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  #1  
Alt 20.09.2011, 11:14
Benutzerbild von riedlenseppl
riedlenseppl riedlenseppl ist offline
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Standard AW: Erst Lunge, dann Knochen, nun Hirn: Ist der Weg zu Ende?

Liebe Anja,

danke für dein Mitgefühl!
Es ist schön, wenn man merkt, dass andere an einen denken, und wenn es auch nur für Momente ist.

Gestern war ich am Nachmittag noch bei meiner Mama.
Erst haben wir am Tisch gesessen und über alles Mögliche geredet, unter anderem auch darüber, dass wir - in Absprache mit dem Hausarzt - mit dem Navelbine aufhören wollen. Ich sagte ihr einfach, dass die Chemo ein Grund dafür ist, dass die eine Wunde, die sie von ihrem Sturz am Arm hat, so langsam zuheilt, eigentlich kaum besser wird. Und dass es wichtig ist, dass das jetzt mal zuheilt. Und außerdem quält sich Mama ja so mit dem Schlucken der 4 Tabletten und deswegen machen wir jetzt erst mal eine Pause.
Als ich sie fragte, ob das für sie in Ordnung ist, nickte sie und meinte, dass sie darüber froh ist. Irgendwie tut es mir leid, dass ich sie dabei so ein bisschen "übers Ohr haue", aber ich bringe es nicht übers Herz ihr ins Gesicht zu sagen, dass die Chemo bei ihr nichts mehr bringt.
Dann merkte ich wie sie unruhig wurde auf dem Stuhl und ich fragte sie, ob sie Schmerzen hätte. Der Rücken tat ihr etwas weh und sie wollte sich ein bisschen hinlegen. Ich half ihr ins Bett und dachte bei mir, na ja, 10 Minuten, dann sitzt sie wieder... sie ist ja zur Zeit so unruhig... und ich ging ins Arbeitszimmer, um ein Buch auszusuchen, dass ich ihr am Bett vielleicht vorlesen könnte. Immer wieder spickelte ich durch die Schlafzimmertür, ob sie schon wach ist... und was soll ich sagen, nach anderthalb Stunden "musste" ich sie wecken, weil es sonst für den Kaffee zu spät gewesen wäre und der Kuchen war schon aufgetaut.
Ich bin dann erst noch ein bisschen durch die Wohnung mit ihr getigert (am Arm), um sie nach dem langen Liegen etwas zu aktivieren, bevor wir uns an den Tisch setzen... Aber dann, obwohl sie "nur eine schmale Scheibe" (O'ton) von der Zitronen-Biskuit-Rolle essen wollte, hat sie rucki-zucki 3 Scheiben verputzt.
Ich finde es klasse, dass sie so eine Freude am Essen hat.
Ich habe Mama von Reinhards Überlegungen erzählt, wie das wohl ist, wenn man gestorben ist, und dass er sich - als alter Segler- vorgestellt hat, mit einem Wikingerschiff übers Meer zu fahren...
Vielleicht ist es ja so, dass man, wenn man hinübergeht gefragt wird, was man machen möchte, und das macht man dann in alle Ewigkeit,
ohne dass es einem vorkommt wie eine Ewigkeit, weil es einfach eine Erfüllung ist...
Und ich fragte sie, ob sie auch etwas hätte, was sie für den Rest ihrer Zeit gerne machen würde oder schon immer machen wollte.
Zuerst fiel ihr nichts ein.
Ich sagte ihr, dass ich gerne fliegen könnte, wie ein großer, kräftiger Vogel.
Sie schaute mich leicht zweifelnd von der Seite an. Ich zwinkerte ihr zu und meinte, vielleicht ist es ja gut, wenn du schon eine Antwort auf die Frage hast, sonst könnte es dir vielleicht gehen, wie dem Bayer im Himmel, der dann auf einer Wolke sitzen musste und Halleluja singen...
Wobei das Wolkensitzen wäre ja nicht das Schlechteste, weich, luftig und doch warm, und so kamen wir drauf, dass das etwas für sie wäre, auf einer Wolke zu sitzen und Klavier zu spielen, natürlich gut und mit Leichtigkeit, und ich würde dann über sie hinwegfliegen und meine Kreise ziehen...Da mussten wir beide lachen und die Vorstellung vom Tod hatte plötzlich nichts Erschreckendes mehr, auf jeden Fall für mich, und ich glaube, auch ein bisschen für sie...

Am Donnerstag fahre ich nochmal hin. Ich hoffe, es geht ihr gut bis dahin.

Seid alle herzlich gegrüßt,

Christiane
__________________
Mit den Gedanken
und dem Herzen
immer bei dir,
Mamsini
Bin ich hier, bist du's auch!
Du warst wunderbar.
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  #2  
Alt 20.09.2011, 13:21
Benutzerbild von Monika Rasch
Monika Rasch Monika Rasch ist offline
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Ort: Gelsenkirchen-Buer
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Standard AW: Erst Lunge, dann Knochen, nun Hirn: Ist der Weg zu Ende?

Hallo Christiane,
einen lieben Gruß aus Gelsenkirchen-Buer.
Ich lese bei Dir immer mit, ich sehe mich selber im letzten Jahr.

Du schreibst, dass die Novalgin-Tropfen so ziemlich ausgereizt sind.

Manchmal bringt eine Kombination mit einem anderen Schmerzmittel was- oder was spricht dagegen, Deiner Ma ein Schmerzpflaster(erstmal niedrig dosiert) zu kleben.

Auf Suchtgefahr braucht man doch keine Rücksicht zu nehmen.

Die Schmerzpflaster könnten permanent den Grundschmerz nehmen, und für Schmerzspitzen könnte man dann noch zusätzlich was geben- entweder sofort wirkende Schmelztabletten für unter die Zunge oder natürlich wieder Tropfen.
Sprech doch bitte unbedingt den Hausarzt auf eine verbesserte Schmerzmedikation an- oft SEHEN die das einfach nicht, und Zähne zusammenbeissen braucht Deine Ma nicht.
Sie soll mit ausreichend Schmerzmitteln versorgt noch eine gute Zeit haben.

Und Du, pass auf Dich auf !
__________________
Mein Ehemann Georg+36jährig+1988(NHL)
Mein Liebster Joachim+42jährig+1997 (kleinzell. Bronchial Ca.)
Ich : 2002 DCIS re.Mamma, operiert, bestrahlt, AHT
Meine Schwester Heike +2011(Bronchialca)
Unsere Mama +2013(operiertes Glioblastom, Nierenversagen bei Temodal Therapie)
Meine Schwester Sandra(45),TN mamma Ca.metastasiert, +21.11.2015
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  #3  
Alt 20.09.2011, 15:37
Thessa76 Thessa76 ist offline
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Beiträge: 508
Standard AW: Erst Lunge, dann Knochen, nun Hirn: Ist der Weg zu Ende?

Liebe Christiane,

eine schöne Vorstellung, mit Wolke und Vogel. Gefällt mir sehr gut und ja, das nimmt Angst und Schrecken, wenn man ein schönes Bild im Kopf hat.

Könnt Ihr vielleicht jetzt schon den ambulanten Hospiz-Dienst ins Boot holen? Dass jemand kommt und schaut, was genau notwendig für Euch ist? Die arbeiten auch mit den Brückenschwestern zusammen.... insofern wäre es keine Überlappung, sondern eine Ergänzung.

Vielleicht kann Deine Mama schmerzmitteltechnisch noch optimaler eingestellt werden, das wäre eine solche Erleichterung, wenn die Baustelle bestmöglich beackert wird von einem Palliativ-Mediziner.
Ich wünsche Euch die richtigen und helfenden Hände, die ihr braucht. Und finde drei Biskuitrollenstücke

Alles Liebe, Thessa
__________________
Meine Mutter, ED 03/08 Adenokarzinom nicht operabel; T4N3M0.
Chemokonzept: seit 03/08 Carboplatin/ Vinorelbine, Umstellung aufgrund von Versagen von Carboplatin auf Taxotere am 22.07.08. Letzte Chemo am 27.11.08 - nun watch and wait.
14.01.: Lunge fast tumorfrei, multiple Hirnmetastasen, 10 Ganzhirnbestrahlungen ab dem 22.01.
am 09.02.2009 in unseren Armen eingeschlafen
1946 - 2009
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  #4  
Alt 20.09.2011, 17:59
Tiina Tiina ist offline
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Standard AW: Erst Lunge, dann Knochen, nun Hirn: Ist der Weg zu Ende?

Liebe Christiane,
wunderschön, das Gespräch, das Du beschrieben hast - wirklich eine ganz tröstliche Vorstellung!
Das finde ich wirklich toll, wie Du das Thema Tod angesprochen hast - ich wollte, das hätte ich mit meiner Mami auch gekonnt... Ich hatte immer Angst, sie da zu sehr zu bedrängen und von sich aus hat meine Mami nur ein paar sehr nüchterne Dinge gesagt.

Alles Liebe und Gute, ich denke oft an Euch,
Anja
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  #5  
Alt 20.09.2011, 20:54
mahalo mahalo ist offline
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Beiträge: 29
Standard AW: Erst Lunge, dann Knochen, nun Hirn: Ist der Weg zu Ende?

hallo christiane,

so traurig die situation ist, so tröstlich lesen sich deine zeilen.
es ist schön, dass ihr solche gespräche führen könnt.

mit meiner mama hab ich mich das damals nicht getraut und keiner hat geahnt, dass sie so früh gehen mußte, dabei liebte sie engel.
und mit meinem papa jetzt ist es leider auch nicht möglich, da er nicht "auf solche gespräche steht" und er leider von den vielen medis sehr verwirrt ist.

ich finde übrigens nicht, dass du sie in sachen medikamente "übers ohr gehauen" hast. und manchmal muß man auch nicht die volle wahrheit sagen.
wenn sie so froh ist, dann ist es ok.

ich wünsche euch noch eine lange zeit und viele solcher gespräche!

liebe grüße von mahalo
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  #6  
Alt 21.09.2011, 09:10
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ange ange ist offline
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Beiträge: 505
Standard AW: Erst Lunge, dann Knochen, nun Hirn: Ist der Weg zu Ende?

Liebe Christiane,

es tut mir leid, das es deiner Mama so "schlecht" geht.... wir wissen zwar alle, das die Zeit irgendwann kommt, aber wenn sie da ist, ist es als wären wir überrumpelt worden...

Gibt es bei euch vielleicht auch ein Neztwerk aus einem ambulanten Pflegedienst und einem Palliativarzt? Wir hatten das, leider erst recht spät, und es war klasse!! Der Arzt war zur stelle sobald man ihn brauchte, tag und nacht. Und gleichzeitig war auch der Pflegedienst schon informiert.

Ich wünsche euch, das es ihr bald wieder etwas besser geht und ihr noch eine schöne zeit haben könnt.

lass dich mal drücken!!!
Alles Gute weiterhin
__________________
-Meine Schwiegermama + 4.10.2010
-Meine Patentante + 4.9.2011
-Meine Mama
*15.2.1944 - + 22.11.2014

-Ich selber Polycythaemia Vera
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  #7  
Alt 21.09.2011, 16:47
Benutzerbild von riedlenseppl
riedlenseppl riedlenseppl ist offline
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Standard AW: Erst Lunge, dann Knochen, nun Hirn: Ist der Weg zu Ende?

Liebe Mitleser, besonders Moni, Thessa, Anja, mahalo und Ange!

Vielen herzlichen Dank für eure Anteilnahme, eure guten Ratschläge und guten Wünsche.
Vorher habe ich mit meiner Schwester telefoniert und es sind wieder einige Dinge auf den Weg gebracht:
Der liebe Hausarzt hat die Spezielle ambulante Palliativversorgung (SAPV, Brückenschwestern) bereits informiert und instruiert. Heute war ein Pfleger da, der mit Mama, dem Goldstück und meiner Schwester, alles genau besprochen hat.
Er wird einmal pro Woche (vorläufig) vorbeischauen und sehen, wie es Mama geht, bzw. ob er irgendwie helfen kann.
Die Medikation wird wie folgt gehandhabt:
Die drei Cortisongaben werden nun auf zwei morgens und eine mittags verschoben, so dass Mama abends kein Cortison mehr nehmen muss, damit sie besser schlafen kann.
Die Novalgintropfen werden weiter gegeben (jetzt 4 x 20 Tropfen, was scheinbar bisher nicht so wirklich durchgängig gegeben wurde, und wenn, dann nur 3 x), sollte das nicht ausreichen, kann auf bis zu 4 x 40 Tropfen erhöht werden und wäre das auch nicht mehr genug, steht noch ein weiteres Präparat (weiß aber nicht welches) zur Verfügung.
Außerdem haben wir jetzt ein Medikament für den Notfall, sprich Krampfanfall, o.ä.(Name habe ich aber auch vergessen ), das wir (vor allem das Goldstück) ihr im Bedarfsfall geben dürfen. Wenn es nicht besser wird, bzw. wenn wir nicht sicher sind, rufen wir die Notfallnummer der Brückenschwestern (SAPV) an, die eine 24-h-Rufbereitschaft haben.

Das alles erleichtert mich sehr.
Mama geht es soweit noch ganz gut. Wir versuchen, Pflegestufe 2 zu bekommen.
Morgen fahre ich sie besuchen.

So viel für heute,
1000 Dank nochmal, viele liebe Grüße und alles Gute für euch alle da draußen!

Christiane
__________________
Mit den Gedanken
und dem Herzen
immer bei dir,
Mamsini
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Du warst wunderbar.
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