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#1
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Ach, liebe Silvia,
ich nehm dich mal ganz fest in den Arm und hoffe, dass du heute früh wieder eine bessere Stimmung hast. Deine Gefühle sind doch ganz normal. Auch mir ging und geht es manchmal nicht anders. Der Krebs hat natürlich das Leben ganz gewaltig verändert, weil er Grenzen aufgezeigt hat. Das Leben fließt in den seltensten Fällen immer gleichmäßig und friedvoll dahin. Ich habe es schon an anderer Stelle einmal mit einem Fluss verglichen, der dann halt an manchen Stellen wilder und ganz unberechenbar wird und da muss man durch. Dass die Angst immer wieder aufflackert ist Teil davon. Irgendetwas tut weh, es wird doch nicht .....???? Die Nachsorge naht, ein mulmiges Gefühl macht sich breit. Das Positive, was die Krankheit meiner Meinung nach im Normalfall nach sich zieht, ist, dass man viel bewusster lebt, alles viel bewusster wahrnimmt, so auch die kleinen Freuden des Lebens, die so oft in die Gleichgültigkeit oder das Vergessen abgerutscht sind. Oder, dass man auch mit den Mitmenschen anders umgeht, mit den Menschen, die einem lieb sind, behutsamer, mit denen, die einen "ärgern" gleichgültiger.Man erkennt, dass Dinge , die einen früher auf die Palme gebracht haben, es garnicht wert sind , sich aufzuregen. Und ein gewisser gesunder Egoismus sollte auch da sein. Ich höre ja seit meiner Krankheit noch mehr als sonst auf meinen Körper , meine innere Stimme, und wenn ich das Gefühl habe, dass ich jetzt einmal an mich denken soll, Pause machen soll, relaxen, mir etwas Gutes tun, dann mache ich es. Dazu gehört auch einmal "nein" sagen, wenn mir etwas nicht passt. Und auch "ja" , wenn ich Lust habe, ganz spontan etwas zu unternehmen, auch wenn zuhause der Schreibtisch voll liegt. Für mich ist die Krankheit ein Zeichen, dass ich etwas ändern muss, dass irgendetwas falsch gelaufen ist. Das sagte mir eine entfernte Verwandte , die diese Erkenntnis von ihrer Reha mitbrachte (sie hatte Brustkrebs ein Jahr bevor ich krank wurde) . Ich selbst habe ja keine Reha gemacht, hatte nach fast vier Wochen Krankenhaus und anschließender sechsmaliger Chemotherapie ( immer eine volle Woche stationär nach drei Wochen zuhause und das ein halbes Jahr lang) erstmal die Nase voll von Kliniken. Aber diese Erkenntnisse muss man pflegen. Wie schnell man später in den alten Trott hineingerät, sobald die Zeit der Krankheit immer weiter zurückliegt , habe ich letztes Jahr gemerkt.Gott sei Dank, habe ich dann auf mein inneres Gefühl gehört, ich arbeite jetzt wieder weniger und nütze die gewonnene Zeit für mich und mein Wohlergehen. Ich tue dies ohne schlechtes Gewissen, ich bin auch niemandem Rechenschaft schuldig, nur mir, und wenn Leute kommen und sagen :"Ach , hast du es gut", denke ich mir meinen Teil. Ich glaube kaum, dass diese Leute vor ein paar Jahren mit mir hätten tauschen wollen und jetzt auch noch nicht. Das sind übrigens auch die , die neidisch sind , weil ich durch den Schwerbehindertenstatus einíge Vorteile habe. Diese Menschen sollten einem sowieso den Buckel hinunterrutschen, wie man bei uns so schön sagt. Wenn du einmal den Blues hast wie gestern, - das gehört dazu, um die Ereignisse zu verarbeiten. Heute ist ein neuer Tag, lass neue Gefühle an dich heran, Hoffnung, Optimismus, Freude. Kennst du das Lied "Turn, Turn, Turn" von den Byrds? War in den 60ern ein Hit und einer meiner Lieblingssongs. Alles im Leben hat seine Zeit, Trauer und Freude, Geboren werden und Sterben. Wenn es keine dunklen Momente im Leben gäbe, könnten wir die hellen garnicht so schätzen und vor allem genießen. So, hoffentlich war ich jetzt nicht zu philosophisch am frühen Morgen. Hab mir halt alles vom Herzen geschrieben, was ich dir sagen wollte. Dir und Manfred wünsche ich einen wunderschönen Sonntag und ganz liebe Grüße Bobby Lee
Geändert von bobbylee (01.10.2006 um 10:16 Uhr) |
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#2
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Ach, Du liebe Bobby Lee
!!!Genau das brauchte ich ! So grundehrliche Worte ! Ich hoffe, dass ich eines Tages Deine Stärke erreiche ! Manchmal fühl ich mich so unfertig, obwohl ich schon 46 J. bin. Aber ist man jemals "fertig" ? Der Blues ist vorüber, nachdem ich gestern nacht, wie Du Dir lebhaft vorstellen kannst, wie tot ins Bett gefallen bin! Übrigens, ein Rest ist noch in der Weinflasche geblieben. Wie gesagt, ich vertrag ja nix ! Hab heute morgen auch schon mit meinem Schnuckel telefoniert, der wunderbar geschlafen hat und schon am Formel-1 gucken war. Weißt Du, die Angst in mir ist, das ist mir bewußt geworden, kommt auch ein wenig daher, daß Manfred nicht so den "Pack-An" hat wie ich, wenn es um Informationsbeschaffung geht. Ich sitze hier jeden Abend mit dem Lap-Top, suche mir Adressen raus, grabe nach Infos zu Onkologen etc., informiere mich über Stomaversorgung usw. Er traut sich nicht mal, vor Ort bei der Visite den Arzt zu fragen! Und ich erreiche auch telefonisch keinen, die Erfahrung hab ich ja schon mehrfach gemacht. Und wenn ich abends und am Wochenende kommme, ist auch kein Arzt greifbar. Das ist dann manchmal regelrecht zum "Mäuse-melken"! Ich hab momentan das Gefühl, dass ICH allein verantwortlich bin dafür, dass er ne gute Nachsorge bekommt, dass wir einen Arzt finden, der sich damit auskennt - ja, letzten Endes, dass Manfred überlebt und sich keine neuen Krankheitsherde auftun. Ich weiss, Du würdest jetzt sagen, Quatsch! Realistisch betrachtet hast Du da auch recht. Ich kann bei bester Nachsorge für nichts garantieren. Aber es ist so, wie wenn ich für meine Kinder Dinge regeln müßte. Mein "stiller Leider", wie ich ihn nenne, macht einfach nicht genügend den Mund auf! Gestern abend hatte ich dann den Blues, weil ich mir vor Augen geführt habe, dass seine Eltern ganz weit weg sind, sein Bruder sich nicht kümmert und alle mich immer anrufen. Ich bin Auskunftei, Seelenklempnerin usw. für die Familie. Wenn sie Manne mal nicht telef. erreichen, rufen sie gleich bei mir an, ich soll dann quasi per Röntgenblick feststellen, wo er gerade steckt! Andererseits, kommen will keiner, obwohl ich das schon einige Male vorgeschlagen habe, denn er würde sich sicher freuen! Dann kommt nur der Kommentar: Was sollen wir da? Helfen können wir ihm ja sowieso nicht! Ach, keine Sorge! Mir geht's jetzt wieder gut! Ich bin ein widderlicher Widder und dadurch ziemlich impulsiv. Andererseits schützt mich das hoffentlich vor Magengeschwüren! Übrigens, den Song von den Birds kenn ich auch. Bin sowieso eher ein Fan von den "alten" Songs! Kennst Du Eva Cassidy? War eine amerikanische Sängerin, die jung an Hautkrebs gestorben ist. Ich liebe ihre Songs, vor allem ihre Interpretationen von "Fields of Gold" und "Somewhere over the Rainbow". Ich schick Dir mal den Link, falls Du sie nicht kennst: http://evacassidy.org/eva/ Hab einen schööönen Sonntag! Silvia |
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#3
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Hallo, liebe Silvia,
nochmal kurz, muss mich jetzt endlich einmal "fertig" machen. Ich freue mich, dass es dir besser geht und hoffe, dass du und Manfred heute schöne Stunden miteinander verbringt. Manchmal ist es garnicht so schlecht, wenn man nicht soviele Infos hat. Damals hat mich z.B. das Warten auf die histologische Auswertung garnicht verrückt gemacht, weil ich ( aus welchen Gründen auch immer ) garnicht daran dachte, dass da noch etwas nachkommt. Der Tumor war raus, das war's erstmal für mich. Bei der ersten Darmspiegelung nach den OPs habe ich dann einmal den Gastroenterologen gefragt, wieviel cm Darm mir eigentlich fehlen, und das auch nur, weil ich immer gefragt wurde und offen gesagt keine Ahnung hatte. Ich bin den Dingen damals auch nicht so auf den Grund gegangen, und irgendwie empfinde ich das im Nachhinein als positiv. Wenn ich um alle Komplikationen gewusst hätte, von denen ich jetzt weiss, wäre ich nicht so ruhig gewesen. Okay, jetzt will ich aber ins Bad verschwinden, will heute auch etwas unternehmen, solange das Wetter noch einigermaßen mitspielt. Die Nachbarin sagte mir gerade am Telefon, dass wir heute Nacht ein Gewitter hatten, hab ich wieder total verschlafen. Im Augenblick haben wir stellenweise blauen Himmel und Sonne. Vielleicht bleibt es ja so. Nochmals einen schönen Tag heute, liebe Silvia. Bis bald... Bobby Lee |
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#4
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Hallo,
der Tag fing heute so gut an und ich fuhr recht beschwingt zu Manfred in die Klinik. Dort bekam ich Unterleibsschmerzen und als ich auf Toilette mußte, stellte ich dunkles Blut in meiner Hose fest. Ich dachte gleich, das ist meine OP-Narbe von der Hysterektomie und fuhr vom Krankenhaus aus in die Notfallpraxis. Dort stellte der Arzt fest, dass die Blutung nicht aus meiner Scheide sondern aus dem Darm kam. Leider war auch schon unkontrolliert etwas Stuhl mit abgegangen und das war mir sehr peinlich dem Arzt gegenüber. Der Arzt stellte nach Abtasten des Unterleibs sowie rektaler Untersuchung die vorläufige Diagnose, dass es sich um eine Dickdarm-Entzündung handeln könnte. Als ich ihm sagte, ich sei MC-erkrankt, sagte er gleich: BINGO ! Also ein beginnender Schub.... Er hat mir Tavanic 250 als Antibiotika verschrieben und zusätzlich Claversal, weil ich das sonst auch immer nehme, wenn was ist. Ich soll mir aber vom Hausarzt eine Überweisung zur Kolo geben lassen, was ich morgen angehen werde. So ein Mist !!! Ich kann doch jetzt nicht ausfallen - kein Mensch da, der sich um Manfred kümmern könnte, wenn's bei mir schlimmer wird. Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum ich den "Blues" hatte gestern abend, hab mich irgendwie schon nicht wohl gefühlt, es aber nicht wahrhaben wollen. Zusätzlich hab ich Manfred jetzt auch verschreckt, was ich vermeiden wollte! Ach Mensch, ich bin auch zu nichts zu gebrauchen ! Silvia |
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#5
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Liebe Silvia,
das tut mir sehr , sehr leid, dass du jetzt diesen Schrecken auch noch verdauen musst. Aber könnte es nicht sein, dass die Entzündung durch den Stress ausgelöst wurde ? Jetzt versuche dich zu beruhigen, nimm die Antibiotika , die Colo ist doch nur zur "beruhigenden" Diagnose. Ein paar Tage Schonung und natürlich weniger Sorgen tun dir sicher gut. Du hast Manfred sicher nicht verschreckt, höchstens erschreckt, und er wird deine Situation verstehen. Und es muss doch nicht schlimmer werden. Antibiotika wirken doch normalerweise recht gut. Liebe Silvia, du stehst seit einiger Zeit total unter Stess. Das geht nicht spurlos an einem Menschen vorbei, vor allem wenn aus heiterem Himmel das ganze Leben umgekrempelt wird. Also, - soviel zum Thema Stärke -, was du in der letzten Zeit leistest, das ist bewundernswert, deine Arbeit, den weiten Weg, die Verbindung zu all den Bekannten und Verwandten und last but not least deine Sorge für Manfred. Du bist eine starke Frau und die ganze Sorge verlangt jetzt einfach einen Tribut und hat deine Schwachstelle erwischt. Und denke bitte nicht, dass du zu nichts zu gebrauchen bist, du bist für Manfred da und es gibt sicher viele Menschen, die dich und das, was du tust, schätzen und dich gern haben. Wir sind keine Roboter oder Cyborgs, wir sind Menschen und wir sind verletzbar. Das müssen wir selber akzeptieren. Meiner Meinung nach signalisiert dir dein Körper, dass er etwas Ruhe braucht und dann wirst du wieder "einsatzfähig" sein. Was du in den letzten Wochen geleistest hast, ist großartig, hat aber auch viel deiner sowieso etwas angeschlagenen Kraft gekostet. Mach dir bitte nicht zuviele Sorgen, schlafe gut, ich wünsche dir eine gute Nacht. Und bitte, mach dir nicht zuviele Sorgen.... Ich nehme dich in den Arm und viele liebe Grüße an euch beide.Bobby Lee Geändert von bobbylee (01.10.2006 um 23:56 Uhr) |
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#6
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Guten Morgen, Bobby lee und Lolle !
vielen Dank für Eure Antwort. Ich habe keine Angst wegen der Koloskopie etc. Das kenn ich alles schon aus den letzten Jahren. Ich weiß auch, daß der Streß der letzten Zeit höchstwahrscheinlich der Auslöser für den erneuten Schub ist. Das ist einfach so bei mir - ich reagiere ganz schnell körperlich auf seelische Anspannung. Aber trotzdem - mich ärgert, daß ich bzw. mein Körper versagt, wenn ich mal für Manfred da sein muß, weil er mich braucht. All die Jahre, und es sind jetzt 5 1/2 J., die wir zusammen sind, hat ER sich um MICH gekümmert. Wie oft hab ich im Krankenhaus gelegen, bin operiert worden.... Jedes Mal war ER für mich da. Und nun, da er zum ersten Mal in seinem Leben selbst krank ist, versage ich auf ganzer Linie! Mir hat's das Herz zerrissen gestern abend, als ich aus der Klinik ging und er mich bis zum Ausgang begleitet hat, da stand mit seinem Drainagebeutel in der Hand und mir traurig nachwinkte, so lange da stand, bis er mich wirklich nicht mehr sehen konnte. Immer wieder hab ich mich umgedreht! Ach, ich hatte noch gar nicht erzählt, dass ein Malheur passiert war mit seiner Drainage: Vorgestern war nichts aus dem Beutel gekommen und wir waren schon optimistisch, daß die Drainage gezogen wird. Gestern morgen stellte sich dann heraus, daß der Arzt, der die letzte Spülung vorgenommen hatte, den Verschluß zugedreht hatte! Als die Schwester gestern den Hahn wieder aufdrehte, kam die ganze "Suppe" geflossen und der Schlauch mußte erneut durchgespült werden. Noch ist die Flüssigkeit nicht so, wie sie sein sollte. Also muß die Drainage noch bleiben. Immerhin habe ich gestern den diensthabenden Arzt ansprechen können auf den pathologischen Befund. Er sagte, der läge noch nicht schriftlich vor, aber er würde uns, sobald der da ist, eine Kopie zukommen lassen! So, ich muß mich fertigmachen zur Arbeit! Meine Mutter hat gestern abend noch angerufen. Meine Eltern kommen kommendes Wochenende zu uns! Darauf freue ich mich sehr! Habt einen schönen Tag und entschuldigt meine gestrigen wehleidigen Worte! LG Silvia |
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#7
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Hallo, liebe Silvia
,wie geht es dir heute? Vielleicht schon etwas besser, das wäre toll. Ich verstehe schon, wie du dich fühlst, aber trotzdem versagst du doch nicht auf der ganzen Linie, bloß weil dir dein Körper eine Warnung schickt. Du bist doch trotzdem für Manfred da und tust, was du kannst. Jetzt kannst du dich auf den Besuch deiner Eltern freuen, das ist doch eine schöne Überraschung. Die Geschichte mit der Drainage ist schon ein Hammer, warum können die Leute nicht mehr genau arbeiten? Hoffentlich ist die Flüssigkeit bald in Ordnung, damit Manfred die Drainage los ist. Das ist ja dann wieder eine Sprosse nach oben auf der Leiter der Genesung. Ich wünsche dir und Manfred gute Besserung und umarme dich Alles Liebe Bobby Lee |
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