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  #1  
Alt 16.07.2013, 20:08
Milena1974 Milena1974 ist offline
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Beiträge: 14
Standard Vater lässt Mutter "nicht gehen"

Hallo,
Meine Mutter liegt seid bald 7 Wochen im Sterbebett. Sie hat einen Gehirntumor. Mein Vater hat sich dafür entschieden, sie zum zum Tod zu Haus zu pflegen, was er auch hervorragend tut. wickeln, waschen, umlagern etc. 2x am Tag kommt die Pflege, aber das meisten hat er da eh schon gemacht.

Die paleativärztin wollte anfangs ihr Nahrung und Flüssigkeit verweigern, meinte, es wird so ne Woche dauern, nicht viel länger. Daraufhin ist mein Vater ausgetickt, dass er Mama weder verhungern noch verdursten lassen wird. Die Ärztin hat dann dem Tropf zugestimmt und damit hat dann wohl alles seinen Lauf genommen.

Wie gesagt, das geht nun 7 Wochen so und ich bin mittlerweile am Ende meiner Kräfte. Psychisch und physisch. Eine Zeitlang lag sie im Koma, da hieß es, jetzt wird sie sterben. Aber nein, Mutter sah das nicht ein, ganz im Gegenteil, sie wurde wieder wach,sogar so wach, dass sie selbstständig schluckweise was trinken konnte, Flüssignahrung bekam und auch ein paar Worte sagen konnte. Soweit alles okay.
Aber die Tatsächlich, dass sie sterben wird, ist da und wird täglich mehr. Mittlerweile liegt sie apathisch da, Augen offen aber nicht klar, der .Blick irgendwo ins Nirwana, der Mund hängt runter, ihre Haut ist dünn, dass jede Falte im Laken tiefe Riemen hinterlässt........
Ich kann das nicht mehr ertrage . Ich habe schreckliche Alpträume, Wache nachts ständig auf, bin gereizt. Jeden Tag, seit 7 Wochen fahre ich zu ihnen hin und bodigte 1,5 Stunden ungefähre. Ich bin aber auch voll berufstätig und muss da eben auch voll da sein.

Viel schlimmer ist aber der Anblick! Mir zerreist es die Seele, wenn ich sie so sehe. Meine Eltern haben eine Patientenverfügungen gemacht und da steht, keine lebensverlängeren Maßnahmen.
Ist das denn nicht auch schon Lebensverlängernd wenn sie den Tropf bekommt? Ich glaube nicht, dass sie ihren Zustand so gewollt hätte. Ich würde jedenfalls nicht so enden wollen, das wäre das schlimmste was man mir antun könnte.
Aber obwohl meine Tante (seine Schwester), die Hausärztin, einer der Pflegerinnen und ich ihm schon öfters gesagt haben, er soll nun endlich loslassen und sie gehen lassen, so sieht er dies nicht ein und macht ALLES damit sie bei ihm bleibt, was er ihr auch so sagt.
Ich weiß nicht, was das soll. Er sagt zwar, dass er weiß, dass sie sterben wird, aber er will sie noch da haben, auf die paar Tage kommt es nicht an. Dass wir alle inkl seiner Person aber leiden, dass übersieht er lieber.
Ich denke, er hat Angst vor dem danach. Anders kann ich es mir nicht mehr erklären.

Was soll ich nur tun?

Lg
Milena

Ist
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  #2  
Alt 17.07.2013, 08:50
Nirak 56 Nirak 56 ist offline
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Beiträge: 27
Standard AW: Vater lässt Mutter "nicht gehen"

Liebe Milena
bei uns war es ähnlich nur das es bei uns unser Sohn war . Wir pflegten ihn zu Hause und es war schrecklich ihn so zu sehen er war doch erst 23 Jahre alt. Mein Mann konnte es garnicht realisieren, er rief fast täglich den Notarzt, meinte man könnte ihn doch nicht einfach sterben lassen. Er konnte und wollte es nicht verstehen. Ich wollte auch nicht das er stirbt aber ich wollte das er nicht mehr leiden muß. Eines Abends sprach der Notarzt dann mit meinem Mann,sagte ihm das er ihn nun endlich gehen lassen müßte, er kann nicht gehen wenn wir so fest an ihm hängen. Mein Sohn starb als ich allein mit ihm im Zimmer war , seine Freundin und mein Mann hatten kurz zuvor das Zimmer verlassen. Nur ich war bei ihm . Sein erster und sein letzter Atemzug gehörten nur mir.
Ich weiß es ist schwer loszulassen aber es ist das letzte was wir für sie tun können. Ich umarme dich und wünsch dir viel Kraft .
Karin
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  #3  
Alt 17.07.2013, 20:00
Milena1974 Milena1974 ist offline
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Beiträge: 14
Standard AW: Vater lässt Mutter "nicht gehen"

Danke Katrin für deine Antwort und deinen Bericht.
Wie lässt man denn los? Papa hat uns gefragt wie er sie denn angeblich festhällt. Ich hab es ihm auch gesagt. Indem er sich über jede winzige Besserung wie blöde freut, indem er sich die größten Sorgen macht sie könnte vom Liegen an Fuß z.b. eine. Wunde bekommen, indem er sagt sie soll noch da bleiben.
Er gibt es nicht zu. Er sagt immer nur, dass er das genau weiß. Aber er benimmt sich nicht so. Vielleicht ist er selbst auch hin und her gerissen.
Wie hat dein Mann es denn dann letztendlich verkraftet?

Hab heute mit ihm gesprochen und ihm gesagt, wie ich es sehe und von meinen schlimmen Träumen. Er sagt, sie bekommt so keinen Tropf mehr, keine Medis, nur dieses Zeug, was wie ein leichtes Narkotikum wirkt. Aber auch das läuft nicht immer durch. Er stellt es immer mal einige Stunden ab.
Somit bekommt sie nur die Flüssigkeit mit dem Narkotikum. Sagt er jedenfalls. Hab aber hier und da schon herausgefunden, dass er nicht jedem immer so die Wahrheit sagt.

Ich habe nun nächste Woche Urlaub. Kämpfe mit mir, ob ich mich nun rar ma hen darf, mit meinem Mann Ausflüge machen darf und nur alle 3 Tage kurz zu ihm komme. Mama bekommt das eh nicht mehr mit. Aber ich habe trotzdem ein unheimlich schlechtes Gewissen, ihr gegenüber und auch ihm gegenüber. Ich will nicht, dass er denkt, dass ich mich abwende, nichts mehr von ihm oder Mama wissen will.

Lg
Milena
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  #4  
Alt 17.07.2013, 20:10
chrisi0211 chrisi0211 ist offline
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Beiträge: 938
Standard AW: Vater lässt Mutter "nicht gehen"

Hallo,

sag Deinem Vater, dass man jemanden, der so leidet und den man liebt die Ruhe vergönnt sein soll und er loslassen soll... Tja, das ist leichter gesagt als getan und er klammert sich leider nur noch an ihrem Körper, am liebsten möchte er alles rückgängig machen können und klammert sich so an jedem noch so winzigen Strohhalm, er will sie nicht verlieren... sie selbst lebt ja schon in einer anderen Welt, sie ist ja nur kurz und phasenweise noch da, sie selbst ist sie schon lange nicht mehr .

Steh Deinem Papa in dieser schweren Zeit bei, nimm Dir aber auch Auszeiten, es nützt ja niemanden was, wenn Du zusammenklappst.

Wünsche Dir und Deinem Papa ganz viel Kraft und möge Deine Mama bald erlöst werden von ihrem Leiden.
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  #5  
Alt 18.07.2013, 08:39
Nirak 56 Nirak 56 ist offline
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Beiträge: 27
Standard AW: Vater lässt Mutter "nicht gehen"

Liebe Milena
ja wie lässt man richtig los, ich weiß es nicht. Man will ja schließlich nicht das sie sterben . Mein Mann hat bei den Gesprächen mit den Ärzten immer nur genickt und gesagt das er es versteht und wenn sie weg waren ging alles von vorne los. Heute redet er nicht mehr darüber ,er macht alles mit sich alleine aus. Nach außen ist er betont fröhlich doch in ihm sieht es anders aus. Ich habe immer ein schlechts Gewissen , den schließlich war ich es die an seinem Bett stand und dachte ,wann ist es endlich vorbei wann hört diese Qual auf. Ich weiß das mein Sohn nie so weiter leben wollte ,ohne Hoffnung auf Besserung und als Pflegefall .Wenn man das verstanden hat ,das unsere Lieben das bestimmt nicht wollen , dann können wir sie gehen lassen. Auch wenn es unheimlich schwer ist.
Lg karin
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  #6  
Alt 18.07.2013, 20:57
Nordlicht2013 Nordlicht2013 ist offline
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Beiträge: 4
Standard AW: Vater lässt Mutter "nicht gehen"

Hallo Milena,

Männer trauern anders als Frauen (größtenteils, gibt immer Ausnahmen ). Wenn Frauen mit Schmerzen, Trauer und Ängsten konfrontiert sind, "lösen" sie die Gefühle, indem sie sich anderen anvertrauen, sich Hilfe holen und vor allem reden - manchen hilft allein schon das Reden, auch ohne Lösung. Viele entwickeln während des Austausches mit anderen eine für sich passende Lösung.

Männer lernen in unserer Gesellschaft, dass sie handeln müssen, um etwas zu lösen. Hier wird nicht geredet, sondern getan. Was auch der Grund ist, warum Männer - wenn sie nicht gerade in einem sozialen oder kommunikativen Beruf sind - oft "stumm" sind und es ihnen nicht hilft oder es für sie peinlich ist, reden zu müssen.

Das könnte erklären, warum dein Vater zwar auf Reden mit Worten reagiert, dann aber doch wieder in ein Handlungsmuster umkippt, um seine Traurigkeit bewältigen zu können, vielleicht auch, um sich nicht hilflos zu fühlen, durch Handeln (egal, wie sinnlos diese Handlungen sind) Verantwortung zu übernehmen oder nicht an die Zeit "danach" denken zu müssen. Vielleicht will er anders, sein Unbewusstes "zwingt" ihn jedoch zum Handeln, weil er möglicherweise keine andere Verarbeitungsstrategie gelernt hat. Dummerweise gibt es - wie du geschrieben hast - in der jetzigen Situation nichts, was man durch aktives Handeln tun, lösen oder verbessern könnte...wahrscheinlich wirkt deshalb das, was er tut, so widersprüchlich...

Ich kann dir nicht mit einem Patentrezept weiterhelfen, mir kamen nur beim Lesen zwei Gedanken:
1. hat dein Vater irgendwelche Männer mit Trauer-/Verlusterfahrung in seiner Nähe, mit denen er einfach 'mal zusammensein könnte oder die ihm - ohne Gespräche - einfach mal mitnehmen/"rausholen" könnten? (oder gibt es männliche Hospitzhelfer, die ihn besuchen und unterstützen könnten?)
Er scheint bereits in der Trauerphase zu sein, sonst würde er wahrscheinlich gar nicht so an deine Mutter "Klammern". Ein Teil von ihm weiß schon, was gerade los ist.

2.
Es kann auch sein, dass dein Vater im Moment unter dem Eindruck steht, dass er deine Mutter nicht aufgeben "darf" (als wäre er dann "schuld", wenn sie stirbt). Sollte das der Fall sein, könntest du vielleicht noch schauen, ob es im Umfeld einen Psychologen gibt, der ihm in der schwierigen Situation beim Loslassen hilft. Verwirrte Gefühle im Sinne von Trauer, Wut, Schuldgefühlen, Ängsten etc. sind normal, wenn jemand geht, den man liebt.

Zum Loslassen:
Ein Bekannter von mir (damals 62) hat als seine Frau nur noch körperlich anwesend war und es deutlich war, dass es zum Ende geht, zum einen psychologische Hilfe in anspruch genommen (hat er erst hinterher erzählt), und zum anderen als ein Mittel zum Loslassen für seine Frau einen Baum gepflanzt. Er hatte das wohl als sein persönliches Symbol zum Loslassen gefunden. Er meinte, der Psychologe hatte ihm damals dazu geraten, einen passenden Baum zu finden, der nicht immergrün ist, sondern sich auch über die Jahreszeiten verändert, und den er zu Ehren seiner Frau und der Liebe zu ihr pflanzt. Mein Bekannter meinte, damals habe er noch überlegt, eine Schatzkiste mit Erinnerungsstücken an seine Frau bei dem kleinen Bäumchen zu vergraben (ob er es tatsächlich gemacht hat, weiß ich nicht, ich fand einfach die Idee schön). Der Baum steht immer noch. Ich habe das erst Jahre später erfahren, weil er lange darüber geschwiegen hat, obwohl wir ansonsten guten Kontakt hatten.

Ich wünsche deiner Familie und dir viel Kraft, deiner Mutter, das sie bald erlöst ist und deinem Vater, dass er einen Weg zu trauern findet.
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