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  #1  
Alt 02.09.2012, 15:59
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HelmutL HelmutL ist offline
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Standard AW: Hinterblieben, nur wo?

"Die Zeit heilt alle Wunden".

Wir alle wissen, das stimmt nicht. Wie oft hört man diesen Spruch, gedankenlos oder aus Verlegenheit hingeworfen, weil den Menschen in unserem Umfeld nichts besseres einfällt. In uns beginnt es zu kochen, wenn wir diesen Satz hören. Manchmal wäre es besser, die Menschen hielten einfach nur die Klappe.

"Moin, Helmut."
"Moin."
"Eii, was ist los? Mit dem falschen Bein aus dem Bett gehupft?"
"Ach, Quatsch."
"Trink erst mal nen Kaffee. Das weckt die Lebensgeister. Wars spät gestern Abend?"
"Kaffee ist gut. Nee, nicht später als sonst."
"Miesepeter, schau mal aus dem Fenster. Die Sonne lacht. Ein herrlischer Tag!"
"Ja und? Kann ich was dafür?"
"Ouh maan, Helmut. Nee, DU nicht! Das war keine Laus, das war ne ganze Läuseherde, die da über deine Leber getrampelt ist. Was war los? Komm, raus mit der Sprache."
"OK. Da hat doch tatsächlich jemand gesagt: die Zeit heilt alle Wunden. So ein Vollpfosten. Mensch Hartmut, der ist so blöd wie ein Meter Waldweg!"
"Kann sein."
"Kann sein?"
"Ja, kann sein. Kommt zum Einen drauf an, wer es gesagt hat."
"Zum Einen? Und zum Anderen?"
"Es spielt schon eine Rolle, wer das sagt. Hast du dir je wirklich die Mühe gemacht, über diesen Satz nach zu denken?"
"Was gibts denn da zu denken!"
"Oh, ne ganze Menge."
"Mann, Hartmut. Du nervst. Geh raus spielen und lass mir meine Ruhe!"
"Nö. Spielst die beleidigte Leberwurst und du fühlst dich wohl dabei."
"Du gehst mir auf den Senkel. Dann geh ich halt. Brauch eh frische Luft."
"Ok. Was dagegen, wenn ich mitkomme?"
"Nein. Aber halt die Klappe."
"Du weißt, dass ich das nicht kann."
"Aaaaah, womit hab ich DICH verdient?? Ich geh noch duschen."
"Helmut, das frag ich mich manchmal auch."
...
...
...
"Boah, Hartmut. Ist das Wetter heute nicht herrlich? Warm, kein Wind wie gestern."
"Jou. Gestern wars besch...eiden."
"Sag mal, hast du heute morgen auch geduscht?"
"Ja, warum?"
"Ach nix. Nur, wenn du nochmal den Regler auf kalt stellst, dann kannst du was erleben. Bin um Haaresbreite an einem Herzinfarkt vorbei!"
"Hab den Urschrei gehört. Sorry. Ich denke, jetzt bist du wach. Willkommen zurück im Leben."
"Ich soll dir wohl noch dankbar sein?"
"Och nöö. Hab ich doch gerne gemacht. Ich hoffe nur, deine grauen Zellen haben nicht zu sehr gelitten."
"Von welchen grauen Zellen sprichst du?"
"Pruuuust. OK. Das war nun deine Ansage. Gibst du mir das schriftlich?"
"Nein, Hartmut! Werd mich hüten."
"Ok, dann pflücken wir den Satz mal auseinander. Die Zeit -- heilt -- alle Wunden."
"Wunde steht für Trauer."
"Genau. Die Wunde heilt. Was heißt das?"
"Die Trauer verschwindet."
"Falsch. Ein Beispiel. Du hast dir dein Bein gebrochen."
"Und? Das heilt doch?"
"Richtig. Es heilt. Doch die Bruchstelle bleibt für immer eine Schwachstelle und obwohl dem so ist, wirst du trotzdem weiterhin Sport treiben. OK, du eher weniger, ...."
"Du und deine Scherze."
"... nur halt vorsichtiger. Dein Bein wird nie mehr zu 100% belastbar sein wie vorher. Du akzeptierst das und arrangierst dich. Trotzdem sagt man, die Wunde ist geheilt. Obwohl doch was zurück bleibt. Du weißt um deine Schwachstelle. Beim Wetterumschwung z.B. kann sie schmerzen."
"Ok, verstanden. Die Trauer kann also jederzeit trotz "Heilung" immer mal wieder schmerzen. Sie ist nicht vorbei."
"Schlaues Kerlchen. Du kennst sie und kannst damit umgehen."
"Gut. Und die Zeit? Die Zeit, die Zeit, wenn ich das schon höre. Die macht überhaupt nix. Schon gar nicht heilen."
"Genau das ist der Knackpunkt. Genau so interpretieren das die meisten. Als bräuchte man sich nur still in die Ecke zu hocken und zu warten. Was wäre, wenn es die Zeit gar nicht gäbe bzw. sie bliebe stehen?"
"Das wär doch ganz schlecht. Dann gäbe es ja keinen Ausweg aus der Trauer außer ... nee, daran will ich nicht denken. Ich brauche diese Zeit. Ohne sie ginge doch gar nichts."
"Eben. Zeit ist nur ein Maß von früher zu jetzt auf nachher. Sonst nix. Sie tut absolut nichts. Sie ist nur deine Chance zum Überleben. Nicht mehr und nicht weniger."
"Das heißt doch, Hartmut: nicht die Zeit heilt die Wunden, also nicht in die Ecke hocken, sondern du hast Zeit auf zu stehen und selber was zu tun. Sonst gibt es keine Lösung."
"Jepp, Helmut. Zuerst ist die Erinnerung nur schmerzlich. Irgendwann kann man auch wieder wehmütig lächeln und eines Tages sich wieder freuen in der Erinnerung und von Herzen lachen über diese Weißt-du-noch-damals-Geschichten. Ohne die Zeit zu haben, ginge das gar nicht. Auch wenn noch manchmal eine Träne dabei ist."
"Ok, Hartmut. Man sollte solche Sprüche nicht einfach sooo wörtlich aufnehmen. In den meisten ist auch was Wahres. Denken muss man schon selber."
"Du? Denken? Ich erinnere dich an heute Morgen. Überlaß das besser mir."
"Oh mann ..."
...
...
"Hartmut, siehst du den Biergarten da vorne? Hab keinen Bock mehr, durch die Gegend zu latschen. Wie wärs mit nem kühlen Blonden? Ich geb einen aus."
"Guuute Idee! Du hast es sowieso besser als ich."
"Wie das?"
"Dir tun nur 2 Füße weh ..."
"Na dann ..."
"Prost Hartmut"
"Prost Helmut"


Eigentlich mag ich den Hartmut ja ganz gerne. Wenn er nur nicht immer so schrecklich ehrlich und direkt wäre und manchmal sogar richtig frech . OK, jeder hat seinen "Hartmut". Man sollte ihn nur raus lassen, zu lassen. So manches erledigt sich dann fast wie von selbst. Wo er steckt? Da oben, zwischen den Ohren, ganz tief hinten. Oft begraben unter meterdickem Schutt aus Verzweiflung, Wut, Trauer und was es alles an Begehrlichkeiten von innen und außen gibt. Den muss man nur zuerst wegräumen. Dazu hat und braucht man die "Zeit".


Einen sonnigen Sonntag euch allen,

Helmut
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Geändert von HelmutL (02.09.2012 um 20:33 Uhr) Grund: Das Felertäufelchen ;)
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  #2  
Alt 02.09.2012, 17:36
molüfunidami molüfunidami ist offline
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Standard AW: Hinterblieben, nur wo?

eine schöne geschichte, helmut

und vor allem - eine wahre geschichte...

danke.
liebe grüsse, dani
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  #3  
Alt 02.09.2012, 19:34
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Mirilena Mirilena ist offline
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Standard AW: Hinterblieben, nur wo?

Ja, eine wahrlich schöne Geschichte und ich bin jedes Mal erstaunt, wie weise Hartmut doch ist, wenn er auch bisweilen nervt durch seine entwaffnende Ehrlichkeit

Und du wirst lachen, ich habe mir tatsächlich gleich mal ganz weit hinter die Ohren gefasst, um meinen ureigenen persönlichen Hartmut zu ertasten. Der scheint aber tatsächlich noch ein wenig verbuddelt zu sein. Aber ich habe ja Zeit, ihn frei zu schaufeln und ich meine, dass ich immerhin schon ein klitzekleines Stück seiner Schaufel gefühlt habe... Das gibt mir Grund zur Hoffnung

Liebe Grüße
Miriam
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Mein Papa erhielt am 18.04.11 die Diagnose Lungenkrebs mit Knochenmetastasen und ging am 21.02.12 ins Licht. Alles vergeht, aber die Liebe bleibt...

Hand in Hand - gemeinsam sind wir stark!
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  #4  
Alt 03.09.2012, 18:15
monika100 monika100 ist offline
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Standard AW: Hinterblieben, nur wo?

Helmut,

wie immer - schön geschrieben

LG Monika
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  #5  
Alt 05.09.2012, 20:47
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Morgana Morgana ist offline
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Standard AW: Hinterblieben, nur wo?

Zitat:
Zitat von HelmutL Beitrag anzeigen
"
OK, jeder hat seinen "Hartmut". Man sollte ihn nur raus lassen, zu lassen. So manches erledigt sich dann fast wie von selbst. Wo er steckt? Da oben, zwischen den Ohren, ganz tief hinten. Oft begraben unter meterdickem Schutt aus Verzweiflung, Wut, Trauer und was es alles an Begehrlichkeiten von innen und außen gibt. Den muss man nur zuerst wegräumen. Dazu hat und braucht man die "Zeit".
Jo....Helmut. Da stimme ich Dir zu!
Auf gehts...die Schaufel schwingen und immer mal ein bißchen Pause machen. Einfach da sitzen und auf die bewältigte Strecke schauen, stolz sein auf das bisher Erreichte - und dankbar das Leben HEUTE geniessen. MORGEN kommt noch, ist noch nicht da...

Willkommen "zu Hause", Marian

LG
Morgana
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Die Seele hätte keinen Regenbogen, wenn die Augen nicht weinen könnten.
[Indianische Weisheit]
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  #6  
Alt 09.09.2012, 16:56
Jaecky Jaecky ist offline
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Standard AW: Hinterblieben, nur wo?

Lieber Helmut,

sehr schön, deine Geschichte mit Hartmut. Es regt doch zum Überlegen an.

Dankeschön!

Jäcky
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mein liebster Papa
seit 2006 Multiples Myelom
seit 2009 Myelodysplastisches Syndrom

Nach langem, schmerzvollem Kampf am 25.07.12 um 15.00 Uhr im Kreise seiner lieben Familie eingeschlafen.

Papi, wir lieben dich so sehr! Für Immer und Ewig!

Hand in Hand - gemeinsam sind wir stark!!!
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  #7  
Alt 26.09.2012, 17:58
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HelmutL HelmutL ist offline
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Standard AW: Hinterblieben, nur wo?

Ein heißer Tag, selbst das T-Shirt ist schon zu viel. Ich bin auf dem Friedhof und gehe zum Grab.

Seit langem beschäftigen mich die Fragen: Was hast du gedacht? Gefühlt? Was geht in einem vor, wenn man den Tod kommen sieht? Wann beginnt die Angst? Wann gibt man auf? Wie ist das, wenn man erkennt, dass es nur noch Stunden sind? Kann man dem Tod entgegen gehen? Wie stark muss man sein, um das zu ertragen und wann ist man endlich schwach genug, um sich fallen zu lassen? Jetzt stehe ich an deinem Grab. Vor ein paar Jahren konnte ich es nicht ertragen, deinen Namen zu lesen. es kam mir so unwirklich vor. Heute kann ich es. Ja, es war eine wunderschöne, gemeinsame Zeit mit allen Höhen und Tiefen, die man braucht um zusammen zu wachsen.

Wieder drängen sich die Fragen auf, tun mir weh. Und nein, ich mache mir keine Vorwürfe. Ich war bei dir. So gut ich damals konnte und heute weiss ich, dass es mehr war als du es selber manchmal gewollt hast. Du wolltest mich schützen und hast dich doch an mir festgehalten. Es war gut so, wie es war. Es ist vorbei, endgültig. Es war gestern. Die Fragen bleiben. Ich schaue über den Friedhof. Menschenleer. Drüben unter dem schattigen Baum steht eine Bank. Eine Frau sitzt dort. Keine Ahnung wer das ist. Na, egal. Sie dreht mir den Rücken zu.

Ich hab gesehen, dass du Schmerzen hast, doch nicht selber gefühlt. Hab deine Augen gesehen, wenn sie dein Lachen Lügen straften, doch konnte nicht deine Angst darin lesen. Nur einmal hast du es zu gelassen und ich sah ganz tief unten sich windend deine Seele, die rief: "Ich will raus. Hilf mir". Ich möchte verstehen. Nicht nur nebenher laufen und ahnen.

Ich möchte es verstehen.

Einfach nur verstehen.

Nicht nur um deinetwillen. Auch wegen mir. Auch mich wird es eines Tages treffen und was ist, wenn ich dasselbe noch mal erleben muss? Wie auch immer, was soll ich dann tun? Ich habe das Gefühl, mir platzt der Kopf.

Die Frau dort drüben legt den Arm über die Rückenlehne, dreht dabei den Kopf zu mir und schaut wortlos herüber: "Ich kann nicht verstehen, was Trauer ist. Deine Fragen sind mir fremd. Es tut mir unendlich weh, wenn ich dich so grübeln sehe. Ich war doch dabei, damals am Grab. Hab euch gesehen und nicht verstanden, warum ihr weint. So viele Menschen. Verstehe es immer noch nicht so ganz. Mir geht es doch gut. Bitte verzeih mir, dass ich dir jetzt nicht so helfen kann wie ich gerne möchte". Sie steht auf, geht weg und dann ist sie verschwunden und ich ...

...ich werde wach. Ein Traum.


Danke.

Helmut
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  #8  
Alt 10.10.2012, 15:01
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Standard AW: Hinterblieben, nur wo?

"Alltag, was ist das?"
"Wie kommst darauf?"
"Ach, nur so ...."
"Hei, mach mir nix vor. Ich kenne dich. Das kommt nicht einfach so."
"Jaaa, OK."
"Also, was ist?"
"Erinnerst du dich, wie es damals war, als Myriam starb?"
"Wie sollte ich! Doch du hast mir oft genug davon erzählt. Denn man los."
"Es gab für mich keinen Alltag mehr. Ich habe es gehasst, wenn ich sah, dass andere in ihren Alltag zurück gingen."
"Ja, kenne ich."
"Ich habe es gehasst, wenn man zu mir sagte, das Leben ginge weiter, der Alltag käme wieder ..."
"Ohja ..."
"... du wirst wieder fröhlich sein und wieder herzhaft lachen können. Am liebsten hätte ich diese Menschen damals auf den Mond geschossen."
"Kann ich nur zu gut verstehen. Das "Aber", wo ist es?"
"Welches Aber? Achso, ja. Sie hatten recht."
"Ja, und? Ist das was Neues?"
"Nein. Es ist ja auch so."
"Also, wo ist dann das Problem?"
"Nur so ein Gedanke. Eine kleine Frage."
"Raus damit!"
"Was ist die Alternative zu Alltag?"
"Boah! Du stellst Fragen. Woher soll ich das wissen?"
"Denk mal nach. All-tag?"
"Hm ..... Kein-tag?"
"Richtig."
"Du spinnst. Das gibt es doch gar nicht."
"Oh doch. Gibt es. Denk mal nach, wie es damals war. Ob die Sonne schien oder ob es regnete, ob es hell oder dunkel war, warm oder kalt. Das war so was von wurscht. Nur Trauer, Schmerz und Angst. Da war nichts anderes. Der Abreißkalender hatte nichts zu tun."
"So gesehen hast du recht. Das ist Keintag."
"Trotzdem hat sich der Alltag gaaanz langsam wieder eingeschlichen. Das Leben forderte wieder Aufmerksamkeit und steuerte wieder in geregelte Bahnen."
"OK. Trotzdem. Das kann doch eigentlich nicht sein. Keintag. Deine Träume waren geplatzt, das Liebste verloren, doch der Rest der Welt, der hatte seinen Alltag. Gehört der Tot nicht dazu? Im weitesten Sinne?"
"Doch. Gehört er. Hat ne lange Zeit gedauert, das zu begreifen. Es kommt halt immer drauf an, auf welcher Seite man steht."
"Ouh mann, Helmut, komm zu Potte. Du sprichst in Rätseln. Da muss doch noch was kommen?"
"Du bist doch sonst so fix?"
"Jetzt nervst du. Ich warte schließlich nicht den ganzen lieben langen Tag auf dich und deine Probleme."
"OK, jetzt im Ernst. Ich befinde mich also wieder im Alltag. So aufregend er auch sein mag. Der Tot ist weit weg. Hoffe ich zumindest."
"Ja klar. Ich auch. Worauf willst du hinaus?"
"Was bedeutet es dann für mich, wenn in meinem Umfeld jemand stirbt? Wie jetzt geschehen. Oder, wenn ich auch nur lese bei anderen? Für mich ist Alltag, für sie ist Keintag!"
"Du stehst auf der anderen Seite."
"Genau das ist die Frage."
"Naja, nicht ganz. Du kennst die Situation auch von der anderen Seite der Grenze. Du könntest sie überschreiten."
"Darf ich das so einfach?"
"Nein."
"Stimmt. Die Folgen könnten verheerend sein. Für mich und den oder die Andere/n."
"Dabei gibt es noch was zu bedenken. Der Andere muss das auch zulassen wollen. Ohne das geht gar nichts."
"OK, und wenn er nicht zulassen will, dann steh ich doch da wie der Rest der Welt ansonsten auch? Frisch Trauernde lassen nicht zu. Sie igeln sich ein, mauern sich ein und fordern trotzdem die Hilfe der Anderen. Eigentlich ist das paradox."
"Ja, das ist so. Du weißt das doch selber ganz genau."
"Ja, leider, ich kenne das nur zu gut."
"Diese Zeit ist wichtig für den Trauernden. Er braucht sie dringend. Mal ein Bild: wie ein verwundetes Tier zieht man sich in eine Höhle zurück. Man muss Kräfte sammeln, Gedanken sortieren, die Wunden lecken. Man muss ganz unten sein um den ersten Schritt auf der Leiter nach oben aus eigener Kraft tun zu können. Wie bist du wieder nach oben gekommen?"
"Genau so. Und weil es Menschen gab, die mir ihre helfende Hand anboten. Ich musste nur zugreifen."
"OK. Dann strecke deine Hand aus."
"Verdammt schwer."
"Jou."
"Ich mach mir jetzt nen Kaffee. Willste auch?"
"Jepp."


Alles Liebe,

Helmut
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  #9  
Alt 11.10.2012, 10:44
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Standard AW: Hinterblieben, nur wo?

Ach Helmut... ach Helmut.....


Danke dafür, dass Du Deine Gedanken teilst. Keiner kann sie so gut ausdrücken wie Du.

:knud del:
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  #10  
Alt 26.10.2012, 12:34
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Standard AW: Hinterblieben, nur wo?

Liebe Erle,

danke für deine Worte. Vielleicht passt das Folgende ja auch zu dir?


Ganz sicher

Ganz sicher bist du in meinem Herzen.
Komm, du bist hier zu Hause
Fühl dich wohl
In deinem Zimmer.

Ganz sicher bist du in meinem Herzen.
Komm, schau dich um
Entschuldige das Chaos
Es ist ja auch deins.

Ganz sicher bist du in meinem Herzen.
Wenn du es willst
Dann ziehe ein
und bleibe, solange du möchtest.

Ganz sicher bist du in meinem Herzen.
Du kannst mir helfen
Der Müll muss raus
Es ist noch viel zu tun.

Ganz sicher bist du in meinem Herzen.
Nebenan, das neue Zimmer
Es ist fast fertig
Da zieht jemand ein.

Ganz sicher bist du in meinem Herzen.
Ein paar Möbel fehlen noch
Du kannst mir helfen
Gib uns Ruhe.

Dann seit ihr Beide in meinem Herzen.
Ganz sicher!

Es ist mein Herz.




Alles Liebe,

Helmut
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