Von der Seele schreiben!!

[mario1]

Hallo Tanten!
Hallo Dani!

Ach, heute geht es mir echt scheisse! Ich bekomm das irgendwie nicht hin! Immer wieder packt mich die Angst! Heute in der Arbeit, als wir vorm Tv gesesen sind war da so eine Serie, wo eine Frau Intopiert war und sofort hatte ich die Bilder von Mama im Kopf! Ich hätte am liebsten losgeheult und geschrien aber es ging nicht!
Ich werde wohl diese leere nie hinnehmen können! Früher ist wenigstens Mama bei mir gewessen, jetzt sitzte ich hier in meiner Wohnung alleine! Ich halte das nicht aus! Es tut immer mehr weh und am liebsten würde ich was kleinhauen!

Mario

[Isa1]

Lieber Mario,

machs ! Wenn du dich danach fühlst, schmeiß dein Geschirr an die Wand (ich nehm nicht an daß es Meissner Porzellan ist). Ich hab das schon öfter gemacht, es war sehr befreiend. Je nachdem, was du für Nachbarn hast: warne sie vor.

[Briele]

Lieber Mario,

mein Lieber. Tantenhaft könnte ich sagen – wie schon einmal – es geht vorbei. Das tut es wirklich, da es momentan aber nicht nützt ist die Aussage unnötig wie ein Kropf.

Vielleicht beruhigt es Dich ein wenig, wenn ich Dir sage, dass alles, wirklich alles, was du empfindest völlig normal ist.

Unmittelbar nach dem Tod meiner Mama, beim und nach dem Begräbnis war ich erstaunt, dass ich nicht zusammenbreche, dass ich das überlebe. Sogar ganz gut.
Und so ergeht es vielen.

Dann vergeht Tag um Tag, es werden Wochen, auch Monate und Du wirst Dir das denken, was ich hier auch schon geschrieben habe: heute ist wieder ein Tag und ich muß und werde ihn irgendwie durchleben.

Und irgendwann trifft einem mit voller Wucht die Erkenntnis, dass der „andere Zustand“ das Leben ohne Mama, ohne den Verstorbenen, nun für immer, immer sein wird. Und wie ein kleines Kind hat man ein Gefühl in sich, jetzt war ich so lang brav, ich hab mich so bemüht, hab alles getan, jetzt muß es doch genug sein, jetzt muß es doch wieder anders werden.

Ich kenn das alles Mario. Ich weiß, wie weh es tut. Ich wollte, ich könnte Dir etwas sagen, etwas geben, Dir Erleichterung und Trost schenken.

Rede, schreibe über Mami, über Deine Trauer. Beschäftige Dich mit ihr. Schreib für Dich auf, was Du an Erinnerungen hast, mach eine Collage mit Bildern von ihr. Mach einmal, wenn Du Zeit hast, etwas mit Deiner kleinen Nichte. Besuch jemanden, den Mami kannte und gern hatte. Lauf ein bisschen, oder geh recht flott, aber lauf der Trauer nicht davon.

Ich verspreche Dir: der Schmerz wird linder werden und so wie alles war, mit Dir, mit Euch und Eurer Mama kann es gar nicht anders – als gut – werden. Sie wird in Euch sein, für immer, es dauert nur noch ein bisschen. Noch bist Du ganz voll von Verlust, Trauer, Schmerz, es ist noch nicht Platz genug. Aber „ZEIT“ spielt in diesem Fall keine Rolle, Du hast soviel davon, wie Du brauchst.

Isa kehrt wohl schon die Scherben auf, wenn noch eine Tasse übrig ist, mach Dir eine heiße Schokolade!

von Deiner Tante Briele

[Alina]

Mein lieber Mario,
wie Briele glaube ich auch, dir versprechen zu können: es wird besser werden !
Ich habe eine sehr intensive, schöne Beziehung zu meiner Mama gehabt, ich habe sie sehr geliebt. Es gab Monate nach ihrem Tod, da hat es mir wirklich fast das Herz zerrissen.
Ich konnte es nicht hören, wenn mir jemand sagte, dass es irgendwann leichter werden wird, für mich hörte es sich wie billige Trostworte an.

Jetzt nach mehr als einem Jahr aber kann ich dir sagen, es geht nun wieder, das Leben. Nicht so wie vorher, aber doch ! Hab Geduld, Mario, rede innerlich mit deiner Mama, bitte sie um Hilfe für dich und deine Geschwister und horch, ob du ihre Antwort hörst, spürst.

Es wird wahrscheinlich noch mal ein wenig schlimmer mit der Sehnsucht und den Trauerschmerzen ! Das ist normal ! Ich denke auch, dass es schon seine Bewandtnis hat mit dem früher oft genannten Trauerjahr. Alles, jedes Fest, jeder besondere Tag im Jahreslauf muss ein Mal ohne sie durchlebt und durchlitten werden. Bei mir war es so.
Aber es geht dann wieder aufwärts. Dieses sich besser Fühlen heißt dann nicht, dass ihr Eure Mama vergesst, sondern dass ihr sie dann eng bei euch und in euch habt.

Es ist gut, dass ihr einander habt, über eure Mama reden könnt miteinander.

Lasst euch von uns allen umarmen,
eure Alina

[mario1]

Liebste Tanten!

Ich weis, zur Zeit schreibe ich eigentlich immer nur das gleiche! Ihr wisst ja eh wie es einem geht in dieser Zeit! Mama ist weg und ich kann sie nicht mehr ins "lebendige" zurück holen!

Ich hatte einen sehr komischen Traum! Ich Träumte von Mamas Begräbnis, so wie es echt abgelaufen ist! Mit der selben Musik, die selben Leute, alle waren sehr traurig und weinten viel! Nach dem der Sarg in die Erde gelassen wurde, versammelten sich alle auf einen Platz und Mama stand auf einer Erhöhung! Sie erzählte selbst ihre Lebensgeschichte, sie weinte dabei immer wieder bitterlichst! Ich wollte zu ihr doch es ging nicht ich konnte mich nicht bewegen! Sie erwähnte immer wieder uns Kinder und wie stolz sie nicht auf uns ist! Nachdem sie fertig war, kam sie auf uns zu, umarmte und ganz feste gab uns jedem einen Kuss und sagte das sie uns alle sehr lieben würde! Ich wollte Mama festhalten es ging aber nicht, sie drehte sich um und ging in eine art Nebel! Kurz vor dem verschwinden, drehte sie sich nochmal um, ich sah sie hatte drähnen in den Augen, sie winkte uns zu und malte mit ihren fingern ein Herz in den Nebel! Dann ging sie langsam rückwärts durch diese nicht durchschaubare Wand!

Es tat sehr gut von Mama zu träumen!

Liebste Grüsse
Mario

[Isa1]

Lieber Mario,

ich freu mich für dich, daß du froh bist um diesen Traum. Auch wenn er ein bißchen traurig ist. Ist dein Alptraum nun weg?

Ich frag euch nicht, wie es euch geht, die Antwort kann ich mir denken.

Aber vielleicht mögt ihr doch einmal, jetzt oder später, ein bißchen von Brigitte erzählen.
Ich würd gern mehr über sie wissen. Und die andern Tanten auch (die kenn ich inzwischen gut genug, um das sagen zu können)

Liebe Grüße von Isa

[Briele]

Lieber Mario, liebe Dani,

war ja ein schöner Traum, Mario, ich wünsch Dir, dass er noch lange nachwirkt. Geht’s Dir auch so wie mir – man fühlt sich nach so einem Traum getröstet, umfangen, hat ein gutes Gefühl, zugleich sehnt man sich schrecklich, möchte alles wirklich sehen, spüren. Vielleicht gibt es mehrere Wirklichkeiten.

Ich kann mir vorstellen, dass Du (wie wir alle) schon Erlebnisse hast, Begegnungen, bei denen man Dir das Gefühl gibt, Dir vielleicht sogar sagt, jetzt muß es aber weiter gehen, Mario, nur nicht stehen bleiben. Falls das so ist, möchte ich Dir und Deiner Schwester ganz schnell sagen, dass dies hier nicht der Fall ist. Wir wissen hier nämlich alle, dass sich lange überhaupt nicht viel tut und es kann gut sein, dass Du uns weiter dasselbe schreibst, weil Du nach wie vor gleich empfindest. Und wir werden Dir dann auch keine neuen Antworten geben können, sondern unsere alten. Und das ist trotzdem alles gut und richtig.

Ich möchte mich Isa anschließen, wann immer Euch danach ist, höre auch ich gerne mehr über Eure Mami.

Wie geht es Dir Dani?

Liebe Grüße von Eurer Tante Briele