Von der Seele schreiben!!

[Isa1]

Liebe Dani, lieber Mario,

zur Zeit halte ich mich etwas zurück mit dem Schreiben. Alina und Briele sind die, die euch nun viel besser verstehen können als ich.
Meine Mutter lebt ja noch. Und, in Abwandlung eines Zitats, das Briele einmal geschrieben hat: ich werde sie immer lieben, aber ich mag sie nicht.

Manchmal versuche ich mir vorzustellen, wie mein Leben gewesen wäre, wenn ich eine Mama wie Brigitte, Midi (Brieles Mama) oder Adele (Alinas) gehabt hätte. Diese Liebe kenne ich ja nicht. Da kommt dann doch ein bißchen Sehnsucht auf. Seit ich mit euch allen hier Kontakt habe, habe ich den Gedanken, daß ich schon lang ein Waisenkind bin.
Da ich es nicht anders kenne ist das nicht schlimm.
Je größer die Liebe, desto größer die Trauer.
Die Trauer jedoch wird vergehen. Die Liebe wird bleiben.

Mario, ich weiß nicht ob du Brieles thread im Hinterbliebenenforum gelesen hast. Es gibt da eine Geschichte über Etiketten von Marmeladegläsern. Daran mußte ich spontan denken, als du das mit dem Einkaufszettel erwähnt hast.

Ich glaube auch, daß morgen kein leichter Tag für euch werden wird.

Als ich fünf Wochen nach dem Tod meines Vaters das erste Mal wieder zu Hause war ging ich in seinen Keller. Er war sauber aufgeräumt. Zum erstenmal in seiner Geschichte. Da hat mich dann plötzlich die Trauer überfallen. Es war 'sein Platz' gewesen. Aber ich konnte ihn dort nicht mehr finden in der ganzen Ordnung.

Seid auch von mir gedrückt. Ich denke an euch, auch wenn ich länger nicht schreibe.

Isa

[Kim]

Es sandte mir das Schicksal tiefen Schlaf.
Ich bin nicht tot,
Ich tausche nur die Räume.
Ich leb in euch
und geh in eure Träume
Da uns, die wir vereint
Verwandlung traf.
Ihr glaubt mich tot,
Doch dass die Welt ich tröste
Leb ich mit tausend Seelen dort
An einem wunderbaren Ort
Im Herz der Lieben.
Nein, ich ging nicht fort,
Unsterblichkeit vom Tode mich erlöste

(nach Michelangelo)

*still mitlesende Grüße*

[Briele]

Liebe Dani, lieber Mario,

es kann gut sein, dass es morgen gar nicht so schlimm wird, wenn Ihr in die Wohnung Eurer Mama geht. Manchmal, wenn man sich vorher schon ganz toll gefürchtet hat, ist es dann halb so wild. Müßt Ihr die Wohnung Eurer Mami leer räumen?

Ich kenne ganz wenig Leute, denen ich bei so einer Aufgabe nicht gute Ratschläge mit auf den Weg geben würde – wie – mach es langsam, bedenke alles gut, bewahre erst lieber mehr auf, usw. Ihr braucht meine Tantenratschläge nicht, Ihr werdet das alles gut machen.

Ach Mario, ich hab sie auch noch, Mamas Einkaufzettel. Es erscheint einen alles, wirklich alles was sie je in der Hand gehabt hat, wertvoll. Die Dinge sind nun nicht mehr so wichtig, aber viele Jahre waren sie mir wie Krücken. Unlängst dachte ich mir, was mach ich mit der Marmelade, noch von ihr eingekocht. Bis auf ein paar Gläser hatte ich damals alle verschenkt. Am selben Tag erzählte mir jemand, deren Mama 40 Jahre tot ist, dass sie von ihrer Mama noch immer einen selbst gemachten Likör hat. Man kann das alles so handhaben, wie es gut und richtig für einen ist. Für den einen ist es stimmig alles weg zu geben, nur die Erinnerungen zu bewahren, der andere will möglichst viele Sachen haben.

Je mehr Zeit seit dem Tod meiner Eltern vergeht, desto wichtiger wird es mir Musik zu hören, die sie gerne hatten, mich an Orten aufzuhalten an denen sie waren, ein Buch zu lesen, von dem ich weiß, dass sie es oft in der Hand hielten.

Und noch etwas ist mir wichtig. Es war nicht geplant, es kam von selbst. Meine Eltern hatten natürlich nicht nur gute Eigenschaften, aber sie hatten derer viele. Ich versuche diesen guten Eigenschaften Leben zu verleihen, sie sollen in mir weiterleben. Kinder habe ich keine. Was ich damit meine, mit den guten Eigenschaften? Da könnte ich Seiten füllen, ich nehme ein Beispiel für Mama, eines für Papa. Mama hatte die Eigenschaft sich jedem Menschen, jeder Tätigkeit mit hundertprozentiger Aufmerksamkeit zu widmen. Alles was sie machte, versuchte sie so gut zu machen, wie sie es konnte. Sie hörte einem Menschen aufmerksam zu, sie überlegte ihre Worte, wenn sie einen Brief schrieb, nahm sie sich Zeit, ein schönes Papier, ihre Füllfeder und sie hatte auch immer ausgesuchte Briefmarken. Eine Mahlzeit wurde nicht so hudeldiwudel zusammen gerührt, ein Tisch wurde gedeckt. Es war ein achtsames Leben.
Mein Papa war ein Glückskind bis ans Ende seines langes Lebens. Egal was kam und wie es kam, in einer Ecke steckte doch noch ein Glück. Es regnet in Strömen? Gott sei Dank haben wir kein Hochwasser. Als er seinen Schlaganfall hatte, - welch ein Glück, es war links. Ein lang verfolgter Plan realisierte sich nicht – auch ein Glück, wer weiß wie es ausgegangen wäre.

Jetzt möchte ich Euch noch etwas aufschreiben. Es ist von René Juan Trossero:

AUF DEM WEG IN DEINE ZUKUNFT

Ein Verstorbener geht durch ein Tor,
das du jetzt nicht durchschreiten kannst,
weil es hinter ihm geschlossen wurde.
Warte nicht an diesem Tor auf ihn.

Nimm Abschied, um weitergehen zu können
Und sein Ankommen durch ein anderes Tor
Am Ende deiner Trauer
Zu erwarten.

Wenn du einen Weg suchst,
um deinen Verstorbenen
wieder zu treffen,
suche ihn nicht weinend
in deiner Vergangenheit.

Suche ihn,
voller Hoffnung
auf dem Weg in deiner Zukunft.


Ihr Lieben, ich weiß, von diesen Gedanken seid Ihr noch entfernt, dafür ist es zu früh. Aber ich schick sie Euch schon einmal.

Allles Liebe
Eure Tante Briele

[Briele]

Liebe Kim,

nun bin ich Dir in letzter Zeit ein paarmal über den Weg gelaufen und spontan möchte ich etwas zu Dir sagen, was mir vor ein paar Monaten hier im Forum jemand schrieb, nämlich .....

Du bist eine nette Menschin!

Mich hat das damals gefreut, hoffentlich freuts Dich jetzt auch
Liebe Grüße
Briele

[Kim]

Danke Briele

[Alina]

Liebe Dani, Lieber Mario !

Lieb von Dir, zu fragen, wei es mir jetzt so geht. Ich habe ja, wie du weißt ein Jahr " Trauervorsprung" und ich kann dir sagen, dass der schärfste Schmerz, das völlig in einer anderen Welt sein nun abgemildert ist. Dass sie mir sehr fehlt, das wird bleiben. Und die Sehnsucht nach ihr tut an manchem Tag so weh wie am Anfang , aber nicht mehr jeden Tag.Mir hilft es auch zu glauben, dass wir uns alle wiedersehen werden.

Dani, mir ist es auch so ergangen wie dir ! Sei nicht beunruhigt, wenn es dir die nächsten Wochen eventuell schlechter gehen wird. Es ist, als ob die Seele erst Stück für Stück begreift,was da passiert ist bis man sich schließlich ganz damit konfrontieren kann. Nach diesem Talboden geht es aber dann wieder langsam aufwärts.

Lieber Mario, schön, dass du wieder da bist. Das war gut, dass du zu jemandem gefahren bist, der weiß, was so ein Verlust bedeutet. Nur diese Menschen können einen in dieser Zeit wirklich erreichen, finde ich. Schön , dass du auch lachen konntest, deine Mama ist sicherlich beruhigt deswegen. Dass das nach Hause fahren schlimm wird, dachte ich mir. Da ist sie nun nicht mehr, die Mama, die sich für alles interessiert hat, was man zu berichten hatte und das Zuhause ist nicht mehr das Zuhause von früher. Ich verstehe deine Tränen während der Heimfahrt also nur zu gut.Wie gut, dass du deine lieben Geschwister hast, die dich sicherlich begrüßt und sich über deine Ankunft gefreut haben

Wie ist es euch beim Ausräumen ergangen ? War es sehr schlimm ?

Ich denke an euch,
Alina

[mario1]

Hallo Tante Isa, Tante Briele, Tante Alina!!!!

Es ist total komisch, irgendwie weis ich zur Zeit nie so recht, was ich schreiben soll! Ich hab ein totales Gefühlschaos!

Naja, wir haben ja gestern Mamas Wohnung geräumt, nein nicht total, wir versuchten Mamas sachen eher zu entfernen, da ja mein Bruder immer wieder sehr stark an sie erinnert wurde, da ja sehr vieles von Mama dort ist! Natürlich ist es uns nicht gelungen, da ja eigentlich alles Mama gehört! Ich hab mir echt sehr vieles von Mama genommen! Auch eine Kette mit einem Schneekristall anhänger der natürlich zu mir gar nicht passt, aber das ist mir total egal er hängt trotzdem um meinen Hals!
Es war echt ein sehr komisches Gefühl in Mamas sachen zu "kramen", ich mein das tut man nicht, das waren ihre, aber wir mussten es machen!

Was mir zur Zeit sehr schwer fällt ist, mich an sachen zu erinnern die Mama gerne hatte, irgendwie fällt mir da nichts ein! Immer wieder versuche ich dinge zu finden die sie gerne hatte, aber finden tu ich keine! Kommt das mal????


Der 26 war für mich nicht anders als jeder Tag, ich spührte keinen tieferen Schmerz! Natürlich dachte ich um 14 uhr besonders an Mama und hab auch geweint aber es war nicht anders als sonst! Leer, einsam und mir fehlt auch besonders ihre wärme die sie immer gab auch ohne einen in den arm zu nehmen!

Mama war immer so das sie zuerst an die anderen gedacht hat, bevor sie an sich selbst dachte! Sie hatte echt nicht viel in ihrem Leben, aber das was sie hatte schätzte sie sehr! Ich kann mich noch erinnern als sie mal ein paar Tage bei mir war und ich arbeiten war, besuchte sie den Friedhof da ich nicht weit von dem entfernt wohne! Das war ca 4 Wochen vor ihrem Tod! Ich hab sie gefragt warum sie dort war und sie sagte nur "Ach einfach so", ich jedoch hatte schon das Gefühl das da mehr war, wollte sie jedoch nicht darauf ansprechen! Ja das war Mama, bloss keine Probleme vor uns Kindern zu äussern!

Ich drücke euch!
Mario