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  #1  
Alt 26.07.2010, 12:37
grenzbaer grenzbaer ist offline
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Registriert seit: 28.01.2010
Beiträge: 8
Standard AW: Das Leben nach der Diagnose...die plötzliche Angst die einem eiskalt umklammert

Hallo an alle hier!

Die letzten Monate waren sehr sehr anstrengend, nicht für uns, für meine Mama. Es ist so viel passiert, auch bei mir in meinem eigenen privaten Umfeld, dass ich hier nicht mehr viel machen konnte. Ich hatte eine hypert. Entgleisung, habs aber gut überstanden. Ging ganz schnell....nach einem durchgearbeiteten Wochenende, gingen mir dann am Montag im Büro buchstäblich die Lichter aus...bekomme jetzt Tabletten gegen Bluthochdruck und arbeite daran, gelassener zu werden.

Stand der Dinge bei meiner Mama:


Erst mal die positiven Dinge:

Die Chemo ist beendet und war äusserst erfolgreich. Unglaublich, aber der "ET" getaufte ist WEG! Jawohl, weg! Man kommt sich vor wie Wackelpudding nach dieser Nachricht...Freude beschreibt den Zustand nicht so wirklich, zumal im Anschluss ja noch die Bestrahlung des Kopfes kam.....

Jetzt zu den negativen:

Die zum Ende der Chemo hin schon wieder wachsenden Haare sind am Ende der Bestrahlung (vor 2 Wochen) leider wieder vollkommen weg, bis auf einen neckischen Büschel oben an der Stirn. Nächster planmässiger Arzttermin wäre in 6 Wochen...AAAABER...

Nach all dem, was meine Mama jetzt durchgemacht hat...hat sie nach der Bestrahlung plötzlich Probleme anderer Art. Die früher, auch während der Chemo so freundliche, unternehmungslustige Frau, ist nur noch ein Schatten ihrer selbst. Sie hat viele Dinge einfach vergessen, kommt plötzlich mit den einfachen Dingen des Lebens (Toilette, Hygiene, Essen) nicht mehr klar, weiss nich mehr wie man sich ein Frühstücksbrot schmiert und wird zu alledem noch aggresiv...man hat das Gefühl, es rattert fortlaufend in ihrem Kopf, und sie schafft es nicht, so sehr sie sich auch bemüht...sie ist total hilflos.

Ursächlich war, laut Aussage der Medizinerin im Strahlenzentrum, eine Gehirnschwellung...die hat man nach Auftreten der Symptome und leider erst auf unser Nachfragen mit Cortison behandelt und es ist zunächst etwas besser geworden. Wobei sich das Verhalten in der letzten Woche dramatisch verschlechtert hat.

Es war ein so schwerer Gang, sich einmal vor Ort über Möglichkeiten zu erkundigen wie Essen auf Rädern, Nachsorgebetreuung nach Krebserkrankungen, Tagespflege...aber was sind denn die Optionen...meine Überstunden sind abgefeiert, meine letzte Woche Urlaub habe ich jetzt, bei meiner Schwester siehts ähnlich aus und im Job ist grad eh alles ungewiss...

Hat das jemand von Euch auch schon erleben müssen, dass sich die vorsogliche Starhelntherpie am Kopf, so negativ ausgewirkt hat???

Ich sende allen Betroffenen, Angehörigen und sont irgendwie Beteiligten liebe Grüße, viel Kraft und Durchhaltevermögen.

Bedanken möchte ich mich für den Zuspruch und die aufmunternden Worte hier, wenns manchmal nicht mehr ging, hab ich als hier noch mal gelesen, auch wenn es nichts zu schreiben gab, weil ich ja nicht "Das Chemotagebuch Teil V" hier reinsetzen wollte.

Wichtig war für mich die Erkenntnis: Nicht ICH bin erkrankt sondern meine Mama. Ich bin dazu da das Umfeld zu ebnen und sie zu unterstützen...solange es geht und ich/wir es können.

Leider ist jetzt der Punkt erreicht, wo es eben alleine nicht mehr gehen wird....wir müssen uns über kurz oder lang Hilfe holen...dabei macht sich eine andere Traurigkeit breit, eine weitere Form der Hilflosigkeit...

Sind eigentlich hier Kraftausdrücke erlaubt? Dann wär hier jetzt die Stelle wo ich ganz groß ******* schreiben würde..

LG @ all

Hansi

Geändert von grenzbaer (26.07.2010 um 12:43 Uhr)
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  #2  
Alt 11.12.2010, 23:04
grenzbaer grenzbaer ist offline
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Beiträge: 8
Standard AW: Das Leben nach der Diagnose...die plötzliche Angst die einem eiskalt umklammert

Hallo alle Betroffenen.

Der Kampf ist verloren...und doch haben wir noch einige schöne wertvolle Tage gewonnen gehabt....und wir können voneinander Abschied nehmen....der Kopf ist voller Metastasen und sie geben ihr noch höchstens 2 Monate. Danke für die Kraft die ich auch in diesem Forum schöpfen durfte. Dadurch war es möglich ihr noch den einen oder anderen schönen Tag zu schenken...nicht zu vergessen die Tage die Sie uns geschenkt hat.

Ich hatte gedacht, es könne nicht noch schlimmer kommen, aber jetzt jeden Tag nach Hause zu gehen mit der Gewissheit...es könnte durchaus das letzte Mal sein, dass man die geliebte Hand seiner Mutter berührt, einen liebevollen Blick von Ihr erhält...

Noch schlimmer ist die Kälte und die Ignoranz die einem die Mitmenschen in so einer Situation entgegenbringen......ich habe erkennen müssen, dass es selbst im engsten privaten Umfeld Menschen gibt, denen Gefühle dieser Art völlig abhanden gekommen sind...

Wo immer meine Mama auch hingehen wird, sie wird immer bei mir sein, so wie sie immer bei mir war.

Danke Mama, du bist die Beste die ich mir hab vorstellen können.

Danke...
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  #3  
Alt 12.12.2010, 00:43
Benutzerbild von Monika Rasch
Monika Rasch Monika Rasch ist offline
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Beiträge: 1.968
Standard AW: Das Leben nach der Diagnose...die plötzliche Angst die einem eiskalt umklammert

Hallo Grenzbaer,
die Ignoranz der Mitmenschen ist nicht böswillig, sie ist ängstlich.


Zitat:
ich habe erkennen müssen, dass es selbst im engsten privaten Umfeld Menschen gibt, denen Gefühle dieser Art völlig abhanden gekommen sind

So schützt man sich vor etwas, was einen nicht persönlich betrifft-vor lauter Angst darüber nachdenken zu müssen wenn der SUPERGAU im eigenen Leben eintreten würde.
Es ist oft nicht Gleichgültigkeit, sondern Abschottung- weil man sonst vor lauter Angst vor dem Leben und dem Kranksein und dem Sterben umkommen würde.

Ich jedenfalls weiss genau was Du fühlst !

Ich lebe jeden Tag in einer unglaublichen Angst um meine jüngere Schwester .
Es ist zum verzweifeln, aber es ist wie es ist.

Manche Menschen sterben eher, manche später, manche zu früh, manche hätten keinem gefehlt...
Wenn man nur wüsste was hinterher kommt ...?

Wofür das alles GUT ist..hat es einen Sinn ?

Dein Schmerz tut mir leid.
__________________
Mein Ehemann Georg+36jährig+1988(NHL)
Mein Liebster Joachim+42jährig+1997 (kleinzell. Bronchial Ca.)
Ich : 2002 DCIS re.Mamma, operiert, bestrahlt, AHT
Meine Schwester Heike +2011(Bronchialca)
Unsere Mama +2013(operiertes Glioblastom, Nierenversagen bei Temodal Therapie)
Meine Schwester Sandra(45),TN mamma Ca.metastasiert, +21.11.2015
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  #4  
Alt 21.03.2011, 23:40
grenzbaer grenzbaer ist offline
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Registriert seit: 28.01.2010
Beiträge: 8
Standard AW: Das Leben nach der Diagnose...die plötzliche Angst die einem eiskalt umklammert

Hallo an alle Mitleser -innen.

Seit gestern 12:55 Uhr ist das lange Leiden zu Ende. Sie hat jetzt keine Schmerzen mehr, keinen Durst, keinen Hunger und es geht Ihr hoffentlich gut. Wir (meine Schwester und ich) konnten Sie tatsächlich bis zum letzten Atemzug begleiten. Sie schenkte uns ganz zum Schluss noch ein Lächeln und zwei Tränen liefen Ihr über die Wangen...quasi für jeden von uns eine...

Ihr Gesicht war plötzlich nicht mehr angestrengt, sondern ganz friedlich, als ob sie gleich wieder aufwachen würde und nach einer Tasse Kaffee verlangen würde...

Die letzten Wochen waren sehr sehr intensiv, und jetzt ist eine angespannte Leere in mir...am 31.03.2011 werden wir Ihre Urne unter einem Baum in einem Ruhewald bestatten und hoffen, dass sie, wo immer sie auch sein mag, Freude an diesem Platz haben wird.

Diesem ganzen Forum, all seinen aktiven und passiven Mitgliedern, Mitschreibern und Mitlesern an dieser Stelle ein aufrichtiges Dankeschön.

Allen wie auch immer betroffenen Angehörigen möchte ich bei aller scheinbaren Hoffnungslosigkeit sagen, dass es auch nach der Diagnose darum geht weiter zu leben, zusammen, mit dem Menschen der tatsächlich davon betroffen ist. Jede Stunde, jede Sekunde zu geniessen und zu geben...denn keiner der Augenblicke wird jemals zurückkommen. Auch wird man keine Möglichkeit bekommen, verpasste Dinge nachzuholen, wenn die Zeit erstmal gekommen ist, kommt auch die stille und die Leere..udn was ist, wennman dann keinen positiven Erinnerungen hat?

Wir, die wir noch hier bleiben, haben jetzt die Aufgabe weiter zu leben, mit aller Traurigkeit, allem Schmerz. Nur liegt es jetzt an uns wie wir das machen...ich habe mich auf den Weg gemacht...will nicht stehen bleiben und darauf warten, dass ein Wunder geschieht und sie zurückkommt...ich will leben...mit der wundervollen Erinnerung an meine Mama, die uns bis zum Schluss immer ein aufmunterndes Lächeln geschenkt hat. Ich bin so stolz auf Sie, stolz, dass genau Sie meine Mama ist.

Ich danke euch allen von Herzen.

Hansi/grenzbaer
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  #5  
Alt 22.03.2011, 00:58
undine undine ist offline
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Beiträge: 899
Standard AW: Das Leben nach der Diagnose...die plötzliche Angst die einem eiskalt umklammert

Lieber Hansi,

ich möchte dir für deine Worte danken. Sie haben mich sehr bewegt. Ich habe geweint. Und sie trösten mich auch.
Dir und deiner Familie wünsche ich alles Liebe und sende dir mein aufrichtiges Mitgefühl.
__________________
_________________________

Ich habe mit Hilfe der Menschen im Krebsforum meine Mutter 2010-2011 bei ihrer Lungenkrebserkrankung (Adenokarzinom) begleitet.
Sie starb Weihnachten 2011.
Danke an alle, die mir geholfen haben. Und alles Liebe für alle, die den Kampf gegen Krebs bestreiten.
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  #6  
Alt 22.03.2011, 07:41
edith57 edith57 ist offline
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Ort: Österreich
Beiträge: 654
Standard AW: Das Leben nach der Diagnose...die plötzliche Angst die einem eiskalt umklammert

Lieber Hansi,

Deine liebe Mama ist nun erlöst und sie konnte so gehen, wie du es dir ganz am Anfang ihrer Krankheit gewünscht hast. Das soll dir ein Trost in dieser kommenden schweren Zeit sein. Und denke immer daran, sie wird nie ganz weg sein, denn alle die sie kannten und liebten werden mit dem Gedanken an sie weiter leben.

Stille Grüße
Edith
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