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#1
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Liebe Micha65,
es gibt solche Menschen, denen ich erlaubt hab, an meiner Fassade zu kratzen, die Tür einzutreten, die Fassade auseinanderzunehmen. Es hat lange gedauert und teilweise sehr weh getan. Ich hab es nie bereut. Es ist nur so, dass ein Teil in mir immer wieder verzweifelt versucht, die Trümmer dieser Fassade wieder aufzurichten. Was natürlich nicht so richtig klappen will, weil nur halbherzig ausgeführt. In Wirklichkeit will ich diese Fassade ja garnicht. Liebe Carmen, Lissi, Andrea, all die Anderen, die hier lesen, genau das möchte ich aussprechen. Genau hier. In dem Thread, der ursprünglich nur zu Myriam's Gedächtnis gedacht war und auch immer noch ist. Ich glaube, es ist in ihrem Sinne, das so zu machen. Sie selbst hat immer nach vorne geschaut, nicht zurück. Aufzuzeigen, dass es weitergeht auch wenn immer noch dicke, schwarze Wolken am Himmel hängen und Blitze einschlagen. Viele sagen selbst nach Jahren noch: "Mein Mann, meine Mutter, oder wer auch immer, HAT heute Geburtstag." oder "Heute HABEN wir Hochzeitstag." Falsch! "Er/sie HÄTTE heute Geburtstag. Heute HÄTTEN wir Hochzeitstag. Schade, dass wir nicht mehr zusammen feiern können." Da möchte ich irgendwann mal hin. Deswegen schreibe ich hier. Ich möchte verstehn, soweit das überhaupt möglich ist. Ich möchte das, was der Kopf schon lange weiss auch mit dem Herzen wissen. Nicht vergessen, sondern verstehen, wissen, glauben, akzeptieren möchte ich. Versteht ihr das? Alles Liebe Helmut
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Zeit zum Weinen, Zeit zum Lachen.
http://www.krebs-kompass.org/howthread.php?t=31376 http://www.krebs-kompass.de/showthread.php?t=48070 Die von mir im Krebs-Kompass verfassten Texte dürfen auf anderen Homepages und in anderen Foren ohne meine ausdrückliche Zustimmung weder verwendet noch veröffentlicht werden. Auch nicht auszugsweise. |
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#2
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Hallo Helmut ,
ich habe deine Zeilen gelesen .....ich verstehe dich sehr gut. Ich trage manchmal eine Maske, eine Maske wo mich keiner erkennt.(Meine Fasade) Dort laufen meine Tränen unaufhörlich, ich renne in den Wald und schreie immer wieder "WARUM dieser SCHMERZ in mir. Dann gehe ich zu meinen lieben, nehme meine Maske ab. Ich atme tief ein alles ist gut, für mich. Ich möchte nicht dass meine Kinder sehen, dass ich manchmal so traurig bin. Sie haben genug erlebt, gelitten, und geweint...ich habe in ihre Augen voller Angst gesehen..... "Was wird mit Mama" Ich möchte dir ein paar Worte schicken.....ich finde es sehr schön und es drückt sehr viel aus. Liebe Grüße von Birgit Nimm Deine Zeit zum Trauern und fühle ach den Schmerz, umgib Dich ruhig mit Mauern und spür das Leid im Herz. Da bist Du nun, mit Dir allein, das kann Dir niemand nehmen, den Du beweinst wird bei Dir sein, vereint in Euren Seelen. Wenn Deine Augen nicht mehr weinen, dann schau Dich wieder um, dort warten schon die Deinen, voll Ungeduld doch stumm. Jürgen Brings |
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#3
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Hallo zusammen,
aus einem Buch von meiner Freundin: „Die Vergangenheit liegt hinter uns und die Zukunft liegt vor uns. Wir müssen im jetzt leben, im Heute. Daß alles, was wir bisher getan haben vorüber ist, egal wie sehr wir versuchen es zurück zuholen.“ „Glück ist, einen Tag nach dem anderen zu leben – nur das Heute zählt. Die Vergangenheit ist eine Rechnung, die beglichen ist. Und die Zukunft – nun, die Zukunft fängt erst morgen an.“ Aus „Die Rose von Jericho“. Ja Helmut, ich verstehe was Du meinst. Und doch hat Jürgen an dem einen Tag Geburtstag und würde 46 Jahre alt werden. Du wirst Deine Art und Weise finden, das Leben wird wieder „heiler“ – ohne zu vergessen. Grüßle Bruni |
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#4
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Lieber Helmut,
bestimmt ist es irgendwo nachzulesen, aber warum nicht immer und immer wieder diese Zeilen reinstellen, dort, wo sie gerade wichtig sind. "Trauer ist wie ein Felsbrocken. Wegrollen kann man ihn nicht. Zuerst versucht man, nicht darunter zu ersticken. Dann hackt man ihn Stück für Stück kleiner, und den letzten Brocken steckt man in die Hosentasche und trägt ihn ein Leben lang mit sich herum." Man kann den Weg der Trauer nicht planen, vielleicht ist der einzige Weg tatsächlich, auf seine eigene Stimme zu hören, das zu tun, was sich richtig anfühlt. Unser Weg, der sich irgendwie ergeben hat ist der, dass wir zwei Gedenktage für Claus feiern in unserer Familie. Das eine ist der Erdengeburtstag und das andere der Regenbogentag. Der Erdengeburtstag, ein wichtiger Tag, weil nur durch seine Geburt ein Erdenleben mit ihm möglich wurde (meine Schwiema bekommt immer Blumen an diesem Tag und ein: Dankeschön für deinen Sohn) und der Regenbogentag weil ich mich an die Hoffnung klammere, dass es nun für unsere Lieben besser ist. Und so stoßen wir an diesem Tag an, auf ein Wiedersehen im Regenbogenland. Hochzeitstag? Na klar! Bin ich geschieden? Hat mein Mann mich und meine Kinder verlassen? Nein!!!!, also bin ich noch immer verbunden mit ihm, trage noch immer meinen Ehering und werde an dem Tag, an dem wir uns das Ja-Wort gaben immer wieder sagen: Und ich würde dich immer und immer wieder heiraten. Verstehen? Nein Helmut, ich glaube, ich werde es niemals verstehen. Akzeptieren, weiterleben, wieder lieben, aber verstehen warum Menschen, die sich lieben getrennt werden, ich weiß nicht, ob ich das jemals verstehen werde. LG Andrea
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Που να 'σαι τώρα που κρυώνω και φοβάμαι και δεν επέστρεψες |
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#5
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Hallo Andrea, hallo Helmut,
da fällt mir wieder ein, was der Bestatter zu mir sagte, als ich dort zum Gespräch war: "Die Ehe ist ja nun beendet!" Ich dachte, der spinnt, warum sollte unsere Ehe beendet sein?! Es gibt doch keinen Grund dafür. Ich trage meinen Ehering und den von meinem Spatz habe ich als Kette um den Hals ganz nah bei mir. Und wenn ich in irgendwelchen Formularen "verwitwet" schreiben muss, kommt mir das so fremd vor, das Wort gehört nicht zu mir! Vielleicht irgendwann einmal kann ich dieses Wort akzeptieren aber das wird noch sehr lange dauern. Noch ist mein Spatz bei mir, seine Sachen sind alle noch an ihrem Platz und ich erzähle ihm auch immer alles von mir und meinem Tag. Liebe Grüße Carmen
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So lass uns Abschied nehmen, wie zwei Sterne durch jenes Übermaß von Nacht getrennt, das eine Nähe ist, die sich an Ferne erprobt und an dem Fernsten sich erkennt. R.M.Rilke Für meinen geliebten Ronni (12.09.1964- 24.01.2009) |
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#6
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Liebe Carmen,
bis du das akzeptieren kannst wird noch ne Zeit dauern. Was der Bestatter meinte, ist, dass du für die Behörden als nicht verheiratet angesehen wirst. Das ist eine rein teschnische Sache. So war das auch gemeint. Zukünftig wirst du immer mehr trennen, was du fühlst und wie es Aussenstehende sehen. Zunächst wirst du dir ein inneres und ein äusseres Dasein aufbauen. Die berühmte Fassade. Irgendwann wirst auch du es schaffen, dass Inneres und Äusseres wieder im Einklang sind. Das ist genau das, was auch ich noch schaffen muss. Wir brauchen nämlich keine Fassade, die etwas verstecken soll. Ich möchte mal stolz darauf sein, ein Witwer zu sein. Nicht solz darauf, dass meine Frau verstorben ist, sondern stolz darauf, dass ich so lange mit ihr zusammenleben durfte, das Glück zu haben, sie zu kennen und zu lieben. Das sind Gefühle, die nur wenige kennen. Manche werden sie kennenlernen müssen, andere nie im Leben. Muss man/frau verstecken, dass sie Witwe/r ist? Nö. Übrigens, mal was lustiges in dieser Sache. Als der Versicherungsälteste bei mir war, um den Antrag Witwerrente zu stellen hielt er beim Ausfüllen plötzlich verblüfft inne: für die Bezeichnung "Witwer" gab es kein Ankreuzfeld auf dem Fomular. Ihm fiel dabei noch auf, dass das Formular "Antrag auf Witwenrente" überschrieben war. Natürlich war ihm das peinlich. Gefragt war nach den Angaben zu dem Verstorbenen und den persönlichen Daten der Witwe. Ein gegenseitiges angrinsen löste die Spannung. Seines Wissens gibt es kein Formular für Witwer. Müsste er mal anregen, meinte er. ![]() Liebe Bruni, klar, dein Jürgen würde an dem Tag 46 jahre alt werden. Ich hoffe, meine Myriam würde irgendwann mal 80 oder 90 werden. Ich möchte noch einige dieser Tage erleben. Es geht nur darum, zu akzeptieren, dass es nicht mehr so ist sondern so sein könnte. Das Leben ist ein Augenblick, der letzte eine Spur und der nächste Zukunft. Diese Spur gräbt sich in das Leben anderer Menschen ein wie in uns die Spur derer, die wir geliebt haben. Unverwischbar. Liebe Andrea, noch kann ich diesen Brocken nicht in meine Hosentasche stecken. Er würde selbige zerreissen. Wir müssen noch ein bisschen hämmern, bis er die richtigte Grösse hat. Das schaffen wir auch noch. Wenn er dann die richtige Grösse hat, werden wir ihn immer bei uns tragen und spüren. Nicht, weil es ein Stein ist, schwer und hart, sondern wir spüren die Wärme. Denn er ist nicht nur Erinnerung sondern auch ein Versprechen für die Zukunft. Und an seiner Oberfläche sind die Spuren derer, die wir immer noch lieben. Diese beiden Tage haben wir auch gefeiert, alle zusammen. Auch ihre beste Freundin war dabei. Es waren gute Tage. Ich möchte das auch zukünftig so machen. Die Blumen für die Schwiegermutter, das ist ne klasse Idee. Was ist der Unterschied zwischen verheiratet und verwitwet? Eigentlich keiner. Zumindest für uns, denn unsere Versorbenen sind immer noch da. Genauso wie Wasserdampf immer noch Wasser ist. Wasser können wir berühren, greifen. Wasserdampf nicht, trotzdem ist er da. Nicht greifen, jedoch fühlen. Alles Liebe Helmut
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Zeit zum Weinen, Zeit zum Lachen.
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#7
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Freunde.
Wir hatten sehr viele Freunde. OK, die Grenze zwischen Bekannten, guten Bekannten und Freunden ist fliessend. Trotzdem. Es waren tolle Freunde. Ihre Unterstützung für Myriam (und mich) war wirklich grosse Klasse. Danke dafür. Wir konnten jederzeit anrufen, uns auf sie verlassen. Sie hatten keine Scheu vor der Erkrankung. Und wenn, dann gaben sie es nicht zu, kamen trotzdem zu uns. Wer wird auch gerne mit Krebs konfrontiert. Das Alles rechne ich ihnen hoch an. Bessere Freunde kann man in dieser Situation nicht haben, bin dankbar dafür. Ich schreibe mit Absicht "wir hatten". Denn jetzt habe nur noch ich. Oder habe ich nicht????? Doch, schon. Lange Zeit lief alles normal, das heisst, der Kontakt war nicht abgerissen. Auch ich alleine hatte sehr viel Unterstützung durch sie. Wobei wir uns eigentlich oft auch gegenseitig stützten. Was ja auch in Ordnung so ist unter Freunden. In den letzten paar Monaten hab ich allerdings das Gefühl, einige Beziehungen werden zur Einbahnstrasse. Ich erhalte Rückmeldungen stellenweise nur noch zögernd. Einige haben sich bereits lange Zeit nicht mehr von selbst gemeldet. Kontakt eigentlich nur noch, wenn ich anrief oder vorbeifuhr. Ich weiss, dass viele oft an ihr Grab gehen. Aber sie haben keine Zeit, bei der Gelegenheit bei mir vorbei zu schauen bzw. keine Zeit im Vorbeifahren mal halt zu machen für ein Hallo. Als wir, meine Jüngste und ich, damals unsere Wohnungen hier im Haus einweihten, war es einem ungeheuer wichtig, dass an dem Nachmittag der Rasen gemäht werden muss. Für den Tag darauf war ja auch Regen angesagt. Das ist nur ein Beispiel. Was passiert da? Bin ich nur zu dünnhäutig? Es tut weh, das zu erleben. Bin ich zu anspruchsvoll und verlange zuviel? Ist es zuviel, dass man sich einmal im Monat sieht oder zumindest telefoniert, wenn man sich vorher alle 2 Wochen gegenseitig besuchte? Ich, für mich, denke, ich muss mein Leben neu ausrichten, neue Ziele finden. Gerade durch den Tod meiner Frau hab ich neue Freunde gefunden. Freunde, die mich sehr genau kennen. Freunde und Freundinnen, mit welchen ich eine sehr tiefe und innige Freundschaft eingegangen bin. Trotzdem tut es sehr weh, wenn sich alte Freunde scheinbar verabschieden. Ich verstehe das nicht. Oder waren es garnicht "unsere" Freunde? Waren es die Freunde meiner Frau und ich lief so mit? Das tut doppelt weh. Nicht alle alten Freunde sind so, einige werden es auch bleiben. Wer? Keine Ahnung. Liebe Grüsse Helmut
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