen wohl sehr bald vor der Entscheidung, wie es für meine sterbenskranke Schwiegermama (ihr Schicksal zu lesen im Gallengangskarzinom-Unterforum) weiter gehen soll. Ich würde sie am liebsten zu uns nehmen, weiß aber gleichzeitig, dass es eine riesige Belastung und Verantwortung wäre und ich bin mir nicht sicher, ob ich es psychisch und physisch bewältigen könnte... Eine extrem schwere Entscheidung...
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  #4  
Alt 29.07.2014, 15:33
kicia kicia ist offline
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Beiträge: 16
Standard AW: Endstation Hospiz, wie soll ein Mensch das nur ertragen?

Heute ist er wieder so traurig Es ist schon furchtbar wenn jemand, der so selbstständig war so schnell zum schweren Pflegefall wird. Besonders macht ihm zu schaffen, dass er nach einem epileptischen Anfall nur noch liegen kann

Ich bin euch wirklich dankbar für eure hilfreichen Antworten. Manche Dinge muss ich mir wohl selbst bestätigen lassen... wie die Frage, ob ich ihm lieber nicht sage dass er sterben muss. Da steht man so hilflos da und weiß einfach nicht was das Richtige ist.
Es ist so der krasse Gegensatz zu meiner Mutter. Sie hat bis zuletzt niemand gesagt, dass sie stirbt. Und nun weiß es mein Vater selbst bis zuletzt scheinbar nicht, dafür alle anderen.

Ich versuche dankbar zu sein für die gemeinsame Zeit... immerhin ist er 68 geworden, nur sowas tut immer weh. Wie viel schwerer muss es nur sein wenn man seinen Partner verliert wie du Klesi oder gar sein Kind... ich les hier so viele tragische Geschichten.
Diese Gemeinschaft hier hilft aber ungemein...versuche das Forum auch meiner Schwester nahe zu bringen weil es ihr bestimmt auch hilft. Bisher mag sie aber nicht.

Agi
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  #5  
Alt 29.07.2014, 15:53
Benutzerbild von little_mermaid
little_mermaid little_mermaid ist offline
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Standard AW: Endstation Hospiz, wie soll ein Mensch das nur ertragen?

Ich möchte dir auch von mir ein Kraftpaket schicken. Ja, es sind unvorstellbare Situationen und sie führen uns zum Kern von Leben und Tod, Geburt und Sterben zurück. Alles, was scheinbar immer "so weit weg" scheint.

Mein Vater wurde auch innerhalb von drei Monaten zum Schwerstpflegefall von einem scheinbar "gesunden" Menschen und ertrug bis zum Ende den Gedanken nicht, dass er (jetzt bereits) sterben musste, obwohl ihm niemand die Wahrheit verschwiegen hat nach den letzten verzweifelten Chemo-Versuchen. Er ist zuhause gestorben, meine Mutter hat ihn bis zum Ende gepflegt. Es ist grauenvoll, einen gliebten Menschen so zu sehen, diese unfassbare Panik vor dem Tod zu ertragen und zu wissen, dass es keinen Ausweg mehr gibt. Eine Palliativärztin hat einmal ganz ruhig mit ihm gesprochen und auch die Wahrheit nicht verschwiegen. Annehmen konnte er es bis zum Ende wohl nicht, also keinen "Frieden machen". Aber wie soll man das schon innerhalb von drei Monaten, wenn einem das Leben weggerissen wird. Und wer mag schon urteilen, wir alle werden uns dem Ende stellen müssen.

Alles erdenklich gute für dich und deine Familie!
__________________
Mein Papa (54): Ende Februar 2013 Diagnose CUP-Syndrom mit Metastasen im ganzen Körper. Drei Chemos. Am 16.05.2013 in den Armen meiner Mutter verstorben. Papa, wir lieben dich!!

http://www.krebs-kompass.de/showthread.php?t=58546

Geändert von little_mermaid (30.07.2014 um 09:47 Uhr)
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  #6  
Alt 29.07.2014, 22:33
zarah zarah ist offline
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Beiträge: 34
Standard AW: Endstation Hospiz, wie soll ein Mensch das nur ertragen?

Zitat:
Ich habe gelesen, man soll den Leuten im Hospiz nicht die Hoffnung nehmen. Ist doch richtig oder? Er fragte mich gestern traurig, scheinbar nicht realisierend, was ein Hospiz ist: Muss ich hier für immer bleiben? Ich sagte Nein. "Nur bis du stirbst" habe ich einfach mal weggelassen. Ist doch richtig oder? Obwohl ich eig. der Meinung bin, jeder Sterbende hätte ein Recht darauf. Aber ich bringe es nicht über das Herz!
Zitat:
Manche Dinge muss ich mir wohl selbst bestätigen lassen... wie die Frage, ob ich ihm lieber nicht sage dass er sterben muss. Da steht man so hilflos da und weiß einfach nicht was das Richtige ist.
Ich denke, in dem Fall gibt es kein richtig oder falsch. Sondern nur das, was für euch zu bestimmten Zeiten ganz individuell passt. Mein verstorbener Bruder wollte oft ganz genau wissen, was gerade mit ihm passiert und was noch auf ihn zukommen kann. Also hat er, wenn er solche Themen von(!) sich(!) aus(!) ansprach, von mir ehrliche und (soweit möglich) vollständige Antworten bekommen. Kann nicht ganz falsch gewesen sein, insofern er sich, wenn ihn die Fragen nach dem wann und wie werde ich sterben akut umtrieben, immer wieder gezielt an mich wandte. Zu anderen Zeiten wollte er sich nicht damit auseinandersetzen bzw. lieber weniger realistische Dinge hören. Dann hat er sich eher an Menschen der Hoffnungsfraktion gewandt.

Klar, "nicht die Hoffnung nehmen" hört sich erstmal gut an. "Falsche Hoffnungen machen" hört sich nicht immer toll an. Ganz schrecklich stelle ich mir aber eine Situation vor, in der der Kranke sich nicht traut, den Tod anzusprechen. Obwohl er eigentlich darüber reden möchte. Weil er seine Angehörigen schonen will. Und die Angehörigen sich nicht trauen, den Tod anzusprechen. Obwohl sie es eigentlich möchten. Weil sie den Sterbenden schonen wollen. Da kann die gegenseitige Rücksichtnahme, denke ich, in eine fiese Sprachlosigkeit kippen. Ein riesiger Elefant mitten im Zimmer. Alle tänzeln drumrum, tun aber so, als wäre da nix. So kann man, scheint mir, einen Sterbenden mit besten Absichten vielleicht auch arg alleine lassen.

Bei meinem Bruder war halt alles da: Mal wollte er sich, durchaus detailliert und bis hin zu scheußlichen Details, die Krebs im Kopf-Hals-Bereich mit sich bringen kann, mit seiner Krankheit und dem Sterben auseinandersetzen. Mal wollte er hören, dass er ja bestimmt noch in einem halben Jahr mit einer Freundin XYZ machen würde. Und mal wollte er einfach seine Kontoauszüge durchsehen. Oder in netter Gesellschaft Fussball kucken. Wir haben uns an dem orientiert, was er jeweils signalisierte. Und an unserem Bauchgefühl. Er war nicht allein. Mit keinem seiner Wünsche und Bedürfnisse. Weder mit dem Wunsch nach offenen Gesprächen. Noch mit dem Wunsch nach zeitweiligem Verdrängen. Und das war, denke ich, gut so.

Ja, es sind unfassbare Situationen. Ich wünschte, diese furchtbare Krankheit hätte Andreas nie erwischt. Aber es war eine Ehre, ihn begleiten zu dürfen. Auf seinem ganz eigenen, ganz charakteristischen Weg. Und es ist ein gutes, warmes Gefühl, dagewesen zu sein, als er uns brauchte. So wie er es brauchte. Das bleibt.

Auch von mir alles Gute dir und deiner Familie! zarah
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  #7  
Alt 31.07.2014, 07:56
kicia kicia ist offline
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Standard AW: Endstation Hospiz, wie soll ein Mensch das nur ertragen?

Heute Nacht ist er nach etlichen Stunden, nach zeitweise starken Schmerzen erlöst. Ich konnte zusehen, wie seine Atmung nachdem er so lange röchelnd da lag immer ruhiger wurde. Ich wusste dass es gleich soweit ist. Es war mein innigster Wunsch dabei zu sein. Aber auf einmal überkam mich die Angst.

Ich bin geblieben, habe ihm bei seinen letzten Atemzügen gesagt, dass wir ihn lieben, er soll sich keine Sorgen machen, wir schaffen das und er soll auf uns bitte aufpassen.

Dann hörte er ganz auf zu atmen. Ist es das, was ihr friedlich einschlafen nennt? Ich bin jedenfalls wenigstens darüber froh, dass er scheinbar keine Schmerzen dabei hatte.
Trotzdem diese Zweifel, haben wir alles getan? Haben wir genug hinterfragt? Haben wir ihn zu früh aufgegeben? Gekämpft hätte er noch. Er hat so viel gegessen im Hospiz. Meine Schwester hatte ihm im Kh immer gepredigt, wenn er fleißig isst dann kommt er schneller zu Kräften und kann schneller nach Hause

Er hätte uns so gern noch was gesagt aber er konnte nicht. Sicher wollte er wieder sagen was ist mit mir los. Was ist passiert. Warum bin ich hier. Ich will nach Hause.
Es tut mir so weh dass er nicht sterben wollte. Er wollte uns um keinen Preis allein lassen, er hat sich so viele Sorgen gemacht um uns, dass wir den Kredit für das Haus nicht allein abbezahlen können etc.

Papi, ich hoffe du bist jetzt alle Leiden los. Es tut mir so leid dass ich dich nicht viel öfter besucht habe, dass du nicht mehr miterlebst wenn ich nach Berlin zurückkehre und dass ich dir so viel Kummer bereitet habe.
Wir lieben dich.
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