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  #1  
Alt 11.03.2015, 14:14
Wind Wind ist offline
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Standard AW: CUP - Neuroendokrines Karzinom

Liebe Schreck,

willkommen hier bei mir und danke! Nein … ich kann die Welt nicht retten … aber ich würde es doch so gerne. Und ja, du hast recht, ich muss mich etwas abgrenzen, aber ich will ja auch immer da sein für Beide. Und ich will ihnen auch das Gefühl geben, dass ich immer da bin. Es ist schwierig … sehr schwierig.

Liebe Astrid,
alles gut mit der Erkältung … Sonntag war es am Schlimmsten … jetzt geht es schon wieder.

Ich verstehe die Mama sehr, sehr gut. Ich war ja selbst vor zwei Jahren sehr intensiv in die Pflege meiner Freundin eingebunden bis zu ihrem Tod. Und ich konnte abends immer wieder gehen und fühlte mich trotzdem wie erschlagen. Ich weiß, wie furchtbar es ist, den ganzen Tag da zu sitzen und zu warten … auf was auch immer. Die Mama hat es rund um die Uhr und ich weiß, was sie leistet. Und ich verstehe auch, wenn da ab und zu die Sicherungen durchbrennen. Genau deshalb bin ich ja auch jederzeit für sie erreichbar und ich möchte ihr wirklich das Gefühl geben, dass sie nicht alleine ist. Aber ich bin nun mal 800km weit weg und das kann ich auch nicht ändern. Manchmal tut es dann einfach weh, wenn man etwas vorgeworfen bekommt, was schon seit 20Jahren so ist und auch immer gut war. Ich weiß, dass ihre Angst und Hilflosigkeit aus ihr spricht, aber es ist ja auch nicht so, dass ich hier sitze und mich des Lebens erfreue. Ich habe auch furchtbare Angst und fühle mich auch hilflos. Ich fühle, dass mein Platz beim Papa sein sollte, aber ich habe hier doch auch mein Leben. Ich muss doch auch hier funktionieren. Es ist gerade eine ganz furchtbare Situation, weil ich gar nicht weiß, was richtig oder falsch ist. Mit der Mama ist natürlich mittlerweile alles geklärt … eigentlich gab es ja nichts zu klären. Es gab da diese Aussagen von ihr, ich habe sie mir angehört, versucht zu erklären, dass es mir echt mies ging … war zwar nebensächlich für sie … aber alles ist gut zwischen uns. Sie weiß nicht, dass ich mich verletzt gefühlt habe, damit muss ich sie nicht auch noch belasten. Das wisst nur ihr hier … und ich hoffe, ihr verratet es nicht . Irgendwie muss sie ja auch ihren Frust abbauen … und wenn es nur so geht, dann halte ich auch noch die andere Seite hin. Ich habe hier ja euch und einmal runter geschrieben, sieht die Welt schon wieder ganz anders aus. DANKE !!!!

Ich habe die Mama schon ganz oft drauf angesprochen, wie es mit ein paar Auszeiten aussieht. Oder was sein soll, wenn es gar nicht mehr geht. Sie macht da komplett dicht, will es nicht hören. Solange sie es kann, wird sie alleine weitermachen, sagt sie. Ich hoffe nur, dass sie merkt, wenn es nicht mehr geht. Sicher bin ich mir nicht. Sie hat viele nette Nachbarinnen, die immer mal wieder reinschauen. Die eine hat gestern auch den ganzen Vormittag auf den Papa aufgepasst, weil Mama einen Arzttermin hatte. Sie hat viele Freundinnen, die ständig anrufen, aber leider weiter weg wohnen. Als ich letztens dort war, ging es echt zu wie in einer Bahnhofshalle. Wenn nicht irgendwer kam, dann klingelte das Telefon. Aber am Ende des Tages ist sie alleine mit all ihren Ängsten und Sorgen …
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  #2  
Alt 12.03.2015, 08:23
Wind Wind ist offline
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Standard AW: CUP - Neuroendokrines Karzinom

Ihr Lieben, bei uns kommt gerade eins zum anderen. Seit gestern hat der Papa ein ganz merkwürdiges Pfeifen beim Atmen. Abends war der Arzt da, hat ihn abgehört und gemeint, das Wasser ist jetzt im Bauch und drückt auf die Lunge. „Viel Zeit hat er nicht mehr“. Er sprach nicht von Tagen, aber auch nicht von Monaten. Und er machte den Vorschlag, dass es doch schön wäre, wenn wir mit unserem Sohn an Ostern nochmal kommen. Papa erzählt ja ganz viel von seinem Enkel und die Beiden sind schon immer Arsch und Eimer gewesen. Ostern war bei uns sowieso angedacht, allerdings hatte ich immer offen gelassen, ob ich den Lütten mitnehme. Ich hatte ja schon mal geschrieben, dass unser Weihnachten so nett war und die Beiden zusammen so viel Spaß hatten und ich unserem Sohn gerne diese schöne Erinnerung lassen würde. Gestern Abend rief der Papa dann an und fragte, ob ich den Lütten mitbringe. Naja, gefragt ist anders, aber … du bringst doch meinen Lütt Schiet mit, wenn du kommst …
Manche Dinge zerreißen einen einfach innerlich. Und ja … wir nehmen ihn jetzt mit und fahren die Woche vor Ostern. Und ja … ich hoffe, dass die Zeit noch reicht. Es sind noch zwei Wochen … irgendwie kommt es mir fast zu lang vor. Gibt es so etwas wie Vorahnungen oder denkt mein Kopf einfach nur wieder zu viel? Sehe ich Gespenster, wo noch gar keine sind?
Natürlich könnte ich auch früher fahren, aber mein Kleiner hat in der Schule einige Veranstaltungen, auf die er sich richtig doll freut. Klassenausflug, Schulübernachtung, Musicalaufführung … darf ich ihm das nehmen, nur weil sich in meinem Kopf irgendwelche Gedanken festsetzen? Will ich ihm das nehmen?
Meine Mama war gestern am Telefon total euphorisch. Ich kann das gar nicht so recht beschreiben. Total aufgedreht und fröhlich. Das war völlig skurril. Und der Arzt hätte gesagt, es ist nicht mehr viel Zeit und wir sollen den Enkel mitbringen und Papa hat sechs Fischstäbchen gegessen und heute will er ein Steak und er will ab heute keine Windel mehr und er fühlt sich so gut und überhaupt. Ganz, ganz merkwürdig. Ob sie das Ausmaß dieser „Zeitaussage“ nicht sehen will … nicht sehen kann? Ich wusste gar nicht recht, wie ich auf diesen Ausbruch der Fröhlichkeit reagieren sollte. Es war irgendwie ein wenig unheimlich.
Eben kam eine Nachricht von ihr, dass die Nacht sehr unruhig war, Papa viel mit seinem linken Arm gearbeitet hätte. Oh Mann … mache ich alles richtig?
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  #3  
Alt 15.03.2015, 16:56
Bernsteinketterl Bernsteinketterl ist offline
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Standard AW: CUP - Neuroendokrines Karzinom

...gerade kurz bei Astrid vorbei gesehen und nun lass ich dir ein paar Zeilen da...du machst definitiv ALLES richtig meine Liebe...sehr, sehr richtig sogar...du bist so stark...und ich weiß verdammt gut, wie sehr man damit zu kämpfen hat, dass dieser verflixte Tod einfach nicht einschätzbar und so unberechenbar ist..."er hat nicht mehr lange", "er wird das Krankenhaus nicht mehr lebend verlassen" - alles so unkonkret...obwohl man es doch so gerne wissen würde, wie viel Zeit, dass man noch hat um alles einzuplanen, noch alles unterzukriegen...ob man es das nächste Mal noch nachholen kann, wenn man etwas vergessen hat zu sagen...hm...wir wissen es einfach nicht...und das Schlimmste dazu ist, dass wir uns doch nur die baldigste und friedlichste Erlösung für unsere Lieben wünschen...und die wird ihnen auch gewährt werden...wenn der Zeitpunkt gekommen ist - den wir nicht kennen...also liebe Wind...Tag für Tag....wie immer...nicht vor denken...freuen über die Kleinigkeiten die im Jetzt sind...alleine schon freuen darüber, wenn der Papa bittet seinen Enkel mit zu nehmen...freuen darüber, dass ER sich darauf freut...unabhängig davon, ob er es noch erleben darf...vertrau auf dein Gefühl ob du erst Ostern fahrst oder vorher...oder am Besten - wenn du dich das traust...frag das doch deinen Papa einfach...offene Frage, er soll ganz ehrlich sagen, wie er es fühlt...wann du kommen sollst...unsere Lieben haben ein sehr feines Gespür dafür glaub ich...alles Liebe für Dich und bleib weiterhin so großartig stark!
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  #4  
Alt 16.03.2015, 09:31
freundchen70 freundchen70 ist offline
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Standard AW: CUP - Neuroendokrines Karzinom

Mein Papa starb am 2.1. diesen Jahres. Am 31. habe ich mich noch ganz normal mit ihm unterhalten können. Einen Tag später ging das schon nicht mehr. Er hat dann soviel Schmerzmittel bekommen und war ganz abwesend. Einmal noch hat er mich richtig angeschaut und nach seinem Enkel gefragt.
Also habe ich die Kinder nochmal kurz Hallo sagen lassen. Ich weiß nicht, ob er das mitbekommen hat.
Dieses röcheln und pfeifen hatte er auch.

Und , maja meine mum wollte es auch nicht so richtig glauben. Sie hat so ihr tägliches Programm gefahren. Verdrängen würde ich sagen.
Die Ärztin meinte dann auch, wir sollten mit ihr reden.

Mein Vater starb dann Zuhause. Es war rund um die Uhr jemand bei ihm. Schlimm, auch wenn er schon82 war. Ich vermisse ihn.
Meine Mutter ist depressiv und meine Schwester kommt auch nicht so richtig klar.
Ist schon schwer jemanden loszulassen. Auch wenn man es weiß.

Ich wünsche dir Kraft. Du machst das richtige.

Grüße
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  #5  
Alt 16.03.2015, 20:31
Benutzerbild von Geliplie
Geliplie Geliplie ist offline
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Standard AW: CUP - Neuroendokrines Karzinom

Liebe Wind, du machst alles richtig. Nimm deinem Kind diese kleinen Freuden nicht. Ich habe meinen allzu sehr vernachlässigt. Bereue es sehr. Zur not fahr alleine, weiß jetzt nicht, wie weit die Entfernung ist. Aber ich schließe mich den vorschreiberinnen an: alles richtig.
Mein Vater hatte auch dieses furchtbare röcheln. Als die palliativ Ärztin die Treppe hoch kam, sagte sie: hier stirbt jemand, ohne ihn gesehen zu haben. Er starb noch am gleichen Abend. Vielleicht hat "euer" röcheln aber auch andere Ursachen, ich will dir keine Angst machen.
Sei gedrückt und viel Kraft
Gelb
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Geli

http://www.krebs-kompass.org/showthr...t=63898&page=3
__________________
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  #6  
Alt 18.03.2015, 09:16
Wind Wind ist offline
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Standard AW: CUP - Neuroendokrines Karzinom

Ihr Lieben,

ich melde mich mal wieder … musste mich die letzten Tage etwas rausnehmen und dachte, ich bekomme dann meinen Kopf vielleicht etwas frei. Natüüüüürlich hat das nicht funktioniert .
Vielen lieben Dank für eure lieben Worte. Es tut so gut, von euch zu lesen.

Liebe Freundchen70 … willkommen hier bei mir … in deiner schweren Zeit. Ich bin überzeugt, dass dein Papa mitbekommen hat, dass seine Enkel noch bei ihm waren, auch wenn er es nicht mehr zeigen konnte. Magst du mir schreiben, wie alt deine Kinder sind? Unser Junge ist neun und ich habe ein wenig Angst davor, dass es ihn aus der Bahn wirft, wenn er seinen Opa jetzt sieht. Wahrscheinlich ist es aber auch ganz viel dieser Mutterinstinkt, der mich ihn beschützen lassen will.

Liebe Geli, liebes Bernsteinketterl … danke, das ihr da seid!

Bei uns geht es im Moment … irgendwie. Papa wird von Tag zu Tag schwächer, der Beinumfang ist von Freitag auf Montag um zwei Zentimeter angewachsen. Die Physiotherapeutin misst immer. Papas Hals ist jetzt auch ganz dick. Er hat ja auch schon lange nicht mehr richtig gegessen und getrunken, aber seit ein paar Tagen sagt er es auch. Er will nicht mehr essen und trinken. Er sagt, er merkt, wie er immer mehr verfällt. Aber er freut sich auf uns … auf seinen Enkel.
Und dieses Röcheln … liebe Geli … es ist „noch“ nicht das Sterberöcheln … das kenne ich von meiner Freundin, die vor zwei Jahren an dieser beschissenen Krankheit gestorben ist. Es ist eher wie so ein Rasseln. Klar … ich weiß … das Wasser drückt auf die Lunge und auch dieses Rasseln ist nicht gesund … aber es ist noch nicht das Röcheln, dass ich damals bei meiner Freundin hörte.
Mama hatte ja immer noch die ganz leise Hoffnung, dass es vielleicht doch nochmal besser wird mit dem Papa und er sich etwas erholt. So ist es ja um die Weihnachtszeit geschehen. Ich habe bisher nie wirklich dagegen gesprochen, obwohl ich weiß, dass es so nicht mehr kommen wird. Gestern hat dann die Palliativschwester zu ihr gesagt, dass es kein „Auf“ mehr geben wird. Da war sie dann ganz traurig, aber so richtig in ihrem Bewusstsein ist es nicht angekommen. Aber vielleicht braucht sie auch dieses Hoffen, um weiter machen zu können. Und ich kann und will es ihr auch nicht nehmen.
Am Montag hat die Mama geweint am Telefon … sie hat diesen Samstag Geburtstag und Papa wusste es nicht mehr. Ach Mensch …. aber wenn er doch nur noch schläft, weiß er doch auch gar nicht mehr, welcher Tag ist und ob es früh, mittags oder abends ist. Und sie weiß es ja auch, Trotzdem hat es sie traurig gemacht. Aber ich habe alles organisiert … habe für den Papa ihr Lieblingsparfum besorgt, welches er ihr immer schenkt und noch so ein paar Kleinigkeiten. Papa sagte dann: „Ach mein Muschelchen …. das du das alles so für mich machst.“ Und bei mir rollten die Tränchen.
Von mir bekommt die Mama einen selbstgestrickten Schal. Wie ich den zustande gebracht habe, kann ich mir selbst gar nicht erklären. Tausend Mal angefangen, weil ich eigentlich gar keinen Kopf dafür hatte, aber er ist fertig geworden und ich hoffe, sie freut sich.
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  #7  
Alt 19.03.2015, 20:59
freundchen70 freundchen70 ist offline
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Beiträge: 287
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Liebe Wind, meine Tochter ist 11 und mein Sohn 14 .
Die kleine hat sehr geweint um ihren Opa und ich habe Ihnen gesagt, dass das auch okay ist. Die erwachsenen haben ja auch geweint. Der große hat dann Zuhause ganz heimlich geweint. Bzw. wir haben zu dritt im Bett gelegen und geweint.
Die Beerdigung war sehr hart für die kleine, aber auch sehr wichtig.

Ich wünsch euch viel Kraft und ich schau mal wieder vorbei
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