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Alt 28.11.2008, 14:18
Mapa Mapa ist offline
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Standard AW: Betroffen?! Angehörig?! Herzlich Willkommen!

Hallo Ihr Lieben,
ich möchte zu diesem Thema auch mal was beitragen, obwohl ich in der letzten Zeit hier situationsbedingt nur selten schreiben kann. Aber gerade deswegen passt es dazu. Bei uns sieht es zur Zeit nicht gerade rosig aus. Aber das wussten wir ja schon immer und müssen eben das Beste daraus machen. Leider wird es einem durch die ganze Umwelt nicht gerade leichter gemacht. Dazu ein akutes Beispiel:
Als mein Mann am Montag bei diesem Knochenszinti war, begegenete uns mal wieder eine Liebenswürdigkeit der besonderen Art. Meinem Mann ging es an diesem Tag sehr schlecht, weil er noch unter den Medikamenteneinflüssen der Krankenhausbehandlung stand (Antidepressiva, usw.). Als das Knochenszinti endlich fertig war, hat er sich noch kuzr auf ein Bett gelegt, weil er auf mich gewartet hat. Die Leute aus der Nuklearabteilung waren sehr nett und sie haben sogar mehr gleich mitgemacht als nötig war, bzw. von den Ärzten aufgeschrieben. Also sämtliche Knochen, Hirn und was es noch so gibt, weil das sicherer wäre, wie sie meinten. Sie versprachen mir auch, es so schnell wie möglich dem Arzt zur Begutachtung vorzulegen. Das Ergebnis war auch recht schnell da. Außer der einen Knochenmetastase im einem Brustwirbel (kann wegen zu gefährlicher Stelle leider nicht bestrahlt werden) war nichts zu erkennen. Also keine weiteren Metastasen da. Sollte man sich da nicht eigentlich freuen? Hab ich nämlich getan. Die Freude hielt aber nicht lange. Ich ging zu meinem Mann ans Bett, er lag im Gang, und teilte ihm die freudige Nachricht mit. Er freute sich natürlich auch. In diesem Moment kam eine Krankenschwester her (ganz jung noch) und fragte, wie es denn so gehe. Mein Mann meinte, es ginge ihm nur heute nicht ganz so gut wegen der letzten Tage und auch die Schulter würde schmerzen, aber er wäre froh, dass wenigstens das Szinti so gut ausgefallen wäre. Da stellt sich diese blöde Nuss hin, macht ein Gesicht, als wenn sie 30 Jahre studiert hätte und sagt: "Die Prognose kennen sie aber schon?" Dann eine kleine Pause und dann noch: "Aber Schmerzen, Schmerzen muss keiner haben. Möchten Sie Schmerztropfen?". Das sagte sie auch noch in einem Tonfall, als wenn sie gleich die stärksten Opiattropfen holen würde, die es gibt, weil es ja gleich vorbei sein könnte. Ich habe es so satt, ständig auf diese Prognosen hingewiesen zu werden, ständig den Eindruck vermittelt zu bekommen, als wenn man schon tot wäre. Noch lebt mein Mann, soll ich mich vielleicht auch noch dafür entschuldigen? Soll ich ein Schreiben an die Krankenkasse aufsetzen, in dem ich um Verständnis bitte, dass der Sch..krebs entgegen aller Statistiken und Prognosen es noch nicht geschafft hat, die Kosten einzudämmen und sein Werk zu tun?
Angesichts dieser Tatsachen ist es doch nur zu verständlich, wenn bei uns und eben auch bei Annika das Kopfkino ständig arbeitet. Was nützt uns denn ein Glühwein oder Einkaufsbummel, wenn einem ständig im nächsten Moment wieder vermittelt wird, wie es aussieht? Frau Nachbarin X und Krankenpfleger Y schlagen die Hände über dem Kopf zusammen, wenn man von Lebermetastasen spricht. "Auch Du liebe Güte, na ja, wenn schon die Leber betroffen ist, dann geht es ja nicht mehr lang." Wir haben es inzwischen kapiert und leben damit. Auch wenn es ein nur "noch" Leben damit ist, aber eben doch Leben.
Und wenn Annika, wenn es ihrer Mama gottseidank auch gut geht im Moment, eben wegen solcher ständigen Hinweise, dann sozusagen dauernd "auf dem Sprung" in Gedanken ist, dann kann ich das durchaus verstehen. Außerdem denke ich, dass auch andere Gedanken eine ganz große Rolle spielen. Natürlich ist man um jeden Tag froh, noch froher, wenn es dem Betroffenen auch noch gut dabei geht, er keine Schmerzen hat, usw. Aber ganz hinten im Kopf ist dieser Gedanke, dass es eine Palliativbehandlung ist, was ja letztendlich bedeutet, das es irgenwann auf jeden Fall soweit sein wird. Bewundernswerterweise können viele Betroffene oder auch Angehörige damit umgehen. Manche können es eben nicht. Manchem ist der Gedanke unerträglich, dass es irgendwann so weit kommt. Diese Gedanken sind ständig da, man wird sie nicht los. Da nützt kein Wellnessbad, kein Einkaufsbummel, usw. Nichts nützt einem da. Selbst der schönste Moment ist mit dieser Wehmut behaftet. Eigentlich hält einen nur dieser "Wundergedanke" aufrecht. Den braucht man einfach, um weitermachen zu können. Und wenn man die, zweifellos sehr gut gemeinten Ratschläge, bekommt, die schöne Zeit zu nutzen, dann ist das zwar richtig, aber gleichzeitig weiß man doch gerade deswegen, weil man es nutzen soll, dass es bald ganz anders sein kann. Und gegen diese Gedanken ist leider kein Kraut gewachsen.
Ich wünsche Euch allen ein schönes, schmerzfreies Wochenende.
Ganz liebe Grüße
Mapa
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