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  #1  
Alt 26.04.2012, 11:24
carla44 carla44 ist offline
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Standard AW: Ein Leben ohne meine Mama

Liebe Carlotta,

das mit den Sachen kann ich gut verstehen. Ich habe noch heute das Shirt, das mein Papa an seinem letzten Tag getragen hat. Es liegt fein zusammengelegt in meinem Schrank.
Wenn ich des herausnehme, sehe ich noch genau, wie mein Papa darin in seinem Bett liegt.

Meine Mutter konnte die Sachen von Papa recht schnell ausräumen. Vielleicht auch ein Weg, um einen Abschluss zu finden und nicht mehr immer an alles erinnert zu werden, wenn man den Schrank aufmacht. Obwohl das bestimmt bei mir so nicht funktioniert hätte.
Ich hätte das so schnell nicht gekonnt und mir ging es auch überhaupt nicht gut dabei, als wir den Schrank leer gemacht haben.

Zu dem Grab kommen mir immer solche Gedanken: was bleibt von dem Menschen oder sogar, wie viel Asche ist denn eigentlich in so einer Urne. Die Urne erschien mir bei der Trauerfeier nicht sehr groß, dafür dass die "Reste" eines ganzen Menschen drin sein sollen...

Ich habe auch wirklich Angst davor, an diesem Grab zu stehen und vielleicht einfach gar nichts zu empfinden. Wenn da mein Papa begraben ist, muss doch da eigentlich etwas von ihm sein, oder? Wäre für mich ganz schrecklich, wenn ich da nichts von empfinden würden. Vielleicht gehe ich deshalb da auch nciht hin, weil ich Angst vor dieser Enttäuschung habe.

Liebe Grüße
Carla
__________________
Mein lieber Vati ist am 17.7.2011 um 16.30 Uhr in meinen Armen friedlich eingeschlafen.

Hand in Hand - gemeinsam sind wir stark
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  #2  
Alt 29.04.2012, 01:34
Tiina Tiina ist offline
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Standard AW: Ein Leben ohne meine Mama

Liebe Carlotta,
dieses "Abgeschnittensein von den Gefühlen" kann ich absolut nachvollziehen... funktionieren im Alltag und weinen, sobald man alleine ist. Ich glaube das ist auch ein sinnvoller Schutz - den Schmerz nur in solchen Dosen zuzulassen, dass er noch irgendwie erträglich ist...

Zwinge Dich nicht zu Sachen, die sich nicht gut anfühlen... ihr könnt die Sachen immer noch ausräumen, wenn die Vorstellung nicht mehr so schlimm ist. Lass Dir Zeit...

Alles Liebe,
Anja
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  #3  
Alt 10.05.2012, 11:54
Carlotta76 Carlotta76 ist offline
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Standard AW: Ein Leben ohne meine Mama

Liebe Christina,

ich danke Dir für Deine lieben Worte.

Ich finde es schön, dass Du die Sachen Deiner Mama tragen kannst. Als ich das letzte Mal meinen Papa besucht habe, habe ich auch den Kleiderschrank geöffnet und an Mamas Sachen gerochen. Zum ersten Mal. Mittlerweile glaube ich auch, ich brauche die Dinge meiner Mama noch ein Weilchen. Ich denke, man merkt, wann der richtige Zeitpunkt gekommen ist und man die Sachen wegräumen möchte. Mein Papa ist auch dieser Meinung, und wir haben beschlossen, wir lassen es einfach noch eine Zeit lang so, wie es ist.

Deine Anregungen bezüglich des Grabes versuche ich umzusetzen. Wir haben das Grab meiner Mama inzwischen auch schon bepflanzt.

Manchmal denke ich zwar, der Alltag mit all seinen Anforderungen - insbesondere der Job - wächst mir über den Kopf und lässt mir nicht genügend Raum für meine Trauer, andererseits stimme ich Dir zu, dass diese Verpflichtungen und Regelmäßigkeiten einem auch eine gewisse Stütze sind.

Liebe Christina, ich wünsche Dir, dass Du mehr und mehr schöne Momente genießen kannst. Alles Gute für Dich und Deinen Vater.

Ganz liebe Grüße

Carlotta

Geändert von Carlotta76 (10.05.2012 um 12:40 Uhr) Grund: Schreibfehler
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  #4  
Alt 10.05.2012, 12:08
Carlotta76 Carlotta76 ist offline
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Standard AW: Ein Leben ohne meine Mama

Liebe Martina,

vielen Dank, dass Du mir geschrieben hast. Wir kennen uns nicht, doch vereint uns alle etwas: Der Verlust eines geliebten Menschen. Es tut mir sehr leid, dass Deine Mama verstorben ist.

Es ist so unsagbar schwer, diesen Verlust zu akzeptieren und sich ganz langsam - Schritt für Schritt - in ein neues Leben vor zu wagen. Ein Leben, das mir anfangs fremd vor kam und dies - größtenteils - immer noch tut. Deswegen auch der unbestimmte Artikel im Titel meines Fadens. Im Innern weiß ich, dass das "mein Leben ohne meine Mama" ist...Aber da muss ich mich noch hin tasten - für mich ist das ein langer Weg.

Ich denke, zu trauern ist ein Prozess. Er besteht aus verschiedenen Phasen, jeder durchlebt diese Phasen in einem unterschiedlichen Tempo und sicherlich gibt es immer wieder Rückschläge. Ich kenne das von mir auch, dass ich denke, vor einiger Zeit ging es mir besser als heute. Ich glaube, das ist zwar nicht schön aber ganz normal. Meines Erachtens sollte man in dieser Zeit des Trauerns möglichst nachsichtig mit sich sein. Ich schreibe das jetzt so, aber mir selbst gelingt das oftmals nicht. Ich meine, wenn Du das Bedürfnis hast, die Kleidungsstücke Deiner Mama noch aufzubewahren, tue das. Ich glaube, wir sollten uns eigentlich nicht schämen, wenn wir längere Zeit nicht zum Grab gehen, aber ich mache das auch.

Liebe Martina, ich möchte Dich ermutigen, hier zu schreiben. Die Möglichkeit, meine Gedanken und Gefühle nieder zu schreiben, tat und tut mir sehr gut. Und hier sind Menschen, die einen verstehen, weil sie leider eine ähnliche Situation durchleben oder durchlebt haben.

Ganz liebe Grüße

Carlotta
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  #5  
Alt 10.05.2012, 12:29
Carlotta76 Carlotta76 ist offline
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Beiträge: 171
Standard AW: Ein Leben ohne meine Mama

Liebe Carla,

ich freue mich immer sehr von Dir zu lesen!

Ich glaube, meinem Papa geht es - was das Wegräumen der persönlichen Sachen angeht - ähnlich wie Deiner Mutter. Er hätte nichts dagegen, die Dinge meiner Mama weg zu räumen. Mein Papa ist ein sehr, sehr rationaler Mensch. Er hat mir vor kurzem mitgeteilt, dass der schlimmste Moment für ihn während der gesamten Krankheit und dem Tod meiner Mama derjenige war (das ist jetzt übrigens fast auf den Tag genau ein Jahr her), als wir erfahren hatten, dass meine Mama eine Metastase auf der Leber hat. Da wusste mein Papa, dass wir meine Mama - seine Frau - nicht mehr sehr lange bei uns haben werden. Ich wusste das auch, aber von einem drohenden Verlust zu wissen ist für mich eine Sache. Ihn zu erleben, ihn zu akzeptieren und trotz dieses Verlustes weiter zu leben eine andere.

Heute vor einem Jahr wusste ich, dass die Zeit, die meine Mama und ich noch gemeinsam auf dieser Erde verbringen, sehr begrenzt ist, und ich hatte Angst vor der Zukunft, Angst, dass diese tückische Krankheit meiner Mama in Bälde Schmerz und Leid verursacht wird und Angst vor dem Leben, das nach dem Tod meiner Mama weiter gelebt werden muss. Das waren fürchterliche Ängste, die schwer auszuhalten waren, und ich bin froh und dankbar dafür, dass ich diese (momentan) nicht mehr habe, und ich hoffe, dass ich nunmehr für eine gewisse (hoffentlich lange) Zeit derlei Ängste nicht mehr ausstehen muss. Aber heute vor einem Jahr konnte ich meine Mama anrufen, und ich hörte ihre Stimme. Hörte, wie sie "Hallo Liesi" sagte. Das kann ich jetzt nicht mehr. Und das tut weh.

Für meinen Papa erscheint es vielleicht ein wenig irrational, das Zimmer meiner Mama so lange unberührt zu lassen. Aber - und da bin ich ihm sehr dankbar - wir haben darüber gesprochen, und ich habe ihm erklärt, dass ich noch nicht bereit bin, die Sachen aus Mamas Zimmer zu räumen, und das hat er akzeptiert. Er hat gemeint, ich solle einfach sagen, wenn der Zeitpunkt gekommen sei, dann räumen wir gemeinsam aus. Bis es soweit ist, lassen wir alles, wie es ist, damit habe er keine Probleme.

Diese Gedanken mit der Asche in der Urne kenne ich auch. So blöd das klingt, ich habe mir sogar überlegt, was mit der Hüftprothese meiner Mama geschieht. Hierzu meinte der Bestatter, alles, was durch die Öffnung der Urne passe, käme auch da rein. Das andere nicht.

Was von einem Menschen nach dem Tod bleibt, ist ja schon eine philosophische Frage. Meine Mama und ich haben häufig darüber gesprochen. Ich komme aus einem nicht religiösen Haushalt, aber meine Mama war immer der Ansicht, dass etwas bleibt und dass auch immer etwas weiter existiert. Letzteres schließe ich nicht aus, wünschte es mir sehr, bin diesbezüglich aber etwas skeptischer als meine Mama das war. (Da kommt wohl der Erbanteil meines Papas durch.)

Liebe Carla, das ist jetzt sehr, sehr lang geworden. Ich hoffe, der lange Text nervt nicht.

Alles Liebe

Carlotta

Liebe Anja,

schön, dass Du wieder geschrieben hast, vielen Dank!

Wenn Du Dich oben durch meinen langen Text quälst, siehst du, dass ich versuche, Deine lieben Ratschläge umzusetzen. Auch ich glaube, dass die Seele den Schmerz in den Dosen zulässt, den sie vertragen kann. Aus diesem Grund - denke ich - ist das Trauern auch ein Prozess von individueller Dauer.

Liebe Anja, ich hoffe, Dir geht es gut.

Alles Liebe

Carlotta
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  #6  
Alt 10.05.2012, 13:31
Tiina Tiina ist offline
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Ort: Hamburg
Beiträge: 676
Standard AW: Ein Leben ohne meine Mama

Liebe Carlotta,
das hört sich wirklich so an, dass Du auf einem guten Weg bist. Klar klappt das nicht immer, alles umzusetzen...
Ich finde das übrigens toll, wie offen Du mit Deinem Vater gesprochen hast - gerade wenn jemand immer so rational ist wie Dein Vater, finde ich das nicht leicht, so offen von den eigenen Gefühlen zu reden!

Mit dem Prozess sehe ich ganz genauso - teilweise habe ich den Eindruck, dass das eine Spirale ist, dass ich immer wieder an den gleichen Gefühlen und Gedanken "vorbeikomme", aber sich in mir doch etwas verändert hat.

Deine Einstellung zu dem was bleibt nach dem Tod kann ich 100% nachempfinden - ich komme auch aus einer gar nicht religiösen Familie, habe mich aber ein bißchen der Vorstellung angenähert, dass da etwas bleibt und wünsche es mir auch sehr... Es gab Zeiten, da konnte ich gar nichts anderes ertragen... Und ich hatte auch Erlebnisse, die jemanden, der weniger skeptisch und rational ist als ich, vermutlich davon überzeugt hätten, dass etwas bleibt...

Alles Liebe und Gute wünsche ich Dir,
Anja
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  #7  
Alt 10.05.2012, 13:55
Benutzerbild von HelmutL
HelmutL HelmutL ist offline
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Standard AW: Ein Leben ohne meine Mama

Hallo Carlotta,

um sich vorstellen zu können, dass nach dem Tod eines Menschen noch was bleibt, dazu braucht es keine Religion. Ob man nun an Gott, Allah oder Manitou glaubt oder nicht, ist egal.

Es gibt einen Satz: "Der Mensch ist erst dann gestorben, wenn sich niemand mehr an ihn erinnert."

Hinzu kommt, dass unsere Verstorbenen unser Leben auch jetzt noch sehr stark beeinflussen. Und sei es nur der Gedanke, was hätte er/sie jetzt getan/gedacht und wir handeln entsprechend. So wie ihr Handeln vor ihrem Tod Einfluss auf unser Leben nahm, so wird unser Handeln immer noch von ihnen beeinflusst und damit durch uns selber auch die Menschen in unserer unmittelbaren Umgebung.

Es bleibt also immer etwas von unseren Verstorbenen zurück. Egal wie.


Alles Gute,

Helmut
__________________
Zeit zum Weinen, Zeit zum Lachen.
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