Stammtisch

[Andrina]

guten morgen miteinander

schön zu lesen, dass es euch allen so gut geht!

für mich war diese woche, vorallem die erste hälfte davon, nicht so toll! ich war nicht "offensichtlich" traurig, so dass ich geweint hätte, aber niedergeschlagen und deprimiert! gestern war es etwas besser und heute? für heute kann ich es gar noch nicht richtig sagen, im moment bin ich einfach nur hundemüde und ziemlich stinkig!

meine mami ist sehr traurig und weint viel und manchmal sagt sie, dass ihr alles verleidet ist und sie überhaupt keine zukunft mehr sieht! sie hat alles recht der welt sich so zu fühlen und ich möchte ihr auf keinen fall verbieten solche sachen zu sagen, aber es macht mich sehr traurig! vorallem weil ich nichts sagen oder tun kann, dass ihr hilft! und dann hat sie mir noch erzählt, dass sie andere tabletten vom artzt möchte, stärkere... das bedrückt mich auch sehr! ich bin die einzige aus der familie, die nichts nimmt... ich bin allgemein kein freund von medikamenten und mit solchen tabletten hätte ich das gefühl all meine "echten" gefühle zu unterdrücken! ich verurteile niemanden, der so etwas nimmt, aber für mich persönlich ist es halt nichts! papi hat da genau gleich gedacht wie ich! meine schwester hat schon vorher etwas genommen, weil sie extreme stimmungsschwankungen und zum teil panik unter leuten hatte! am letzten wochenende hat sie ihre tabletten abgesetzt, weil sie davon etwas zugenommen hatte und leider ist es wirklich so, dass sie sich ohne diese tabletten nicht im griff hat! sie hat sich am letzten samstag wirklich echt daneben benommen und mami und ich haben am schluss nur noch geweint wie die schlosshunde! in solchen momenten vermisse ich meinen papi so sehr! er war immer der starke in der familie! jetzt kullern mir die tränen und doch weiss ich, dass es alles nichts nützt! er ist nicht mehr da!

ihr lieben, geniesst es in vollen zügen, dass es euch so gut geht!

happy weekend und liebe grüsse,
andrina

[AndreaS]

Liebe Andrina,

ich kann gut verstehen, dass das nun sehr schwer für dich ist. Irgendwie kurzzeitig vertrauschte Rollen?

Aber ich kann deine Mama mehr als gut verstehen. Wenn der starke Teil im Leben einfach wegbricht, geht die Welt zeitweise unter. Wenn dein Papi der war, der sie stark gemacht hat, muss sie erst einen Weg für sich finden, irgendwie selbst zu Kräften zu kommen. Sie sieht keinen Sinn ohne ihn, ich kann es verstehen, dass diese Gedanken kommen, sie sind aber nicht gegen euch gerichtet, bestimmt nicht, das weiß sie auch und trotzdem möchte sie einfach nur da sein, wo er ist. Mein Gott, wie gut kann ich sie verstehen...

Vielleicht hast du auch das Gefühl, dass sie deine Hilfe gar nicht will. Lass dich davon nicht beirren. Vielleicht will sie sich eine zeitlang quälen, will den Schmerz spüren, und auf der anderen Seite erträgt sie es nicht und möchte sich betäuben. Irgendwie kommt mir das alles bekannt vor....Aber dass ihr nicht alles egal ist, merkst du ja daran, dass sie überhaupt bemerkt, dass die Medikamente sich auf ihr Gewicht auswirken - das ist ein gutes Zeichen dafür, dass ihr nicht alles egal ist, auch wenn sie es sagt.

Was denkst du, würde deiner Mama nicht helfen, sich hier auszutauschen, alles von der Seele zu schreiben und zu erzählen? Frag sie doch einmal und bestell ihr liebe Grüße vom (Witwen)stammtisch. Hier ist immer jemand, mit dem sie reden kann.

Euch allen einen guten Tag, mit ein wenig Sonne im Herzen, wenigstens ein wenig...

LG
Andrea

[Andrina]

danke für deine worte liebe andrea!

ich weiss, dass sie nie aufhören würde zu kämpfen und ich weiss auch, dass es nichts mit mir oder meiner schwester zu tun hat! sie sagt solche sache auch nicht jedem, sondern nur meiner schwester und mir... bei uns kann sie sich fallen lassen kann! trotzdem tut es weh und man fühlt sich so hilflos! eben auch, weil ich weiss, dass sich das nicht von heute auf morgen ändern wird... es wird viel zeit brauchen!

ich bin auf der einen seite mächtig stolz auf sie, weil sie immer wieder mut und stärke zeigt, denn sie verkriecht sich nicht sondern pflegt ihre freunde und bekannten und sie möchte auch unbedingt in eine trauergruppe und andere leute kennenlernen, die jemanden verloren haben! sie würde bestimmt auch gerne hier schreiben, denn ich habe ihr schon oft vom krebs-kompass erzählt und wie sehr er mir hilft, aber sie hat leider keinen computer zu hause! die grüsse werde ich aber sehr gerne ausrichten!

andrea, diejenige, die sich daneben benommen und gewicht zugelegt hat, ist meine schwester sie ist leider die "unstabilste" aus der familie, aber eigentlich eine ganz liebe mami benimmt sich nie daneben, sie ist einfach traurig und es ist genau so wie du beschrieben hast, papi war ihr fels!

Wenn der starke Teil im Leben einfach wegbricht, geht die Welt zeitweise unter. Wenn dein Papi der war, der sie stark gemacht hat, muss sie erst einen Weg für sich finden, irgendwie selbst zu Kräften zu kommen.

da fällt mir ein, dass ich mit mami über diese trauergruppe gesprochen habe und ich ihr gesagt habe, dass ich die idee super fände und es sicher auch gut sei, wenn sie etwas im leben hat, was nur ihr gehört und sie weder mit uns noch mit sonst jemandem teilt!

deine kinder sind ja nur ein paar jahre jünger als ich, oder? wie gehen sie mit dem tod ihres vaters um? und wie sehr hast du ihnen gezeigt, was du dir hier von der seele geschrieben hast?

liebe grüsse,
andrina

[AndreaS]

Liebe Andrina,

tut mir leid, war mal wieder zu unaufmerksam beim Lesen. Das Tier lauert heute - will es nicht, mir soll es gut gehen - ich antworte dir morgen oder so - heute klink ich mich erst einmal aus.

LG
Andrea

[AndreaS]

Hallo Andrina,

so, heute geht es wieder besser - manchmal hilft eine Mütze Schlaf doch sehr

Du fragst nach meinen Kindern. Mein Ältester wird jetzt im Juni 22, die große Tochter ist 19, die jüngere Tochter wird im August 17 und der Familienchaot wird im Juli 13.

Sie gehen unterschiedlich damit und mit mir um. Saskia, die Älteste ist mein Ebenbild, unsere Emotionen sind sehr ähnlich, was im Alltag häufig zu Turbulenzen führt aber auf unserem Weg durch die Trauer sehr hilfreich war und ist. Wir reden oft stundenlang. Und Saski wollte immer aktiv etwas tun, so hat sie im vergangenen Jahr zusammen mit dem Kirchenchor ein Konzert zu Gunsten des ambulanten Hospiz organisiert, wobei ein nicht unbeträchtlicher Spendenbetrag zusammenkam.

Der Große redet nicht viel, eigentlich gar nicht. Ich habe ihm das Gespräch immer angeboten, hin und wieder reden wir auch ein paar Takte, aber seine wirkliche Gefühlswelt offenbart er lieber seinen Kumpels. Leider hat er einige Freunde, die ihren Vater an Krebs verloren haben, sie können ihm besser helfen, Männergespräche halt, aber auch das ist ok, solang er weiß, dass ich immer für ihn da bin. Micki ist seinem Papa sehr ähnlich, ich denke, Claus hätte im umgekehrten Fall auch sehr viel mit sich ausgemacht, kann mir schon gar nicht vorstellen, dass er hier im Forum geschrieben hätte.Ich weiß nicht genau, wie er damit umgegangen wäre - keiner kann wissen, was in Ausnahmesituationen tatsächlich passiert - aber ich denke, er hätte wie sein Sohn eher im Stillen Zwiesprache geführt, gegrübelt und alleine versucht, nicht verrückt zu werden. Ja, und so ist Micki auch.

Selina wurde eine Weile "übersehen" die Arme. Sie ist unser Sonnenschein, hat nie lautstark gefordert und auch in der Trauer hat sie die Dinge zunächst einmal mit sich ausgemacht. Nun war ich selbst sehr mit mir beschäftigt, dass ich erst einige Zeit später bemerkte, was mit ihr los war. Zum Glück haben wir die Chance genutzt und in unserem gemeinsamen Urlaub lange miteinander gesprochen und so haben wir nochmal die Kurve bekommen.

Und unser Max, nun, ich denke er ist der, der um das meiste "betrogen" wurde. Er hatte ein sehr inniges Verhältnis mit seinem Papa und durfte ihn die kürzeste Zeit bei sich haben. Er ist noch sehr verschmust und auch wir reden oft miteinander, haben unsere Möglichkeit gefunden, Hoffnung und Trost zu finden, z.B. mit dem Stern, der häufig nur in sein Zimmer leuchtet....

Du fragst, ob ich das, was ich hier von der Seele geschrieben habe, meinen Kindern erzählt habe? Nun, ganz viele Dinge ja. Ich habe versucht, nicht zu oft vor ihnen zu weinen - besonders wegen Max, der sich immer sehr erschreckt hat und in Angst um mich ist - Saski habe ich immer alles erzählt, tue ich auch heute noch, mit ihr bespreche ich all meine Gefühle, auch die Positiven, die, die in die Zukunft gerichtet sind. Auch viele meiner Beiträge hier, hat sie gelesen. Das einzige, was noch unter Verschluss ist, sind meine Briefe an Claus. Das ist mein Zwiegespräch mit ihm, geht nur ihn und mich etwas an. Aber eines Tages können sie es gerne lesen, wenn sie es möchten.

Die Kinder haben uns als Ehepaar erlebt, nicht nur als Eltern, und sie wissen, wie sehr ich ihren Papa vermisse. Vielleicht gibt ihnen das sogar einen gewissen Trost. Ich habe versucht, Claus überall im Haus sichtbar zu lassen. Es gibt keinen Raum, in dem er nicht "anwesend" ist auf Bildern. Daran wird sich auch nichts ändern, ich werde meinen Kindern niemals das Gefühl geben, dass ich "Platz" schaffen möchte für was anderes. Ein Umsortieren wird möglich sein, aber Claus ist und bleibt in unserem Leben, in unserem Daheim.

Merke gerade, dass ich nicht wirklich die Fragen beantworte ist mal wieder eher ein "sich von der Seele schreiben". Ja, auch 19 Monate sind nicht wirklich viel, um ein ganzes Leben zu verarbeiten, auch wenn sich nach 19 Monaten vieles wieder gut und schön anfühlt, auch wenn es wieder Hoffnung gibt und das Lachen und die Sonne im Herzen zurückkehrt, es wird noch Zeit brauchen, vielleicht oder ja sogar hoffentlich hört es niemals ganz auf.

Quasselstrippengrüße und Sonne im Herzen sendet euch

Andrea

[Jutta F.]

liebe Andrea,

freue mich, daß es Dir wieder besser geht und drück Dich mal

Gruß Jutta

[Wolke]

Hach ja, so wie der Frosch, so werde ich es mir morgen in zwei Wochen auch gut gehen lassen. Dann fliegen wir nach Menorca.

Die Sonne im Herzen ist heute gut Andrea, denn draußen ist es ziemlich trüb und muckelig. Aber mir wird ein wenig Regen ganz gut tun, damit die Luft mal von den Pollen gereinigt wird.

Gleich geht es los zur Müllkippe ein paar Dinge entsorgen. Vor dem Umzug will ich alles durchforstet haben.

Ich wünsche euch allen (auch den stillen Mitlesern) ein schönes WE fernab von Löchern oder Trauertieren.

Für alle Fälle deponiere ich ein paar Kerzen und Schoki.

Liebe Grüße Wolke