AW: Chemo bei ProstataCa wird nicht besser
Ihr lieben Mädels, ihr!
Trauern... Was ist das eigentlich?
Ist es das unentwegte Weinen und Klagen, das anderen deutlich zeigt, wie sehr wir einen Menschen vermissen?
Wie trauere ich richtig? Gibts da eine Anleitung für? NEIN.
Jeder Mensch ist anders und so geht jeder auch anders mit Verlust und Glück um.
Manche können sich nicht freuen bzw. ihre Freude nicht vermitteln. Niemand sieht ihnen an, dass ihnen grade das Herz zerspringt vor Glück.
Andersrum ist es ganz genauso.
Ich habe mich gefragt, was ich am Besten tun könnte, damit alles raus kommt.
Was soll eigentlich raus kommen?
Die Wut über die Krankheit, die ihn so hat leiden lassen und uns so viele Sorgen gemacht hat?
Der Druck, immer präsent sein zu wollen, der mit einem Mal vorbei war und wir „alles hinter uns hatten“? War damit alles schon vorbei?
Die Angst, ohne den geliebten Papa bestehen zu können, wenn der Ratgeber und beste Freund fehlt?
Was genau soll passieren?
Ich schrieb schon mal, dass ich erleichtert war, als Papa auf seiner Reise ins Regenbogenland war.
Es ist alles von mir abgefallen. Die 24-Stunden-Sorgen und –Ängste, die panikartigen Lauschattacken auf jeden Mucks, den er machte, das Kopfkarussell – alles.
Und das war’s dann bei mir auch.
Ich habe mich in Geschäftigkeit geflüchtet. Das neue Jahr hat begonnen und ich sollte wieder ins Büro. Ob ich GEMUSST hätte? Nein, bestimmt nicht.
Jeder Arzt unterstützt einen dabei, sich nach solchen Erlebnissen eine Auszeit zu nehmen. Aber was wäre dann gewesen, wenn ich daheim gehockt hätte, bei meiner Mama?
Es hätte sowieso alles drumherum organisiert werden müssen... Und meine Mama war damals 77 und gefasster als wir Kinder zusammen. Trotzdem hätte ich sie es nicht alleine organisieren lassen. Das wollte ich nicht.
Ich hab fast alles an mich gerissen und erledigt.
Ich bin geflohen. Und ich habe mich „wohl“ dabei gefühlt. Ich hatte noch eine Aufgabe, die mit Papa zu tun hatte. Ein letzter Dienst quasi.
Ich habe während den ersten Monaten kein Gefühl vermisst, weil ich irgendwie keine Zeit hatte, mich fallen zu lassen – und ich wollte mich auch nicht ständig erinnern...
Ein halbes Jahr später ca. kam was in mir hoch.
Eine komische Stimmung, Traurigkeit, eine nie gekannte Leere, Erschöpftheit und Lustlosigkeit!
Wir waren für eine Woche an der See, mein Schatz und ich.
Ehrlich: Nur dort habe ich DAS fühlen können, was mich irgendwie befreit hat.
Ich kann es nicht beschreiben, aber das Wasser, die Wellen und der Wind – überall habe ich den Papa gesehen und war ihm ganz nah.
Jede Welle hat eine Botschaft für Papa mit weggeschwappt, jede Welle hat eine kleine Wunde aus dieser schlimmen Zeit verschluckt, jede Welle hat mich einfach beruhigt und hat meine salzigen Tränen mitgenommen.
Ich war gefühlsmäßig Zuhause; ich war an dem Punkt angelangt, der mir gut tat.
Vielleicht müssen wir unsere individuellen Vorstellungen von Trauer und -bewältigung überdenken.
Ich trauere, wenn ich jeden Tag an meinen Papa denke; wenn ich sein Bild anschaue und mit ihm lache; wenn ich ihn dann neben mir sitzen sehe, wie ich seine Hand an meine Wange halte; wenn mir beim Nachdenken die Tränen laufen...
Ich denke, ich würde gerne laut schreien, aber ich tu es nicht – ich kann es nicht. Nichts in mir hat das Verlangen danach.
Ich bin seit Papas Tod stark geworden.
Da ist eine Menge Stolz mit dabei. Immerhin bin ich durch „meine“ Hölle gegangen. Alles, was vorher in meinem Leben passierte, war Kindergarten, Pille-Palle.
Ich habe das Recht darauf, stolz zu sein. Auf mich, auf uns, auf meinen Papa, der so tapfer gekämpft hat.
Diesen Stolz trage ich mit mir rum und bin immer und überall die Starke.
Gerne würde ich mich fallen lassen, aber ich kann es nicht.
Wie geht das? Was passiert dann? Wer fängt mich auf?
Meine Mama? Sie trägt die Last noch schwerer, denn sie ist alleine.
Mein Freund? Er kann nicht trösten. Könnte mich dann wohl auch nicht auffangen.
Mädels, ich bin seit fast 2,5 Jahren ohne meinen Papa.
Mir ging es in dieser Zeit nicht wirklich schlecht. Es ging eben! (Wie diese Pseudo-Antwort auf die Frage "Wie gehts dir?" - "Naja, es geht!")
Und bislang bin ich damit auch recht zufrieden.
ICH möchte alles so behalten, wie es ist. Meine Erinnerungen, aus denen die schlimme Zeit überwiegend verblasst ist (weil ich es möchte), drehen sich um Papas Leben mit uns bis 1 Woche vor seinem Tod.
ICH sehe keinen Grund darin, Papas letzte Woche ständig aufzuarbeiten.
Das tue ich bislang jedes Jahr ab Heilig Abend. Und das langt mir.
Ich habe eigentlich nicht vor, das zum Ritual werden zu lassen. Diese sentimentale Weihnachtsstimmung, der möchte ich mich nicht hingeben.
Eine Hilfe bin ich nicht, wie ihr lesen könnt.
Ich habe kein Rezept zum Trauern. Es gibt auch keins.
Vielleicht sollte jeder von euch entscheiden, psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Diesen Weg scheue ich, denn ich denke: gehste einmal hin, gehste ständig hin.
Ich möchte außerdem keinem Fremden meine intimen Dinge erzählen, der dann meine Schwachpunkte freilegt und mir aufzeigt, was ich ändern sollte.
Meine Umgebung, meine geliebten Menschen um mich herum sollen wissen, wenn es mir schlecht geht und warum.
Aber auch DAS muss jeder selbst wissen.
Ein Therapeut hat bestimmt schon einigen geholfen, mit einem schlimmen Verlust umzugehen.
Ich drück euch alle und wünsche ganz viel Sonne für uns und die Papas!!!!!
Liebe Chica - wie geht es dir und deinem Paps???
Ich denk an dich!
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Alles Liebe.
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Papa, für immer in meinem Herzen - 31.12.2007
Geändert von Annika0211 (21.05.2010 um 08:55 Uhr)
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