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Mein Bruder und die Verdrängung des Krankseins
Mein Bruder lebte mit seiner Familie über 20 Jahre in Frankreich, leider ging seine Ehe auseinander und so kam er allein zurück nach Deutschland und begann sich ab 2010 ein neues Leben aufzubauen.
Sonntags besuchte er meine Mutter, die im gleichen Ort wie ich lebe. Und Sonntags mussten wir oft nach dem gemeinsamen Essen erleben, das es ihm sehr sehr schlecht ging, er konnte selbst nicht sagen was er körperlich durchmacht. Jeden Sonntag drängten wir ihn zum Arzt zu gehen...leider ohne Erfolg. Im Jahr 2012, er kam immer noch Sonntags zu Besuch, bekam er nach dem Essen jedesmal Schluckauf...er ging immer noch nicht zum Arzt. Im Sommer 2012 fuhr er nach Frankreich um dort zu arbeiten. Seine Tochter schaffte es nun endlich, ihn zu einem Arztbesuch zu überreden, da er mittlerweile nach dem Essen alles erbrach, und zwischenzeitlich aus nicht erkennbarem Grund einfach umgefallen war. Diagnose nach Magenspiegelung war ein Ösophaguskarzinom. Nun bekam er seine erste Chemotherapie, anschließend wurde im in der Uniklinik Nizza das Karzinom in 8 stündiger OP entfernt, wobei entdeckt wurde, das es sich bis in den Schulterbereich im Rücken ausgebreitet hatte. Nachdem er dort entlassen wurde, wog er 30 KG weniger. Anschließend folgte wieder eine Chemotherapie. Da er nicht mehr arbeiten konnte, kam er im Januar 2013 zurück nach Deutschland. Das ganze Jahr 2013 unternahm er trotz heftigstem Zureden meinerseits nichts in Richtung Untersuchungen, geschweige denn CT oder MRT Kontrollen, er ließ sich sogar seinen Port entfernen, denn würde er nochmal eine Chemo brauchen, würde er sie sowieso nicht machen....seine Worte! Im Januat 2014 klagte er plötzlich über Schmerzen in der Nierengegend, die stark angeschwollen war. Auf mein Drängen ging er sofort zu seinem Hausarzt, der ihn sofort in ein Krankenhaus einwies, zum Durchchecken. Diagnose: Nebennierenkarzinom und Hirnmetastasen....ich war geschockt, mir schwante das ganze Jahr vorher nichts Gutes, was sich nun bestätigte. Therapie war im Mai d.J. Bestrahlung des Kopfes sowie der Niere. Nach Therapieende dann CT und MRT mit folgendem Ergebnis, das das Karzinom an der Niere weg war, dagegen die Hirnmetastasen sogar unter der Bestrahlung weitergewachsen sind. Danach bekam er noch eine Chemo und nun ist er austherapiert seit Juni d.J. Dann verschlechterte sich sein Zustand dermaßen, das ich ihn ins Krankenhaus bringen musste zur künstl. Ernährung, nach 5 Tagen Aufenthalt dort nahm ich ihn zu mir nach Hause, da er mittlerweile so schwach ist, das er öfter stürzt und auch allein nichts mehr geregelt bekommt. Er ist im Palliativ Netz gemeldet, eine Schwester kommt 1x die Woche zur Kontrolle vorbei, und bis jetzt geht alles noch gut hier zu Hause, er isst gut, hat keinerlei Schmerzen, was für mich ein Wunder ist. Es ist grausam für mich zuschauen zu müssen, wie er immer noch schwächer wird, aber ich werde ihn solange bei mir behalten, wie es mir irgend möglich ist. LG, Gitti |
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AW: Mein Bruder und die Verdrängung des Krankseins
Hallo Gitti,
das tut mir leid, was Dein Bruder und Du gerade durchmachen müssen. Dieser Scheixx Krebs schlägt einfach immer wieder zu Ich hoffe, Du selbst hast Unterstützung bei der Pflege Deines Bruders und finde es sehr gut, dass Du ihn solange es geht bei Dir pflegen möchtest. Es ist das Einzige, was man tun kann. Für unsere Lieben in diesen schweren Zeiten da sein. Ich wollte es auch nie wahrhaben, aber mir wurde schmerzhaft vor Augen geführt, dass wir Menschen nicht immer alles unter Kontrolle haben und so oft einfach nur zuschauen müssen. Aber - und das ist vielleicht sogar sehr viel, nur ich habe es noch nicht begriffen - wir dürfen menschlich sein, unsere Liebe und Fürsorge teilen und zeigen und so dem Kranken helfen, einfach durch unsere Präsenz. Ich wünsche Dir viel Kraft LG Marmot |
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AW: Mein Bruder und die Verdrängung des Krankseins
Hi Marmot,
vielen lieben Dank für Deine Worte. Du hast Recht, dieses nichts machen können, einfach nur zusehen wie es weiter bergab geht, das macht es so unfassbar. Und was ich auch besonders schlimm empfinde, das er überhaupt nie über seinen Zustand spricht, als gäbe es ihn nicht, und das finde ich, macht alles noch schwerer. LG, Gitti |
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AW: Mein Bruder und die Verdrängung des Krankseins
Seit einer Woche hat sich seine Nahrungsaufnahme halbiert, und das wo er immer sehr gut gegessen hat, seine Schwäche nimmt weiter zu, nun ist er bei Hosengröße 30/34 angekommen.
Der Palliativarzt sagte mir im Juni, das er immer mehr schlafen wird, aber das Gegenteil ist der Fall, am Nachmittag nickt er höchstens mal über für 20 Min., und auch abends will er nicht schlafen gehen. Wenn sein Körper nicht in einem so schrecklichen Zustand wäre, könnte man meinen es wäre alles in Ordnung. Die 5 Stufen bis zur Haustür hoch gehen jetzt nicht mehr ohne meine Hilfe, auch setzt er sich fast immer neben den Stuhl, wenn ich nicht aufpassen würde, ob er ein eingeschränktes Gesichtsfeld durch die Hirnmetas hat? Was ist das für eine schwere Zeit, er wünscht sich immer nicht mehr aufzuwachen. LG, Gitti |
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