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  #1  
Alt 01.10.2013, 02:46
Benutzerbild von HelmutL
HelmutL HelmutL ist offline
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Standard AW: Kämpfen - Diskussion um das Kämpfen gegen die Krankheit

@Dirk.

Danke!


"Ich bestimme mein Leben! Nicht der Krebs."

Diese Aussage ist insofern richtig, daß man bei Diagnosestellung genau eine Wahl hat zwischen:

1. Ich mache nichts. Über die Konsequenz daraus brauchen wir nicht zu diskutieren. Sie ist glasklar.

2. Ich mache etwas. Das heißt, wie Evelin schreibt (andere ähnlich): "Ich setze meine Kräfte, mein Handeln für das Leben ein." Ich sage nicht, dass das falsch ist. Nur, wo es ein Für gibt, gibt es zwangsläufig auch ein Gegen. Man kann nicht sagen: "Ich setze meine Kraft für mein Leben ein" ohne zwangsläufig gleichzeitig etwas gegen den Krebs unternehmen zu müssen. Man kann nicht 'für das Leben' sein und den Krebs links liegen lassen. Das Eine geht ohne das andere nicht.

3. Ich überlasse es anderen, etwas zu tun. Dann muss man sehr viel Glück haben, dass es für das Leben ausgeht. Dann geht es 'irgendwie' weiter. Ohne eigenes Zutun mit zweifelhaftem Ausgang.

Frage: wer oder was stellt uns vor diese Wahl? Wer oder was zwingt uns, diese Wahl anzunehmen? Die Antwort ist wohl eindeutig. Nicht man selbst will vor eine Wahl oder Entscheidung gestellt sein, sondern der Krebs zwingt dazu. Insofern wäre es allerdings im Gegensatz wiederum richtig, dass obige Aussage falsch ist.

Welche Wahl man trifft (1,2 oder3), das ist/kann absolut selbstbestimmt sein. Ohne Zweifel. Sollte auch so sein.

Das Gleiche oder Ähnliches gilt für jede weitere einzelne Entscheidung, die im weiteren Verlauf zu treffen ist. Jede Entscheidung sollte selbstbestimmt und mit dem Ziel 'für das Leben' getroffen werden. Doch fällt man sie freiwillig? Niemals. Man ist immer wieder gezwungen dazu. Will irgendjemand diese Entscheidungen vor sich haben und wer oder was ist die Ursache? Die Entscheidung kann man selbstbestimmt fällen, doch den Zettel mit den Fragen: "Wie geht es weiter? Was willst du tun?", den knallt ein anderer auf den Tisch.

Das alles sind grundsätzliche Überlegungen. Welche Philosophie man sich später darauf aufbaut, ist eine ganz andere Frage. Jeder muss für sich selbst den richtigen Weg finden und wer das Wort 'kämpfen' nicht mag, wird es durch sinngleiche Wörter ersetzen. Was absolut OK ist. Man kann die erste Seite der obigen Aussage favorisieren, doch, denke ich, man behält trotzdem die andere Seite im Hinterkopf.

Einem Krebskranken in der Diagnose-Depression und ganz sicher auch später in der heißen Therapiephase kann man nicht einfach so sagen: "Freue dich deines Lebens und genieße es." Ganz sicher wird er oder sie einem vor die Füße . Eventuell nicht nur bildlich. Da sollte man sagen: "Los! Steh auf! Kämpfe! Du willst doch leben! Es wird dir nicht immer nur schlecht gehen, es kommen auch gute Phasen. Du schaffst das, ich helfe dir dabei." Da kann man nicht um den heißen Brei reden sondern Tacheles. Ist diese Zeit überwunden, dann kann man mit ihr oder ihm darüber reden, wie man das Leben genießen kann und welchen Stellenwert der Krebs gegenüber dem Leben noch hat. Dann sollte man von Leben reden und nicht von Kämpfen. Wenn man vom Leben schreibt, sollte man immer auch bedenken, wer das alles liest. Wenn man vom Leben schreibt, sollte man auch sehr genau und glasklar sagen können, worauf die eigene Lebensauffassung ehrlicherweise begründet ist. Unter Umständen auch ohne blumenreiche Umschreibungen.

Hätte mir, damals als Angehörigem, in der Anfangsphase und auch noch lange danach jemand sowas wie: "Genießt das Leben! Pfeif auf den Krebs." gesagt ... ich hätte ihn oder sie ungespitzt in den Boden gerammt. Letztendlich hat es fast 6 Jahre gedauert, bis ich selber wieder mit beiden Füßen auf selbigem stand. Heute lebe und genieße ich in vollen Zügen. Anders. Vielleicht sogar besser. Ich liebe das Leben und es ist schön. So, wie es ist. Doch vergessen/verdrängen, wieso und weshalb ich heute wo bin? Nein. Das wäre Verrat an mir selbst. Nicht nur an mir selbst.

Ohne Vergangenheit sind wir ein Nichts.

Wie geschrieben: das sind meine Gedanken. Niemand muss sie verstehen. Vielleicht mal ein bisschen darüber nachdenken, dass es neben dem eigenen, wohl- und schwerverdienten Ich (da zieh ich meinen Hut vor) noch was anderes gibt. Ich wünsche jedem, dass er oder sie mit seiner/ihrer Lebensphilosophie zufrieden, vielleicht sogar glücklich, und möglichst gesund durch ein hoffentlich noch langes Leben kommt.


Liebe Grüße und eine gute Nacht,

Helmut
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  #2  
Alt 01.10.2013, 12:54
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Tifflor Tifflor ist offline
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Standard AW: Kämpfen - Diskussion um das Kämpfen gegen die Krankheit

Hallo Helmut,

habe die letzte Zeit hier nur mitgelesen.

Aber Dein Beitrag, das muss ich einfach schreiben, ist Klasse.

Viel schöner und treffender kann man viele Dinge aus meiner Sicht nicht schreiben.

"Ich wünsche jedem, dass er oder sie mit seiner/ihrer Lebensphilosophie zufrieden, vielleicht sogar glücklich, und möglichst gesund durch ein hoffentlich noch langes Leben kommt."

Dem ist fast nichts hinzuzufügen.

LG
Tiff
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Viele verfolgen hartnäckig den Weg, den sie gewählt haben, aber nur wenige das Ziel. (Friedrich Nietzsche)
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  #3  
Alt 01.10.2013, 14:52
evelyn-wieda evelyn-wieda ist offline
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Standard AW: Kämpfen - Diskussion um das Kämpfen gegen die Krankheit

Einen Herbstsonnengruß in die Runde,

und was für interessante und nachdenkenswerte Meinungen. Ich bin sehr beeindruckt und sage erst einmal Dank für die Offenheit und Ehrlichkeit, mit der hier diskutiert wird. Dabei hat für mich Helmut einfach trefflich, wunderbar und mit Klarheit seine Auffassung aufgeschrieben.

Jedoch kann ich nicht allem zustimmen. So möchte ich noch einmal meine persönliche Meinung äußern. Denn ich bin nach wie vor der Meinung, dass ich mein Leben selbst bestimme und nicht der Krebs. Ich habe in allem, was ich tue oder auch nicht, die Wahl, welche Therapie angewendet wird … Was natürlich für mich ein Entwicklungsprozess war, wie ich ja bereits schrieb, ging er von Hilflosigkeit über Funktionieren zum Agieren. Und mal ehrlich, bei der Diagnosestellung war ich nicht wirklich in der Lage, zu entscheiden – ich stand unter Schock und fühlte mich damals fremdbestimmt. Zum Glück stand meine Familie, mein Freund hinter mir und halfen bei den damaligen Schritten.

Bei mir kam der entscheidende Wendepunkt nach der ersten Chemo, als ich nach 10 Tagen Krankenhausaufenthalt entkräftet und innerlich leer nach Hause kam und zu meinem Freund sagte: „Ich glaube, ich schaffe das nicht!“ Er hat mich nicht liebevoll getröstet, nein, er hat mit mir Tacheles geredet und sagte sinngemäß: „Nun gut, wenn du so denkst und handelst, dann wirst du es auch nicht schaffen. Doch glaube ja nicht, ich sehe mir deinen Untergang an. Ich werde gehen.“ Drehte sich um und verließ meine Wohnung. Und genau diese Worte, diese Handlung haben MICH wachgerüttelt, mich aufgerichtet und seit dem sage ich mir: ICH schaffe das, mein Körper schafft das. Ich lebe und werde leben!

Helmut schreibt:
Zitat:
„Ich setze meine Kraft für mein Leben ein" ohne zwangsläufig gleichzeitig etwas gegen den Krebs unternehmen zu müssen. Man kann nicht 'für das Leben' sein und den Krebs links liegen lassen. Das Eine geht ohne das andere nicht.“
Stimmt. Das ist vollkommen richtig. Für mich ist es bei dieser Aussage aber wichtig, worauf ich meinen Fokus und meine Kräfte richte.
Chili hat das, finde ich, schön formuliert:
Zitat:
"Ich kämpfe für mein Leben, für meine Gesundheit. Denn das lässt uns Pläne schmieden und Ziele setzen! Man sieht dadurch, was man noch alles erleben möchte, was sich lohnt um zu leben. Hingegen, wenn man gegen den Krebs kämpft sieht man die bösen, wuchernden Zellen, die uns das Leben verderben und der Gedanke an den Tod ist näher als umgekehrt.“
Dann schreibt Helmut wieder trefflich ausgedrückt:
Zitat:
„Jede Entscheidung sollte selbstbestimmt und mit dem Ziel 'für das Leben' getroffen werden. Doch fällt man sie freiwillig? Niemals. Man ist immer wieder gezwungen dazu. Will irgendjemand diese Entscheidungen vor sich haben und wer oder was ist die Ursache? Die Entscheidung kann man selbstbestimmt fällen, doch den Zettel mit den Fragen: "Wie geht es weiter? Was willst du tun?", den knallt ein anderer auf den Tisch.“
Und ich mag antworten:
Fälle ich meine Entscheidungen freiwillig?
Ja, mich zwingt kein anderer dazu, sondern nur mein eigener Körper, der jetzt so ist wie er ist, und mein Wille lässt mich die jeweilige Wahl treffen.
Wer oder was ist die Ursache?
Der Krebs war die Ursache. Und genau deshalb hat sich mein Leben total verändert, trotzdem ist es nach wie vor mein Leben, es sind meine neuen/anderen Lebensumstände und nein, ich wollte keinen Krebs haben und war total am Boden zerstört, als ich erfuhr, dass sich der Krebs in meinem Körper überall ausgebreitet hatte. Genau hier hatte ich auch die Wahl, es anzunehmen oder mich aufzugeben.
Ich habe gelernt, mich so anzunehmen, denn daran kann ich nichts ändern, ich konnte aber meine Einstellung dazu ändern.
Die Fragen: "Wie geht es weiter? Was willst du tun?", stellen mir vielleicht auch Andere, doch in erster Linie stelle ich sie mir selbst und suche nach Möglichkeiten und Wegen gut zu leben.

Ferner schreibt Helmut:
Zitat:
„Wenn man vom Leben schreibt, sollte man auch sehr genau und glasklar sagen können, worauf die eigene Lebensauffassung ehrlicherweise begründet ist. Unter Umständen auch ohne blumenreiche Umschreibungen.“
Dem kann ich nur beipflichten.

So schreibe ich selten über andere oder äußere Mutmaßungen, wie sie manche Situationen finden oder was sie fühlen könnten. Ich möchte das nicht, weil ich einfach nicht wissen kann, wie andere fühlen, spüren, denken und wie sie die Situation aus ihrer Welt sehen. Ich kann nur durch ihre eigenen Erzählungen mitfühlen und mich dann einbringen. Auch schreibe ich meistens von meinem jetzigen Leben: was ich jetzt, hier erlebe und empfinde und ich lasse mich nicht auf zukünftige Szenarien ein. Denn ich habe für mich begriffen, dass mir mein Kopfkino, was könnte alles passieren, unwahrscheinlich Angst gemacht hatte und das will ich bewusst nicht mehr. Deshalb habe ich auch alles für meine letzte Lebensphase geklärt. Ich habe auch schon kraftraubende, schwere Wochen erlebt, wo ich nicht wusste, ob ich die Intensivstation lebend verlasse. Doch bei all den schlimmen Stunden habe ich mich nicht mehr aufgegeben, sondern ich habe nach vorn geschaut und vertraut, gehofft und geglaubt. Und genau diese Einstellung möchte ich vermitteln: Es geht weiter, das Leben.

Und darum ist meine Lebensauffassung: bewusst positiv im Jetzt und Hier zu leben.

Gerne schließe ich mich Ilses Worten an:
Zitat:
„Ich bin dankbar um die Unterstützung meiner Lieben, aber auch dafür, dass ich bisher nicht jede Minute auf Hilfe angewiesen bin.“
Und kann JF ebenso nur beipflichten, wenn er schreibt:
Zitat:
„…Auch ein Weg. Einer von vielen. Die sich auch täglich bei jedem ändern können. Man ist flexibel.“
Als Schlusswort möchte ich Wangi noch einmal zitieren:
Zitat:
„Das bedeutet doch aber nicht dass ich IMMER kämpfe. Natürlich geniesse ich, sogar die meiste Zeit und finde Ruhe und spaziere durch die herbstliche Natur und freue mich.“
So wünsche ich allen einen guten Weg, eine hilfreiche Lebensphilosophie. Wobei es für mich keinen falschen oder richtigen Weg, keine falsche oder richtige Lebensphilosophie gibt. Für mich gibt es nur: Den Weg, die Lebensphilosophie, denn nichts ist so veränderlich wie das Leben selbst.

Allen einen schönen Herbsttag und die Kraft, die Sonne zu genießen
Evelyn
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  #4  
Alt 03.10.2013, 02:07
Kerejon Kerejon ist offline
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Standard AW: Kämpfen - Diskussion um das Kämpfen gegen die Krankheit

Ihr Lieben,

huch. Auf einmal bin ich TO. Macht aber nix

Ich wollte nur noch einmal betonen, dass ich den Begriff "kämpfen" im Bezug auf eine lebensbedrohende Situation sehr wohl als angemessen empfinde. Unsere Sprache ist so schön und vielschichtig, dass es hier natürlich auch negative, bzw. brachiale Assoziationen gibt, und diese sind zum Teil auch genauso bei mir zu fühlen. Gottlob ist jeder Mensch verschieden, einzigartig und Herr der Deutung seiner oder Ihrer Welt.
Ich bin Chirurg und habe viele krebskranke Patienten z.T. Operiert/ behandelt und nur selten habe ich jemanden NICHT kämpfen gesehen. Oft benutze ich dieses Wort in Gesprächen mit betroffenen Menschen und sehe wie es angenommen wird .

Szenenwechsel: auf einmal bin ich der Patient mit einem seltenen Tumor, zweimals operiert und bei der Visite der liegende Gesprächspartner.

Auf einmal bekommt man gesagt, dass im Angesicht dieser miesen Prognose nur noch der Kampf gilt, den die Therapie mit sich bringt.
Oft genug war ich seitdem davor diesen Kampf aufzugeben und wie einige Vorredner/innen einfach nur noch das Leben genießen sollte.

Aber nun nehme ich diese Pille wieder ein wie Smarties und trage die Konsequenzen. Hoffe , dass ich die Therapiezeit von 2 Jahren auch gegen alle Statistiken durchhalte.

Ich Kämpfe ja prinzipiell für MICH gegen den Tod, aber wenn ich meine leidenden Angehörige sehe, steht eine Aufgabe überhaupt nicht zur Diskussion.

Damit sagen möchte ich nur folgendes: ich habe Menschen gegen Krankheiten kämpfen sehen, ja sie sogar dazu aufgefordert. Und die Positivbeispiele bestärken mich auf meinem Weg. Für mich, aber auch für meine Angehörigen

Ich habe den Begriff "kämpfen" im Prinzip auf mich adaptiert, nichts weiter.

An der Krankheitsakzeptanz werde ich mich dann versuchen, wenn ich wieder auf trockenem Boden stehe.

Nur wie gesagt: jeder Mensch ist anders und wird seinen eigenen Weg der Krankheitsbewältigung gehen. Für mich seid Ihr sowieso alle irgendwie Helden ;-)

Liebe Grüße

Kerejon
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  #5  
Alt 03.10.2013, 10:37
Ilse Racek Ilse Racek ist offline
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Lächeln AW: Kämpfen - Diskussion um das Kämpfen gegen die Krankheit

@Evelyn


mir gefällt, wie Du die unterschiedlichsten Diskussionsbeiträge "auseinandergenommen" hast

Vorher von mir nicht bemerkt, hast Du herausgegriffen, dass es ja durchaus darauf ankommt, WIE "kämpfen" verstanden wird und worauf unser Fokus gerichtet ist.

Mit Deiner Erklärung beispielsweise, wie Du es verstehst Dich einzubringen, kann ich auch bei mir selbst durchaus eine Art Kampf erkennen.

Gleichwohl was bleibt Betroffenen übrig

Aufgeben, Jammern, Lamentieren und sich hängen lassen - bei keiner meiner Mitstreiterinnen habe ich das in den vergangenen Jahren beobachten können


Du hast Recht - es gibt keinen falschen oder richtigen Weg...... der eigene Weg ist es, der vor einem liegt
__________________
Ilse

Geändert von Ilse Racek (03.10.2013 um 10:40 Uhr) Grund: vertippt
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  #6  
Alt 03.10.2013, 10:59
Wangi Wangi ist offline
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Standard AW: Kämpfen - Diskussion um das Kämpfen gegen die Krankheit

@ Kerejon

Guter Beitrag - Und das von jemanden vom Fach

Ich sehe das auch so, wenn ich nicht mehr kämpfen würde würde ich mich mit der jetzigen Situation abfinden, das würde aber auch heißen dass ich aufgebe wieder besser essen zu können, wieder belastbarer zu sein, wieder mehr am Leben teilhaben zu können.
Und deshalb kämpfe ich weiter und das ist durchaus positiv gemeint. Denn ich möchte das Alles wieder besser können und gebe mich nicht mit dem jetzigen Zustand zufrieden und das ist auch gut so, denn wenn ich das schon gemacht hätte wäre ich heute nicht so weit, dann hätte ich immer noch eine PEG und wäre davon abhängig.
Und trotzdem geniesse ich auch meine bisherigen "Erfolge", das Eine schließt das Andere ganz bestimmt nicht aus.
Aber die Hände in den Schoß legen und meinen es ist alles soooooo schön wie es gerade ist ist nicht mein Fall
Aber wie schon Andere hier geschrieben haben, das ist Ansichtssache und für jeden Anders und ich sehe das wie Kerejon, jeder hier ist schon ein Held weil er den Kampf gegen die Erkrankung aufgenommen hat

Gruß Wangi
__________________
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  #7  
Alt 03.10.2013, 21:05
simi1 simi1 ist offline
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Standard AW: Kämpfen - Diskussion um das Kämpfen gegen die Krankheit

Hallo,

herzlichen Dank euch allen, dass ihr solche Einblicke in eure Gefühls- und Gedankenwelt um die Krankheit gebt. Ich habe jeden Beitrag mehrfach gelesen, darüber nachgedacht und versucht, eigene Antworten zu finden.

Das Thema "Kämpfen gegen die Krankheit" beschäftigt mich seit vielen Monaten und bringt mich oftmals um den Schlaf. Ihr habt nun alle aus eurer Sicht, der Sicht der Erkrankten, geschildert. Mich betrifft das Thema als Angehörige, als Mutter, die mitentscheiden musste, wie viel Kampf dem eigenen Kind zugemutet wird.
Unsere Tochter hatte natürlich mit zunehmendem Alter ein gewichtiges Mitspracherecht, aber die letzte Entscheidung, die Unterschrift, die mussten wir Eltern leisten. Erziehungsberechtigte ... Entscheidungsberechtigte in solch unsäglich schweren Situationen.

Ja und nun quälen mich Fragen und Zweifel. War es richtig, sie einem solchen Kampf auszusetzen? War es richtig, sie zum Kämpfen aufzufordern und zu motivieren? Denn es war Kampf, ob man das Wort mag oder nicht. Ein harter, erbarmungsloser Kampf gegen die Krankheit, die Symptome, die Wirkungen und Nebenwirkungen der Therapie.

Ein langjähriger Mitpatient unserer Tochter wollte sich nach einer neuerlichen Rezidivdiagnose vor zwei Monaten gegen das Kämpfen entscheiden. Angesichts des Leidensdrucks seiner Familie hat er dennoch einer weiteren Chemo zugestimmt. Wollte von deren Ergebnis abhängig machen, ob er sich weiterhin den heftigen Therapien aussetzt oder den von ihm favorisierten Palliativweg einschlägt und in der verbleibenden Zeit die Dinge tut, die ihm wichtig sind. - Im Zelltief bekam er eine schwere Infektion und ist daran vorzeitig verstorben. Die Schuldgefühle seiner Eltern wachsen ins Unermessliche.

Von außen betrachtet sah man die Erwartungshaltung, den Leidensdruck, die Hoffnungen, Wünsche und Seelennöte aller Familienmitglieder deutlicher, als man sich selbst in vergleichbarer Situation erlebt hat. Das hat meine Bedenken zusätzlich verstärkt, ob es richtig war, diesen Kampf aufnehmen zu lassen, diese Einverständniserklärungen zu unterschreiben, nicht die Alternativen gleichberechtigt aufgezeigt zu haben.

Verzeiht, wenn ich wirr geschrieben habe und vielleicht in meinen Gedanken nicht nachvollziehbar bin. Aber dieses Thema hinterlässt bei mir tägliches Gefühlschaos.

Alles Gute für euch
Simi
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  #8  
Alt 04.10.2013, 02:18
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HelmutL HelmutL ist offline
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Standard AW: Kämpfen - Diskussion um das Kämpfen gegen die Krankheit

Hallo zusammen,

ich denke, es kommt sehr auf die momentane Situation und individuelle Voraussetzungen an, ob man den Begriff des Kampfes anwendet oder lieber was anderes. Ich denke weiterhin, es ist entscheidend, wem und zu welchem Zeitpunkt man was sagt. Die Wortwahl ist dabei absolut wichtig.

Man sollte den Partner, die Partnerin, den Freund, die Mutter, den Opa, als Arzt den Patienten genau da abholen, wo er/sie gerade steht. Dazu muss man sich als Angehöriger/Betroffener/Arzt sehr wohl in die Psyche und die Lage des oder der (anderen) Erkrankten hinein versetzen oder es zumindest versuchen. Natürlich läuft man dabei Gefahr sich zu irren. Unter Umständen zum falschen Zeitpunkt das Richtige sagen oder zum richtigen Zeitpunkt das Falsche und manchmal einfach die Klappe halten, was auch falsch sein kann. Das Risiko muss man eingehen, wenn man verstehen und helfen will. Alles andere wäre doch nur hohles Geschwätz und das unabhängig davon, wo man selber gerade steht. Ob nun als Betroffene/r, Angehörige/r, Hinterbliebene/r oder Arzt.

Genau das ist der Grund, warum ich mich an dieser Diskusion beteilige: ich möchte, soweit möglich, wissen und verstehen. Zum Teil aus meiner Vergangenheit begründet und zum anderen Teil, weil sich jeder hier in vielleicht ähnlicher, jedoch nur ganz selten in der gleichen Situation findet. Bei Mit-Patienten, Mit-Angehörigen und Mit-Hinterbliebenen lege ich mindestens den gleichen Maßstab an.

Einem/r frisch Diagnostizierten sagt man: Kämpfe! Danach: schau mal, was das Leben noch zu bieten hat. Bei einem frisch Erkrankten könnte das bedeuten: mach eine Weltreise, erfülle dir deinen größten Wunsch und dann ... Tschüß. Im finalen Stadium kann man nur noch die Hand halten. Egal, ob man krebsbedingt dieses letzte Stadium erreicht oder nicht, auf unserer aller persönlichem Weg gibt es tausend Zwischentöne. Auch ein Betroffener kann mir nicht erzählen, dass er einfach so dazu kam, das Leben nach mehr oder weniger erfolgreicher Behandlung als schön zu empfinden. Dazu gehört Kampf und ich bleibe bei dem Wort. Kampf im wahrsten Sinne des Wortes. Ja, und oft genug flossen tatsächlich Blut, Schweiß und Tränen. Kampf gegen den Krebs, Kampf mit und gegen sich selbst. Kämpfen ist doch nichts negatives?

Das Ziel? Friede. Mit sich, dem Krebs, dem Leben. Glückwunsch an jeden, der das schafft. Auch dann, wenn es so ausgeht: es war schwer, aber auch sehr schön.

Was anderes. Als Angehöriger wollte ich keine Entscheidungen treffen, was das Leben ohne meine Frau betrifft. Als Hinterbliebener MUSSTE ich, ob ich das wollte oder nicht. Ich war gezwungen dazu. Ok, ich hätte es auch lassen können. Dann säße ich vielleicht heute in der Klapse oder schliefe unter einer Brücke. Ich hätte mich auch anders entscheiden können, dann könnte ich heute hier nicht schreiben. Leicht? Nein. Freiwillig? Nein. Mit einem Lächeln? Nein. Entscheidungen sind Entscheidungen. Auch sich nicht zu entscheiden ist eine Entscheidung. Analog dazu: als Gesunder will ich jetzt keine Entscheidungen für mich treffen, sollte ich irgendwann mal an Krebs erkranken. Es genügt mir, dass ich dazu gezwungen werde, wenn es soweit kommen sollte. Was nicht heißt, ich mache mir gar keine Gedanken darüber. Als ehemaligem Angehörigen gehört das Gespenst namens Krebs aus gegebenem Anlass zu meinem Leben.


Liebe Grüße und allen eine gute Nacht,

Helmut
__________________
Zeit zum Weinen, Zeit zum Lachen.
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