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  #1  
Alt 07.11.2014, 14:30
Sybilles Sybilles ist offline
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Standard AW: Ovarialkarzinom mit Peritonealkarzinose und Omental cake

Hallo Ihr Lieben

vielen Dank für die Anteilnahme. Es waren sehr harte Tage dort oben. Mein Schwager ist definitiv nicht in der Lage sich um irgendwas zu kümmern. Er hat sehr eingeschränkte Denkfähigkeiten. Meine behinderte Nichte ist intelligenter als er. Ich habe die meiste Zeit mit Schreibereien, Gesprächen, Telefonaten usw. zu tun gehabt. Die Personen haben sehr schnell bemerkt, dass sie bei meinem Schwager nicht weit kommen.
Mein Bruder und ich haben dort aber auch 3 sehr tolle Frauen kennengelernt, die ich von der Erzählung meiner Schwester bereits kannte. Sie haben sich in den vergangenen Wochen sehr um meine Nichte bemüht. Eine dieser Frauen hat sich angeboten die Familienpflege zu übernehmen. Damit sie aber dafür bezahlt wird müssen zig Anträge gestellt werden. Es waren bereits sehr viele Ämter informiert. Ich habe mich beim Jugendamt für diese Frau stark gemacht. Sie wirkt sehr couragiert und energisch. Sie ist selbständige Autorin und Lektorin. Ich habe den Herrn vom Jugendamt, der eigentlich wollte, dass mein Schwager und meine Nichte zu ihm kommen, aufgefordert in die Wohnung zu kommen und sich selbst ein Bild zu machen.
Dort sah es grauenvoll aus. Die hygienischen Zustände katastrophal. Ich wollte eigentlich gleich wieder weg ins Hotel. Mein Schwager hat aber geweint und uns gebeten nicht zu gehen, auch als ich ihm gesagt habe, dass ich mich vom Hotel aus kümmere. Wir haben dort nichts zu Essen oder Trinken bekommen. Dafür haben wir selber gesorgt, auch dass die beiden was haben. Der Kühlschrank war voll mit abgelaufenen Lebensmitteln. Wir haben dort sehr viel Geld ausgegeben. Mein Schwager geht wohl regelmäßig einkaufen, aber was im Kühlschrank war ... na ja, Fettreich, kein Gemüse, kein Obst, Salat nur für die Meerschweinchen. Meine Nichte war mal mit mir einkaufen, ich habe ihr eine Flasche Kakao spendiert. Sie war davon total begeistert. Wir haben ihr jetzt einige Flaschen gekauft. Ist zwar auch nicht das ideale Getränk, aber besser als wenn sie gar nichts trinkt. Ich habe den Frauen gesagt, dass ich dafür sorgen werde, das L-T aus der Wohnung rausgenommen wird, falls nicht bald in irgendeiner Form eine Betreuung funktioniert. Die Lehrerin von ihr war auch bei der Beerdigung und hat sich erboten, dass sie mir regelmäßig Bericht erstattet. Ich habe dort oben wirklich viele nette Menschen kennengelernt, die bereit sind zu helfen. Aber es muss einfach eine fixe Person da sein, die sich um alles kümmert. Er kann nicht lesen, nicht schreiben, nicht rechnen, nicht denken. An der Beerdigung habe ich erfahren, dass er nicht mal geschäftsfähig sein soll. Er hat aber die Verträge für die Bestattung und den Grabstein unterschrieben. Da hoffe ich, dass es da keinen Ärger geben wird.
In einigen Anträgen, die ich ausgefüllt habe, steht eindeutig drin, dass man sich bei unwahren Angaben strafbar macht. Ich habe jetzt einen Brief dazu formuliert, dass ich nur auf die Angaben meines Schwagers und der vorhandenen - und einsehbaren - bzw. kopierten Unterlagen angewiesen war und deshalb für die Richtigkeit nicht garantiere. Ich muss mich da aus der Verantwortung nehmen.

Dort oben im Norden ist es üblich, dass Verstorbene nochmals gesegnet werden, wenn sie im Sarg liegen. Mein Schwager und L-T wollten nicht dabei sein. Sie wollten meine Schwester nicht mehr sehen, obwohl sowohl Pastor als auch der Bestatter meinten, dass das wichtig wäre. Wir haben es letztlich so gemacht, dass meine Nichte an der Tür stehen geblieben ist und mein Schwager nur kurz im Zimmer war. Ist, glaube ich, auch besser so gewesen.
Ich hätte meine Schwester auf der Straße nicht erkannt. Man hat ihr sehr deutlich angesehen, dass sie wirklcih sehr schwer krank war. Ich habe ihr nochmal versprochen, dass ich auf ihr Kind aufpasse. Ich werde auch alles daran setzen das zu halten.
ich habe sehr viele Schreibarbeiten mit nach Hause genommen. Hier kann ich in Ruhe arbeiten. Das Wichtigste ist zunächst einmal erledigt.
Die Trauerfeier und das anschließende Kaffeetrinken war sehr schön. Meine Schwester hätte sich gefreut.

Wir sind natürlich in den totalen Supergau des Bahnstreiks geraten. Ich habe am Mittwoch nach der Beerdigung nochmal bei der Bahn angerufen und mir die Ersatzzüge nennen lassen und gleich online auch noch Sitzplätze gebucht. Leider ist nur der erste Zug gefahren. Die anderen sind ausgefallen bzw., nachdem der erste ICE nicht gefahren ist, waren die anderen auch wieder weg. Nach langem Hin und Her und frieren auf den Bahnhöfen bei den langen Wartezeiten, sind wir um 21.30 Uhr gestern hier angekommen. Reguläre Ankunft wäre 17.20 Uhr gewesen. Ich habe mir die Formulare für die Erstattung bereits geholt. Ich bin total platt, ich habe so gut wie nicht geschlafen und dachte eigentlich, dass ich die Nacht zuhause besser schlafe, es ist aber noch so viel zu erledigen. Das ist mir nicht aus dem Kopf gegangen. Ich mache mir auch große Sorgen um L-T. Ich muss mich in den nächsten Tagen etwas mehr abgrenzen.

Jetzt habe ich euch wieder viel erzählt. Ich hoffe, dass es nicht zu viel für euch ist. Ich werde hier immer mal wieder reinschauen und euch berichten
__________________
Liebe Grüße

Sybille
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  #2  
Alt 07.11.2014, 16:39
ulrikes ulrikes ist offline
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Standard AW: Ovarialkarzinom mit Peritonealkarzinose und Omental cake

Liebe Sybille,
dein Bericht über das, was Du dort oben erlebt hast, hat mich fassungslos zurück gelassen. Irgendwie würde ich jetzt gerne bei Dir vorbeikommen und dich verwöhnen. Es ist wunderbar, was du alles in der kurzen Zeit für die Familie deiner Schwester erreichen konntest. Jetzt erhol dich erstmal gut zu Hause.
Alles Liebe und Gute
Ulrike
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  #3  
Alt 07.11.2014, 20:02
Benutzerbild von Tündel
Tündel Tündel ist offline
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Beiträge: 877
Standard AW: Ovarialkarzinom mit Peritonealkarzinose und Omental cake

Hallo, liebe Sybille!

Oh ,Mensch mennooooo, das hast du ja richtig viel mitgemacht da oben im Norden!
Und jetzt musst du dir auch noch soooo viele Gedanken um die Kleine-Große machen!

Ich glaube, es war gut, dass sie ihre tote Mama nur von weitem gesehen hat! So hat sie ihre kranke, aber lebendige, sie liebende Mama im Gedächtnis!
Mein Stiefvater hat damals seine Mutter nochmal gesehen und den schrecklichen Anblick, den sie nach ihrem Blutsturz und Krebstod bot, nie vergessen!

Ich hab mir meinen, nach langer Krankheit auf der ITS verstorbenen Ehemann vor Augen, der völlig friedlich, wie schlafend dalag! Trotzdem war es sehr hart!
Ob ich meine tote Mama sehen wollen würde, weiß ich nicht!

Ich glaub, es war gut so, deine Nichte hat "aus dem Bauch raus" das für sie Richtige entschieden! Sicher nicht überlegt, aber richtig für sie!

Was deinen Schwager angeht, da kann man sich vielleicht eher streiten, aber auch er muss mit den Bildern allein fertig werden, denn ihr seid ja weit weg!

Deshalb sei nicht enttäuscht oder erschreckt über diese Reaktionen!

Du hast ganze Arbeit geleistet, beide, wenn auch nur kurzzeitig gestützt, gehalten, aufgefangen! Suuuuuuuper! Aber mehr konntest du in diesem Moment nicht tun!
Für alles andere sind jetzt Ämter und Spezialisten zustàndig, die eine Lösung finden müssen, die Ruhe in beider Leben bringt! Das ist deren Job, dafür kriegen die Geld und das nicht zu knapp!

Und du musst auch zur Ruhe kommen, dafür brauchst du alle deine Kraft!
Ich schick dir ein Powerpackerl, machs gut und viel Kraft
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__________________
Tündel

Das Leben ist halt lebensgefährlich!!!
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  #4  
Alt 09.11.2014, 18:10
Sybilles Sybilles ist offline
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Standard AW: Ovarialkarzinom mit Peritonealkarzinose und Omental cake

vielen lieben Dank für eure Antworten.

Tündel, ich sehe die Not meines Schwagers auch. Er kann halt nicht anders. ich respektiere, dass er und auch meine Nichte eine Entscheidung getroffen haben, die für sie gut ist.

Ich habe noch ein paar Mal mit einer Freundin von meiner Schwester telefoniert, auch mit meinem Bruder geredet. Wir sind gemeinsam der Auffassung, dass man beide nicht trennen sollte, aber beide ins betreute Wohnen gehören. Ich hoffe, dass sich da schnell etwas tut und ich aus der Verantwortung bin, in der ich jetzt einfach noch stehe.
Ich werde nächste Woche mit den Behörden nochmals telefonieren und die Dringlichkeit klar machen.

ich wünsche euch einen guten Start in die neue Woche
__________________
Liebe Grüße

Sybille
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  #5  
Alt 11.11.2014, 17:35
Edeka Edeka ist offline
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Standard AW: Ovarialkarzinom mit Peritonealkarzinose und Omental cake

Liebe Sybille,

Du hast meinen allergrößten Respekt!
Es ist ein großer Liebesdienst, dass Du den Schlamassel Deiner Schwester so aufrecht, klug und beherzt aus großer Entfernung und mit eigenem dickem Gepäck klärst! Ich bin sicher, dass Deine Unterstützung ihr Sterben leichter gemacht hat. Sie wusste bestimmt, dass Du Dich kümmern wirst.
Ich hoffe sehr für Dich, dass sich bald eine gute Regelung findet und dass es für Dich gut weitergeht!

Viele liebe Grüße
Edeka
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  #6  
Alt 11.11.2014, 21:53
Sybilles Sybilles ist offline
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Standard AW: Ovarialkarzinom mit Peritonealkarzinose und Omental cake

Guten Abend Ihr Lieben

gerade habe ich den letzten Packen ausgedruckt. Morgen geht er in die Post, dann ist erst mal wieder Ruhe bis die ersten Nachfragen kommen und die werden sicher kommen. Ich konnte nicht alles ausfüllen, weil die Unterlagen fehlen und mein Schwager nichts mehr weiß. Ich habe das aber in den Anschreiben bereits formuliert. Mal schauen, ich kann eigentlich jetzt nicht mehr viel machen und hoffe, dass schnell eine Betreuung organisiert wird. Dann schicke ich den ganzen Kram dort hin und die sollen sich kümmern. Für mich bleibt dann das Auge auf meine Nichte.

einen schönen Tag wünsche ich euch
__________________
Liebe Grüße

Sybille
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  #7  
Alt 13.11.2014, 15:17
berliner-engelchen berliner-engelchen ist offline
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Standard AW: Ovarialkarzinom mit Peritonealkarzinose und Omental cake

Liebe Sybille,

sicher weißt du selbst, dass Du das ganz ganz super machst und bis jetzt schon hinbekommen hast. trotzdem möchte Dir das aus der Ferne noch mals sagen.
Es ist ein grosser Liebesbeweis an deine Schwester. Wer weiss, vielleicht wollte sie in diese Lebenssituation auch nicht zurückkehren, weil sie keinen Raum für sich als Schwerkranke dort sah. manchmal ist das so.
und sie hat sicher darauf vertraut, dass du die Lebensbasis für ihre Tochter, deine Nichte auf eine bessere Ebene hebst.

So wie du die Situation beschreibst sehe ich es auch so, dass der weg ins betreute Wohnen für beide eine wirklich gute Lösung ist. Aber wer weiss, vielleicht ist es sogar noch besser, wenn deine Nichte in eine Pflegefamilile kommt, in der sie ihren individuellen Platz bekommt und Anschluß an ein normales Familienleben erfahren kann. Dann ist auch mehr Raum zum einen für ihre Trauer um den Verlust der Mama und zum anderen für ihre eigene Entwicklung. vermutlich könnte der so bedürftige Vater die Lebensentfaltung der Kleinen eher hindern als stützen.... Aber Du hast sicher eine sehr gute Einschätzung vor Ort gewonnen, auf deren Grundlage du Entscheidungen findest.

Das ist der größte Dienst, den du deiner Schwester erweisen kannst. Sie ist dir sicher sehr dankbar und du wirst das bald immer besser spüren können.

ich weiss, wie kraftzehrend es ist, lebensdinge von Verstorbenen zu entwirren (ich habe aktuell auch nach über 1 Jahr immer noch mit dem Erbe meiner Mama zu tun). Dafür sende ich Dir ein ganz besonders grossen Kraftpaket.

Alles Liebe für Dich und schön, dass Du weiterhin schreibst!

Wie geht es DIR denn aktuell jenseits aller Erledigungen??

Grüße vom
chen
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