![]() |
![]() |
|
#1
|
||||
|
||||
![]()
Geliebte Mama,
weiß noch, wie heut‘ vor einem Jahr, wir nahmen einander fest in den Arm. Ach Mama, war das ein schrecklich trauriger Geburtstag. Garniert mit ‘Semper amo te‘ bracht‘ ich Dir eine Deiner liebsten Süßigkeiten. Und die noch kleine, kugelige Kaktee mit schon so langen, festen Stacheln ich gab sie Dir heut‘ vor einem Jahr an Deinem 71. Geburtstag. Die kleine Kaktee sollt‘ Dich stets d‘ran erinnnen, dem Krebs die Stacheln zu zeigen. Dazu noch eine wunderschöne schwarze Calla in einem hellgrünen Übertopf. So wunderschön und doch war sie irgendwie auch Symbol meiner tiefen Traurigkeit jener Tage. Ich weiß noch, wie wir dafür den schönsten Platz auf der Fensterbank suchten. Wie gern würde ich Dich heut‘ wieder schön beschenken, mit Dir und J. Essen geh’n. Heut‘ zu Deinem 72. Geburtstag bring‘ ich Dir wieder Blumen. Du bist nicht mehr da, doch sei sicher, ich bin da – heut‘ an Deinem Grab. Zünd‘ Kerzen an für Dich und schick‘ Dir meine Liebe gen Himmel. Liebe-0096.gif ![]() ![]() ![]() ![]() Geändert von Beate'68 (08.07.2007 um 19:28 Uhr) |
#2
|
||||
|
||||
![]()
Geliebte Mama,
ich geh‘ durch unser Haus, fast überall etwas erinnert an Dich. Soviele Möbel und Bilder, das schwere Bücherregal .... soviel ist nun hier. Der wunderschöne alte Wohnzimmerschrank, die Sandsammlung, Dein Schlafzimmer, in einem einzigen Zimmer alles aufgestellt und dekoriert fast wie einst bei Dir. Ein Zimmer als wär’s für Dich und scheinbar wartend nur auf Dich. J. nennt’s grausamstes Gedächtniszimmer – doch das ist’s nicht für mich! Manchmal fühl‘ ich mich Dir in diesem, Deinem Zimmer so unglaublich nah. Dein alter Sekretär, auch er steht heut‘ bei uns. Weißt Du noch, ihn und die beiden weißen Sessel, das wolltest Du mit ins ‘Pflegeheim‘ nehmen, wenn’s nicht mehr ging. Und genau auch diese Möbel würdest Du heute bei uns finden. Deine Sachen, sie scheinen nur auf Deinen Einzug bei uns zu warten. Aber nein, Du wolltest uns ja nicht zur Last fallen. Wie hättest Du mir je zur Last fallen können? Du plantest noch Deine Einrichtung im ‘Pflegeheim‘. Du wolltest daran glauben, noch Zeit zu haben, so ein, zwei Jahre hattest Du Dir noch ‘gewünscht‘, kanntest die Prognose und wolltest glauben an eine Gnadenfrist. Wolltest Öl kaufen für den nächsten Winter und plantest das Essen für Weihnachten. So fern war das doch alles nicht, war’n doch nur 4, 5 Monate. Ich sagte, das hat doch noch Zeit, doch in Wahrheit sah ich diese Zukunft nicht. Heut‘ vor einem Jahr ließ uns der Krebs es einmal mehr wieder ganz besonders spür’n, wie wenig Zeit er uns lassen würd‘. ![]() ![]() ![]() ![]() |
#3
|
||||
|
||||
![]() |
#4
|
||||
|
||||
![]()
Geliebte Mama
Wie heißt es so oft, ‘Kinder sind der Spiegel Ihrer Eltern‘ Bin tatsächlich Dein Spiegelbild in mancherlei Hinsicht. In bestimmten Gesichtspartien, in meiner Mimik seh‘ ich Dich. Und auch in so manchen Wesenszügen erkenn‘ ich Dich. Doch wie kann ich sein Spiegelbild ohne Dich? Einfach unmöglich zu sein Spiegelbild von ‚Nichts‘. Und doch funktioniert’s, denn in Herz und Hirn, da find ich Dich! 333 Tage vergangen, seit dem Du bist fort. Nicht ein einziger Tag seit dem ohne Gedanken an Dich. Immer mal wieder manche Tage erfüllt von schmerzlichen Gedanken an Dich. Und doch so viele Tage auch erfüllt vom Gefühl Deiner Liebe, ich spür‘ sie in mir. Wir telefonieren nicht mehr, doch aus meinem Herzen heraus sprichst Du zu mir. Ich weiß und ich spür‘, Du lebst weiter in mir. Hab‘ meinen Ursprung verloren und doch auch nicht. Denn bin geprägt und so liebevoll geformt durch Dich. Vergangen Deine Körperhülle, doch Du nicht. Denn in meinem Herzen wirst Du leben ewiglich. ![]() ![]() ![]() ![]() PS: Laß mich Deine Kraft spüren - nach letztem Donnerstag brauche ich sie im Moment so sehr ! |
#5
|
||||
|
||||
![]()
Geliebte Mama
In den vergangenen Monaten dank Kyrill ein Sturmschaden an Deinem Haus und kleine und größere Unfälle – alles zum Glück ohne größeren Personenschaden. Doch dann eine Demonstration ganz unvorstellbarer Naturgewalt – sie und all die Folgeprobleme raub(t)en J und mir in den letzten Wochen all unsere Kraft. Und nun B, einer meiner drei wichtigsten und liebsten Menschen, durch fremde Gewalt schwer verletzt im Krankenhaus – mir fehlen nur noch die Worte, „Gott sei Dank“ keine Lebensgefahr! Niemals hätte ich mir vorstellen können, daß ich irgendwann froh sein werde, daß Du nicht mehr da bist. Doch nun, keine 12 Monate nach Deinem Tod habe ich genau das aus tiefstem Herzen und aus tiefster Überzeugung heraus nun schon ein zweites Mal innerhalb nur eines Monats gedacht und auch gesagt. Niemals hätte ich mir vorstellen können, wütend zu sein über das, was uns im Leben widerfährt. Und doch bin ich trotz meiner so ruhigen Art nun wütend über die scheinbar unglaubliche Willkür des Lebens. Oder soll ich dem Schicksal vielleicht auch noch dankbar sein, daß B Euch noch nicht folgen mußte? Niemals hätte ich mir vorstellen können, die Frage nach dem Warum zu stellen. Doch nun drängt sich eben dieser Gedanke doch in mein Hirn. Haben wir nicht schon genug zu tragen, warum muß es uns immer und immer wieder treffen? Mama, all die Jahre gabst du uns Halt, Claudia’s Kindern und auch mir. All die Jahre warst Du für uns Zufluchtsort in Zeiten großer und kleiner Not. All die Jahre warst Du der fleischgewordene Engel an unserer Seite. Wie sehr bräuchten wir – Deine 3 (4) Dir liebsten Menschen – Dich! Und Claudia, wie sehr bräuchten Dich Deine Kinder und auch ich! Bin und werde Zeit meines Lebens für B und K da sein, versuch‘ ihnen ein bißchen des Halts zu geben, den sie ohne Euch so sehr missen. Und doch weiß ich nur zu genau, daß ich Euch niemals ersetzen kann! Deshalb habt auch Ihr auf die Beiden stets ein Auge - paßt bitte ganz besonders auf sie auf! ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
#6
|
||||
|
||||
![]()
Geliebte Mama
Hab‘ Dir während Deiner Krankheit Deinen Freiraum gelassen. Hab‘ stets respektiert, wenn Du sagtest ‘Fahr endlich nach Haus‘. Hab‘ lang‘ so getan, als hätten wir noch alle Zeit der Welt. Wollt‘ uns nicht jeden Moment vor Augen halten den nahenden Tag X. Und doch, im Herzen spürte ich, wie wenig Zeit uns blieb. Bin aus reiner Liebe oft Deinen Fragen ausgewichen, hab‘ Dich manchmal ‚beschummelt‘. Wußtest früher, wenn ich es tat und hast‘s nun ja teils auch so gewollt und still akzeptiert. Hätt‘ ich Dir sagen müssen, daß/was ich mit dem Chefarzt so besprach? Manchmal wolltest Du ja auch, daß ich für Dich mit den Ärzten sprach, wolltest nicht mehr alles wissen. Und nie solltest Du erfahren, daß wir unseren Kurzurlaub abbrachen. Viele Kilometer entfernt hatt‘ ich am Telefon gespürte, wie schlecht es Dir ging. Spät abends war ich dann zuhaus‘ bei Dir und Du sagtest danke. Ich verstand gar nicht wofür und fragte völlig irritiert ‚Danke wofür‘? Du sagtest danke dafür, daß ich bei Dir war - Mama, das war selbstverständlich! Hast Dir zuletzt so viele Gedanken gemacht, um Claudias Kinder und um mich. Hast es nicht artikuliert, doch ich spürte, was Dich bewegte. Konntest Dich verabschieden von manchen Freunden und von Claudias Kindern. Von letzteren nur durch viel Glück, denn 9 Tage vorm Tag X ging K auf 9-tägige Klassenfahrt. Am Tag von K’s Abfahrt sprach ich mit der Ärztin, sie meinte, es wär‘ besser, wenn K noch mal käm‘. Auf mein Bitten kamen dann B und K tatsächlich ein letztes Mal zu Dir. Dies war einer der schmerzlichsten Tage überhaupt für jeden einzelnen von uns vier. Aber einer, der kam nicht und das schmerzt und ich versteh’s bis heute nicht. Hast oft gefragt, was J sagt, wenn ich so lang‘ an Deiner Seite saß. Nie hätt‘ J was gesagt, er weiß, was wir einander bedeuteten. Und zuletzt – 4 oder 5 Tage vorm Tag X - saß ja auch er bei Dir. Hast Dich so sehr gefreut, als er Dir einen Deiner letzten Wünsche erfüllte, ein kleiner, kühler Schluck H.......bier. Hattest Dir auf Deinen fernen Reisen manchmal eins als krönenden Abschluß bestellt. Und hast‘s nun jedem noch mit so glücklicher Stimme und strahlenden Augen erzählt. Nachmittags gegen vier kam J fortan, um mit Dir zu trinken, ein paar Schluck des kleinen Exportbiers – erinnerte Dich das an das Reisen? Oder sahst Du Dich längst auf Deiner Reise zur letzen Station Deines Lebens? Ich weiß, wir beide spürten ganz genau die Nähe vom Tag X! ![]() ![]() ![]() ![]() |
#7
|
||||
|
||||
![]()
Geliebte Mama,
heut‘ vor einem Jahr an Deinem letzten Tag hier auf Erden hast Du mich Dich bis zuletzt begleiten lassen. Dafür bin ich Dir unendlich dankbar. Niemals hätte ich es mir verzeihen können, wärst Du ohne mich an Deiner Seite ganz alleine gegangen. Hast Du gespürt, wie sehr ich diesen Abschied brauchte oder hast Du nur darauf gewartet, daß ich endlich sage, daß ich Dich gehen lasse? Hab‘ mir selbst nie Gedanken darum gemacht, daß Du könntest gehen ohne mich – hab ich gespürt, daß das nie würd‘ passier’n? Als ich zu Dir kam, ging es Dir schon sehr schlecht, das Krankenhaus hatte schon nach mir telefoniert, weil man meinte, daß die Krankensalbung vorgezogen werden müsse – geplant war sie für 16:00 Uhr. Als das Krankenhaus anrief, wunderte sich J., daß ich noch nicht da war. Ich war noch tanken, weil ich dachte, daß es in den nächsten Tagen viel Fahrerei geben würde. Ich glaube, nein ich weiß, wir beide hatten schon Tage zuvor gespürt, daß an diesem Tag Dein Tag X sein würd‘. Als ich J. sagte, daß die Krankensalbung vorgezogen wird, ist er sofort gekommen, hat daran teilgenommen – stand uns beiden so tapfer zur Seite. Nie zuvor hat er solches Leid erlebt, solange hat er nicht glauben wollen, daß alle Hoffnung längst verloren ist. Nur wenige Tage zuvor hatte er gemeint, sich langsam mit dem Gedanken auseinandersetzen zu müssen, daß Du sterben wirst. Ich weiß nicht, ob Du verstanden hast, warum ich J. dann aus dem Zimmer schickte, als Deine letzten Minuten anbrachen, aber ich wollte, daß wir beide diesen Teil des Weges gemeinsam ganz alleine gehen – das war einzig und allein nur unser beider Moment. Wollt‘ aber auch nicht, daß J. den Schmerz des Moments erlebt – er mochte Dich doch so sehr – Du warst für ihn die weltbeste (Schwieger-)Mama. Um meinetwillen wollte J. im Zimmer bleiben – verzeih, daß ich ihn schließlich, nach mehrmaliger Aufforderung, etwas energisch rausschickte. Und konntest Du mir noch verzeihen, daß ich Dir noch ein letztes Mal den Schleim absaugen ließ. Warst bereits im Leberkoma, doch mit letzter Kraft wehrtest Du Dich dagegen. Minuten später ein letzter schwerer Atemzug getan, ich tat nichts, saß an Deiner Seite und wartete nur, daß Du in Frieden gingst. Nichts und niemand sollte Dich noch zurückhalten, ich wollte nur, daß Du friedlich und sicher hinübergehst. Am Fuße Deines Bettes stellte ich mir Deinen Geist vor, wie er auf Deine gezeichnete Hülle und mich mit einem so wärmenden, liebevollen und doch auch traurigem Lächeln schaute und mir so zu verstehen gab ‘Es ist alles gut‘. Ich sah tatsächlich dorthin, verabschiedete mich von Dir. Oh, wie hättest Du zu Lebzeiten in dem Moment über mich, den absoluten Realisten, gelacht. Mama, in diesen Minuten empfand ich tiefsten Frieden, ich spürte nicht wirklich Schmerz nur diesen unendlichen, inneren Frieden. Ich weiß nicht, wieviel Zeit verging bis ich schließlich klingelte. Als die Schwestern kamen, sagte ich nur ‚Sie atmet nicht mehr.‘ - im Bett nur noch eine Körperhülle verlassen von Deiner Seele. W. hatte es nicht mehr rechtzeitig geschafft, aber als er hörte wie schlecht es Dir ging, hatte er bei der Arbeit alles stehen und fallen lassen. Doch als er dann endlich da war, warst Du schon für immer eingeschlafen. Mama, wie nie zuvor nahm er mich in den Arm – das war wirklich tröstlich. Ich wünschte, das hättest Du noch erlebt. Warum mußtest Du erst sterben, damit ich meinen Bruder wieder fand? Mama, heute mit soviel Abstand zu den Erlebnissen jener Tage frag‘ ich mich immer wieder mal, ob Du nicht doch lieber zuhause gestorben wärst und ob Du nur wegen mir nichts sagtest? Und Mama, hätte ich Dir die Hand halten soll’n im Moment Deines Geh’ns und hättest Du ein letztes Mal meine Hand wenn auch nur leicht drücken oder auch nur spüren wollen? Ich streichelte Dir sanft über den Arm und strich Dir leicht über die Stirn. All die Tage zuvor hielt ich immer wieder Deine Hand, doch warum nur nicht auch in dem Moment? Mama, hab‘ ich Dir damit verwehrt, Dich wahrlich zu begleiten zur letzten großen Reise? Manche Fragen bleiben mir, auf die ich nie Deine Antwort hör‘ und sie manchmal auch nicht im Herzen zu spüren glaube – wir verstanden uns wortlos, tatsächlich ich kenn‘ Deine Antwort tief in mir, doch manchmal lassen mich diese zwei Fragen noch heute immer wieder mal daran zweifeln, daß ich Dich wirklich gut begleitet habe an diesem Tag, heute vor einem Jahr? ![]() ![]() ![]() ![]() |
![]() |
Lesezeichen |
Aktive Benutzer in diesem Thema: 1 (Registrierte Benutzer: 0, Gäste: 1) | |
|
|