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  #1  
Alt 12.11.2005, 17:17
Elfie Elfie ist offline
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Beiträge: 499
Standard AW: Was tun wenn es nichts mehr tun gibt?

liebe Simone,
ich weiß nicht, ob ich die richtigen Worte finde, doch Deine Schilderung hat mir meine Situation vor einigen Jahren wieder deutlich in Erinnerung gebracht.
Meine Mutter wußte damals auch um ihre Situation und hat sich wie sie sagte "in Gottes Hand gegeben". Wir haben sie in ihren letzten Wochen intensivst zu Hause begleitet. Bis zu dem Zeitpunkt wo sie noch sprechen und verstehen konnte haben wir uns viel ausgetauscht, was vor allem meine Mutter und mich sehr glücklich gemacht hat. Das war eine so intensive, liebevolle Zeit, die ich immer in Erinnerung haben werde. Dann kam die Zeit, in denen sie die Nahrung verweigerte und durchs Morphium nicht sehr oft ansprechbar war, manchmal aber auch sehr unruhig war. Liebevolles Zureden, Streicheln half in diesen Situationen. Ich habe ihr viel vorgelesen und vorgesungen und glaube auch manchmal ein Lächeln gesehen zu haben.
Auch bei mir sagte natürlich das Herz, ich will nicht akzeptieren, dass man bei meiner Mutter diese Krankheit nicht in den Griff bekommen kann, sie darf doch noch nicht sterben! Aber der Verstand wünschte sich nach einigen durchwachten Nächten doch, dass sie endlich schaffen möge heimzugehen.
Liebe Simone, Deine Situation ist im Moment nicht leicht, doch Du schaffst das auch, Deiner Mutter in ihrer letzten Lebenszeit beizustehen.
Sie geht den Weg nur voran, den wir alle einmal gehen müssen.
Ganz viel Kraft und viele Grüsse aus OWL von Elfie
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  #2  
Alt 12.11.2005, 18:17
Annett59 Annett59 ist offline
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Beiträge: 48
Standard AW: Was tun wenn es nichts mehr tun gibt?

Liebe Simone, ich verstehe sehr gut deine Ambivalenz bzgl. Gefühlen in solch einer Ausnahmesituation! Dass du deine Mutti nicht gehen lassen willst, ist doch klar, in aller Regel hängen wir Töchter doch sooo sehr an unserer Mami, weil wir bei ihnen doch noch oft Kind sein können.
Dass du ihr wünschst, sie möge es bald überstanden haben, ist auch klar, wer kann einen lieben Menschen schon so leiden sehen. Ich finde es sehr mutig, dass ihr offen alles besprochen habt und den Abschied offen vollziehen könnt ohne Lügen. Manche Menschen werden am Schluss ganz sanft und "pflegeleicht", andere aufbegehrend und aggressiv. Sicher ists nicht leicht für euch, aber ihr könnt euch ja in der Begleitung abwechseln, so dass auch dein Vater in einem anderen Raum wieder Luft holen kann. Sich vorzustellen, dass solch ein gewaltsamer Tod (und das ist ein Krebsleiden!) einem Menschen das letzte abverlangt, gibt euch sicher die Geduldund Liebe, eurer Mutti alles, was geht, zu erleichtern. Für die Schmerzen muss der Arzt sorgen.
Aber du kannst die Hand halten, erzählen, vorlesen, streicheln, deinen Vater umarmen und ihm Mut machen und diese letzten Schritte mit ihr bewusst GENIESSEN, auch wenn gerade das schwer fällt. Warum? Weil es nur noch eine kurze Zeit ist, die ihr gemeinsam verbringt. Sie kann zu einer kostbaren Erinnerung für dichwerden, und du weißt am Ende, dass du alles getan hast, um ihr nahe zu sein und sie beim Sterben nicht allein sein zu lassen. Das ist sooo viel!
Warum schreibe ich das so? Abgesehen davon, dass wir ein krebskrankes Kind haben, erlitt meine Mutti mit 60 vor 7! Jahren einen Herzstillstand und liegt seitdem im Koma! wie froh wäre ich, wenn sie meine Liebe, Zuwendung, Nähe und Gedanken noch aufnehmen, reflektieren und belächeln könnte. Wenn ich noch Antworten auf meine mir immer wieder einfallenden Fragen bekäme. So wünsche ich jedem, der diese schmerzliche Zeit begleiten muss, dass er bewusst bis zum letzten Moment die Nähe zum geliebten Menschen suchen kann. Herzlichst und in dem Sinn ganz viel Kraft zum Durchhalten! Annett.
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  #3  
Alt 12.11.2005, 21:22
moni2 moni2 ist offline
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Registriert seit: 02.03.2005
Beiträge: 14
Standard AW: Was tun wenn es nichts mehr tun gibt?

Haalo Simone,


bei uns ist es im Moment genau das Gleiche :-(

Aber mein Papa stirbt nicht an BSDK sondern an den Folgen.
Will heißen er liegt seit vier Wochen quasi im künstlichen Koma und er hat das ganze Programm erleiden müssen.

Lungenentzündung,Bauch-OP, Intubation, Luftröhrenschnitt, Magensonde, immer wieder gefäßchirurgische Eingriffe.
Die Bestrahlungen haben seine inneren Organe und Verwachsungen so porös gemacht, es gibt im Zwölffingerdarm eine Blutung die nicht zu stoppen ist.

Dann hat er sich in den letzten 4 Wochen 2x einen multiresistenten Keim (MRSA) eingefangen. Der Erste war weg jetzt ist er wieder da.

Er liegt in einem Isolierzimmer in der IOI (Intensivstation) Uniklinik ..

Das einzig positive ist wir sind nicht so eng an die Besuchszeiten gebunden 15-17 Uhr, weil er alleine in dieser Box liegt.


Es fällt sehr schwer nach einem Besuch zu gehen, aber er soll auch nicht mehr leiden müssen :..(
Noch vor 5 Wochen gabs gute Nachrichten: Der Primärtumor war weg, dann plötzlich große Schmerzen, seit dem liegt er im KH.

Komischerweise sieht er von der Haut und vom Gesicht her sehr gut aus, er ist nicht gelb sondern hat eine eigentlich gesunde Hautfarbe.

Wir begreifen nicht das es jetzt so schnell zu Ende geht...

Wir können uns auch nicht mehr mit ihm verständigen, es ist wohl besser ihn schlafen zu lassen.......


Alles Gute und viel Kraft

moni

P.S. Hatte auch einen Tread angefangen, aber dann nicht weitergeführt. Er heißt "von mikroskopisch klein zunicht mehr operabel"
__________________
moni
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  #4  
Alt 13.11.2005, 16:21
Lili Lili ist offline
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Registriert seit: 15.08.2005
Beiträge: 83
Standard AW: Was tun wenn es nichts mehr tun gibt?

Hallo Ihr Lieben,
ich möchte mich auch an dieser Stelle einmal zu Wort melden. Abgesehen davon, dass ich mich nach meiner Diagnose BDSK vor 4 1/2 Jahren schon mal mit dem Gedanken konfrontiert sah, vielleicht nicht mehr sehr alt zu werden - ich war damals knapp 47 - habe ich in der Zwischenzeit ziemlich viel über die psychischen und zwischenmenschlichen Aspekte einer solchen Erkrankung nachgedacht, ganz unabhängig von den medizinischen Möglichkeiten.

Ich möchte vor allem Dir, Annett, recht geben:

1. Wir müssen vieles bei der Diagnose Krebs letztlich als schicksalhaft akzeptieren, weil die Medizin halt noch nicht so weit ist. Das, was man selbst tun kann, ist letztlich beschränkt. Da wir aber in einer vom technischen Fortschrittsglauben bestimmten Gesellschaft leben, neigen wir ziemlich schnell dazu zu glauben, "da muss doch noch was zu machen sein." Klar, man kann ziemlich viel machen und die Medizin macht auch gewaltige Fortschritte, aber den Krebs haben wir letztlich noch immer nicht im Griff, auch wenn es gottseidank immer mehr Überlebende gibt.

2. Die Annahme, es hänge ganz viel von der eigenen Haltung und vom Kampfesgeist ab, ist zwar gut und schön und sicher auch hilfreich - soweit es die medizinische Therapie begleitet. Man ist dann aber auch gefährlich schnell bei bei im Esotherikbereich gern herbeigezogenen Theorie, jeder sei für seine Gesundheit verantwortlich und wer die "richtige" Haltung hat, werde auch nicht krank; und wenn man denn schon trotzdem Krebs bekommt, hinge es ebenfalls von der Mobilisierung eigener Kräfte ab, ob man gesund wird. Damit wird dem Einzelnen ein Maß an - vermeintlicher - Eigenverantwortung für Krankheit im allgemeinen und Krebs im besonderen auferlegt, die ich für völlig unverantwortlich halte. Klar gibt es Risikofaktoren für viele sog. Volkskrankheiten, die zu reduzieren man in der Hand hat, wie Rauchen, Alkohol, Übergewicht, zu wenig Bewegung usw. Wir sind aber auch einer immer stärker belasteten Umwelt ausgesetzt, der wir eben nicht so ohne weiteres entgehen können und die millionenfach stattfindende Zellteilung in unserem Körper schlägt eben mitunter auch aus nicht näher ersichtlichen Gründen Kapriolen und produziert "bösartige", aus dem Normalprozess fallende Entwicklungen, die dann in Krebs enden.

3. Bestätigen möchte ich Annett insoweit, als es bei Krebserkrankungen, die in einen letztlich tödlichen Verlauf einmünden, sich wenigstens für die Beteiligten meist die Möglichkeit des bewussten Abschieds eröffnet, bei aller Trauer und allen qualvollen Begleitumständen. Ich finde auch, dass dies auch positive Erfahrungen beinhaltet, die man nicht hat, wenn z.B. der Angehörige im Koma liegt, oder wenn, wie bei mir zur Zeit, ein Elternteil innerhalb weniger Monate dement wird und dies quasi zu einem Abschied auf Raten führt, der, so scheint es mir, vom Dementen kaum noch bewusst vollzogen werden kann. Wohl gemerkt: es gibt nichts Gutes an einem Abschied vom Kranken oder Alten, aber doch Positives, vor allem, wenn er bewusst geschehen kann.

Was also tun, wenn es nichts mehr zu tun gibt? Vielleicht akzeptieren lernen, bescheidener werden, auch zugewandter und nach einer Weile ein Stück weit weniger zornig.
Lili
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  #5  
Alt 13.11.2005, 20:56
Sonja A. Sonja A. ist offline
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Beiträge: 385
Standard AW: Was tun wenn es nichts mehr tun gibt?

liebes simönchen,

vor etwas mehr als einem jahr war ich mit meinem papa in deiner situation.
ich denke, wir haben zusammen alles "gut" gemeistert. zumindest war mein papa glücklich und ich kann es auch wieder sein. nichts blieb ungesagt.
niemand muss ein schlechtes gewissen haben. niemand hat etwas verpasst.

ich kann bestens nachvollziehen, wie es dir geht. genieße die zeit mit deiner ma. die zeit mit meinem papa war die intensivste liebevollste zeit meines lebens mit ihm. papa wusste stets, dass wir alles für ihn tun. papa wusste aber auch, dass er nicht uns zuliebe bleiben muss sondern gehen darf, wenn leben zu schwer wird. das ist wichtig und sollte gesagt werden. man möchte wissen, dass man kein chaos hinterlässt. ein "was sollen wir ohne dich tun" ist in dieser phase fehl am platz. es ist viel freudiger, wenn man von seinem weiteren leben erzählt mit dem geliebten menschen mitten im herzen.

mir hat die seite lebensgedanken.de sehr geholfen. sie ist toll.

ich wünsche dir eine sehr innige liebevolle zeit mit deiner ma und noch viele schöne momente, die dein weiteres leben sehr bereichern und mit wärme füllen werden.

alles gute und melde dich hier jederzeit.

sonja
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  #6  
Alt 13.11.2005, 22:06
Simönchen Simönchen ist offline
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Registriert seit: 14.09.2005
Beiträge: 32
Standard AW: Was tun wenn es nichts mehr tun gibt?

Dankeschön ihr Lieben,
ich werde die verbleibende Zeit intensiv gestalten und versuchen alles sensibel wahrzunehmen. Es tut mir wirklich leid das dies nicht allen möglich ist.

Ich schicke Euch allen einen fetten Knuddler und glaube das nur wirklich die besonderen Menschen so schwere Aufgaben zu bewältigen bekommen.
Herzliche Grüße
Simönchen
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  #7  
Alt 14.11.2005, 15:04
Benutzerbild von Roland
Roland Roland ist offline
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Registriert seit: 09.02.2005
Ort: Schweiz
Beiträge: 101
Standard AW: Was tun wenn es nichts mehr tun gibt?

Hallo Simone,

Ich möchte Dir danken, dass diese Problematik mit welcher ihr konfrontiert seid, so offen ansprichst.
Es ist absolut nicht selbstverständlich, dass solche Fragen wie: "wünsche ich ihr den Tod ?
Wünsche ich ihn für uns?" so offen diskutiert werden. Mir sind ähnliche Fragen durch den Kopf gegangen
aber ich habe sie (leider) sofort wieder verdrängt und mir gesagt, so was darf man doch nicht mal denken.

Und doch ist es meist dann, wenn es soweit ist, Tatsache, dass man irgendwie froh ist, dass der
geliebte Mensch diese unsäglichen Schmerzen nun nicht mehr ertragen muss. Was gibt es schlimmeres
als jemanden leiden zu sehen ohne helfen zu können ???

Ich finde es gut, dass ihr alle offenen Punkte besprechen konntet. Auch wenn es nun ein Warten auf das
Regenbogenland ist, zeigt es Doch, dass Du möglichst viel Zeit mit Deiner Mutter verbringst und
das spürt sie bestimmt und kann dann auch mit einem Gefühl der Geborgenheit und Wärme loslassen und
die schmerzende Hülle abstreifen.

Ich wünsche euch viel Kraft für den schweren Weg welchen ihr nun gehen müsst.

Liebe Grüsse

Roland

“Gib’ mir die Kraft, die Dinge zu ändern, die ich ändern kann; die Gelassenheit, die Dinge zu ertragen, die
ich nicht ändern kann - und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden!”
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