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Alt 07.03.2009, 20:41
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bluetrilo bluetrilo ist offline
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Registriert seit: 25.10.2008
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Standard AW: Gedanken.. Gefühle.. Fragen..

Ihr Lieben.

Habe mich die Woche nicht gemeldet, da ich viel um die Ohren hatte. Momentan geht es meinem Mann gut. Er wurde sogar heute in den Rollstuhl gesetzt und ein bisschen im Flur herum geschoben. Mensch, da hab ich mich aber gefreut, dass er das zugelassen hat. Auch der Pfleger hatte mir das heute sehr freudig erzählt und will heute Abend noch mal versuchen ihn auf einen Stuhl zu setzen. Es scheint fast so, als hätte das was ich gestern alles zu ihm gesagt habe, irgendwie seine Wirkung gezeigt hätte. Ich wollte ihm ja soviel sagen, jedoch habe ich mir das jedes Mal nicht getraut. Also schrieb ich dann alles nieder und las ihm das dann gestern vor. Alles was mir so durch den Kopf ging und worüber wir nie geredet hatten. Mir ging es danach viel viel besser.
Auch habe ich gestern Mittag einen Anruf von der Krankenkasse bekommen, das wir die Pflegestufe 3 rückwirkend ab Januar erhalten. Der MDK hatte zwar erst nach Aktenlage die 1 bewilligt, aber nach Vorlage der aktuellen Situation wurde binnen einer Woche die 3 bewilligt. Klappt doch super!!
Ich freue mich so sehr über diese guten Nachrichten.


Bis auf Montag war ich jeden Tag bei meinem Mann. Mittwoch hatte ich mir dann kurzfristig frei genommen, da ich in seine Wohnung gehen wollte um nachzusehen, was ich von den Kisten und Einrichtungsgegenständen behalten möchte. Als ich jedoch dann vormittags zum Frühstück bei meinem Schatzi war, rief die Schule an, das ich meinen Kleinen abholen solle da es ihm schlecht ginge. Somit musste ich dann also gehen. Mutti im Einsatz! Na ja, so kann ich ja mal was in der Wohnung machen, dachte ich. Jedoch wurde mir an diesem Tage so viel bewusst. Genau deswegen war ich kaum zu Hause und meine Zeit so verplant. Damit ich mir über all das keinerlei Gedanken mache. Nein, ich will und wollte auch über all diese Dinge nicht nachdenken. Ich starrte auf den Balkon. Wir haben nur einen Sommer hier zusammen sitzen können, es wird nie wieder einen Sommer geben, wo ich mit ihm dort sitzen werde. In der Küche ging mir durch den Kopf, was er hier noch so alles machen wollte. Wie er die Schränke einsortiert hatte. Das er mir/für uns die Wohnung so schön hergerichtet hatte. Es sollte doch hier ein Neubeginn für uns sein. Wir wollten doch hier zusammen unser Glück ausleben. Was soll ich jetzt mit der großen Wohnung alleine. Später dann saß ich auf der Couch und guckte fernsehen, hier wirst du auch nie wieder mit ihm sitzen können. Der Platz neben dir bleibt leer. Später im Schlafzimmer konnte ich nicht einschlafen, da der Platz neben mir so leer war. Ich wünschte ihn mir so sehr her. Seine Wärme, das Kuscheln zusammen im Bett, sein schnarchen. Ja, all diese Dinge werde ich hier nicht mehr haben. Seine Mäntel im Schrank rochen noch nach ihm. Aber auch das werde ich bald nicht mehr haben. Ich werde bald nicht mehr wissen wie er riecht.

Am Donnerstag war ich nach der Arbeit wieder bei ihm. Ich traute mich auch zum ersten mal mich mit zu ihm zu legen und versuchte ihn in den Arm zu nehmen. Und dennoch nahm er mich nicht mehr in den Arm oder gar als ich dann weinend vor ihm war, streichelte er mich nicht oder zeigte irgend eine Regung. Nein, es kam nichts von ihm. Donnerstag hatte ich bevor ich zu ihm ging ein Gespräch mit der Sozialarbeiterin. Ich bat auch um einen Termin wegen verschiedener Fragen. Sie erzählte mir darüber, das sie mit seinen Eltern mal ein Gespräch führte. Sie hat sich beide geschnappt und mit denen Klartext gesprochen, was ihren Sohn angeht. Seine Eltern haben natürlich kein böses Wort über mich verloren. Das war mir klar. Dennoch hat sich zwischen seinen Eltern und mir nichts geändert. Aber was soll’s. Jedenfalls erzählte sie mir davon, das man nach dem Tod hier noch die Möglichkeit hat sich 3 Tage lang zu verabschieden. Bis vor kurzem hätte ich sie wahrscheinlich noch unterbrochen und gesagt halt will ich nicht hören, aber das tat ich nicht. Man kann es in einem extra dafür vorgesehenen Raum machen oder in dem Zimmer wo er die ganze Zeit lag. So hat jeder die Möglichkeit sich von ihm zu verabschieden und man kann sehen wie das Leben schwindet. Allein die Vorstellung ist für mich schon ein graus. Ich weiß nicht ob ich ihn Tage danach noch sehen will. Keine Ahnung.
Ich sagte später zu meinem Mann, das ich ihm noch soviel sagen will und wir darüber reden müssen. Auf dem Weg nach Hause ging mir dann durch den Kopf, das ich das doch einfach aufschreibe und ihm dann vorlese. Während der Fahrt ging mir schon so einige durch den Kopf. Zu Hause schrieb ich das dann alles auf. Ich druckte den Brief auch gleich aus und nahm ihn mit.

Da der Große nun auch krank war, fuhr ich gestern alleine zu meinen Mann. Ich legte mich kurz zu ihm. Dauernd fragte ich mich wann denn der richtige Zeitpunkt sei ihm all das zu sagen was da stand. Doch dann kam mir der Gedanke, das es nie den richtigen Zeitpunkt geben wird. Nein, die Wahrscheinlichkeit das ich überhaupt den Moment verpasse ihm all das zu sagen, war größer. Endlich schaffte ich es dann den Brief zu lesen. Ich weinte dabei und musste zwischendurch aufhören. Er zeigte dennoch keine Regung. Ich las weiter. Danach wollte er mir dann was sagen, jedoch kam er nicht weit und war dann verzweifelt und traurig, das er mir das nicht sagen konnte. Und dennoch ich gab nicht auf und bekam schließlich heraus was er mir sagen wollte. Ich war erleichtert. Ich hatte leider nicht viel Zeit und andererseits war es auch ganz gut so, das er jetzt Zeit hätte über all das was ich ihm mitteilte nachzudenken. Ich hab ihm vieles mitgeteilt. Wie ich mich fühle, was ich denke..... Auch teilte ich ihm mit, das er auch jetzt versuchen soll aus der Zeit noch eine schöne Zeit zu machen. Das er doch noch seine andere Hand bewegen kann und mich doch einfach mal damit umarmt oder gar streichelt, weil mir das auch wichtig ist. Das er jetzt trotz allem nicht aufgeben solle. Nein, er solle jeden Tag den er hat noch als Geschenk ansehen und etwas daraus machen. Ich teilte ihm auch mit, das ich wohl versuchen würde mich ein bisschen in seine Lage zu versetzen, um das für ihn auszusprechen, was er nicht mehr kann. Wir müssen darüber reden. Gerade weil er es nicht aussprechen kann. Ich fragte ihn auch, ob er alles verstanden hat, was ich gelesen habe. Durch nachfragen erfuhr ich dann auch, das er darüber nachdenkt was ich ihm alles gesagt habe. Ich fühlte mich befreit. Ja, es war richtig, das sagte mir mein Gefühl.

Als mich gestern eine Kollegin nach meinem Mann fragte kam irgendwann die Frage von ihr, wie möchte er denn beerdigt werden. Da ging mir durch den Kopf, das ich das ja gar nicht weiß. Ja, und was nun?? Ich kann ihn doch nicht einfach fragen oder etwa doch?

Heute war ich dann trotzdem bei ihm. Ich fühlte mich überhaupt nicht wohl und wollte nicht runter, jedoch hatte ich es ihm versprochen. Ich tat es also. Wir waren nicht lange alleine, da kamen schon zwei Leutchen aus seiner Partei. Sie berichteten die Neuigkeiten, da mein Mann sich sehr engagierte und auch Bürgerdeputierte ist. Es war zwar sehr anstrengend für ihn, den Gesprächen zu folgen, jedoch hatte er sich dennoch über den Besuch gefreut, das sah man ihm an. Das er nach einer längeren Zeit einem Gespräch nicht mehr folgen kann, dieses Problem hatte er wohl schon länger. Ich fand bei der Suche nach Unterlagen nämlich mal eine Notiz, wo genau das stand. Er könne irgendwann einem Gespräch bzw. dem Inhalt nicht mehr folgen. Sie gaben meinem Schatzi zu verstehen, das er keineswegs schon vergessen ist. Nein, man würde sogar die nächsten male auf den Sitzungen von ihm grüßen. Ja, es ist sehr wichtig, das man versucht ihn noch so ins Leben zu binden.

Ich habe durch den KK gelernt offener mit der ganzen Sache umzugehen. Ich kann darüber reden und schlucke nicht mehr alles alleine runter. Vielen lieben Dank euch allen, die einem hier beiseite stehen und zuhören.

Wenn es meinem Mann morgen auch so gut geht, dann werden wir morgen zum Kaffee im Aufenthaltsraum gehen. Die Ehrenamtlichen dort, decken immer den Tisch und bringen Kuchen mit und laden dann zum Kaffee. Das ist eine tolle Idee, nur habe ich die letzten male noch nicht daran teilgenommen, da ich dort nicht ohne meinen Mann sitzen wollte. Vielleicht schaffe wir das ja morgen. Es wäre wunderschön!

Bis dahin grüßt euch

Eure Kerstin





Rudern zwei in einem Boot...

Rudern zwei ein Boot, der eine kundig der sterne,
der andre
kundig der stürme,
wird der eine
führn durch die sterne,
wird der andre
führn durch die stürme,
und am ende ganz am ende
wird das meer in der erinnerung
blau sein
Reiner Kunze "Frühe Gedichte"




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