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  #1  
Alt 23.11.2012, 01:18
Benutzerbild von Katzensprung
Katzensprung Katzensprung ist offline
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Standard AW: Wenn die Kranke leugnet

Danke carlchen für die Resonanz

"Lach in die Welt und sie lacht zurück, weine und du weinst alleine."

Wie traurig, aber wahr. In den ernsten Situationen des Lebens zeigt sich, wer wirklich Interesse an dem Menschen hat.
Aber manchmal muss man auch nachhelfen und sorry, in den A**** treten!

Das tat ich. Nach einigen Telefonaten bekam ich die private Nummer vom Vorsitzenden des Presbyteriums, er zeigte sich betroffen, dass sich niemand gekümmert hat.
Dann habe ich lange mit der für die Gemeinde zuständigen Pfarrerin gesprochen, auch sie war recht betroffen

"vielleicht war uns die Ernsthaftigkeit ihrer Krankheit nicht bekannt... " Oh doch, es war bekannt.
Ich hoffe, die Pfarrerin hält ihr Versprechen und sucht nun den Kontakt zur Mutti.
Sie ist so enttäuscht von Gott und der Gemeinde. Dabei sollte sie Trost finden im Glauben.

Aber niemals soll sie erfahren, das ich das angeleiert habe...

Sie wird der Pfarrerin erzählen, wie gut es ihr geht und welche Pläne sie hat.
Ich verstehe langsam, was es bedeutet, zu leugnen.
Vermutlich ist es gut so.
Und ich muss ihren Umgang mit dem, was da kommt, respektieren.
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  #2  
Alt 23.11.2012, 11:25
Alpenveilchen Alpenveilchen ist offline
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Ort: Im hohen Norden
Beiträge: 387
Standard AW: Wenn die Kranke leugnet

Liebe Nadi,

um zu Deinem ursprünglichen Thema zurückzukommen, so kenne ich zwei Personen, die jeweils einen Blogg zum Verlauf ihrer Krankheit schreiben und dort also tagebuchähnlich jeden Tag beschreiben, welche Arztgespräche, Untersuchungen und Behandlungen ihnen bevorstehen oder was sie gerade hinter sich haben. Dazu beschreiben sie ihre Gefühle, Ängste und auch ihren Optimismus. Beide haben metastasierten Darmkrebs, also Stadium IV, und dennoch schreiben sie immer aus einer Erwartungshaltung heraus, dass sie bald gesund sind und die Krankheit hinter sich lassen können, nach dem Motto "jetzt ist es aber an der Zeit, dass die Metastasen verschwinden und wir wieder gesund werden". Ein Patient hat sich über Tage hinweg zutiefst darüber aufgeregt, dass ein Professor ihm gesagt hat, er lebe in dem Irrtum, dass seine Krankheit heilbar sei und das wäre nicht der Fall. So etwas dürfe ein Professor doch niemals sagen.

Wenn einem klar ist, wie es um die beiden Patienten bestellt ist und dass ein realistisches Ziel nur sein kann, noch so lange wie möglich gut zu leben, kann dieser enorme Optimismus als Ignoranz der Tatsachen manchmal nerven. Dennoch schreibt die eine Patientin an einer Stelle, dass sie optimistisch bleiben muss, dass sie immer irgendwelche Ziele braucht und dass sie auch immer das Ziel braucht, gesund zu werden. Sie meint, dass sie sich sonst völlig aufgeben würde und die Krankheit nicht mehr zum Aushalten sei...

Das zeigt für mich ganz deutlich, dass man als Betroffener ganz anders denkt, als als Angehöriger. Es geht nicht darum die Realität und die Wahrheit zu akzeptieren oder nicht, sondern es geht darum mit ihr zu überleben. Während für den Angehörigen oft die Akzeptanz der Krankheit der Ausgangspunkt für alle Behandlungen ist, würde diese Akzeptanz vielen Betroffenen den Boden unter den Füssen wegziehen und ihnen alle Kraft für eben diese Behandlungen nehmen.

Für viele Betroffene kann es also eine - vielleicht unterbewusste - Strategie sein, die Krankheit nicht so sehr an sich herankommen zu lassen und auf Abstand zu halten, eben um die notwendige Kraft für alle Behandlungen zu behalten und den Kampfgeist zu bewahren. Genau diese Kraft, hätte der oben genannte Professor dem einen Patienten beinahe genommen.

Deswegen sollte man jedem Betroffenen seinen eigenen Umgang mit der Krankheit lassen und nicht für eine Akzeptanz nach aussen hin kämpfen. Innerlich wissen die meisten, wenn nicht alle, sicherlich, wie es um sie bestellt ist. Schliesslich muss vor allem der Betroffene selbst die Kraft behalten, sowohl geistig als auch körperlich. Als Angehöriger braucht man ja nicht die "Verleugnung der Krankheit", wie Du sie nennst, mitzumachen, sondern man kann sich auf gemeinsame Interessen stützen, wie z.B. optimale Voraussetzungen für die Behandlung zu schaffen, neue Methoden suchen, gemeinsam auf die Wirkung hoffen, sich darüber freuen, wenn es dem Betroffenen gut geht, etc.

Liebe Grüsse
vom Alpenveilchen
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  #3  
Alt 24.11.2012, 00:34
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Katzensprung Katzensprung ist offline
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Standard AW: Wenn die Kranke leugnet

Vielen Dank für deinen Beitrag und du hast ja so recht, Alpenveilchen.
Ich würde Mutti niemals mit der Wahrheit konfrontieren! Es ist gut so, wenn sie glaubt, in drei Jahren den goldenen Hochzeitstag zu feiern...

Meine Frage zielt auch mehr dahin, wie man als Anghöriger damit umgeht...
und vor allem, wie kommt man damit klar...
Das ist der Grund, warum ich hier Kontakt zu anderen Angehörigen suche.

Es sind so viele Kleinigkeiten, wenn sie von etwas spricht, was in ferner Zukunft liegt, dann muss man sich sehr zusammenreißen, um zuzustimmen, ja das wird sicher prima.

Wie kann man Zuspruch geben, wenn man weiss, es ist unvermeidlich?
Ich bin kein gläubiger Mensch, ich denke, wenn man stirbt ist es halt zu Ende, nur die Erinnerung lebt weiter - solange es Menschen gibt, die sich erinnern.

Wie kann man Hoffnung und Zuversicht geben? Wenn man selbst schreien möchte vor Verzweifelung?!
Ich beantworte es selbst: Man kann es und tut es. Alles wird gut.

Aber Wohin mit der eigenen Frustration und Hilflosigkeit?


Von der christlichen Gemeinde hat übrigens immer noch niemand Kontakt zu Mutti gesucht.
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  #4  
Alt 24.11.2012, 02:31
Effie Effie ist offline
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Standard AW: Wenn die Kranke leugnet

Warum, meinst Du, meldet sich niemand bei Deiner Mutter? Liegt es vielleicht daran, dass sie ihre Krankheit leugnet und die anderen nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen? Auch Dir selbst macht es ja große Schwierigkeiten.
Aber ich finde auch, dass man Deiner Mutter die Hoffnung nicht nehmen darf. Mit der Zeit wird sie vielleicht selbst tröpfchenweise so viel an Wissen zulassen, wie sie ertragen kann. Zumal sie ja ihren Glauben hat und sicher davon ausgeht, dass es ein Leben nach dem Tod gibt.
Für dich wirklich eine große Herausforderung. Ich wünsche Dir Kraft und Mut.
Effie
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  #5  
Alt 26.11.2012, 19:21
hierfalsch hierfalsch ist offline
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Standard AW: Wenn die Kranke leugnet

Hi,

ich bin selbst auch Angehörige, auch wenn die Situation bei "uns" noch anders ist. Ich hatte gerade die spontane Idee, vielleicht zu versuchen, die Träume nicht zu verneinen, aber das was von ihnen machbar ist "vorzuziehen" ... so nach dem Motto "in drei Jahren Eure goldene Hochzeit? Klar, da schmeißen wir ne riesen Party... aber sagt mal : habt ihr nicht Lust erstmal DIESES Jahr euern Hochzeitstag ein bisschen größer zu feiern? - schließlich muss man die Feste feiern wie sie fallen und 48 Jahre ist doch auch ne beeindruckende Zahl..."

Vielleicht könnt ihr auf diese Weise die Zeit, die euch noch bleibt optimal nutzen? - und etwas von dem umsetzen, was Deine Mama gern noch machen mag? Und wer weiß... ich meine: ich will hier keine "alles wird gut"-Parolen verbreiten, aber Statistiken sind Durchschnittszahlen...so manch einer hat auch schon ein/zwei Jahre länger gelebt, als die Prognose hieß... und ich glaube, dass da Ziele durchaus helfen können...
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  #6  
Alt 26.11.2012, 20:36
Andrea1979 Andrea1979 ist offline
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Standard AW: Wenn die Kranke leugnet

Hallo Katzensprung!

Ich weiß genau wie du dich fühlst. Mein Vater wollte auch nie wahrhaben wie es um ihn steht. Es war bis zum Schluss so. Er hatte eine Woche bevor er gestorben ist eine Besprechung mit dem Arzt bei der ich dabei war. Der Arzt sagte absolut nichts positives bei dem Gespräch, aber mein Papa war danach wieder total zuversichtlich. Ich dachte mir damals auch, bekommt er es nicht mit? Will er es sofort verdrängen? Sind es die antidepresiva die er bekommt? Oder will er mich nur schützen?

Ich weiß es bis heute nicht. 48 Stunden bevor er starb wurde er ins Krankenhaus eingeliefert. Ich war sofort bei ihm. Als ich ihn da so am Krankenbett liegen gesehen habe mit dem Sauerstoff, ein Schatten seiner selbst sagte er nur kurz, "So ein Schmarrn, ich dachte mir ich schaffe es die Scheiß Krankheit zu besiegen!"

Oh Gott wie sehr habe ich gegen die Tränen gekämpft, aber ich habe es nicht geschafft. Mein Vater lächelte mich nur an und sagte, "Hör auf zum weinen, sonst red ich nix mehr mit dir! "

Zwei Minuten später erzählt er mir wieder wie sehr er sich freuen würde mit mir und meinen Kindern wieder mal schwimmen zu gehen. Er wollte dann sogar noch eine in den Park runter rauchen gehe . Das haben wir dann auch gemacht, zwar mit Rollstuhl und Sauerstoff, aber er hat es genossen. Kaum war die Zigarette ausgeraucht, Sauerstoffgerät wieder an und sofort raus in Krankenzimmer weil er dann so müde war.

Also ich denke es ist teilweise Selbstschutz und ich glaube auch sie wollen uns auch schützen.

Im Nachhinein bin ich froh das mein Papa bis zum Schluss geleugnet hat, oder in seiner Traumwelt gelebt hat, besser als deprimiert und frustriert zu sein. Ich hatte auch in den letzten Wochen und Tagen noch sehr schöne und auch lustige Momente da er sich bis zum Schluss positiv gestimmt hat.

Ich wünsche dir viel Kraft, es ist sehr schwer. Ich kenne die Momente wo man den jenigen so gerne in die Arme nehmen würde und gemeinsam mit ihm weinen möchte.

LG Andrea
__________________
Mein Papa (53)
16.05.1959 - 29.08.2012+
Diagnose kleinzelliger Lungenkrebs am 14.06.2011
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  #7  
Alt 01.12.2012, 02:01
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Katzensprung Katzensprung ist offline
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Beiträge: 28
Standard AW: Wenn die Kranke leugnet

Liebe hierfalsch vielen Dank für deinen Beitrag. Von der Idee, den Hochzeitstag nun grösser zu feiern halte ich nichts, weil es einerseits zu viel Aufregung und Anstrengung wäre und andereseits eine Art Eingeständnis wäre, die goldene Hochzeit nicht zu erleben.

Liebe Andrea, vielen Dank für deinen Beitrag. Mir standen die Tränen in den Augen, dass du noch mit deinem Papa eine Rauchen gegangen bist. Du warst so tapfer. So lieb mit ihm, das hat mich sehr gerührt.
So möchte ich auch sein...
Jemand sagte mir: Wer trösten will, darf nicht weinen. Pah, das sehe ich anders. Wer Beistand gibt, darf auch weinen.

Mutti war heute bei uns und wir haben aus lustiger Laune Fotos gemacht, Mutti (mit Perücke) hat meinen Kater auf dem Arm. Eigentlich hat sie Ränder unter den Augen und man sieht ihr Krankheit deutlich an - aber auf den Fotos strahlt sie! Schaut ganz toll aus!
Es war so seltsam, als würde auch die Kamera leugnen!

Die geplante Chemo am Donnerstag konnte sie nicht bekommen, die Blutwerte waren zu schlecht.

Die Pfarrerin war inzwischen bei ihr, Mutti hat sich sehr darüber gefreut.

Danke Andrea, du hast mir viel Kraft und Mut gegeben.
Ich bin nun an einem Punkt, wo ich mich auf das Leugnen einlassen kann.

Ich möchte mich nun nicht mehr mit dem Tod und dem Loslassen beschäftigen,
ich hab das schon viel zu lange gemacht und vorbereitet ist man niemals....
Werd mich vielleicht länger nicht melden.
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