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Alt 20.10.2009, 16:33
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annika33 annika33 ist offline
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Registriert seit: 09.04.2008
Beiträge: 1.796
Standard AW: Meine Mama hat ein kleinzelliges Bronchialkarzinom.:-(((

Liebe Diana,

Zitat:
Annika, sag mir einen Weg, ich probier ihn 100%, wie Du es schaffst.
Wir beide, wir alle wissen, dass es diesen EINEN Weg nicht geben wird. Er ist, wie unsere Mamas, wie wir, wie der Krankheitsverlauf, wie das Sterben, eben wie alles im Leben individuell.

Es gibt Parallelen und es gibt Unterschiede. Nie werden wir zu 100% den Weg oder Sichtweise des jeweils anderen einnehmen können. Aber ich denke, man kann einander teilhaben lassen, an der eigenen Art des Umgangs.

Zitat:
Das "dabei sein beim Sterben" der geliebten Mutter, das kann man nie vergessen, verblassen wird es sicher auch kaum. Jasmin und ich wollten gerne dabei sein, um unseren Müttern beizustehen, dennoch haben wir das jetzt als Hypothek.
Das "nicht dabei gewesen sein beim Sterben", das ist meine Hypothek. Und darüber habe ich lange und intensiv nachgedacht. Eine Hypothek - das sind Schulden. Das ist eine Belastung. Etwas, das man mitunter lange lange zu tragen hat, daran kann man ein Leben lang zahlen. Ich kann und werde das nicht tun. Ich muss doch damit leben - weiterleben. Ich kann sagen:"Ich war zur falschen Zeit am falschen Ort!" oder, "Es hat so sein sollen - es war vielleicht Schicksal!". Ich entscheide mich für:"Es war so und ich versuche es so wie es war anzunehmen!"

Das was auf unseren Schultern lastet, das sind Traumata. Das sind Situationen, Eindrücke die uns das Leben schwer machen. Ich nehme mich hier doch gar nicht aus. Ich sage nicht:"So etwas versucht nicht mich zu verfolgen!", aber ich denke, dass man einen gewissen Einfluss auf sich selber hat. Und eine gesunde Selbstkritik, die finde ich immer gut und angebracht, aber wenn es darin ausufert, dass man mit sich selber nicht mehr ausgewogen ins Gericht geht, dann erlaube ich mir, mich zu Wort zu melden.

Was habt Ihr Euch denn vorzuwerfen ? Was habt Ihr denn falsch gemacht? Ich zum Beispiel, ich könnte kotzen, wenn ich dran denke, dass meine Mama überhaupt eine derart schlimme Krankheit bekommen hat. Wie oft lag ich am Anfang nach der Diagnose im Bett und habe mich immer wieder gefragt:"Warum, warum, warum?" Und? Mir antwortet auf diese Frage niemand. Keiner! Aber ich habe gemerkt, dass dieses Warum nichts besser hat werden lassen - ganz im Gegenteil. Ich frage daher nicht mehr nach dem Warum. Im Umkehrschluss ramme ich mir ja auch nicht ständig erneut einen Zahnstocher ins Auge. Die Seele ist genauso schonenswert wie der Körper.

Es tat weh meine Mutter so sehen zu müssen - auf der anderen Seite hatten wir eine Nähe und Verbundenheit, die in dieser Intensität vorher nie da war. Ganz einfach, weil sich ab einem gewissen Punkt die Positionen verkehrt haben. Sie war hilflos wie ein kleines Kind - ich fühlte mich "größer". Das war sehr schwer - tat aber auch gut. Ich versuche nicht immer nur das Schlechte aus den Situationen zu ziehen. Ich versuche auch das Gute abzugewinnen.

Und schau...bei mir sind eben diese 3 Kinder. Mag sein, dass ich selber auch kein Glück mehr zu empfinden wüsste, das kann ich eben nicht sagen, weil ich ja die 3 habe. Ich muss "weiterleben", ich muss "lachen", ich muss Anteil am Leben nehmen - und ich merke, es geht weiter und es tut mir gut. Und manchmal, dann komme ich mir vor, als wenn es nicht gerecht wäre, dass ich all das noch genießen darf, und meine Mama nicht. Und in solchen Momenten Diana, da hätte meine Mutter, wenn sie könnte, mir derart den Marsch geblasen - mein lieber Scholli.

Meine Mutter ist mit 56 Jahren gestorben. Nie werde ich vergessen, als wir auf dem Vortrag des pallitativen Netzwerkes unserer Stadt waren. Wir saßen dort im Publikum, und oben auf dem Podest Ärzte, Schwestern. Darunter sogar die Schwester, die Mama am Tag des Versterbens im Arm hielt. Jedenfalls hörten wir den Vortrag an, und es wurde dann ein Mikro ins Publikum gehalten. Meine Mutter stand, für mich absolut überraschend und nicht vorhersehbar auf, und meldete sich zu Wort. Sie begann mit:"Hallo, ich bin betroffen, leide an LK und weiß, dass ich in absehbarer Zeit sterben muss. Ich habe 3 Enkelkinder und Angst, diese nicht mehr großwerden zu sehen. Neben mir hier, das ist meine Tochter (die Farbe meines Kopfes muss ich an dieser Stelle sicher nicht explizit erwähnen, oder?!), die mich so sehr unterstützt, und immer für mich da ist!......."

Weißt Du Diana, das z. B., wenn ich heute daran zurückdenke, dann kann ich das von 2 Seiten sehen. Ich kann weinen und traurig sein, weil ich so etwas nie wieder hören und erleben werde. Oder ich versuche etwas Gutes für mich zu gewinnen. Vielleicht bin ich ja auch in hohem Maße egoistisch, aber ich versuche mir immer wieder vor Augen zu halten, was Mama mir sagen würde. Hier und jetzt.

Und der Körper, der sucht sich oftmals ein Ventil. Ich kränkel infektmäßig wieder viel rum, hab mit der Haut Probleme. Spurlos geht das wohl an keinem von uns vorbei. Ich würde auch niemals hergehen und sagen:"Mensch, da träumt Ihr Euch aber was zusammen...tztztztz !" Das sind ja Dinge, die unser Unterbewusstsein aus bestimmten Gründen abspult, nötigenfalls im Traum. Es ist ja auch eine Form von Bewältigung. Aber wenn man dann noch hergeht, und sich ständig für sein Handeln und Tun kritisiert....Mensch, was in der eigenen Macht stand, das hat man doch getan.

Wir sind hergegangen und haben von Beginn an mitgelitten. Ängste ausgestanden, mitgebangt, mitgefiebert, jeden Erfolg gefeiert, wir haben hier im KK geschrieben um Infos und Austausch zu bekommen, wir sind (meine hat mich nie gelassen ) zu Ärzten mitgegangen, ja, und als der Weg dann ganz beschwerlich wurde, haben wir die Mamas auch auf diesem begeleitet. Aber all das doch aus bedingungslosem Liebhaben. Und allem voran aus gegenseitigem Liebhaben. Und nun soll so viel davon falsch und verkehrt gewesen sein? Nein - das kann ich eben nicht annehmen und möchte das auch nicht. Und ich finde, sowohl Jasmin, als auch Du, ihr geht zu hart, nicht objektiv mit Euch ins Gericht. Wiegesagt...damit sind nicht die Bilder gemeint, die immer wieder mal vor dem geistigen Auge erscheinen. Damit meine ich die Selbstvorwürfe in Form von "hätte, hätte, hätte".

Zitat:
Sie hing dennoch am Leben, ich glaube nicht, dass sie sterben wollte, denn in der Palliativ-Station lief sie durch die Gänge und reif : Ich will leben, bitte lass mich leben.
Dies nur als Beispiel - das Bild hast Du vor Augen, und ich kann wirklich absolut nachvollziehen, wie weh das tut. Meine Mutter hat das klipp und klar formuliert, ein paar Tage ehe sie dann ins KH kam. "Ich geh da nicht rein - wenn ich dahin gehe, dann komm ich da nicht mehr raus!" Diana, das ist eine Bürde, die jeder von uns irgendwie zu tragen hat - die Bilder, die Erlebnisse, die Situationen, die hat jeder von uns. Und sicher verfolgt einen das manchmal, aber sich selber, sein eigenes Handeln ständig in ein schlechteres Licht zu rücken, das finde ich einfach nicht richtig.

Sowohl Du, als auch Jasmin, als auch Bibi - Ihr habt Euch nix vorzuwerfen. Und oftmals, wenn einen was quält, dann ist es das Gewissen. Und das will einfach keine Mama auf der Welt, dass ein Kind ihretwegen sein Leben lang ein schlechtes Gewissen quält.

Mit ganz liebem Gruß

Annika
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